Darstellende Geometrie für Architekten und Bauingenieure Version: Wintersemester 2007/08 Erste Fassung: Prof. Dr. Harald Löwe Vorliegende Fassung: Prof. Dr. Rainer Löwen Technische Universität Braunschweig Institut für Analysis und Algebra ii Vorwort Dies ist kein Skript im üblichen Sinne, das heißt, es ist nicht unabhängig von der Vorlesung zu gebrauchen. (Umgekehrt wird aber die Vorlesung auf diese Metrialien angewiesen sein.) Für die meisten Dinge fehlen völlig die Erklärungen, die zum Verständnis unbedingt nötig sind; sie werden nur in der Vorlesung gegeben. Betrachten Sie diese Blätter daher eher als eine Art Malbuch. Sie werden in der Vorlesung bzw. Übung aufgefordert, Konstruktionen, die ich an der Tafel oder auf Folie vormache, auf Ihren Ausdrucken der vorliegenden Blätter mitzuvollziehen. Meine mündlichen Erläuterungen sollten Sie ebenfalls in das "Skript" hinein notieren. Ich wünsche Ihnen Freude an der Entwicklung Ihrer Raumanschauung, denn dies ist in meinen Augen das Hauptziel der Veranstaltung; erst in zweiter Linie dient sie dazu, auch gewisse handwerkliche Fähigkeiten zu entwickeln, die Sie im Studium und im Beruf brauchen werden. Braunschweig, im Oktober 2004 Rainer Löwen –2– Hinweise zu den Hausaufgaben Verwenden Sie weißes und genügend starkes Schreibpapier. Lösungen auf Pergamentpapier werden nicht gewertet. Zeichnen Sie Hilfslinien mit Bleistift (Buntstift nur wenn der Strich ebenso fein ist wie ein spitzer Bleistift — keinesfalls rot oder pink!) Linien der Lösung mit Tusche oder Fineliner verdeckte Linien der Lösung gestrichelt Alle Hilfslinien müssen sichtbar sein, sie sind wesentlicher Bestandteil der Wertung. Arbeiten Sie sehr sorgfältig. Die Genauigkeit wird mitbewertet. Schreiben Sie auf jedes Blatt, das Sie abgeben, Ihren Namen, Ihre Matrikelnummer und Ihr Studienfach. Schreiben Sie Ihren Namen deutlich und immer auf die gleiche Weise. Die Anzahl der Hausaufgaben ist 3 (einheitlich für Architektur und für Bauingenieurwesen). Zum Bestehen müssen alle Aufgaben sinnvoll bearbeitet werden und es muß mindestens die Hälfte der möglichen Gesamtpunktzahl erreicht werden. -- 3 -- §1 Die Architektenanordnung: vom Grund- und Aufriß zur Zentralperspektive Augpunkt Z Bildpunkt A* Zentralprojektion: Der Bildpunkt A* ergibt sich aus dem Punkt A als Schnittpunkt der Bildebene mit der Geraden ZA. Dingpunkt A 1 Architektenanordnung Wintersemester 2004/05 -- 5 -- Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig 1 Architektenanordnung -- 7 -- Wintersemester 2007/08 Bildgerade s1* = s2* s1 s1 Fußpunkt Z' Z Augpunkt Fluchtpunkte Horizont p s2 F F' Grundlinie g Fluchtpunkt F(s1) = F(s2) = F Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Projektionsstrahlen (all diese sind parallel) Bildpunkt A' durch A mit der Bildebene schneidet. Wintersemester 2004/05 A' ergibt sich aus A, indem man den Projektionsstrahl Dingpunkt A Parallelprojektion 1 Architektenanordnung -- 8 -- Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Rißachse Aufrißtafel Grund- und Aufriß einer Pyramide. Wintersemester 2004/05 Grundriß A' Grundriß B' Dingpunkt A Dingpunkt B Aufrisse A''=B'' Die "Projektionsstrahlen" stehen auf der jeweils zuständigen Bildtafel senkrecht. Grundriß- und Aufrißtafel stehen aufeinander senkrecht. 1 Architektenanordnung Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig -- 9 -- 1 Architektenanordnung Wintersemester 2004/05 -- 10 -Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig "Verebnung" durch Drehen der Grundrißtafel um die Rißachse (hier nicht maßstabsgerecht) Aufrißtafel Aufriß C'' Ordner C'C'' Rißachse Grundriß C' (Gedrehte) Grundrißtafel Bem.: Der "Ordner" C'C'' schneidet die Rißachse senkrecht. A*' Aufrißtafel Fußpunkt Z' Grundlinie g Rißachse Augpunkt Z Z'' Wintersemester 2004/05 Z'A' A' A* ZA A A'' A*'' Gesucht: Der Zentralriß A* des Objektes Die "Grundlinie" g ist der Schnitt der Grundrißtafel und der Zentralriß-Ebene; beachte: g=g' Vorgelegt: Ein räumliches Objekt (in Grund- und Aufriß, A' und A'' ) Die Zentralrißebene; diese steht senkrecht auf der Grundrißtafel. Der Augpunkt (ebenfalls in Grund- und Aufriß Z', Z'') Die Architektenanordnung - Räumliche Situation 1 Architektenanordnung -- 11 -- Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Rißachse g' Z'' Z' g' Z' Grundriß, so gedreht, daß g' und g* parallel sind. g* Horizont g* ist die Verlängerung der Rißachse Der Horizont ist die Parallele zur Rißachse durch Z'' Z', Z'' : Grund- und Aufriß des Augpunktes g' : Schnittgerade der Zentralriß-Ebene mit der Grundrißebene. Hier entsteht der Zentralriß des in Grund- und Aufriß gegebenen Objektes. Rechter Teil: Zentralriß Linker Teil: Grund- u. Aufriß Die Architektenanordnung - Vorbereitungen 1 Architektenanordnung Wintersemester 2004/05 -- 12 -- Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Rißachse g' Z' Z'' A*'' A'' A*' A' ord(A*') A*' ist der Schnitt von Z'A' mit g' ord(A*') ist die Senkrechte zur Rißachse durch A*' A*'' ist der Schnitt von Z''A'' und ord(A*') Gegeben: Punkt A in Grundriß A' und Aufriß A''. g' p Z' A* A*' A' s g* Horizont A*' ist der Schnitt von Z'A' mit g' (wie links!) p ist die Parallele zu g* durch A*'' s ist die Senkrechte zu g* durch A*' A* ist der Schnitt von s und p Gesucht: Zentralriß A* des Punktes A. Die Architektenanordnung - Bild eines Punktes 1 Architektenanordnung Wintersemester 2004/05 -- 13 -- Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig h' Rißachse g' Z'' h'' Z' F' p s F g' Die Konstruktion verläuft ganz im rechten Teil: Z' h' g* Horizont p ist die Parallele zu h' durch Z' F' ist der Schnittpunkt von g' und p s ist die Senkrechte zu g* durch F' F ist der Schnittpunkt von s und dem Horizont. (Hier benutzt man, daß h waagerecht) Gegeben: Gerade h (in Grundriß h' und Aufriß h''), die parallel zur Grundrißebene ist. Bem.: h ist dann parallel zur Grundrißebene, wenn h'' parallel zur Rißachse ist. Gesucht: Fluchtpunkt F von h (und aller zu h parallelen Geraden) Die Architektenanordnung - Fluchtpunkte 1 Architektenanordnung Wintersemester 2004/05 -- 14 -- Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig A' g' F' A'' Z' Z'' F' F A* g' g* Horizont h* Wintersemester 2004/05 parallel! h' Rißachse h'' Horizont = Parallele zu g*/Rißachse durch Z''. F' = Schnitt der Parallele zu h durch Z' mit g'. F = Schnitt der Senkrechten zu g* durch F' mit dem Horizont. Konstruktion von F = F(h) und von h*; hier NUR für eine Gerade h, die zur Grundrißebene parallel ist (waagerechte Gerade). Ausnutzen von Fluchtpunkten 1 Architektenanordnung -- 15 -- Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig 1 Architektenanordnung Wintersemester 2004/05 -- 16 -- Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Ausnutzen von Fluchtpunkten: Bild eines Quaders Besitzt ein Quader vertikale Kanten, so sind deren Bilder ebenfalls vertikal und untereinander parallel. Kennt man von einem solchen Quader die Fluchtpunkte F1 und F2 auf dem Horizont sowie drei Eckpunkte, die nicht auf derselben Seitenfläche liegen, so kann man die 5 fehlenden Ecken konstruieren. F2 F1 Diese drei Punkte reichen! Ferner kann man die Mittelpunkte der Seiten konstruieren: F1 F2 1 Architektenanordnung Wintersemester 2004/05 -- 17 -- g' Z' Z'' Rißachse Übung: Konstruiere den Zentralriß des Turms g' Z' g* Horizont Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig 1 Architektenanordnung -- 18 -- Wintersemester 2004/05 g' Z' Rißachse g' Z'' Die Architektenanordnung - Lösung - Z' g* Horizont Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig 1 Architektenanordnung Wintersemester 2004/05 -- 19 -- Z'' Z' Links erkennt man den Aufriß der Zentralprojektion (verzerrt!), rechts die unverzerrte Zentralprojektion. Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig ----2020---- 2 Zugeordnete Normalrisse -- 22 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig § 2 Zugeordnete Normalrisse Normalriß : Parallelprojektion, bei der die Projektionsrichtung senkrecht zur Zeichenebene ist. Zugeordnete Normalrisse : Zwei Normalrisse mit aufeinander senkrecht stehenden Zeichenebenen. Meist: Grundriß und Aufriß ("Zweitafelprojektion"). Europäische Konvention: Grundrißebene liegt unter dem Objekt, Aufrißebene steht hinter dem Objekt. Schnitt der beiden Zeichenebenen heißt Rißachse. P'' Aufriß P'' P Ordner Aufrißebene Anschließende Verebnung der beiden Risse durch Drehen der Grundrißebene um die Rißachse. Rißachse P' Rißachse P' Grundriß Ordner von P : Senkrechte auf die Rißachse durch P' bzw. P''. Bezeichnung: Ord(P') bzw. Ord(P''). Merke: Grundriß P' und Aufriß P'' des Punktes P liegen auf demselben Ordner. Vereinbarung über die Sichtbarkeit einzelner Punkte: A'' C''=D'' C'' verdeckt D'' (C liegt vor D) B'' D' A'=B' A' verdeckt B' (A liegt über B) C' Bemerkungen zu den Lagen von Punkten: P'' P' P'' P' P hinter der P auf der Aufrißebene Aufrißebene P' P'' P hinter der Aufrißebene P' P'' P auf der Grundrißebene und hinter der Aufrißebene 2 Zugeordnete Normalrisse -- 23 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Kreuzriß: Normalriß auf dritte Ebene, die auf Grund- und Aufrißebene senkrecht steht. Aufrißebene P''' Verebnung aller drei Rißebenen. P'' P P'' P''' H''' P' OH' = OH''' O H' P' P''' ist aus P' und P'' konstruierbar. Geraden in Grund- und Aufriß B P Rißachse A'' B' g' Ordner A P' g' A' Spurpunkte : Schnittpunkte von g mit der Grundriß- und der Aufrißebene. Schnittpunkt A von g mit der Grundrißebene: A' liegt auf g', A'' liegt auf g'' und auf der Rißachse. Liegt P auf g, so liegt P' auf g', P'' auf g'' und P', P'' liegen auf einem Ordner. Nutze diese Informationen zur Konstruktion folgender Punkte: - beide Spurpunkte einer Geraden - Aufriß eines Punktes P auf g, dessen Grundriß bekannt ist - Grundriß eines Punktes P auf g, dessen Aufriß bekannt ist Ordner g g'' B'' Ordner g'' P'' 2 Zugeordnete Normalrisse -- 24 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Übung: Konstruieren Sie die Spurpunkte der Geraden g sowie den Aufriß des Punktes P auf g. g'' g' P' Schnittpunkt zweier Geraden: P'' h'' Ordner g'' P' g' h' Zwei Geraden g und h schneiden sich genau dann, wenn die Schnittpunkte P' von g' und h' sowie P'' von g'' und h'' auf einem Ordner liegen. In diesem Fall ist P' der Grund- und P'' der Aufriß des Schnittpunktes P von g und h. g'' g liegt unter h Windschiefe Geraden sind weder parallel noch schneiden sie sich. h'' Für Punkte mit gleichem Grundriß bzw. gleichem Aufriß ist die Frage der Sichtbarkeit zu klären. h' g liegt vor h Die verdeckte Gerade wird unterbrochen gezeichnet. g' Spezielle Lagen von Geraden: (1) Frontgerade (parallel zur Aufrißebene) g'' g g'' g' Rißachse P g' P'' P' (2) Höhengerade (parallel zur Grundrißebene) P g'' g'' P'' g g' P' g' P' 2 Zugeordnete Normalrisse -- 25 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig (3) Parallel zur Kreuzrißebene In diesem Fall wird g nicht eindeutig durch g' und g'' bestimmt. Rißachse B''' g''' B g g''' g'' A''' B'' g'=g'' Rißachse A''=B' g' A' A (4) Projizierende Geraden (senkrecht zu einer der Rißebenen / parallel zu den anderen) g'' P=g'' P=g' g' senkrecht zur Grundrißebene Darstellung von Ebenen P=g''' g'' g' senkrecht zur Aufrißebene senkrecht zur Kreuzrißebene Ebenen sind gegeben durch - zwei parallele Geraden - zwei sich schneidende Geraden - eine Gerade und einen Punkt, oder - drei Punkte s''2 s2 s1 s'1 Die Schnitte s1 und s2 der Ebene mit den Rißebenen heißen Spurgeraden. Spurpunkte von ganz in der Ebene enthaltenen Geraden liegen auf den Spurgeraden. Mit dieser Information kann man die Spurgeraden einer Ebene bestimmen. 2 Zugeordnete Normalrisse WS 2004/05 -- 26 -- Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Übung: Konstruiere die Spurgeraden der Ebene ab. b'' a'' a' b' Spezielle Lagen von Ebenen (2) Zweitprojizierende Ebenen (senkrecht zur Aufrißebene) (1) Erstprojizierende Ebenen (senkrecht zur Grundrißebene) s''2 s''2 s'1 (3) Doppeltprojizierende Ebene (parallel zur Kreuzrißebene, senkrecht zur Grund- und Aufrißebene) s'1 = s''2 s'1 (4) Höhen- oder Schichtebene (parallel zur Grundrißebene) s''2 (5) Frontebene (parallel zur Aufrißebene) (6) Pultebene (senkrecht zur Kreuzrißebene) s''2 s'1 s'1 2 Zugeordnete Normalrisse -- 26a -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Neigungswinkel von Geraden und Ebenen gegen die Grundrißebene Der Neigungswinkel einer Geraden g ist einfach der Winkel ßg zwischen g und dem Grundriß g': g ßg g' In einer Ebene µ liegen Geraden g mit unterschiedlichen Neigungswinkeln. Der größte vorkommende Winkel ßg wird als Neigungswinkel ßµ der Ebene angesehen. ßg ist dann am größten, wenn g in µ enthalten ist und senkrecht zur Grundrißspur s1 von µ steht. h ßg µ g s2 ßh g' h' s1 ßh < ßg ßg = ßµ In dieser Situation heißt die Gerade g eine Fallgerade der Ebene µ. 2 Zugeordnete Normalrisse -- 27 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Hauptlinien Eine Teilgerade einer Ebene heißt Hauptlinie, wenn sie parallel zu einer der Rißebenen ist. f'' h'' h' s''2 f' s'1 h ist parallel zur Grundrißebene. f ist parallel zur Aufrißebene. Inzidenzkonstruktionen I1 Gegeben: Ebene, definiert durch zwei Geraden a,b Grundriß g' einer in ab enthaltenen Geraden g. Gesucht: Aufriß g'' von g. a'' b'' g' b' a' Spezialfall: Die Ebene ist durch ihre Spurgeraden gegeben. s''2 s'1 g' 2 Zugeordnete Normalrisse WS 2004/05 -- 28 -- Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig I2 Gegeben: Ebene ab, Grundriß P' eines Punktes auf ab. Gesucht: Aufriß P'' von P. b'' Konstruktionsverfahren: a'' a' Wähle Hilfspunkte A' auf a' und B' auf b', sod. P' auf der Geraden g' = A'B' liegt. Konstruiere g'' nach I1, sod. g in ab enthalten ist. Dann liegt P'' auf g'' und auf Ord(P'). P' b' Diese Konstruktion wird häufig auch als "Angittern" von P bezeichnet. Übung: Gegeben sind Grund- und Aufriß einer Dachfläche sowie der Grundriß eines Dachfensters. Gesucht ist der Aufriß des Dachfensters. 2 Zugeordnete Normalrisse -- 29 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Lageaufgaben L1 Gegeben: Gerade g und Ebene ab in Grundriß und Aufriß; ab nicht erstprojizierend. Gesucht: Der Durchstoßpunkt P, also der Schnittpunkt von Gerade und Ebene. g'' b'' Konstruktionsverfahren: Konstruiere die in ab enthaltene Gerade h mit h' = g' (-->I1). (h heißt "Deckgerade".) a'' a' P' liegt auf g', also liegt P auf h. P'' ist dann der Schnittpunkt von h'' und g''. P' erhält man über den Ordner von P. g' b' Anschließend an die Konstruktion entscheide über die Sichtbarkeit der Geraden g. Nicht sichtbare Teile von g' und g'' werden gestrichelt eingezeichnet. L2 Gegeben: Zwei Ebenen in Grundriß und Aufriß. Gesucht: Die Schnittgerade der beiden Ebenen. Diese Aufgabe wird auf L1 zurückgeführt: Man bestimme geeignete Teilgeraden der ersten Ebene sowie die Durchstoßpunkte in der zweiten Ebene. Die Verbindungsgerade zweier solcher Punkte ist die gesuchte Schnittgerade. 2 Zugeordnete Normalrisse -- 30 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Seitenrisse und Umprojektionen Aufrißebene P'' P'' P''' P''' P amm amm r ue r ne rdne O P' n Ri eue ßa ch se ne e chs ißa R ue alte Rißachse g12 alter Ordner alte Rißachse P' g13 Wünscht man eine neue Ansicht, um das Objekt anschaulicher oder unverzerrt darszustellen, so konstruiert man einen Normalriß des Objekts auf eine neue Bildebene, die senkrecht zu einer der beiden alten Bildebenen steht. Der neue Normalriß wird "Seitenriß" des Objekts genannt; die Konstruktion eines Seitenrisses aus einer Zweitafelprojektion heißt "umprojizieren". Im Beispiel steht die Seitenrißebene senkrecht auf der Grundrißebene. Nach dem Umprojizieren ist der Aufriß überflüssig geworden und kann daher weggelassen werden. Man nennt in diesem Fall die Aufrißebene auch "wegfallende Rißebene"; die Rißachse zwischen Grund- und Aufrißebene heißt "wegfallende Rißachse". Ein Seitenriß kann in der Zweitafelprojektion durch die Angabe einer neuen Rißachse eingeführt werden. Dabei gilt: Der Abstand des neuen Risses von der neuen Rißachse ist gleich dem Abstand des alten Risses von der alten Rißachse. Mit g12 = wegfallende Rißachse und g13 = neue Rißachse ergibt sich daher: P''' liegt auf Ord(P', g13) mit Abst(P''', g13) = Abst(P'', g12) Die Richtung, in welcher die Abtragung zu erfolgen hat, ist nicht festgelegt - hat man sich aber bei einem Objekt für die Richtung entschieden, so liegt sie für alle Objekte fest. 2 Zugeordnete Normalrisse WS 2004/05 -- 31 -- Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Übung: Konstruiere den Seitenriß (Aufrißebene = wegfallende Rißebene) E''=H'' F''=G'' A''=D'' B''=C'' S'' 12 C'=G' D'=H' S' 13 B'=F' A'=E' Doppelter Seitenriß: Aufrißebene 34 12 Zweimaliges Umprojizieren liefert den "doppelten Seitenriß". Im Bild: Die erste Seitenrißebene steht senkrecht zur Grundrißebene und ersetzt die alte Aufrißebene. Die zweite Seitenrißebene steht auf der ersten senkrecht und ersetzt die Grundrißebene Analog kann man zunächst die Grund-- und dann die Aufrißebene ersetzen. Durch den doppelten Seitenriß kann jede Ebene als Bildebene bzw. jede Gerade als Richtung einer Normalprojektion gewählt werden. 13 34 P'' 13 12 P''' Ordner P' Ziele: er Ordn Ordner P'''' (1) Anschauliche Darstellung eines Objekts. (Vgl. nächste Übung.) (2) Geometrische Grundkonstruktionen; z.B. Ermittlung der wahren Gestalt einer ebenen Figur. 2 Zugeordnete Normalrisse WS 2004/05 -- 32 -- Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Übung: Konstruieren Sie den doppelten Seitenriß des Würfels. E''=F'' G''=H'' A''=B'' C''=D'' A'=E' C'=H' B'=F' D'=G' 34 12 13 Projizierendmachen von Geraden und Ebenen PG Projizierendmachen einer Geraden g und zugleich jeder Ebene, die g enthält: Schritt 1: Wähle Seitenrißebene µ parallel zu g, senkrecht zur Grundrißebene. g ist dann Frontlinie bezüglich µ. Der Schritt entfällt, wenn g schon Frontlinie der Aufrißebene ist. Schritt 2: Wähle Seitenrißebene senkrecht zu g und µ. Genauer: Wähle Rißachse 13 parallel zu g' - etwa 13=g'. Wähle Rißachse 34 senkrecht zu g'''. Dann ist g'''' ein Punkt. g'' 12 g' Notation: µ1 = Grundrißebene; µ2 = Aufrißebene; µ3 = erste Seitenrißebene; µ4 = zweite Seitenrißebene. 2 Zugeordnete Normalrisse -- 33 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Übung: Drehe den Punkt P um 50° um die Achse g. Der gedrehte Punkt heiße Q. Lösung durch Projizierendmachen der Geraden g. Im Normalriß auf µ4 erscheint die Drehung von P unverzerrt als Drehung von P'''' um den Punkt g'''''. Im Seitenriß µ3 ist der Riß des Bildpunkts von P auf der Senkrechten zu g''' durch P''' zu finden. P'' ß g'' P' Q'''' Ordner 12 g' Q''' P'''' g'''' 34 g''' P''' Q entsteht aus P durch Drehung. Übung: Neigungswinkel einer Geraden g gegen die Grundrißebene [Aufrißebene analog] Lösung in einer zu g parallelen Seitenrißebene; der Winkel von g''' zur Rißachse 13 ist der gesuchte. Beispiel: Die Gerade g enthält den Punkt A und hat gegen die Grundrißebene den Neigungswinkel 30°. Konstruiere g''. 12 A'=A'' g' PE Projizierendmachen einer Ebene ß. a'' 12 Lösung durch Konstruktion einer Höhenlinie h in ß und Einführung einer Seitenrißebene senkrecht zu h - dann ist ß''' eine Gerade. b' Wähle h'' parallel zur Rißachse 12. Konstruiere h' nach I1. Wähle 13 senkrecht zu h'. a' Ist g in ß enthalten, so ist g''' = ß''' oder g''' ist ein Punkt. b'' Übung: Bestimme den Neigungswinkel der durch ihre Spuren gegebenen Ebene gegen die Grundrißebene. Lösung durch Projizierendmachen der Ebene ß - dann ist der Winkel von ß''' zur Rißachse gleich dem Neigungswinkel. 2 Zugeordnete Normalrisse WS 2004/05 -- 34 -- Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Entzerren durch Umprojizieren Übung: Ebener Schnitt in wahrer Gestalt und Größe Konstruieren Sie die wahre Gestalt des Schnitts ¶ des Trichters mit der Ebene UVW. B''=C'' A''=D'' Schritt 1: Projizierendmachen der Schnittebene ß nach (PE). ß''' ist eine Gerade! Schritt 2: Einführen eines neuen Seitenrisses parallel zu ß. Wähle Rißachse parallel zu ß'''; z.B. 34=ß'''. ¶'''' zeigt ¶ in wahrer Gestalt und Größe. S'' D' C' W' U' A' S' V' B' Eine Alternative hierzu ist das Entzerren durch perspektive Affinitäten Figuren in einer Ebene schräg zur Bildebene werden bei der Parallelprojektion verzerrt dargestellt. Um das auszugleichen und die Originalgestalt wiederherzustellen, benötigt man perspektive Affinitäten. Das sind sozusagen Projektionen innerhalb einer Ebene, mit folgenden Eigenschaften, die ihre Konstruktion ermöglichen: 1. Jedem Punkt A entspricht ein Bildpunkt A* 2. Die Punkte einer Geraden g werden auf die Punkte einer Bildgeraden g* abgebildet 3. Parallele Geraden haben parallele Bildgeraden 4. Es gibt eine Gerade a (genannt Achse), deren Punkte auf sich selbst abgebildet werden (A = A*). Alle Bildpunkte einer affinen Perspektivität lassen sich leicht konstruieren, wenn man die Achse a sowie einen Punkt B außerhalb a und sein Bild B* kennt. Da durch diese Daten alles andere festgelegt ist, schreibt man für das Bild eines weiteren Punktes A dann A* = paff(A; a, B, B*) Merke: Die Geraden BB* sind alle untereinander parallel. 2 Zugeordnete Normalrisse WS 2004/05 -- 35 -- Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Übung: Man konstruiere die Bildpunkte X* = paff(X; a, B, B*) für die Punkte X = A sowie X= C und X=D. A B D C B* a Beispiel: Jede (senkrechte oder schräge) Spiegelung an der Geraden a ist eine perspektive Affinität mit der Achse a. Eine perspektive Affinität heißt orthogonal, wenn die Gerade BB* einmal (und dann immer) senkrecht zur Achse steht. Anwendung: Paralleldrehen einer Ebene. (hier nur: Paralleldrehen zur Grundrißebene; Paralleldrehen zur Aufrißebene geht analog.) k P'' P r h'' Q'' h P° r P°' M k' M' Q P' h' Die von ihrer Höhenlinie h und vom Punkt P aufgespannte Ebene soll um h parallel zur Grundrißebene gedreht werden. Beachte hierbei: - P und P° liegen auf einem Kreis k, dessen Mittelpunkt M auf h liegt, und dessen Radius senkrecht auf h steht. - Der Radius r von k hat die Länge r = Abst(M,P). - Es gilt: Abst(M',P') = Abst(M,Q). Abst(P'',Q'') = Abst(P,Q). Abst(M',P°') = Abst(P°,M) = r. - Wir erhalten: k' = P'P°' steht senkrecht auf h'. M' ist der Schnitt von k' und h'. Abst(P°',M')² = r² = Abst(M',P')² + Abst(P'',Q'')². Hieraus entnehmen wir folgende Konstruktion: -- 36 -- P'' Gegeben: Höhenlinie h, Punkt P einer Ebene. a Q'' - h'' 12 r k' P°' P' c h' Q'' = Schnitt von Ord(P'') und h''. k' = Senkrechte zu h' durch P' M' = Schnitt von k' und h' H' auf h' mit Abst(H',M') = a = Abst(Q'',P'') P°' auf k' mit Abst(P°',M') = r = Abst(H',P') Bem.: P'M'H' rechtwinkliges Dreieck M' r a 2 2 r =a +c Bezeichnung der Konstruktion: P°' = Dreh(P,h)'. 2 H' Merke: Es sei hP eine Ebene mit Höhenlinie h und Punkt P sowie ß eine in hP enthalten Figur, weiterhin sei ß°' = Dreh(ß, h)' der Grundriß der um h parallel zur Grundrißebene gedrehten Figur. Dann zeigt ß°' die wahre Gestalt und Größe von ß. Die Zuordnung zwischen dem Grundriß ß' und ß°' ist eine orthogonale perspektive Affinität; genauer: ß°' = paff(ß' ;h',P',P°'), und P'P°' steht senkrecht auf h'. Übung: Vorgelegt ist eine Ebene (Grundrißspur h; Aufrißspur f) sowie der Grundriß einer in der Ebene gelegenen Geraden g. Zeichnen Sie ein regelmäßiges Sechseck in der Ebene mit 1,5 cm Kantenlänge so ein, daß der Punkt P eine Ecke des Sechsecks ist, und die Gerade g eine Diagonale des Sechsecks ist. f'' 12 P' h' g' 2 Zugeordnete Normalrisse -- 37 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Maßaufgaben M1 13 Abstand zweier Punkte / Abtragen von Strecken (1) Lösung durch Einführung einer Seitenrißebene parallel zur Strecke. A'' B'' A'' Schnelleres Verfahren: amm bmm hmm B'' 12 B' bmm B' A' A' B''' amm A''' hmm Abst(A,B)mm Abst(A,B)mm (2) Drehkegelmethode B'' Abst(A,B)mm B k'' A'' d d A A* k Übung: Trage auf g von A aus eine Strecke von 2cm ab. A'' g'' g' A' B' A' k' = Kreis(B', Abst(A',B')). A*' = Schnitt der Parallele durch B' zu 12 mit k' A*'' = Schnitt der Parallele durch A'' zu 12 mit Ord(A*'). Abst(A,B) = Abst(A*'', B''). A*'' 12 k' A*' Abstand eines Punktes P zu einer Ebene ß. Schritt 1: Konstruiere die Normale durch P auf ß und deren Schnittpunkt L mit ß. Schritt 2: Bestimme Abst(P,L) nach M1. M2 -- 38 -- Lot auf eine Ebene: n = Ort(P,ß). P'' 12 - Höhenlinie h der Ebene beliebig. - Frontlinie f der Ebene beliebig. - n' = Senkrechte zu h' durch P' - n'' = Senkrechte zu f'' durch P'' Lotfußpunkt L = Schnitt der Ebene mit n nach L1. Abst(P,ß) = Abst(P,L) nach M1 P' Bemerkung: Sind ein Punkt Q und eine Gerade g gegeben, so erhält man die auf g senkrecht stehende Ebene ß durch den Punkt Q wie folgt: Q'' g'' g' h'' = Parallele zur Rißachse durch Q'' h' = Senkrechte zu g' durch Q' f' = Parallele zur Rißachse durch Q' f'' = Senkrechte zu g'' durch Q'' ß = fh Q' M3 Abstand eines Punktes P zu einer Geraden g. Schritt 1: Konstruktion der Lotebene durch P zu g und ihres Schnittpunktes L mit g. Schritt 2: Bestimmen von Abst(P,L) nach M1 g'' P'' g' P' 3 Kotierte Projektion -- 40 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig § 3 Die kotierte Projektion Bei der "kotierten Projektion" wird jeder Raumpunkt X durch - seinen Grundriß X' sowie - seine (Höhen-) "Kote" = Abstand von X zur Grundrißebene dargestellt. Dabei ist für die Höhe ein Maßstab anzugeben. D 7 Kotierte Projektion: A C' 1mm A' C'(1) C 7mm 1mm 2 1 A'(1) D' 5 D'(7) B=B' B'(0) Übung: Zeichne den Seitenriß des Walmdachs. D'(1) A'(1) E'(5) B'(1) F'(5) C'(1) Ri ßa ch se Maßstab: 0 1 2 3 4 5 3 Kotierte Projektion -- 41 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Eine Gerade g wird in der kotierten Projektion als "graduierte Gerade" dargestellt: g' imm (2) (4) (3) (5) (6) g Punkte P auf g mit ganzzahliger Kote heißen "Hauptpunkte" der Geraden g. 1mm Der Abstand zwischen den Grundrissen benachbarter Hauptpunkte heißt das "Intervall" i von g. ß kmm ß (k) (k+1) imm Für den Winkel ß zwischen der Gundrißebene und der Geraden g gilt : tan(ß) = 1/i Dieser Wert heißt "Anstieg", "Böschung" oder "Steigung" bzw. "Gefälle" von g. Gelegentlich wird der Anstieg als Prozentwert p% angegeben: p = 100/i. Beispiel: Wegen 100/100 = 1 = tan(45°) entspricht einer Steigung von 100% der Winkel ß = 45°. Übung: Bestimme die Graduierung der Verbindungsgeraden der Punkte A und B. A'(3,7) B'(2,2) g' g' -- 42 -- WS 2004/05 3 Kotierte Projektion Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Eine parallel zur Grundrißebene verlaufende Gerade g heißt "Höhengerade". Schreibe g=g(z), wenn g in der Höhe z verläuft. Ist z ganzzahlig, so heißt g = g(z) "Haupthöhengerade" oder "Hauptschichtgerade" Ebenen Ebenen werden in der kotierten Projektion durch ihre Hauptschichtengeraden g(z) (z ganz) dargestellt. Die resultierende Parallelschar {g'(z), z ganz} heißt "Hauptschichtenplan" der Ebene. f' f h(z) h'(k+2) h'(k+1) ß h(0) h'(k) h'(z) h'(k-1) f' h'(k-2) "Fallgeraden" f haben die stärkste Neigung gegen die Grundrißebene. Jede Fallgerade steht senkrecht auf jeder Hauptschichtengerade; dies gilt auch im Grundriß! Eine Fallgerade wird durch einen Doppelstrich angegeben und in Fallrichtung orientiert. Beachte: Durch eine graduierte Fallgerade ist die Ebene eindeutig bestimmt. Es gilt: Anstieg (Böschung, Steigung) der Ebene = tan(ß) = 1/i; i heißt "Intervall" der Ebene. Übung: Konstruiere die Ebene durch die Punkte A, B und C sowie deren Anstieg. B'(-2) Lösung: Zwei der Dreiecksseiten werden graduiert. graduiert: die Punkte mit gleicher Höhe bestimmen den Hauptschichtenplan der Ebene. Der Anstiegswinkel ß wird in einem Seitenriß einer beliebigen Fallgeraden bestimmt. C'(1) A'(3) 1 2 3 4 5 Übung: Bestimme die Schnittgerade der durch die Hauptschichtenpläne {h(z)} und {k(z)} gegebenen Ebenen. k'(5) k'(4) h'(2) k'(3) h'(3) h'(4) k'(2) h'(5) Übung: Bestimme den Schnittpunkt der durch den Hauptschichtenplan {h(z)} gegebenen Ebene mit der graduierten Geraden g. g' (2) h'(4) (1) h'(3) (3) h'(2) (4) h'(1) (5) Übung: Konstruiere in der durch den Hauptschichtenplan {h(z)} gegebene Ebene einen Kreis mit Mittelpunkt M und Radius 2cm. h'(5) h'(4) h'(3) h'(2) M'(2,7) h'(1) h'(0) -- 43 -- 3 Kotierte Projektion -- 44 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Erste Grundaufgabe: Gegeben: Gerade g, Anstieg µ mit tan µ = 1/j Gesucht: Ebene gh durch g mit Anstieg ß, tan(ß) = 1/i. (Keine senkrechte Ebene!) Vorüberlegung: Die Ebene gh möge eine Lösung des Problems sein. Dann hat eine Fallgerade f von gh den Anstieg ß, und dies ist der größte Anstieg von allen in gh enthaltenen Geraden. Also ist zwangsläufig ß > µ oder ß = µ. Fazit: Die erste Grundaufgabe ist unlösbar für ß < µ. Fall ß = µ: Dann ist g eine Fallgerade der gesuchten Ebene gh, und der Hauptschichtenplan von gh steht senkrecht zu g'. In diesem Fall gibt es nur eine Lösung. Ab jetzt sei ß > µ. In diesem Fall sind genau zwei Lösungen zu erwarten, die von g aus gesehen nach verschiedenen Seiten abfallen. Ein Teil des Problems besteht darin, unter diesen Lösungen diejenige zu erkennen, die gewünscht wird. Meist benötigt man nur eine (durch g begrenzte) Hälfte der gesuchten Ebene, und es ist vorgegeben, auf welcher Seite von g' sie liegt, und ob sie gegenüber g ansteigt oder abfällt. Lösung 1 g Lösung 2 Hierüber sollte man sich vor Beginn der Konstruktion klarwerden. Fall µ = 0: D.h., g ist eine Höhengerade (parallel zur Grundrißebene) Dann ist der Hauptschichtenplan {h(k)} der gesuchten Ebene parallel zu g'. Es gibt zwei Lösungen! Lösung 1 h'(k-2) Lösung 2 h'(k+2) h'(k-2) h'(k+1) h'(k-1) g' = h'(k) g'=h'(k) h'(k-1) h'(k+2) h'(k+1) Wähle auf g beliebige Punkte P = P(u) und G = G(m) mit verschiedenen Koten u, m.-- 45 -- Fall µ > 0 : Zeichne: Kreis k' um P' mit Radius r (vorerst beliebig); Tangente h' an k' durch G'; Gerade f ' durch P' senkrecht zu h' (Thales!). h' ist Grundriß einer Höhengeraden mit Kote m: h' = h'(m), und f ' ist Grundriß einer Geraden f durch P, welche h(m) schneidet. Die Ebene gh(m) hat dann die Fallgerade f, und ihr Anstieg ist |m - u|/r. Die Lösung erhalten wir somit durch die Wahl Wir wollen Anstieg 1/i. k' Lösung 1 g' h' Lösung 2 h'(u +1) h'(u) P'(u) r = i x |m - u| r g' P' r h'(m) h'(m-1) G'(m) G' k' f' f' Variante für Halbebenen: Lösung 1 g' P'(u) g' Lösung 2 P'(u) h'(u) G'(m) f' r G'(m) f' Übung: Böschen Sie die ebene Straße (Randgeraden g1, g2) gegen das ebene Gelände (Fallgerade f) ab. Verwenden Sie das Intervall i = 0,5 sowohl für den Abtrag als auch für den Auftrag. 8 9 10 11 12 10 13 9 14 g1' 8 g2' 7 6 f' 3 Kotierte Projektion -- 46 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Zweite Grundaufgabe: Vorgelegt sei eine Ebene ab mit Anstieg tan(ß) = 1/i, ein Punkt P = P(u) dieser Ebene sowie der Anstieg tan(µ) = 1/j. Finde alle Geraden g durch den Punkt P, die in ab enthalten sind und deren Anstieg 1/j beträgt. Lösung: Wähle eine Kote m verschieden von u. Jede der gesuchten Geraden g schneidet die Höhenschichtlinie h(m) von ab in einem Punkt Q. Ist r der Abstand von P' und Q', so hat g den Anstieg |m - u|/r. Also müssen wir Q' auf einem Kreis um P' mit Radius r = j x |m - u| suchen. Für µ < ß gibt es zwei, für µ = ß eine und für µ > ß keine Lösungen. h'(u) = z(P) r = j x |m - u| P'(u) h'(m) k' = k(P',r) Erste Lösung Zweite Lösung Übung: Vorgelegt ist eine Ebene durch ihre Graduierung {h(u)} sowie zwei Punkte A,B dieser Ebene. Gesucht ist ein Weg ("Serpentine") mit halbem Anstieg auf der Ebene, der von A nach B führt. 15mm 4 A'(4) 5 6 7 8 B' 4 Ellipsen -- 48 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig § 4 Ellipsen y C X e b A w F2 B M F1 a x a b D A,B AB M Hauptscheitel (Krümmungsmaxima) Hauptachse Mittelpunkt Nebenscheitel (Krümmungsminima) Nebenachse Brennpunkte C,D CD F1,F2 Geometrische Definition: Abst(X,F1) + Abst(X,F2) = 2a Parametrisierung: x = a cos(w), y = b sin(w) Gleichung: (x/a)² + (y/b)² = 1 Zweikreiskonstruktion: C1 h = kr( M, Abst(M,A) ) = Hauptscheitelkreis n = kr( M, Abst(M,C) ) = Nebenscheitelkreis s = beliebiger Strahl durch M U = Schnittpunkt von s und n V = Schnittpunkt von s und h h V C e X U A Der Schnittpunkt X von Senkr( U, CD ) und Senkr( V, AB ) ist ein Punkt der Ellipse e, denn in Koordinaten gilt: n M s B1 B D V = (x,y), U = (cx,cy), X = (x,cy) mit c = b/a Nebenbei folgt, daß die Ellipse e aus jedem der beiden Kreise h und n durch eine perspektive Affinität gewonnen werden kann: paff ( h; AB, C1, C ) = e = paff ( n; CD, B1, B ) -- 49 -- Papierstreifenkonstruktion Gegeben: Scheitel einer Ellipse X b b N X H Markiere einen Papierstreifen wie angegeben. N a H a Lege N an die Nebenachse und H an die Hauptachse an - dann ist X ein Punkt der Ellipse. Näherungsweises Zeichnen mit Hilfe der Krümmungskreise 2 2 Krümmungskreise haben Radien b /a und a /b Gegeben: Scheitelpunkte einer Ellipse e Konstruiere die Krümmungskreise von e in diesen Scheitelpunkten und zeichne e näherungsweise. 2 2 Drei ähnliche Dreiecke zeigen: R : a = a : b und r : b = b : a, daher ist r = b /a und R = a /b. 4 Ellipsen -- 50 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Tangentenkonstruktion Gegeben: Scheitel A,B,C,D einer Ellipse e, Punkt X Gesucht: Tangenten durch X an e. Spezialfall: e ist ein Kreis. X e Allgemeiner Fall: Verwandle die Ellipse in einen Kreis durch eine perspektive Affinität. Mit der umgekehrten Affinität hole die Lösung vom Kreis zur Ellipse zurück. X C A M D B 4 Ellipsen -- 51 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Orthogonale Geradenpaare Unser Ziel ist es, die Haupt- und Nebenachse einer gegebenen Ellipse zu konstruieren. Dafür benutzen wir folgenden Sachverhalt: Gegeben eine (nicht unbedingt orthogonale) affine Perspektivität X* = paff ( X; s, P, P* ). Dann gibt es ein orthogonales Geradenpaar a b durch X derart, daß auch das Paar a*, b* durch X* orthogonal ist, a* b*. Das Paar a,b ist eindeutig bestimmt, wenn die Perspektivität keine orthogonale Spiegelung ist. T T Wir schreiben {a, b, a*, b* } = orthpaar (s, X, X* ) und konstruieren es wie folgt: k m = Mittelsenkrechte zu (X, X*) U M=m s s B k = kr (M, Abst (M, X )) U { A, B } = k s a = AX, b = BX b* M X* m b a* A a X Sonderfall: m II s -- dann ist a = a* = XX* und b II s, b* II s. Sonder - Sonderfall: m = s -- dann ist die Perspektivität eine orthogonale Spiegelung und das orthogonale Paar a, b kann beliebig gewählt werden. 4 Ellipsen WS 2004/05 -- 52 -- Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Konjugierte Durchmesser einer Ellipse e e u v Es gilt: Zwei Durchmesser u, v einer Ellipse heißen konjugiert, wenn das zugehörige Tangentenviereck ein Parallelogramm ist und die Durchmesser zu den Tangenten parallel sind. Ist das Tangentenparallelogramm ein Quadrat, so ist e ein Kreis. Ist e kein Kreis, so gibt es genau ein Paar orthogonaler konjugierter Durchmesser, nämlich die Hauptund Nebenachse. (Das zugehörige Tangentenparallelogramm ist ein Rechteck!) Perspektive Affinitäten bilden Ellipsen (einschließlich der Kreise) auf Ellipsen ab. Außerdem gilt: Dabei werden konjugierte Durchmesser auf konjugierte Durchmesser der Bildellipse abgebildet. Tangenten werden auf Tangenten der Bildellipse abgebildet. Schließlich bildet auch jede Parallel- oder Zentralprojektion Ellipsen auf Ellipsen ab. Konstruktion der Hauptachsen aus konjugierten Durchmessern Gegeben: Konjugierte Durchmesser u, v einer Ellipse e; Mittelpunkt X = Schnitt von u und v. Gesucht: Die Hauptachsen und die Scheitelpunkte von e. Verwende hierzu eine perspektive Affinität, die das Tangentenparallelogramm auf ein Quadrat abbildet. Dann ist das Bild von e ein Kreis mit dem Mittelpunkt X*. Die Hauptachsen a,b ergeben sich aus der Konstruktion { a, b, a*, b* } = orthpaar( s, X, X* ), wobei s die Affinitätsachse der perspektiven Affinität ist. u v 4 Ellipsen WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Anwendung: Parallelriß eines Kegels mit kreisförmiger Grundfläche. -- 53 -- ----2054---- 5 Axonometrie -- 57 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig § 5 Axonometrie Wir betrachten vier Punkte O*, X*, Y*, Z* in der Ebene, von denen keine drei auf einer Geraden liegen. Vorgelegt sei außerdem ein räumliches cartesisches Koordinatensystem mit Ursprung O sowie den Achsen-Einheitspunkten X, Y, Z. Jedem Raumpunkt P(x,y,z) ordnen wir nun den Punkt → → → P* = x ⋅ O* X*+ y ⋅ O* Y *+ z ⋅ O* Z* der Zeichenebene zu. Derartige Abbildungen heißen "Axonometrien". Beispiel: Schräge Parallelprojektionen liefern axonometrische Bilder. Umgekehrt gilt: Der Satz von Pohlke: Vorgelegt sei ein räumliches Koordinatensystem O, X, Y, Z sowie vier Punkte O*, X*, Y*, Z* in der Zeichenebene, von denen keine drei auf einer Geraden liegen. Dann kann man die Zeichenebene so in den Raum legen, daß die zu den Angaben gehörende Axonometrie eine (eventuell vergrößerte oder verkleinerte) schräge Parallelprojektion ist. Vereinbarung: Das Bild eines Punktes P bei einer Axonometrie bezeichnen wir wieder mit P (statt P*). Außerdem drehen wir die Zeichenebene so, daß die z-Achse OZ vertikal liegt. Übung: Zeichne das axonometrische Bild des Dreiecks mit den Eckpunkten A(1,1,1), B(0,2,1/2) und C(-1,1,0) Z O X Y -- 58 -- z Axonometrische Angaben vertikal Z n l a O horizontal m c b Y X y x Axonometrische Verzerrungsfaktoren: Spezialfälle: Isometrie: l = m = n n = Abst(O,Z) m = Abst(O,Y) l = Abst(O,X) Dimetrie: Zwei Verzerrungsfaktoren sind gleich c < 180°: Winkel von der positiven x-Achse auf die positive y-Achse Konvention: Ist c positiv orientiert (d.h. X links von Y), so ist das axonometrische Bild eine Aufsicht Bei negativ orientierten Winkel c liegt eine Untersicht vor. Jede Axonometrie ist durch die "axonometrischen Angaben" - l, m, n, a, b, oder - O, X, Y, Z eindeutig festgelegt. Einfache Spezialfälle: z Kavalierperspektive: m = n = 1, b = 0° Aufriß in wahrer Gestalt und Größe. (Schrägprojektion auf die Aufrißebene.) 1 y x 1 Militärperspektive: l = m = 1, a+b = 90° z Grundriß in wahrer Gestalt und Größe. (Schrägprojektion in die Grundrißebene.) 1 1 y x 5 Axonometrie -- 59 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Das axonometrische Aufbauverfahren Konstruiere zunächst den axonometrischen Grundriß des Objekts Z X O und trage dann die verzerrten Koten der Punkte ab Y P' P n x Kote des Punktes P P' Beachte dabei: Der (gewöhnliche) Grundriß wird in den axonometrischen Grundriß durch eine perspektive Affinität überführt. Affinitätsrichtung = XX' Grundriß OY als Affinitätsachse X' auf der Senkrechten zu OY durch O mit Abst(O,X') = Abst(O,Y) Grundriß im Koordinatensystem O'X'Y' mit O'=O, Y'=Y einzeichnen; dabei evtl. den Maßstab anpassen. X' X Dann: paff(*; OY. X', X) überführt den Grundriß in den axonometrischen Grundriß. Y = Y' Affinitätsachse = y-Achse axonometrischer Grundriß Einschneidevefahren: Hierbei geht man von Grundriß und Aufriß (eventuell in verschiedenen Maßstäben) eines Objektes aus. Man ordnet die beiden Risse fast beliebig auf dem Zeichenblatt an und wählt 2 "Einschneiderichtungen". Gemäß der folgenden Figur entsteht dann in jedem Fall ein axonometrisches Bild des Objektes, das allerdings recht "entartet" sein kann. (Mehr hierzu auf der nächsten Seite unten.) Die x- und z-Achse liegen in den Einschneiderichtungen, und der Punkt Y ist der Schnittpunkt der Geraden in Einschneiderichtung durch Y' und Y''. Damit ist auch die y-Achse bestimmt. -- 60 -- Einschneideverfahren (Schnellriß) z'' P'' P = axonometrisches Bild des Punktes mit Grundriß P' und Aufriß P''. z Aufriß Z'' P O'' Z Y'' O Einschneiderichtung X x tung eiderich Einschn Y y'' y O' Y' X' x' P' y' Grundriß Will man die axonometrischen Daten vorgeben, so verwendet man folgende Konstruktion der Lage des Aufrisses z'' (für Grundriß ebenso) v z Z'' Z x X x-Achse = g n u t eiderich Einschn u O'' Y'' v y'' u O Y y Die schraffierten Dreiecke sind kongruent! Allgemeine Axonometrie: Grund-, Auf- und Kreuzriß können verschiedene Maßstäbe haben. Orthogonale Axonometrie: Grund-, Auf- und Kreuzriß haben gleichen Maßstab. 5 Axonometrie -- 61 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Orthogonale Axonometrie Projektionsrichtung steht senkrecht auf der Zeichenebene. Dann gilt: l² + m² + n² = 2 Voraussetzung für die folgende Konstruktion: n² < l² + m² Konstruktion der Achsen aus den Verzerrungsfaktoren: z-Achse ist vertikal. z Die Winkel zwischen den Achsen sind immer stumpf! O Sx k(A,l²) x Sy B A horizontal n² y k(B,m²) Beginn der Konstruktion: Zeichne A, B auf horizontaler Geraden im Abstand n². z Konstruktion der Verzerrungsfaktoren aus geg. Achsen einer orthogonalen Axonometrie. Sz 1 z'' Z X Bemerkung: Der Grundriß (x'-y'-System) wird durch paff( *; Sx Sy , O', O) 1 O Y in den axonometrischen Grundriß überführt! y'' Sx Sy (beliebig auf der y-Achse) x y' x' y Thaleskreis 1 O' 1 Thales(Sx ,Sy ) 5 Axonometrie -- 62 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Genormte orthogonale Isometrie nach DIN ISO 5456-3 z Radius 0,82 cm 1 cm l = m = n = sqrt(2/3) = 0,82 Z 30° a = b = 30° O X 30° Y x y Ingenieursaxonometrie (genormte Dimetrie, DIN ISO 5456-3) Daten für das Schnellriß-Verfahren: z 1 cm z''' Z 0,47 cm Kreuzriß 0, 94 cm O 41,5° X 7° Y z x''' y z'' w 0,94 cm Aufriß a x x v b Axonometrische Angaben: 2 l = m = n = 2 sqrt(2) / 3 = 0,94 a = 41,5° b = 7° y Alternativ: l = 2 m = n = 2 sqrt(2) / 3 = 0,94 a = 7° b = 41,5° x' u d ri Grun Schnellkonstruktion der Achsen: ß y' z genormte Isometrie 30 20 O y x 20 Die Ingenieursaxonometrie ist ebenfalls orthogonal. IngenieursAxonometrie a 30° 7° 41,5° b 30° 41,5° 7° u 45° 20,5° 69,5° v 45° 69,5° 45° w 45° 45° 69,5° y'' 5 Axonometrie WS 2004/05 -- 63 -- Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Durchdringungen Werden zwei Polyeder zum Schnitt gebracht, so ergibt sich ein (evtl. mehrteiliges) räumliches Polygon. Dieses Polygon erhält man nach - dem Kantenprinzip: Bestimme alle Schnittpunkte der Kanten des ersten Polyeders mit dem zweiten und alle Schnittpunkte der Kanten des zweiten Polyeders mit dem ersten. Das Schnittpolygon ergibt sich punktweise. - dem Ebenenprinzip: Bestimme alle Schnitte der Ebenen des ersten mit den Ebenen des zweiten Polyeders. Das Schnittpolygon ergibt sich kantenweise. Schnitt zweier Prismen. 23 Beispiel: 12 5 Axonometrie WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig -- 64 -- Bei Durchdringungen krummflächig begrenzter Körper setzt man das "Hilfsebenen-Verfahren" ein. Hierbei wird einer der Körper mit einer Schar von Hilfsebenen in möglichst einfachen Linien (Kreise, Geraden) geschnitten. Die gemeinsame Punkte der Linien mit dem anderen Körper liegen auf der Durchdringungskurve. Beispiel: Schnitt eines Drehkegels und eines Zylinders. Beispiel: Schnitt zweier Zylinder 6 Perspektive -- 66 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig § 6 Perspektive Zentralrisse Vorgelegt: Grund(riß)ebene ("Standebene") Bildebene ß, zunächst stehe ß senkrecht auf der Grundebene Projektionszentrum Z ("Augpunkt") Zentralriß P° des Dingpunktes P: g h H e d P° ist der Schnitt der Geraden PZ mit ß Bildebene ß "Grundgerade" "Horizont" "Hauptpunkt" "Aughöhe" "Distanz" H d h P Z H' PZ heißt "Sehstrahl" PZ P° P°' g P' e Z' Beachte: Punkte auf II(Z,ß) haben kein Bild. Geraden werden punktweise abgebildet. In II(Z,ß) enthaltene Geraden haben kein Bild, durch Z laufende Geraden sind projizierend. Für alle übrigen Geraden ist a° der Schnitt der Ebenen ß und Za. Ist dabei a nicht parallel zu ß, so nennt man den Schnittpunkt F(a) von II(Z,a) und ß den "Fluchtpunkt" von a. Der Fluchtpunkt besitzt kein Urbild auf a; der Schnittpunkt von a und II(Z,ß) besitzt kein Bild. Der Spurpunkt A von a und der Fluchtpunkt F(a) bestimmen die Gerade a eindeutig. a° F(a) A ß Z II(Z,a) a 6 Perspektive -- 67 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Eigenschaften der Fluchtpunkte (a,b nicht parallel zu ß) a II b gdw. F(a) = F(b) a Höhengerade gdw. F(a) liegt auf dem Horizont ("Tiefengeraden" stehen senkrecht auf ß) a Tiefengerade gdw. F(a) = H Übung: Zeichnen Sie den Zentralriß der Pyramide. Die Grundfläche liegt in der Grundebene, und die Aufrißebene dient als Bildebene ß. -4 2 -3 S(4) -2 1 -1 1 2 3 0 4 1 0 Z(1) 2 3 Eine Ebene µ wird ebenfalls durch ihre Spurgerade und durch ihre Fluchtgerade f(µ) = II(Z,µ) ß beschrieben. U ger Spur ade de tgera Fluch Z ß µ II(Z,µ) Parallele Ebenen haben die gleiche Fluchtgerade. Die Fluchtgerade von Höhenebenen ist der Horizont. Eine Gerade a ist genau dann zu µ parallel, wenn F(a) auf f(µ) liegt. Eine Ebene ist projizierend, wenn sie durch Z geht. In diesem Fall stimmen Spur- und Fluchtgerade überein. 6 Perspektive -- 68 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Das Durchstoß-Verfahren Vorgelegt: Räumliches Objekt in Grund- und Aufriß. Projektionszentrum Z und Bildebene ß, dabei sei ß senkrecht zur Grundebene = Grundrißebene. Gesucht: Zentralriß des Objektes. Anschauliches Bild der Situation: Aufrißebene P°'' P'' P° Z'' h'' P H Z 12 s Seh P°' h tra H' Z' Beachte: l ZP P' P°' = Schnittpunkt von Z'P' und g P°'' = Schnittpunkt von Z''P'' und Ord(P°') P° liegt auf der Senkrechten durch P°' zu g und Abst(P°, g) =Abst(P°'', 12) Verwende dies für das "Durchstoßverfahren" = Zentralriß-Konstruktion in Zweitafelprojektion. P'' Z'' g 12 P' Z' 6 Perspektive -- 69 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Architekten-Anordnung, modifiziertes Verfahren Vorgelegt: Bildebene ß (senkrecht zur Grundrißebene = Grundebene); Augpunkt Z, Dingpunkt X. Gesucht: Zentralriß X° von X. Wir verwenden dazu die Tiefengerade t durch X. Es sei T der Spurpunkt von t in ß. Beachte: Der Fluchtpunkt F(t) von t ist der Hauptpunkt H - daher bestimmt T die Gerade t eindeutig. X° Durchstoßverfahren: T'' X'' T° t'' H'' H Z'' 12 H' X°' t' g T' X°' g'=ß' H' Für die Konstruktion von X° wird vom Aufriß nur die Kote von X (also Abst(X'',12)) benötigt. T' X' h Z' Architekten-Anordnung: X° X'' T° t'' II(X'',12) t° Z'' H 12 h g H' X°' g'=ß' T' g' X' t' Z' Konstruktionsverfahren (rechter Teil der Zeichnung): T° = Schnittpunkt von Senkr(X',g) und II(X'',12) t° = T°H X° = Schnittpunkt von Senkr(X°',g) und t° X°' T' X' ged reh t' ter Gru ndr iß ( g' II g) H' Z' 6 Perspektive WS 2004/05 -- 70 -- Z'' Z' Übung: Zeichne den Zentralriß der Kirche Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Übung: Konstruiere den Zentralriß der Pyramide Z' g' Z'' Z' g' g h -- 71 -- 6 Perspektive -- 72 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Messen und Abtragen von Strecken (A) Frontgeraden P* Um die Länge der Strecke PQ messen zu können, muß der Spurpunkt S von PQ in der Grundebene bekannt sein. P° a* a Q* h F Q° S° S* g Verschiebe nun PQ parallel in die Bildebene und messe dort die Länge. Wähle F auf h beliebig. S* = Schnittpunkt von FS° und g a* = II(S*, a) P* = Schnittpunkt von FP° und a* Q* = Schnittpunkt von FQ° und a* Abst(P,Q) = Abst(P*,Q*) (B) Geraden in allgemeiner Lage: k M(a) a° F(a) H Q° a* A d P° K P* A = Spurpunkt von a in der Bildebene, F(a) = Fluchtpunkt von a d = Distanz = Abst(Z, ß) HK senkrecht zu HF(a) mit Abst(H,K)=d k = Kreis durch K mit Mittelpunkt F(a) "Meßpunkt" M(a) auf k beliebig. a* = II(A, M(a)F(a)) P* = Schnittpunkt von M(a)P° und a* Q* = Schnittpunkt von M(a)Q° und a* Abst(P,Q) = Abst(P*,Q*) Q* Der Distanzkreis Die Fluchtpunkte von Geraden, die ß in einem Winkel von 45° schneiden, liegen auf einem Kreis um H mit Radius d. Dieser Kreis heißt "Distanzkreis". Distanzkreis d H Übung: Konstruiere ein aus Quadraten der Seitenlänge 2cm bestehendes Schachbrettmuster in der Grundebene. Die Distanz betrage 3 cm. H -- 73 -- h g Übung: Die Distanz betrage 4 cm. Zeichne in die Hauswand das Fenster und die Tür wie im Seitenriß angegeben ein. f° f e H F(e) g Bemerkungen zur Darstellung von Kreisen: Für das Bild k° eines Kreises k gibt es fünf Möglichkeiten: (1) k liegt in der Ebene II(Z,ß). Dann ist k° leer. (2) k liegt in einer Ebene, die Z enthält. Dann ist k° eine Strecke. (3) k schneidet II(Z,ß) nicht. Dann ist k° eine Ellipse. (4) k schneidet II(Z,ß) in einem Punkt. Dann ist k° eine Parabel. (5) k schneidet II(Z,ß) in zwei Punkten. Dann ist k° eine Hyperbel, von der nur ein Ast sichtbar ist. 6 Perspektive -- 74 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Messen von Winkeln Vorgelegt: Die Zentralbilder von zwei sich schneidenden Geraden a, b. Gesucht: Der Winkel W(a,b). Grundlage: Der Winkel, in dem zwei Geraden a, b sich schneiden, hängt nur von den beiden Fluchtpunkten F(a) und F(b) ab. Idee: Verschiebe die Geraden parallel so, daß sie sich in Z schneiden. Drehe das Dreieck F(a), Z, F(b) um die Fluchtgerade f(ab) in die Bildebene und messe den Winkel dort. Den gedrehten Punkt Z nennen wir O(ab). F(a), F(b) Fluchtpunkte d = Distanz = Abst (Z,ß) f(ab) d F(b) b* H W(a,b) F(a) O(ab) = gedrehtes Z a* Der hier konstruierte Punkt O(ab) hängt nur ab von der Ebene ab und heißt ein Winkelmeßpunkt der Ebene. Von ihm aus gesehen erscheinen alle Paare von Fluchtpunkten dieser Ebene unter ihrem wahren Winkel. Es gibt zwei derartige Punkte. Spezialfälle: T 1) Tiefenebene ab ß (ab steht senkrecht auf der Bildebene, Hauptpunkt H liegt auf f(ab) ): Dann liegt der Winkelmeßpunkt O(ab) auf dem Distanzkreis k(H,d). 2) ab ist Tiefenebene und die Geraden a, b stehen aufeinander senkrecht: Dann ist Abst (F(a), H) x Abst (F(b), H) = d² Z F(a) F(b) d H 3) ab ist Höhenebene (f(ab) = h ist der Horizont): Dann ist O(ab) der obere oder untere Distanzpunkt, d.h., der höchste oder der tiefste Punkt auf dem Distanzkreis. 4) a schneidet ß im Winkel von 45°: Wie schon erwähnt, liegt F(a) dann auf dem Distanzkreis. 6 Perspektive -- 75 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Übung: Zeichne ein Schachbrettmuster in der Grundebene mit der Kante PQ. d = 5cm H h P° Q° Frage: Was tun, wenn Fluchtpunkte außerhalb des Zeichenblattes entstehen? Antwort: Verwende den Strahlensatz! Aufgabe: Verbinde den Punkt P mit dem Fluchtpunkt F(a). Zeichenblatt h F(a) u/2 v P a u 6 Perspektive -- 76 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Übung: Zeichne ein Muster aus gleichseitigen Dreiecken in der Grundebene; verwende die Kante PQ. d = 5cm H h P° Übung: Q° Gegeben ein Rechteck in der Grundebene. Über den Seiten mit Fluchtpunkt F2 sollen Dreiecke errichtet werden, deren Seiten mit der Grundebene Winkel von 90° bzw. 35° bilden. h F1 d = 5cm H F2 Übung: -- 77 -- Ausgehend vom Ergebnis der vorigen Konstruktion bestimme man den Winkel ß sowie die Länge der Diagonalen e. d = 5cm h F1 H F2 ß Für die zweite Aufgabe muß z.B. noch g gegeben sein. F(e) h F1 H e F2 g 6 Perspektive -- 79 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Schattenkonstruktion Der Sonnenstand wird wiedergegeben durch den Fluchtpunkt S der parallelen Sonnenstrahlen. S liegt über oder unter dem Horizont je nachdem, ob die Sonne vor oder hinter dem Betrachter steht. Die Sonnenstrahlen durch alle Punkte eines Stabes a bilden eine Lichtebene Sa. In der schattenfangenden Ebene µ entsteht der Schatten als Durchschnitt der Ebenen µ und Sa. Der Schatten ist eine Gerade bzw. Strecke, deren Fluchtpunkt man erhält, wenn man die Fluchtgeraden der beiden Ebenen miteinander schneidet. Übung: Konstruiere die Schatten der beiden gleichgroßen Stäbe in der Grundebene. S a b h 6 Perspektive -- 80 -- WS 2004/05 Prof. Dr. Rainer Löwen, Institut für Analysis und Algebra der TU Braunschweig Übung: Schatten auf einem Gebäude P F1 F2 h S Q Übung: Schatten von Stab und Dach F1 F2 S h