Königszeit und frühe Republik (753–150 v. Chr.) Die Etrusker und andere italische Stämme Schon die Symbole der Macht in der römischen Regierung – die toga praetexta (eine weiße Toga mit Purpurrand), die sella curulis (ein Stuhl ohne Lehne mit schweren, geschwungenen Beinen) und die fasces (eine Axt umschlossen von einem Bündel aus Birkenruten) – wurden von den Etruskern eingeführt. Ihre Errichtung von Tempeln, Abwasserkanälen und anderen öffentlichen Bauwerken drückte der Stadt einen gut sichtbaren Stempel auf und stellte sicher, dass ihre Regierungszeit nicht in Vergessenheit geriet. Ihre Einführung von öffentlichen Spielen ist bis heute eines der bleibenden Symbole Roms. Wenngleich ihre Herrschaft zu Ende gegangen war, gewann ihre militärische Dominanz anderswo die Oberhand, und um etwa 500 v. Chr. hatte die etruskische Machtfülle ihren Zenit erreicht – viele der umbrischen Städte befanden sich zusammen mit Latium unter etruskischer Herrschaft. Ihre Tüchtigkeit als Seeleute führte zur Gründung etruskischer Kolonien überall an den Küsten Italiens und Spaniens, darunter auf Korsika, Elba, Sardinien und den Balearen. Die Handelsverbindungen mit ihren Kolonien und Verbündeten waren stark genutzt und sehr belebt, und der Reichtum einiger etruskischer Adliger war Aufsehen erregend. Diese hohle Aschenurne ist als Sarcophagus dei Sposi bekannt, ein berühmtes Beispiel etruskischer Kunst von etwa 530 bis 520 v. Chr. Das Ehepaar ruht auf einer Esscouch in einer zärtlichen Pose, der Arm des Mannes liegt auf der Schulter der Frau. Beide lächeln leise. Bei den Etruskern genossen Frauen große Achtung, und sie wurden in der etruskischen Kunst nicht als dem Mann unterlegen dargestellt. Etruskische Auseinandersetzungen mit Rom tierte Rom von der etruskischen Vorherrschaft – drei der ersten sieben Könige Roms waren Etrusker. Untereinander stießen sie entscheidende Reformen für die römische Gesellschaft und Armee an. Der erste etruskische König war Tarquinius Priscus (616– 579 v. Chr.) aus der etruskischen Stadt Tarquinii. Unter Tarquinius führte Rom Krieg mit Nachbarstaaten und erweiterte so seine lokale Machtstellung. Tatsächlich wurden die ersten römischen Spiele unter ihm eingerichtet, um seinen Sieg über die Latiner und Sabiner zu feiern. Die öffentlichen Bereiche der Stadt wurden ebenfalls verbessert – Tarquinius ließ eine Kanalisation errichten, gründete auf dem Kapitolshügel einen Jupitertempel und baute die Gebäude auf dem Forum aus. Sein Nachfolger, Servius Tullius (579–534 v. Chr.) war verantwortlich für einige der bedeutendsten Militärreformen in der Geschichte der römischen Armee (siehe S. 28ff. für weitere Details zu diesen Reformen). Servius Tullius unterzeichnete auch einen Vertrag mit den Latinern, der Rom als führende Stadt Latiums benannte. Teile der Mauer, die von Servius Tullius nach dem Angriff der Kelten auf die Stadt 387 v. Chr. zum Schutz vor weiteren Angriffen erbaut wurde, sind bis heute erhalten. Der letzte etruskische König Roms war überhaupt der letzte König der Römer. Tarquinius Superbus (534–509 v. Chr.) wird in den historischen Aufzeichnungen als grausamer Anführer geschildert – er bekriegte die Latiner und erzürnte sein Volk so, dass es sich gegen ihn erhob und die Römische Republik gründete. Doch selbst er brachte Rom aus seinem Krieg mit den Volskern Reichtum und zusätzliches Land. Als die etruskischen Könige schließlich aus Rom vertrieben wurden, hinterließen sie ein nachhaltiges Vermächtnis. Ihre Militärreformen waren von kritischer Bedeutung für die Entwicklung der römischen Kampftechniken. Die Etrusker kämpften unter Einsatz der griechischen Hoplitenformation der Phalanx – diese Technik wurde unter Servius Tullius in der römischen Armee eingeführt. Hopliten waren Bürgersoldaten, die sich selbst aus eigener Tasche bewaffneten und rüsteten. Ihre Motivation für den Kampf war die Verteidigung ihres Stadtstaates und der Anteil an der Kriegsbeute. 42 Lars Porsenna marschiert auf Rom Der Aulos oder die Doppelflöte war ein beliebtes Instrument bei den Etruskern. Diese Darstellung eines Aulosspielers stammt von der Mauer des Grabes Triclinium in Tarquinia. Es war bei den Etruskern üblich, die Wände ihrer Grabmäler mit lebhaften und kräftigen Bildern zu bemalen und mit Vögeln und Pflanzen zu verzieren. Um etwa 508 v. Chr. forderte Tarquinius, unzufrieden mit seiner Vertreibung aus Rom, einen anderen Etrusker, Lars Porsenna, auf, ihm bei der Rückeroberung der Stadt zu helfen. Porsenna, der über den etruskischen Stadtstaat Clusium (unweit des heutigen Florenz) herrschte, stellte eine Armee auf und marschierte auf Rom. Über die anschließenden Ereignisse sind sich die Historiker und historischen Quellen uneinig. Der legendenhafte Ablauf der Geschehnisse lautet, dass Porsenna so sehr von der Heldenhaftigkeit der römischen Verteidiger beeindruckt war, dass er seinen Angriff abblies und in die etruskischen Lande zurückkehrte. Diese Version ist in der Dichtung von Thomas Babington Macaulay verewigt worden sowie in unzähligen künstlerischen Darstellungen der Verteidigung der Brücke durch Horatius Cocles. Angeblich lag der Weg über den Tiber und damit die Eroberung der Stadt für Porsenna offen, nachdem er in einem überraschenden Angriff die Janiculumbrücke eingenommen hatte. Livius zeichnet eine Geschichte auf, in der Horatius Cocles zusammen mit Spurius Larcius und Titus Herminius zur Brücke stürmte und die drei das gesamte etruskische Heer in Schach hielten, während hinter ihnen die Arbeit am Abriss der Brücke fieberhaft andauerte. Als von der Brücke kaum noch etwas übrig war, sandte Horatius die beiden anderen zurück und führte den Kampf allein weiter. Mit einem Krachen und ohrenbetäubenden Jubelschrei der Römer brach die Brücke schließlich zusammen. Horatius rief Vater Tiber an, sprang in den Fluss und schwamm ans andere Ufer in Sicherheit. In anderen Fassungen dieser Geschichte verteidigt Horatius die Brücke allein. Dies war 43 Königszeit und frühe Republik (753–150 v. Chr.) Karthago und Hannibal Praetoria e Rh o n e Cremona Po INSUBRES Taurini Clastidium Treb re Ise Mediolanum TAURASIA s Grenoble inu D r om Adda Tic Vienna Placentia ia Parma BOII Mutina Bologna GALLIA CISALPINA Genoa Pisae Ar no Ariminum Fanum Fortunae r us Sena Gallica Metau UMBRIA Ancona Arretium Clusium Perusia Lake Trasimene Spoletium SABINI Tarquinii CORSICA Velia Zug Hannibals bis 216 v. Chr. M ITTE L ME E R SARDINIA Lake Fucinus Rom Pharos T I S Gerunium Bovianum C H ILL YR IA E S M Larimum E APULIA Salapia Arpi Teanum SAMNIUM Beneventum Apollonia Cannae Terracina C AL Casilium ABR Venusia Nola Brundisium CAMPANIA Capua IA Cumae Neapolis Nuceria Tarentum Puteoli Metaponium LUCANIA Heraclea Veii LATIUM R Ostia A E Aleria I M r e Cosa Tib ETRUSCANY Elba NU PICE Cortona R ura Forques n c e Massilia Pistola Florence D Luca D Avignon A Savo in die ihre Erfahrungen in der Fremde eingeflossen waren. Spätestens seit 342 v. Chr. dienten sie als Söldner in den karthagischen Heeren. Polybios gibt an, sowohl die Infanterie als auch die Kavallerie habe eine weiße, kurzärmelige Tunika mit einem purpurnen oder karmesinroten Rand an Saum, Kragen und Ärmeln getragen. Zusammengerafft wurde sie durch einen breiten Ledergürtel. Vasenmalereien iberischer Soldaten zeigen sie mit einer kurzen Bauerntunika, vermutlich aus Leder oder Wolle. Die Iberer trugen zwar Bronzehelme, doch nur wenige sind gefunden worden, und sie scheinen selten gewesen zu sein. Wahrscheinlich ist, dass die gewöhnlichen Soldaten einfache Metall- oder Lederhelme trugen. Wenig ist über die Rüstungen bekannt, welche die Iberer, wenn überhaupt, anhatten. Das begrenzte Beweismaterial legt nahe, dass nur Stammeshäuptlinge Kettenpanzer anzogen. Die Reiter trugen zum Schutz ihrer Beine lange Stiefel, an denen schlichte Sporen angebracht waren. Alle Fußsoldaten waren zudem durch längliche Schilde geschützt. Die leichten Fußtruppen benutzten einen ausgeprägt spanischen Schild, einen leichten Rundschild aus Leder oder Holz. Er wurde zusammen mit dem Schwert gebraucht, und die leichten spanischen Fußtruppen waren berühmt für ihre Fähigkeit, Geschwindigkeit und Beweglichkeit bei dieser Art von Kampf mit Schwert Die einzige Quelle zum Erscheinungsbild der numidischen Krieger ist die Trajanssäule in Rom, die rund 150 Jahre nach Ende des Dritten Punischen Krieges errichtet wurde. Allerdings scheinen die numidischen Reiter auf der Säule sich nicht von ihren Vorgängern unterschieden zu haben – ungepanzerte und extrem mobile leichte Reitertruppen, die lediglich mit Wurfspießen und einem kleinen, leichten Schild bewaffnet waren. Der numidische Reiter wird hier im Kampf mit einem römischen eques gezeigt. Thurii T Y R R HE N I S CH ES MEER Cosentia N 0 Caralis Sulei Petelia Croton Kap Lacinium BRUTTIUM Kap Caulonia Lipara Pelorus Locri Messana Rhegium Panormus 200 m Italien – der Zweite Punische Krieg und der Zug Hannibals über die Alpen 218–216 v. Chr. Temesa Vibo Spanische Truppen Obwohl Fußsoldaten von den spanischen Bergstämmen rekrutiert wurden, lagen sie in ständigem Konflikt miteinander, eine Disharmonie unter den Völkern, die den Karthagern die Eroberung Spaniens vereinfacht hatte. Sie waren Experten des Guerillakrieges, aber temperamentvoll in ihrer Einstellung und von zweifelhafter Loyalität, daher nicht am besten geeignet für sorgfältig geplante Schlachten. Allerdings waren die spanischen Truppen trotz ihrer Schwächen ein entscheidender Teil der karthagischen Heere, und bei Cannae umfasste Hannibals Armee aus 40 000 Fußsoldaten und 10 000 Reitern auch 2000 spanische Reiter, 6000 Schwertkämpfer (schwere Infanterie) und 2000 leichte Truppen. Diese wurden nach der Schlacht von Ilipa 206 v. Chr. schmerzlich vermisst, als viele der mächtigsten spanischen Verbündeten Karthagos zu den Römern überliefen. Iberer Die ursprünglichen Bewohner der iberischen Halbinsel waren die Iberer, ein als Kriegerstamm berühmtes Volk, aus dem Söldner in vielen Teilen der Mittelmeerregion dienten. Sie hatten ihre eigenen einzigartigen Waffen und Ausrüstungsgegenstände, 58 59 Königszeit und frühe Republik (753–150 v. Chr.) 60 1. Phase Legionen Verbündete Reiterei Aufidu s Römische Reiterei Spanier & Gallier Libyer Spanische & Libyer gallische Reiterei Numidier 2. Phase Römische Reiterei Verbündete Reiterei Aufidu s Legionen r ye Lib Spanische & gallische Reiterei Spanier & Gallier 3. Phase r ye Lib Numidier Verbündete Reiterei Spanische & gallische Reiterei Num idie s Das Jahr 216 v. Chr. markierte den Höhepunkt der militärischen Karriere Hannibals, Cannae war die herausragendste Demonstration seiner Brillanz. In jenem Jahr beschloss der römische Senat, dass Hannibal im Kampf gestellt werden müsse, und so wurden vier neue Legionen mobilisiert und zu den vier beordert, die Hannibal bereits in Apulien beschatteten; zusammen konzentriert würden sie ihn zermalmen, so die traditionelle militärische Auffassung. Hannibal hatte den Ort Cannae besetzt, was seinen Truppen ermöglichte, von den ausgezeichneten und dringend benötigen Lebensmittelvorräten um die Zitadelle zu profitieren. Immer eingedenk der Notwendigkeit, die gesamte Energie in seiner Macht darauf zu verwenden, den Feind zum Kampf zu zwingen, hegte Hannibal keinen Zweifel, dass die Römer ihre Armee nach Süden verlegen und zur Schlacht antreten würden. Dann war der schicksalhafte Tag gekommen, und es war Marcus Terentius Varro, der den römischen Oberbefehl bei Cannae leitete. Beim ersten Tageslicht ließ er die römische Armee über den Fluss Aufidus an das Ostufer marschieren. Die Reiterei platzierte er am rechten Flügel, ließ sie am Ufer lagern, unmittelbar neben den Legionen und mit der Reiterei der Verbündeten am linken Flügel. Vor der ganzen Armee stand die leichte Infanterie. Die Aufstellung war durchaus konventionell, aber Varro verkürzte die Frontbreite der Legionen und reduzierte die Abstände zwischen den Manipeln. Das bedeutete einen Rückfall zur Theorie der schieren Masse, sodass Beweglichkeit aufgegeben und die Starrheit der Phalanx wieder eingesetzt wurde. Das römische Heer zählte etwa 80 000 Fußsoldaten und über 6000 Reiter. Während die Römer ihre Aufstellung vervollständigten, brachte Hannibal seine Armee in Stellung. Seine leichte Infanterie und die balearischen Schleuderer bildeten einen Schutzschirm, hinter dem er seine Hauptstreitkraft auf die römische Aufstellung abstimmte. Auf seinem linken Flügel stand die spanische und gallische Reiterei, die am Fluss lagerte, unmittelbar daneben seine schweren Fußtruppen. Die Gallier stießen in einem Bogen nach vorne, in Richtung der römischen Frontlinie und über sie hinausreichend, mit der numidischen Reiterei an ihrem rechten Flügel. Die ziemlich locker aufgestellten 40 000 Fußsoldaten Hannibals bewahrten die taktische Beweglichkeit, um zu manövrieren und langsam vor den massierten römischen Legionen zurückzuweichen; der Bogen wurde umgekehrt, bog sich nun rückwärts, und während die Römer vorstießen, wurden sie eingekesselt. Das Risiko bestand darin, dass das Zentrum des Bogens auseinander gerissen werden konnte, wodurch die Schlacht verloren gewesen wäre, doch Hannibals Reiter waren – mit rund 10 000 Mann – sowohl zahlenmäßig als auch qualitativ überlegen, und daher konnte man sich darauf verlassen, dass sie die römischen Gegner besiegen und dann die Einkesselung vollenden würden. Genau dies geschah. Als die Römer vorwärts stürmten, überschnitt sich die karthagische Infanterie mit ihrer Front und griff sie an den Flanken an. Zusammengedrängt und nicht in der Lage, sich zu schützen, stieg die Zahl der Gefallenen rasch an und die Angriffswucht begann zu stocken. Inzwischen war die römische Reiterei in die Flucht geschlagen worden, und die zurückeilenden numidischen Reiter fielen über die römische Nachhut her. Völlig umzingelt und noch weiter zusammengedrängt wurden die Römer auf der Stelle niedergemetzelt. Laut Polybios konnten nur 3500 Römer entkommen, während 10 000 gefangen genommen wurden und 70 000 tot auf dem Schlachtfeld blieben. Unter den Entkommenen befand sich auch der Verursacher der Katastrophe: Varro. Die Nachricht von Cannae erschütterte Rom bis ins Mark. Nichtsdestoweniger handelte der Senat rasch, um die soziale Disziplin aufrechtzuerhalten, und verbot öffentliche Trauer oder Leidbekundungen innerhalb der Stadt. Weil die Niederlage als Beleg für göttliche Ungnade betrachtet wurde, begrub man einen griechischen Mann und eine griechische Frau lebendig auf dem Viehmarkt, um die Götter zu besänftigen. Aufidu Die Schlacht von Cannae Karthago und Hannibal r Legionen Libyer Libyer Spanier & Gallier Die Schlacht bei Cannae. 61