Das Gedächtnis Einführung in die Allgemeine Psychologie Was wären wir ohne Gedächtnis? Gedächtnis Das Gedächtnis • • • • • • • Kein Wissen Keine Erfahrungen Keine Kenntnisse Kein Sinn, keine Bedeutung Keine Zeit Keine Orientierung … Ohne Gedächtnis keine Identität! Anfänge der Gedächtnisforschung • Hermann Ebbinghaus (1850- 1909) • Von großer strategischer Bedeutung für Psychologie • Experiment: sinnfreie (?) Silben werden in Reihen dargeboten und müssen dann reproduziert werden- wie viele Durchgänge, bis Reihe gemerkt wird? • Selbstversuch! • Kritikpunkte? Ebbinghaus- die wichtigsten Erkenntnisse Ebbinghaus Vergessenskurve • Jede Zunahme des Lerninhaltes lässt Aufwand überproportional steigen • Ersparnismethode: Wissen perseveriert, auch wenn nicht mehr abrufbar, das bedeutet, wiedererlernen benötigt weniger Energie • Vergessenskurve: Alles, was wir je gelernt haben, bleibt erhalten und übt Einfluss aus, es besteht also eine asymptotische Annäherung an Null! • Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses: +/- 7 Einheiten Ebbinghaus Vergessenskurve Hintergrund Ebbinghaus Herbarts „Apperzeption“: Alles, was wir bewusst oder unbewusst wahrnehmen, bleibt bestehen und kommt durch Stimulation mit anderen Inhalten zum Ausdruck! Strategische Bedeutung: Ebbinghaus sieht seine Experimente als Beweis dafür, dass auch höhere psychische Phänomene naturwissenschaftlich untersuch werden können und legt so Grundstein zur heutigen Ausrichtung der Psychologie! Gedächtnis als aktiver Vorgang • Frederick Bartlett (1886-1969) • Kritik: Funktion von Gedächtnis ist es, Sinn und Bedeutung zu konstruieren – warum ohne Sinngehalt prüfen? Bartletts Experimente • Geschichte wird vorgegeben- 2x lesen • Geschichte aus Kulturkreis nordamerikanischer Indianer „the war of the ghosts“ • Nacherzählen • Bartlett verzichtet in Untersuchungen auf Quantifizierung • „Rationalisierung“: so nennt Bartlett das Umstrukturieren von wahrgenommenen Inhalten, die nicht schemagerecht sind • Gedächtnis ist für Bartlett kein Zustand sondern aktiver Vorgang • Nocheinmal nacherzählen! „Methode der wiederholten Reproduktion“ • Einmal gefundene Version wird beibehalten: „Persistieren der Form“ Praktische Implikationen Methode der seriellen Reproduktion Experiment: • 2 Gruppen • „Stille Post“ ? http://www.youtube.com/watch?v=Ahg6qcgoay4 TERMIN PRÜFUNGEN WIRD NOCH BESTÄTIGT! Methode der seriellen Reproduktion Methode der seriellen Reproduktion Schemata Priming • Kognitive Struktur oder Bezugsrahmen der bei Orientierung hilft • Mentale Strukturen, die notwendig sind, um Entscheidungen zu treffen und Erleben zu ordnen • Wahrnehmung nur innerhalb der Schemata möglich • Verhalten, Erinnern, Verstehen ist schemagerecht Priming: Experiment von Higgins, Roles & Jones (1977): VPs nehmen an ihnen als zwei voneinander unabhängig vorgestellten Untersuchungen teil: • 1 Wahrnehmungsexperiment: Pb müssen Farben identifizieren und gleichzeitig eine Wörterliste lernen • Werden aktiviert durch Hinweisreize (priming) • Kulturell normiert! • Individuell, abhängig vom Erfahrungsraum • 2. Experiment zur Lese- und Verständnisfähigkeit: mehrdeutiger Text über „Donald“ • Frage: – „Was denken Sie über Donald? Priming Exp 1: Wörterliste • VG1: • abenteuerlustig, selbstsicher, unabhängig • VG2: • unbesonnen, eingebildet, reserviert, stur Ergebnis: • VG1: positive Beurteilung • VG2: negative Beurteilung von Donald Subliminale Wahrnehmung • Unterschwellige Wahrnehmung • Sub limen = unter der Grenze • Experiment Kaser: subliminal dargebotene Reize tauchen in Zeichnungen wieder auf • Mythos subliminale Wahrnehmung: Darbietung entsprechender Reize im Kino soll Konsum steigern-entpuppt sich als Werbegag • Unterschied zu Priming: unbewusst! Loftus- Experimente • Wie glaubwürdig sind Augenzeugenberichten? Gedächtnis als soziales Phänomen • Geschilderte Versuchsanordnungen verdeutlichen, wie sehr Gedächtnis von sozialen Bedingungen beeinflusst wird • VPs wird ein Film von Autounfall gezeigt • How fast were the cars going when they smashed into each other?/ contacted each other? • Weitere Bsp: Gerichtspsychologie, Konformitätsexperimente, Sozialisationsstörungen wie Autismus im Zusammenhang mit Gedächtnis • Glassplitter? • http://www.youtube.com/watch?v=TYIh4MkcfJA • Offenbar wurden 2 verschiedene Schemata generiert! • http://www.youtube.com/watch?v=bsJbApZ5GF0 Das Ultrakurzzeitgedächtnis/sensorisches Gedächtnis Gedächtnis als Computeranalogie • Neuropsychologie angelehnt an Informatik mit Input und Output, Hard- und Software • Überraschend große Kapazität • Experiment George Sperling (1960): • Unterscheidung verschiedener Gedächtnissysteme statt Einheit • • • • • • Sensorisches Gedächtnis • Kurzzeitgedächtnis • Langzeitgedächtnis Das Ultrakurzzeitgedächtnis/sensorisches Gedächtnis • Jede Sinneseinheit hat sensorisches Gedächtnis: Bsp Zwicken! • Dh Sinneseindruck perseveriert und bleibt vor Kategorisierung im sensorischen Gedächtnis bestehen • Schwerpunkt der Forschung auf visuellem und auditivem Bereich • Auditive Reize länger abrufbar Reizvorlagen (Konsonantenreihen) werden für 0,05 Sek. Dargeboten Wie viele Buchstaben können reproduziert werden? Bis zu 4 Buchstaben! Inhalt erlischt, bevor er wiedergegeben werden kann! Ganzberichtsverfahren vs Teilberichtsverfahren zeigt, dass auch Buchstaben darüber hinaus kurz im Gedächtnis bestehen bleiben, sensorischer Abdruck abrufbar ist! „sensorisches Register“ Das Kurzzeitgedächtnis • Bezieht sich auf kurzzeitige Speichern von Information die man bewusst abruft • Vergessen keine Fehlleistung sondern Filtermechanismus • Bsp: 3,1415926535, Telefonnummern oder, wie in vielen der kennengelernten Experimenten: Buchstabenreihen! Magical number 7 • George Miller untersucht Limitierung des Kurzzeitgedächtnisses (1956) • Durchschnittliche Kapazität des Gedächtnisses sind 7 +/-2 UNVERBUNDENE Einheiten • BSP: AK- HBM- WAH- S • AKH- BMW- AHS • 3, 1415 926 535 • „Chunking“: Eine gebildete Informationseinheit ist ein Chunk • Erhebliche Kapazitätserweiterung Das Langzeitgedächtnis • Tulving unterscheidet zwischen • Deklarativem Gedächtnis: • Umfasst Wissen über Fakten und Ereignisse • Lässt sich wiederum in semantisches und episodisches Gedächtnis trennen: • Semantisches Gedächtnis: Wörter und ihre Bedeutung, Regeln, erlerntes Wissen • Episodisches Gedächtnis: Erinnerungen an Erlebtes! Entspricht nicht dem Biographischem Gedächtnis, das Relevanzen mit einbezieht Das Langzeitgedächtnis Gedächtnishemmungen Korsakow- Syndrom: • Tulving unterscheidet zwischen Deklarativem und • Prozeduralem Gedächtnis: • Umfasst automatische Bewegungsabfolgen! • Amnesie, die durch chronischen Alkoholmissbrauch aber auch Läsion im Hippocampus ausgelöst werden kann • https://www.youtube.com/watch?v=L7vWgrMV_GQ • Inhalte des Kurzzeitgedächtnisses werden nicht ins Langzeitgedächtnis übertragen Retroaktive Hemmung: • Das Einprägen von Lernmaterial wird durch darauf folgende Lernprozesse gestört • Einprägen ist ein langdauernder Prozess (Konsolidierungsprozess – „Das Gehirn lernt länger als das Bewusstsein“). • Ekphorische Hemmung: Bereits Gelerntes wird durch die Einprägung von neuem Lernstoff oder auch nur durch Wiederholung von Gelerntem kurz vor der Wiedergabe gehemmt (z.B. Prüfung!) • Proaktive Hemmung: Auch gerade abgeschossener Lernprozess erschwert die Aufnahme von neuen Lerninhalten Das kollektive Gedächtnis • Statt dem individuellem Phänomen wird soziales, kollektives Phänomen betrachtet • Konzept geht auf Maurice Halbwachs zurück • : jeder Erinnerungsprozess ist per se sozialer Prozess • Gemeinsame Gedächtnisleistung einer Gruppe von Menschen steht im Mittelpunkt • Individuelle Gedächtnisleistung eingebettet in kollektives Gedächtnis • = Rahmen der gruppenspezifisches Verhalten, gemeinsame Geschichte, gemeinsames Wissen usw möglich macht • Einbettung in soziales Gefüge gibt Erinnerung Sinn und Bedeutung • Wir können nur erinnern, was sich im Rahmen des sozialen Kontextes der Sinn erzeugt, befindet – Nutzen des sozialen Gedächtnis? – Gefahren? Jan und Alaida Assmann: Kulturelles vs. Kommunikatives Gedächtnis • Am Anfang steht Idee, dass Vergangenheit nicht als unveränderliches, geschlossenes Ganzes betrachtet werden kann • Wirft Fragen zu Funktionsweise kollektiver Gedächtnisleistung auf • Wichtig weil soziale Bedingungen d. Gedächtnisses Rahmen der Möglichkeiten individueller Erinnerung festlegen • Hauptfragestellung Jan Assmann: • Je komplexer Kultur desto größer Bedürfnis nach stabiler Form der Erhaltung kulturellen Wissens • Wie formiert sich Kultur und wie entsteht Gruppe? • aus ritueller wird textuelle Kohärenz • Konnektive Strukturen in zweifacher Richtung: • So entsteht Geschichtsbewusstsein • • • • Zusammengehörigkeitsgefühl mit Zeitgenossen Zusammengehörigkeit mit früheren Generationen Einheitlichkeit wird durch rituelle Kohärenz gewährleistet Kommunikatives Gedächtnis: mündlich überliefert, hält 4-5 Generationen) • Ausbildung von Schicht der Schriftgelehrten! • Verwaltung, Aufbewahrung, Kommentierung von Texten • Ein neues kulturelles Gefüge entsteht