Alexander Hensler Lastwechselfestigkeit von Halbleiter

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 Alexander Hensler
Lastwechselfestigkeit von Halbleiter-Leistungsmodulen für
den Einsatz in Hybridfahrzeugen
Alexander Hensler
Lastwechselfestigkeit von HalbleiterLeistungsmodulen für den Einsatz in
Hybridfahrzeugen
Universitätsverlag Chemnitz
2013
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben
sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Zugl.: Chemnitz, Techn. Univ., Diss., 2012
Technische Universität Chemnitz/Universitätsbibliothek
Universitätsverlag Chemnitz
09107 Chemnitz
http://www.bibliothek.tu-chemnitz.de/UniVerlag/
Herstellung und Auslieferung
Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat OHG
Am Hawerkamp 31
48155 Münster
http://www.mv-verlag.de
ISBN 978-3-941003-76-7
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:ch1-qucosa-101573
Lastwechselfestigkeit von
Halbleiter-Leistungsmodulen
für den Einsatz in Hybridfahrzeugen
Dissertation
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor-Ingenieur (Dr.-Ing.)
vorgelegt
der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik
der Technischen Universität Chemnitz
von Alexander Hensler
verteidigt am 11.12.2012
Gutachter:
Prof. Dr.-Ing. Prof. h.c. Josef Lutz
Prof. Dr.-Ing. Andreas Lindemann
Bibliographische Beschreibung
Lastwechselfestigkeit von Halbleiter-Leistungsmodulen für den Einsatz in
Hybridfahrzeugen
Alexander Hensler
155 Seiten, 102 Abbildungen, 13 Tabellen
Dissertation 2012
Technische Universität Chemnitz
Fakultät Elektrotechnik und Informationstechnik
Schlagwörter
Hybridfahrzeug, Fahrzeuggetriebe, Halbleiter-Leistungsmodul, Leistungselektronik, Lastwechselfestigkeit, hohe Kühlmitteltemperatur, hohe Sperrschichttemperatur, thermische Impedanzspektroskopie, Diffusionslöten,
Niedertemperatur-Verbindungstechnik
Referat
Eine kompakte Integration der Leistungselektronik in einem Fahrzeuggetriebe des Hybridfahrzeugs stellt hohe Anforderungen an die Lastwechselfestigkeit der Halbleiter-Leistungsmodule. Gefordert wird die Auslegung
für die Kühlmitteltemperatur von 125◦ C und für die Sperrschichttemperatur von 200◦ C.
Für die Untersuchung der Lastwechselfestigkeit bei geforderten hohen
Temperaturen werden neue Prüfstandskonzepte und Messmethoden vorgestellt. Mit realisierten Testständen wird die Lastwechselfestigkeit der
neuen Aufbau- und Verbindungstechnologien „gehärtete Aluminiumbonddrähte”, „Diffusionslöten”, „Lötung mit vertikalen Strukturen” und
„Niedertemperatur-Verbindungstechnik” untersucht.
Meiner Frau gewidmet
9
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
9
Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole
11
1 Einleitung
1.1 Gründe für Elektro- und Hybridfahrzeuge . . . . . . . . .
1.2 Technologische Herausforderungen . . . . . . . . . . . . .
1.3 Gegenstand und Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . .
17
17
18
19
2 Anforderungen an die Leistungselektronik in Hybridfahrzeugen
2.1 Optimale Integration der Leistungselektronik im Fahrzeug
2.2 Leistungshalbleitermodul . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.1 Zuverlässigkeitsproblematik . . . . . . . . . . . . .
2.2.2 Fehlermechanismen und Lebensdauermodelle . . .
2.3 Ermittlung der Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . .
2.3.1 Definition der Temperaturzyklen . . . . . . . . . .
2.3.2 Passive Temperaturzyklen . . . . . . . . . . . . . .
2.3.3 Aktive und überlagerte Temperaturzyklen . . . . .
2.4 Diskussion der Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . .
21
21
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24
26
29
29
31
33
38
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
3.1 Messung der Sperrschichttemperatur . . . . . . . . . . . .
3.1.1 Einfluss der Messunsicherheit . . . . . . . . . . . .
3.1.2 Eigenschaften der Kalibrierfunktion . . . . . . . .
3.1.3 Einfluss von Rekombinationszeit und Verlustleistung
3.2 Thermische Impedanzspektroskopie . . . . . . . . . . . . .
3.2.1 Messung der thermischen Impedanz . . . . . . . .
3.2.2 Quasi-kontinuierliches Impedanzspektrum . . . . .
3.2.3 Strukturfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.4 Messung von Alterungsprozessen . . . . . . . . . .
3.2.5 Bestätigung der Methode . . . . . . . . . . . . . .
3.3 Lastwechselstand mit Gleichstrombelastung . . . . . . . .
3.3.1 Stromregelung und Kühlung . . . . . . . . . . . .
3.3.2 Prinzip der Steuerung und Messwerterfassung . . .
3.4 Konzept für Lastwechseltests unter Umrichterbedingungen
3.4.1 Betriebsweise des Lastkreises . . . . . . . . . . . .
3.4.2 Messung alterungsrelevanter Parameter . . . . . .
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39
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41
50
55
55
60
65
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73
80
80
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86
86
89
10
4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
4.1 Lastwechseltest unter Umrichterbedingungen . . . . . . .
4.1.1 Wahl der Testparameter . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.2 Fehlermechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.3 Lebensdauerbewertung . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2 Einfluss der Chipdicke und Bonddrahttechnologie . . . . .
4.2.1 Testbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.2 Alterungsverhalten und Lebensdauer . . . . . . . .
4.3 Einfluss der Chipverbindungstechnologie . . . . . . . . . .
4.3.1 Diffusionslöten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.2 Lastwechseltest mit verbesserter Chipverbindung .
4.3.3 Lastwechseltest mit Diffusionslöten und verbesserten Bonddrähten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4 Applikationsnahe Lastwechseltests . . . . . . . . . . . . .
4.4.1 Übersicht der Verbindungstechnologien . . . . . . .
4.4.2 Testergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.3 Lebensdauerbewertung . . . . . . . . . . . . . . . .
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97
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102
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104
106
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120
124
124
126
134
5 Zusammenfassung und Ausblick
139
A Anhang
143
A.1 Analytische Berechnung der Kalibrierkennlinie . . . . . . 143
A.2 Modell zur Simulation von Fehlermechanismen im Kühlpfad145
Literaturverzeichnis
147
11
Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole
αAl
α
βi
∆T
∆Tj
∆Tcase
∆TEinsatz
∆TT est
λ
µp
ρ
σ
τ
τn
τp
ε
εpl
ξ
A
a
aji
Al
Al2 O3
AlN
AlSiC
b
C0
Ci
ci
Ckum (ρ)
cosφ
Cu
D
d
Dp
E
Eof f
Ausdehnungskoeffizient, Al: Abkürzung für Material
Konstante der LESIT-Gleichung
Konstanten der CIPS2008-Gleichung
Temperaturhub allgemein
Temperaturhub der Sperrschicht
Temperaturhub der Leistungsmodul-Grundplatte
Temperaturhub im realen Einsatz
Temperaturhub im beschleunigten Test
Wärmeleitfähigkeit
Beweglichkeit freier Löcher
Achse der Strukturfunktionen
mechanische Spannung
thermische Zeitkonstante
Lebensdauer der Elektronen
Lebensdauer der Löcher
Dielektrizitätskonstante
plastische Dehnung
logarithmische Zeitkonstanten-Achse
Faltungsmatrix; Fläche; Konstante der LESIT-Gleichung
Konstante der Lebensdauergleichung; Element der Faltungsmatrix
Element der Faltungsmatrix A
Aluminium
Aluminiumoxid
Aluminiumnitrid
Aluminium-Siliziumkarbid
Fulop-Exponent (7 in Si bei 300K); Konstante der Lebensdauergleichung
Fulop-Konstante (1, 8 · 10−35 inSibei300K)
thermische Teilkapazität im FOSTER-Ersatzschaltbild
thermische Teilkapazität im CAUER-Ersatzschaltbild
kumulative Strukturfunktion
Leistungsfaktor
Kupfer
Bonddrahtdurchmesser in CIPS2008-Gleichung (in µm)
Dicke der Materialschicht
Diffusionskonstante von Löchern
Elastizitätsmodul
IGBT Verlustenergie beim Ausschalten
12
Eon
Err
fM otor
fT akt
I
Iphase
Ipn
j
js
Jmin
K
K(ρ)
Lp
M
m
NC
ND
Nf
ni
NV
Ncyc
NEinsatz
Nf,einzel
Nf,mittel
NT est
p
PV
Pleit
Pschalt
Q
q
R
r
R(ξ)
Ri
ri
rd
RGate
Rthjc
Rthjh
IGBT Verlustenergie beim Einschalten
Dioden Verlustenergie beim Ausschalten
Grundfrequenz des Motorstroms
Taktfrequenz des Wechselrichters
Strom; in CIPS2008-Gleichung Strom pro Bondfuß
Ausgangsstrom des Wechselrichters
Strom durch einen pn-Übergang
Stromdichte
Sättigungsstromdichte
minimal einzustellende Stromdichte für Sperrschichttemperaturmessung
Konstante der Lebensdauergleichung
differentielle Strukturfunktion
Diffusionslänge von Löchern
Modulationsgrad der Ausgangsspannung
Aussteuergrad des Wechselrichters
Zustandsdichte am Leitungsband
Konzentration der Donatoren
Anzahl der Zyklen bis zum Ausfall
intrinsische Ladungsträgerdichte
Zustandsdichte am Valenzband
Konstante der Lebensdauergleichung
Anzahl der Zyklen im realen Einsatz
Lebensdauerermittlung mit einzelnem Messwert
Lebensdauerermittlung mit dem Mittelwert der Messwerte
Anzahl der Zyklen im Test
Anzahl von Iterationen; Zählerpolynom
Verlustleistung
Durchlassverluste
Schaltverluste
Konstante der Lebensdauergleichung
Elementarladung (1, 60218 · 10−19 ); Nennerpolynom
Gaskonstante (8, 314J/(mol · K)
Vektor des thermischen Impedanzspektrums
Impedanzspektrum
thermischer Teilwiderstand im FOSTER-Ersatzschaltbild
thermischer Teilwiderstand im CAUER-Ersatzschaltbild
differentieller Widerstand der Durchlasskennlinie
Gate-Widerstand
thermischer Widerstand zwischen Sperrschicht und Grundplatte
thermischer Widerstand zwischen Sperrschicht und Kühl-
13
Rth
s
Si
T
t
Tm
Tcase
Tj,F ehler
Tj
TKühlmittel,max
TKühlmittel,min
TKühlmittel
Tm,Einsatz
Tm,T est
Tmax
ton
Tref
Tvj,max
Tvj,min
Tvj
u
UBD
Upn
US
UZK
V
VCE , VCEsat
VDC
Vf
wB
WG
x
z
Zth,abkühl
Zth,auf heiz
Zthja
Zth
EfA
EMV
TIM
körper
thermischer Widerstand, stationärer Wert
Wärmespeicherzahl; Variable der Laplace-Transformierten
Silizium
Temperatur in ◦ C, K
Zeit
mittlere Sperrschichttemperatur
Grundplattentemperatur des Leistungsmoduls
absoluter Messfehler in der Sperrschichttemperatur
Sperrschichttemperatur
maximale Kühlmitteltemperatur
minimale Kühlmitteltemperatur
Kühlmitteltemperatur
Mittlere Sperrschichttemperatur im realen Einsatz
Mittlere Sperrschichttemperatur im Test
Maximalwert des Temperaturmessbereichs
Einschaltzeit im Lastwechselzyklus
Referenztemperatur bei Messung der thermischen Impedanz
maximale virtuelle Sperrschichttemperatur im Zyklus
minimale virtuelle Sperrschichttemperatur im Zyklus
Sperrschichttemperatur gemessen mit VCE (T)-Methode
Messunsicherheit
Einsatzspannung des Lawinendurchbruchs
Spannungsabfall am pn-Übergang
Schleusenspannung der Durchlasskennlinie
Zwischenkreisspannung
Sperrspannungsklasse in CIPS2008-Gleichung (in 1/100V)
Durchlassspannung am Leistungsbauelement
Zwischenkreisspannung im Wechselrichter
Durchlassspannung der Diode
Basisweite im Leistungshalbleiterbauelement
Bandlücke
logarithmische Zeitachse
Messwerte der thermischen Impedanz als Vektor
thermische Impedanz als Abkühlkurve
thermische Impedanz als Aufheizkurve
thermische Impedanz zwischen Sperrschicht und Kühlmedium
Thermische Impedanz
Elektrokomponenten für Aktivgetriebe
Elektromagnetische Verträglichkeit
Thermisches Interface-Material
14
15
Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Beschäftigung als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Leistungselektronik und
elektromagnetische Verträglichkeit der Technischen Universität Chemnitz. Initiiert wurde die Arbeit durch das Verbundforschungsprojekt „EfA”
(Elektrokomponenten für Aktivgetriebe), an dem als Projektpartner neben
der Technischen Universität Chemnitz folgende Firmen beteiligt waren:
BMW Group, ZF, Liebherr-Elektronik, Infineon Technologies, Kemet.
Dieses Projekt wurde gefördert von BMWi (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie), vertreten und betreut durch TÜV Rheinland.
An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Projektpartnern für eine gute
und erfolgreiche Zusammenarbeit bedanken.
Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. J. Lutz für
seine fachliche Betreuung. Aufgrund seiner fundierten Kenntnisse auf dem
Gebiet der Zuverlässigkeit der Leistungselektronik ist er international
bekannt und anerkannt, wovon ich während meiner Forschungstätigkeit
sehr profitierte. Er gab mir wichtige fachliche Impulse und motivierte mich
herausfordernde Problemstellungen zu lösen und trug damit zu erfolgreichen Ergebnissen bei. Insbesondere danke ich ihm für die Unterstützung
auf internationalen Fachkonferenzen teilzunehmen.
Mein Dank richtet sich auch an Prof. Dr. A. Lindemann für die Bewertung
der Arbeit und die Erstellung des Zweitgutachtens und Beisitzern Herrn
Dr. Thoben und Herrn Dr. Polenov für die Mitwirkung im Promotionsverfahren als Beisitzer.
Mein großer Dank gilt der Firma Infineon Technologies für Aufbau und Bereitstellung der Leistungsmodule, die im Rahmen dieser Arbeit untersucht
wurden. Herrn Dr. Thoben danke ich außerdem für produktive fachliche
Diskussionen über Ergebnisse dieser Arbeit. Herrn Dr. Bayerer danke ich
für sehr aufmerksames Kontrollieren der experimentellen Testergebnisse.
Ich möchte mich auch bei allen ehemaligen Mitarbeitern der Professur
Leistungselektronik und elektromagnetische Verträglichkeit für eine sehr
gute Zusammenarbeit, interessante Gespräche und fachliche Diskussionen
bedanken. Besonders danke ich den ehemaligen Studierenden Herrn Dipl.Ing. C. Herold, Herrn M. Sc. S. Kremp und Herrn Dipl.-Ing. M. Ott, die
mich durch Ihre wissenschaftlichen Arbeiten unterstützt haben. Weiterhin
danke ich Herrn Dipl.-Math. Daniel Wingert für wichtige Anregungen bei
16
mathematischen Problemen zum Thema „Thermische Impdanzspektroskopie”.
Für das Korrekturlesen der Arbeit danke ich Herrn Matthias Mühle und
Frau Damaris Mühle.
Meinem aktuellen Arbeitgeber, Siemens AG, danke ich für die finanzielle
Unterstützung, die Ergebnisse meiner Arbeit auf zwei Fachkonferenzen
präsentieren zu können.
Nicht weniger möchte ich meiner Familie und besonders meiner Frau
danken, die mir während der arbeitsreichen Zeit der Promotion zur Seite
gestanden haben und mich unterstützt haben.
Chemnitz, Juni 2012
Alexander Hensler
17
1 Einleitung
1.1 Gründe für Elektro- und Hybridfahrzeuge
Fahrzeuge mit Elektroantrieben sollen in Zukunft die Straßen von Deutschland erobern. Der Grundstein für diese Entwicklung ist von der Politik
in den letzten Jahren gelegt worden. Mit der verfolgten Strategie „weg
vom Öl” wurde der „nationale Entwicklungsplan Elektromobilität der
Bundesregierung” Deutschlands im August 2009 veröffentlicht. Demnach
ist das erste Ziel bis zum Jahr 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf
Deutschlands Straßen zu haben und bis zum Jahr 2030 mehr als fünf
Millionen [15] [17]. Um diese Ziele zu erreichen, werden von der Bundesregierung Forschungs- und Entwicklungsprojekte der Automobilindustrie
für neue Fahrzeugkonzepte mit elektrischen Antriebssystemen verstärkt
unterstützt und für potenzielle Fahrzeugkäufer Kaufanreize geschaffen.
Für die Einführung von Elektro- bzw. Hybridfahrzeugen ist einer der
Gründe die Unabhängigkeit vom Erdöl. Die Erdölreserven sind begrenzt
und es ist schwer einzuschätzen, wie lange dieser fossile Energieträger noch
reichen wird [73]. Nicht nur die verbleibenden Reserven sind entscheidend
für die Automobilität, sondern die Diskrepanz zwischen wachsender Erdölnachfrage und maximal möglicher weltweiter Ölförderung, genannt als
globaler „Peak Oil”. Dieser Punkt ist erreicht, wenn alle Erdöllieferanten
in Summe die Ölproduktion nicht mehr steigern können. Laut Studie
der Energy Watch Group [82] wurde dieser Punkt bereits 2006 erreicht,
was mit der Ölpreisentwicklung bestätigt werden kann. Aus dieser Sicht
heraus ist der Umstieg auf alternative Fahrzeugantriebe für die Zukunft
notwendig.
Der zweite und wichtigere Grund für die Elektromobilität ist die Reduktion von CO2 -Emissionen. Dieses Ziel trägt zum Klimaschutz bei und soll
die Erderwärmung aufgrund von Treibhausgasen verhindern. Die globale
Erwärmung macht sich bereits deutlich bemerkbar in steigendem Meeresspiegel, schmelzenden Gletschern und Erdpolen und ausbreitenden Tropen.
Von vielen Klimaforschern wird die Klimaveränderung deutlich mit der
Industrialisierung verbunden bzw. mit von den Menschen verursachten
Treibhausgasemissionen. Der Straßenverkehr trägt einen großen Anteil
dazu bei, wie es in Abbildung 1.1 für Deutschland zu sehen ist. Die elektrifizierten Antriebe in Kraftfahrzeugen können den CO2 -Ausstoß stark
reduzieren und zur Lösung dieses globalen Problems einen signifikanten
18
1 Einleitung
Beitrag leisten. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass die Energie
für Elektrofahrzeuge regenerativ und emissionsfrei erzeugt wird.
Anteile der CO2-Emissionen in Deutschland
Energieerzeugung
und -umwandlung
41%
Haushalte
13%
Verkehr
19%
Industrie
21%
Gewerbe,
Handel,
Dienstleistung
6%
Quelle: DAT Deutschland, 2009
Abbildung 1.1: CO2 -Emissionen in Deutschland
1.2 Technologische Herausforderungen
Das ideale Ziel der Elektromobilität-Politik ist das Null-EmissionenFahrzeug, welches gegenüber den heutigen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor keine wesentlichen technischen und wirtschaftlichen Nachteile hat.
Theoretisch ist das mit einem Elektrofahrzeug zu einem akzeptablem
Kaufpreis möglich, wobei dafür die elektrische Energie aus Wind-, Wasseroder Sonnenkraftwerken geliefert wird. Die wohl größte Herausforderung
stellt dabei der Energiespeicher im Fahrzeug dar. Die heutigen elektrochemischen Energiespeicher sind für den breiten Einsatz der Elektromobilität
nicht gerüstet. Diese sind noch zu teuer, zu schwer, haben keine ausreichende Lebensdauer im Fahrzeugeinsatz, brauchen lange Ladezeiten,
ermöglichen nur eine geringe Reichweite und müssten auch noch aus Sicht
der Sicherheit verbessert werden [17]. Viele dieser Punkte haben in der
Autogeschichte am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts dazu geführt,
dass auf den Straßen damals überlegene Elektrofahrzeuge von den Fahrzeugen mit einem Verbrennungsmotor schnell verdrängt wurden. Seit
schon mehr als 100 Jahren besteht dieses Problem des Energiespeichers
im Elektrofahrzeug. In dieser Zeitspanne hat die Batterie eine merkliche
Verbesserung erfahren, aber nur in der Form einer Evolution nicht jedoch
1.3 Gegenstand und Ziel der Arbeit
19
einer Revolution. Ein leichtes sicheres batteriegespeistes Elektrofahrzeug
mit einer vergleichbar großen Reichweite und zu einem konkurrenzfähigen
Preis bleibt vermutlich noch lange für Wissenschaftler und Ingenieure ein
weit entferntes Ziel.
Eine mögliche langfristige Zwischenlösung für dieses Problem sind Elektrofahrzeuge mit geringer Reichweite für den städtischen Verkehr oder für
tägliche Kurzstreckenfahrten und Hybridfahrzeuge mit einer großen Reichweite. Dieses Mobilitätskonzept kann auch in einem Fahrzeug kombiniert
werden, welches als „Plug-In-Hybrid” bezeichnet wird [4]. Dieses Fahrzeug
ist so ausgelegt, dass es kurze Strecken rein elektrisch fährt, bei längeren
Fahrten springt der zusätzliche Verbrennungsmotor an und lädt die Batterie nach. Für dieses Konzept sprechen aktuelle Statistiken. So haben z.B.
63 % aller Fahrten in Deutschland eine Fahrtstrecke unter 50 km pro Tag
[22]. Die meisten davon sind im städtischen Verkehr. Mit der Reichweite
des Elektrofahrzeugs von 100 km können sogar statistisch gesehen 90%
aller Fahrten abgedeckt werden [63]. Doch auch dafür müssen noch einige
Probleme gelöst werden. Die Infrastruktur für die Energieversorgung der
Ladestationen muss ausgebaut werden. Die emissionsfreie Stromerzeugung
aus regenerativen Energiequellen muss sichergestellt werden. Und eines
der wichtigen Ziele ist die Konkurrenzfähigkeit zu herkömmlichen Antrieben, damit sich diese Autos schnell durchsetzen und zum Umweltschutz
beitragen können. Die wirtschaftliche Hybridisierung der Fahrzeuge kann
realisiert werden, wenn neben hohen Batteriekosten die Kosten für die
Leistungselektronik und deren Fahrzeugintegration und Kühlung reduziert
werden. In diesem Punkt gibt es ein großes Verbesserungspotential.
1.3 Gegenstand und Ziel der Arbeit
Für die Kühlung der Leistungselektronik im Hybridfahrzeug wird heute
ein separater Kühlkreislauf verwendet. Dieser ist vom Kühlkreislauf des
Verbrennungsmotors getrennt und hat eine niedrigere Temperatur im
Vergleich zum Kühlkreislauf des Verbrennungsmotors. Diese niedrigere
Temperatur ist notwendig um die maximale Sperrschichttemperatur des
Leistungsmoduls und die Belastung mit großen Temperaturhüben niedrig
zu halten und somit die Zuverlässigkeit der Leistungselektronik während
der ganzen Lebensdauer des Hybridautos zu garantieren. Gewicht und
Kosten können eingespart werden, wenn die Leistungselektronik mit dem
Kühlmittel des Verbrennungsmotors gekühlt werden kann bei gleichzeitiger Erhöhung der Leistungsdichte. Das kann mit der auf dem Markt
vorhandenen Technologie nicht realisiert werden.
Für die Entwicklung einer sehr kompakten Leistungselektronik-Einheit,
20
1 Einleitung
die in einem Hybridfahrzeug in den Kühlkreislauf des Verbrennungsmotors
integriert werden kann, wurde ein Forschungsprojekt „EfA - Elektrokomponenten für Aktivgetriebe” vom Projektträger BMWi, vertreten durch
TÜV Rheinland, gefördert. Die Schwerpunkte der Forschungsarbeit im
EfA-Projekt waren [80]:
• kompakter Wechselrichter mit sehr hoher Leistungsdichte
• Kühlung, die eine platzsparende Einbindung in die Infrastruktur
des Fahrzeuges zulassen
• Zwischenkreiskondensator für Kühlmitteltemperaturen von bis zu
125◦ C
• Aufbau- und Verbindungstechnik der Leistungselektronik für Kühlmitteltemperaturen von bis zu 125 ◦ C und Sperrschichttemperaturen
von bis zu 200◦ C
Der letzte Schwerpunkt des EfA-Projektes ist der Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Der Ausgangspunkt ist die Vorstellung des neuen Hybridantriebskonzeptes. Für diese Applikation werden die Anforderungen
an die Temperatur- und Lastwechselfestigkeit der Leistungsmodule ermittelt. Danach werden in dieser Arbeit entwickelte Messmethoden und
Teststände für Lastwechselprüfungen beschrieben. Im experimentellen
Teil dieser Arbeit werden die Ergebnisse der Lastwechseltests bei Sperrschichttemperaturen bis zu 200◦ C präsentiert. Bei diesen Tests ist der
Schwerpunkt die Untersuchung neuer Aufbau- und Verbindungstechnologien im Vergleich zu Standard-Leistungsmodulen. Die Vorgehensweise
innerhalb dieser Arbeit ist in Abbildung 1.2 dargestellt. Die Zwischenergebnisse der Arbeit wurden in [39], [37], [40], [41], [95], [38], [43], [42],
[36] und [44] veröffentlicht.
Applikation und
Anforderungen
Integrationskonzept im
Hybridfahrzeug
Anforderungen an die
Leistungselektronik
Messmethoden
Entwicklung der Teststände
Teststände
Experimentelle
Lastwechseluntersuchungen
Lastwechseltests mit aktuellen
und neuen Leistungsmodulen
Lebensdauervergleich, Analyse
Abbildung 1.2: Vorgehensweise innerhalb dieser Arbeit
21
2 Anforderungen an die Leistungselektronik
in Hybridfahrzeugen
2.1 Optimale Integration der Leistungselektronik im
Fahrzeug
Ausgehend von den erläuterten Gründen für die Elektromobilität ist das
wichtigste Ziel der Hybridfahrzeugentwicklung eine möglichst schnelle
und wirtschaftliche Hybridisierung aller Fahrzeugklassen. Um das zu erreichen ist der Ansatz nicht ein komplett neues Fahrzeug zu entwickeln,
sondern bereits auf dem Markt vorhandene Fahrzeugmodelle zu modifizieren und mit zusätzlichem elektrischen Antrieb auszustatten. Bei dieser
Vorgehensweise besteht die Problematik der Integration der zusätzlichen
Fahrzeugkomponenten.
Des Weiteren erschwert die Variantenvielfalt der Fahrzeuge eine flächendeckende Hybridisierung. Es sollen sowohl Kleinwagen als auch Oberklassenwagen hybridisiert werden, wobei insbesondere bei kleinen Fahrzeugen
ein relativ geringer zusätzlicher Bauraum zur Verfügung steht.
Nach dem Stand der Technik sind zwei unterschiedliche Ansätze zur
Integration der Leistungselektronik bekannt (siehe Abbildung 2.1). In der
ersten Lösung ist die Leistungselektronik eine separate Einheit und von
der elektrischen Maschine entfernt im Fahrzeug platziert.
Vorteile:
• Hohe Flexibilität bei Änderungen
• Möglichkeit für getrennte Vormontage und Prüfung
• Gute Skalierbarkeit
Nachteile:
• Meist lange geschirmte Wechselstromleitungen zwischen E-Maschine
und Leistungselektronik
• Aufwendige EMV-Maßnahmen notwendig
• Hoher Bauraumbedarf
• Fahrzeugspezifische Bauweise
• Viele Schnittstellen
• Relativ hohes Gewicht
22
2 Anforderungen an die Leistungselektronik in Hybridfahrzeugen
El. Maschine
Leistungselektronik
Externe Einheit
El. Maschine
Leistungselektronik
Vollintegration
Abbildung 2.1: Integrationsansätze der Leistungselektronik [99]
Demgegenüber steht die Vollintegration. Bei dieser Lösung wird die Leistungselektronik konzentrisch meist außen im Gehäuse der elektrischen
Maschine untergebracht. Diese Anordnung kann wie folgt bewertet werden.
Vorteile:
• Keine Wechselstromleitungen zwischen E-Maschine und Leistungselektronik
• Weniger EMV-Störungen als bei der externen Einheit
• Kompakte Bauweise
• Plattformübergreifender Einsatz als Getriebevariante möglich
• Wenig Schnittstellen
• Relativ niedriges Gewicht
Nachteile:
• Änderungen aufwendig
• Funktionsprüfung nur mit Gesamtgetriebe möglich
• Nur bedingt skalierbar
Diese Lösungen stellen zwei Extrema dar. Es ist kaum möglich alle Vorteile
beider Varianten bei der Integration der Leistungselektronik im Hybridfahrzeug zu vereinen. Die beste Integrationslösung ist ein Optimum, wobei
die wichtigsten Vor- und Nachteile beider Seiten berücksichtigt sein sollen.
Basierend auf diesem Ansatz wurde eine neue Lösung für die optimale
2.1 Optimale Integration der Leistungselektronik im Fahrzeug
23
Leistungselektronikintegration in [99] vorgestellt. Der Bauraum innerhalb eines serienmäßig eingesetztem Automatikgetriebes wird dort als
optimal zwischen der Vollintegration und der separaten Einheit bewertet.
Für dieses neue Konzept wurde aus dem Standard-Automatikgetriebe
der mechanische Wandler entfernt und stattdessen in diesem Raum die
elektrische Maschine mit der Kupplung integriert und von der unteren
Fahrzeugseite die Leistungselektronik angeflanscht [81], [80], [79]. Diese
Anordnung ist in der Abbildung 2.2 dargestellt. Innerhalb des Bauraumes
für die Leistungselektronik mit dem Volumen von 1,8 Liter befinden sich
Leistungsmodul mit der dreiphasigen Wechselrichterschaltung, Zwischenkreiskondensator, Strom- und Spannungssensoren, Sicherheitsbeschaltung
und Regelungselektronik.
Mit dieser Topologie besteht nahezu eine Bauraumneutralität im Vergleich
zu heutigen Antriebssträngen. Da die Leistungselektronik direkt an die
elektrische Maschine angeschlossen wird, entfallen lange Zuleitungen für
den dreiphasigen Wechselstrom. Damit werden Gewicht und Kosten eingespart und der Aufwand für die EMV-Maßnahmen stark reduziert. Für den
Automobilhersteller bzw. den Zulieferer sinkt der Produktionsaufwand
aufgrund der Möglichkeiten zur einfachen Vormontage und der separaten
Prüfung losgelöst vom ganzen Getriebe. Des Weiteren vereinfachen sich
Service- und Reparaturarbeiten an der gesamten Getriebeglocke. Hervorgehoben werden soll aber neben all den genannten Punkten die Möglichkeit
zum plattformübergreifenden Einsatz als eine Getriebevariante. Dieses
Aktivgetriebe könnte in vielen heutigen Fahrzeugklassen ohne viel Änderungsaufwand implementiert werden. Somit wäre das Ziel einfacher
zu erreichen, möglichst schnell viele Hybridfahrzeuge auf die Straße zu
bringen. Ein Nachteil dieser neuen Leistungselektronikintegration ist der
relativ kleine Bauraum. Dadurch sind Skalierung und Änderungen im
Rahmen der Weiterentwicklung stark eingeschränkt.
Die Leistungselektronik wird in den Kühlkreislauf des Verbrennungsmotors
integriert. Die Kühlmitteltemperatur beträgt nach den Anforderungen des
EfA-Projektes nominal 105◦ C und kann in extremen Fällen bis zu 125◦ C
erreichen [61]. Für eine hohe Leistungsdichte wird in dieser Anwendung
200◦ C für die maximale Sperrschichttemperatur der Leistungsbauelemente
gefordert.
24
2 Anforderungen an die Leistungselektronik in Hybridfahrzeugen
Getriebe
Leistungselektronik
Abbildung 2.2: Optimale Systemintegration der Leistungselektronik im
Getriebe [99]
2.2 Leistungshalbleitermodul
2.2.1
Zuverlässigkeitsproblematik
Für den vorgestellten Integrationsansatz der Leistungselektronik im Hybridfahrzeug eignet sich am besten der Einsatz eines Leistungshalbleitermoduls, die auch als Leistungsmodule bezeichnet werden. Leistungsmodule
werden üblicherweise ab einer Leistung von einem Kilowatt eingesetzt
[19]. Deren Funktionen sind es eine robuste elektrische Kontaktierung zu
ermöglichen, gegen Kühlkörper elektrisch zu isolieren, gleichzeitig eine
gute Kühlung für Leistungshalbleiterbauelemente zu gewährleisten und
vor schädlichen Umweltbedingungen zu schützen. Der prinzipielle Aufbau
ist in Abbildung 2.3 dargestellt.
Bonddrahtverbindung (Al)
Chip-Metallisierung (Al)
Chip (Si, SiC)
Chipverbindung (Lot)
Substrat-Metallisierung (Cu, Al)
Keramik (Al2O3, AlN)
Substrat-Metallisierung (Cu, Al)
Systemverbindung (Lot)
Grundplatte (Cu, AlSiC)
Wärmeleitmaterial (Paste, Folie)
Kühlkörper (Cu, Al)
Abbildung 2.3: Prinzipieller Leistungsmodulaufbau
In diesem Aufbau sind verschiedene Materialien miteinander verbunden,
2.2 Leistungshalbleitermodul
25
die unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten haben. Dies ist die Hauptursache für die Zuverlässigkeitsproblematik bei Temperaturwechseln. Die
Tabelle 2.1 gibt die Werte für oft eingesetzte Materialien.
Tabelle 2.1: Ausdehnungskoeffizienten der häufig verwendeten Materialien
[58]
Material
Aluminium
Silizium
Kupfer
Aluminiumoxid
Aluminiumnitrid
Aluminium-Siliziumkarbid
Abkürzung
Al
Si
Cu
Al2 O3
AlN
AlSiC
Ausdehnungskoeffizient
in 10-6 ·K-1
23,5
2,6
17,5
6,8
4,7
7,5
Bei der Erwärmung des Leistungsmoduls dehnen sich verbundene Materialien unterschiedlich aus und es kommt zu Spannungen bzw. Dehnungen
in den Verbindungsschichten. Bei den üblichen Temperaturzyklen im
Leistungsmodul erreichen die Belastungswerte der Lote und Bonddrähte
den plastischen Bereich [13], [92]. Die Hystereseschleife im SpannungsDehnungs-Diagramm schließt dabei eine Fläche ein und es wird eine
Verformungsenergie umgesetzt. Dies führt zur Materialermüdung bzw.
zur Rissbildung und schließlich zum Versagen des elektrischen oder des
thermischen Pfads im Leistungsmodul.
Grundsätzlich werden in der Forschung und Entwicklung zwei Wege verfolgt um die Temperaturwechselfestigkeit der Leistungsmodule zu erhöhen.
Eine Möglichkeit davon ist die Anpassung der Ausdehnungskoeffizienten
verbundener Materialien. Dies ist z.B. beim Aluminium-Siliziumkarbid
(AlSiC) als Grundplattenmaterial möglich. Je nach Zusammensetzung der
Materialanteile lässt sich der Ausdehnungskoeffizient an das Keramikmaterial anpassen. Die beste Anpassung gelingt dabei an die AluminiumnitridKeramik. AlSiC hat jedoch im Vergleich zu Kupfer eine niedrigere Wärmeleitfähigkeit. Für die Stromtragfähigkeit des Leistungsmoduls ist es
von Nachteil.
Der zweite Ansatz zur Erhöhung der Zuverlässigkeit ist die Verbesserung
der Verbindung zwischen den zu verbindenden Modulschichten. Neben
den Ausdehnungskoeffizienten müssen hier andere Parameter betrachtet
werden. Eine der entscheidendsten Einflussgrößen ist die homologe Temperatur. Diese Größe ist das Verhältnis von der Einsatz- zur Schmelztemperatur des Verbindungsmaterials in Kelvin. Zum Beispiel für Chipverbindung
aus der Abbildung 2.3 werden bleifreie Zinn-Silber-Lote SnAg(3.5) mit
26
2 Anforderungen an die Leistungselektronik in Hybridfahrzeugen
dem Schmelzpunkt von 221◦ C eingesetzt. Hierfür beträgt die homologe
Temperatur für 150◦ C Chiptemperatur von 0,86. Als mechanisch stabil
gilt der Arbeitspunkt mit einer homologen Temperatur kleiner 0,4 [58].
Des Weiteren hat die Geometrie der Verbindungsschicht einen Einfluss auf
die Zuverlässigkeit. Je größer die Verbindungsfläche ist, desto größer wird
die mechanische Belastung bei Temperaturwechseln. Besonders ausgeprägt
ist dieser Effekt in Lötverbindungen, die sich stark plastisch verändern. In
diesen Schichten wird nur wenig Spannung aufgenommen und es kommt
deswegen zu einer starken Dehnung und Ermüdungserscheinungen an den
Flächenrändern. Bekannt ist auch der Einfluss der Dicke der Lotschicht
auf das Risswachstum innerhalb der Verbindungsschicht [18]. In [26]
wird gezeigt, dass für die Systemverbindung eine optimale Schichtdicke
existiert und sowohl eine zu dünne als auch eine zu dicke Lotschicht zu
einer größeren Rissfortschrittsgeschwindigkeit führen.
2.2.2
Fehlermechanismen und Lebensdauermodelle
In Leistungsmodulen treten aufgrund der Temperaturwechselbelastung
unterschiedliche Fehlermechanismen auf. Der für die Lebensdauer bestimmende Fehler ist abhängig von der Aufbau- und Verbindungstechnik.
Auch die Art der Temperaturwechsel, aktiv oder passiv, sind entscheidend (siehe Abbildung 2.4). Nach dem Stand der Forschung sind folgende
Fehlermechanismen bekannt ([12], [1], [16], [39]):
• Bonddrahtfehler (Bonddrahtabgang oder ”Fersenbruch”)
• Degradation der Chipverbindung
• Degradation der Verbindung zwischen Keramiksubstrat und Grundplatte
• Ablösung der Substratmetallisierung
• Rekonstruktion der Chipmetallisierung
• Chipbruch
• Gate-Kurzschluss
• Anstieg des Sperrstromes
Bei Standard-Leistungsmodulen sind die drei ersten Fehlermechanismen
für die Lebensdauer entscheidend [57]. Der Bonddrahtfehler und die
Degradation der Chipverbindung bestimmen die Zuverlässigkeit bei kurzen
aktiven Temperaturzyklen. Die Degradation der Systemverbindung tritt
überwiegend bei passiven Zyklen oder langen aktiven Zyklen auf.
In der Fachliteratur wird die Zuverlässigkeit der Leistungsmodule für
die aktiven bzw. passiven Zyklen mit folgenden analytischen Modellen
beschrieben. Diese Modelle beruhen auf experimentell ermittelten Daten
2.2 Leistungshalbleitermodul
27
und werden deshalb auch als empirische Lebensdauermodelle bezeichnet.
Das erste Modell aus [35] beschreibt die Zuverlässigkeit bei aktiven Zyklen in Abhängigkeit von der mittleren Sperrschichttemperatur und dem
Temperaturhub, den die Sperrschicht während eines Zyklus erfährt (siehe
Gleichung 2.1). Dieses Modell wird auch als LESIT-Gleichung bezeichnet.
In dieser Gleichung ist R (8, 314J/(mol · K)) die Gaskonstante. Parameter
Q und α sind Konstanten, die für die Aufbau- und Verbindungstechnik
des Leistungsmoduls experimentell bestimmt werden müssen. Die Parameter Tm (mittlere Sperrschichttemperatur auf der Kelvinskala) und ∆Tj
(Temperaturhub der Sperrschicht) sind die Randbedingungen der aktiven
Temperaturzyklen.
Q
Nf = A · ∆Tjα · e( R·Tm )
(2.1)
Die CIPS2008-Gleichung 2.2 aus [3] beschreibt die Lebensdauer der Leistungsmodule in Abhängigkeit von folgenden Parametern: Temperaturhub
der Sperrschicht (∆Tj in K), minimale Sperrschichttemperatur im Lastzyklus (Tj in ◦ C), Einschaltzeit (ton in s), Stromstärke pro Bondfuß (I in A),
Spannungsklasse des Halbleiterchips (V in 1/100V der Sperrspannung),
Durchmesser des Bonddrahts (D in µm).
β2
Nf = K · ∆Tjβ1 · e Tj +273 · tβon3 · I β4 · V β5 · Dβ4
(2.2)
Sowohl die LESIT-Gleichung als auch die CIPS2008-Gleichung haben Terme, die die Zusammenhänge des Cofin-Manson-Models und der ArrheniusGleichung berücksichtigen. Das Cofin-Manson-Model beschreibt die Zuverlässigkeit der Materialien bei zyklischer plastischer Verformung und
die Arrhenius-Gleichung die Veränderung der Materialeigenschaften bei
Änderung der Temperatur. Diese Teile der Gleichung enthalten ∆Tj und
Tm bzw. Tj . Diese Parameter haben den stärksten Einfluss auf die Lebensdauer der Leistungsmodule [3]. In der CIPS2008-Gleichung wurden
zusätzliche und für die Materialermüdung wichtige physikalische Vorgänge wie Kriechen und Relaxationsvorgänge berücksichtigt. Auch der
Einfluss geometrischer Abmessungen wie Chipdicke oder Kontaktfläche
des Bonddrahts werden in Betracht gezogen. Jedoch sind die einzelnen
Parameter in der Gleichung zum Teil voneinander abhängig. So führt z.B.
in einem Lastwechsel größerer Strom pro Bondfuß I zu einem größeren
Temperaturhub ∆Tj , ebenso hängt ∆Tj mit der Einschaltzeit ton zusammen. Eine klare Trennung dieser Parameter ist nicht möglich. Deshalb ist
eine physikalische Interpretation der Einflüsse anhand der einzelnen Gleichungsparameter, die für diese Gleichung anhand statistischer Auswertung
ermittelt wurden, nicht eindeutig. Diese Gleichung dient im Vergleich zur
LESIT-Gleichung einer genaueren Lebensdauerabschätzung bei aktiver
28
2 Anforderungen an die Leistungselektronik in Hybridfahrzeugen
Temperaturwechselbelastung.
Mit Gleichungen 2.1 und 2.2 ist es nicht möglich in Abhängigkeit von
den Belastungsbedingungen auf einen bestimmten Fehlermechanismus
zu schließen. Zwei weitere bekannte Modelle beziehen sich dagegen auf
einen bestimmten Fehlermechanismus. Gleichung 2.3 aus [46] beschreibt
die Lebensdauer der Systemverbindung bei passiven Temperaturzyklen.
Dieses Modell basiert auf das Cofin-Manson-Gesetz.
Nf = Ncyc (∆Tcase = 80K) ·
∆Tcase
80
−4,5
(2.3)
Der Parameter Ncyc (∆Tcase = 80K) ist dabei abhängig von der Verbindungstechnologie des Leistungsmoduls. Für heutige Leistungsmodule mit
Kupfer-Grundplatte variiert dieser Parameter zwischen 3000 und 15000.
Ein anderes Modell (Gleichungen 2.4 und 2.5) aus [24] beschreibt die
Lebensdauer des Bonddrahtes. Damit wird nur der Bonddrahtabgang beschrieben und hierfür die plastische Verformung ∆εpl des Bonddrahts bei
der Erwärmung um den Temperaturhub ∆T vereinfacht betrachtet. Für
die Ermittlung von ∆εpl dienen Ausdehnungskoeffizienten (αSi , αAl ), mechanische Spannung (σyAl ) und Elastizitätsmodule (E Si , E Al ). Werte a und
b sind Konstanten, die anhand der Testergebnisse ermittelt werden. Diese
Gleichung basiert ebenfalls auf dem Cofin-Manson-Gesetz. Der Einfluss der
absoluten Temperatur, wie in der LESIT- und der CIPS2008-Gleichung,
wird in dieser Veröffentlichung anhand experimenteller Untersuchungen
in Hinsicht auf den Bonddrahtabgang nicht bestätigt.
Nf = a · ∆εbpl
∆εAl
pl
= (α
Al
Si
− α ) · ∆T − 2 ·
(2.4)
σyAl
σyAl
+
E Si
E Al
!
(2.5)
Außer den beschriebenen analytischen Lebensdauermodellen wird aktuell für Leistungsmodule ein physikalisch basiertes Lebensdauermodell
erforscht ([50], [9]). Dieses Modell beschreibt die Zuverlässigkeit der Leistungsmodule unter der Annahme, dass die Lebensdauer nur von der
Degradation der Lotschicht bestimmt wird. In [34] wird außerdem nur der
Bonddrahtfehler betrachtet und ein anderer physikalisch basierter Ansatz
vorgestellt.
2.3 Ermittlung der Anforderungen
29
2.3 Ermittlung der Anforderungen
2.3.1
Definition der Temperaturzyklen
Die vorgestellte Applikation stellt an die Leistungselektronik bezüglich
der Temperatur- und Lastwechselfestigkeit neue Anforderungen. Für die
Kühlung der Leistungselektronik wird kein separater NiedertemperaturKühlkreislauf vorgesehen, wie es heute in den serienmäßigen Hybridfahrzeugen der Fall ist. Die Kühlung wird einfach mit Hilfe eines parallelen
Zweiges aus dem Kühlkreislauf des Verbrennungsmotors realisiert. Die
nominelle Kühlmitteltemperatur des Verbrennungsmotors im stationären
Zustand beträgt 105◦ C, in extremen seltenen Betriebspunkten muss von
125◦ C ausgegangen werden ([39], [61]). Um mit diesem hohen Kühlmitteltemperaturniveau die geforderte hohe Leistungsdichte des Wechselrichters
zu erreichen, muss die maximal zulässige Sperrschichttemperatur im
Vergleich zu den heutigen Standardanwendungen angehoben werden. Gefordert wird eine maximale Sperrschichttemperatur von 200◦ C. Für diese
hohen Temperaturen sollen im Nachfolgenden die genauen Anforderungen
an die Temperatur- bzw. Lastwechselfestigkeit abgeschätzt werden.
Die im Kühlkreislauf des Verbrennungsmotors integrierte Leistungselektronik ist unmittelbar den Temperaturschwankungen des Kühlmittels
ausgesetzt. Bei einem vollständigen Warmlauf des Verbrennungsmotors
erwärmt sich das Kühlmittel von der Umgebungstemperatur auf die nominelle Kühlmitteltemperatur von 105◦ C, die während der Weiterfahrt
mit Hilfe eines Temperaturreglers konstant gehalten wird. Nachdem die
Fahrt beendet ist und danach das Fahrzeug ausreichend lange steht, kühlt
sich das ganze System wieder auf die Umgebungstemperatur ab. So eine
typische Fahrt belastet die Leistungselektronik mit passiven Temperaturzyklen.
Zu den passiven Temperaturzyklen überlagern sich aufgrund der Verluste in den Leistungsbauelementen zusätzliche Temperaturzyklen, welche
durch Lastwechsel erzeugt werden. Für den Arbeitspunkt der maximalen
Beschleunigung oder Rekuperation des Hybridfahrzeugs ist die Leistungselektronik in der Regel so ausgelegt, dass in diesem Betrieb die Sperrschicht bei der maximalen Kühlmitteltemperatur die maximal zulässige
Sperrschichttemperatur erreicht.
In Abbildung 2.4 ist beispielhaft ein vollständiger Temperaturzyklus
dargestellt.
Es gibt drei unterschiedliche Gruppen der Temperaturzyklen, welche jede
für sich eine andere Belastungsart im Leistungsmodul darstellt: passiv
(Temperaturwechsel), aktiv (Lastwechsel) und überlagert. Die erste Grup-
30
2 Anforderungen an die Leistungselektronik in Hybridfahrzeugen
200
Sperrschichttemeperatur
180
160
aktiv
Temperatur in °C
140
120
überlagert
100
80
60
Kühlmitteltemperatur
40
Umgebungstemperatur
passiv
20
0
Zeit
vollständiger Betriebszyklus
Abbildung 2.4: Beispielhafte Temperaturbelastung des Leistungsmoduls
im Hybridfahrzeug
pe sind Temperaturwechsel aufgrund der schwankenden Kühlmitteltemperatur. Diese Zyklen belasten insbesondere die großflächige Verbindung des
Leistungsmoduls zwischen Keramik und Grundplatte. Die überlagerten
Temperaturzyklen und die rein aktiven Zyklen stellen die Belastung für
chipnahe Verbindungen dar.
Der Ausgangspunkt für die nachfolgende Ermittlung der Anforderung
sind reale Temperaturprofile im Leistungsmodul eines Hybridfahrzeugs.
Diese Betriebsbedingungen werden mit heutigen analytischen Lebensdauermodellen auf beschleunigte Zuverlässigkeitstests umgerechnet. Die erste
Anforderung sind passive Temperaturzyklen, wobei hier das Lebensdauermodell für die großflächige Verbindung zwischen Keramik und Grundplatte
verwendet wird. Bei aktiven Zyklen wird die Lebensdauergleichung für
chipnahe Verbindungen verwendet. Die so ermittelten Zyklen können als
ein Kriterium für die Bewertung der Zuverlässigkeit der Leistungsmodule
bei beschleunigten Labortests verwendet werden.
2.3 Ermittlung der Anforderungen
2.3.2
31
Passive Temperaturzyklen
Für die Abschätzung der Anforderungen an die passiven Zyklen bei hoher
Kühlmitteltemperatur soll zunächst die Umgebungstemperatur betrachtet
werden. Diese Temperatur bestimmt direkt die Starttemperatur und somit
die Temperaturwechsel der Leistungselektronik. Das Temperaturprofil ist
vom Einsatzort des Fahrzeugs abhängig. In Abbildung 2.5 sind Temperaturtageswerte für zwei Orte Deutschlands gezeigt. Diese Temperaturen
sind die vom Wetterdienst aufgezeichnete Tagesminima, die 5 cm über
dem Erdboden gemessen wurden. Bezüglich der Umgebungstemperatur
sind diese Orte zwei Extrempunkte.
Minimale Temperaturtageswerte 2010
25
20
15
Konstanz
Temperatur in °C
10
5
0
-5
-10
-15
Zugspitze
-20
-25
-30
01. Jan
31. Dez
Abbildung 2.5: Verläufe der minimalen Temperaturtageswerte, gemessen
5cm über dem Erdboden, Daten aus [14]
Die Belastung mit den passiven Temperaturzyklen, die aufgrund der
schwankenden Umgebungs- und Kühlmitteltemperaturen hervorgerufen
wird, kann mit Hilfe dieser Umgebungstemperaturprofile abgeschätzt
werden. Dafür wird angenommen, dass das Fahrzeug für 15 Jahre Lebensdauer ausgelegt wird und innerhalb dieser Zeit täglich zwei Fahrten mit
vollständigem Betriebszyklus bzw. Warmlauf absolviert werden.
Die Temperaturtageswerte aus Abbildung 2.5 wurden in 5◦ C Schritte
unterteilt und die Häufigkeitsverteilung der Starttemperaturen für das
Fahrzeug bestimmt. Abbildung 2.6 zeigt die ermittelten statistischen
32
2 Anforderungen an die Leistungselektronik in Hybridfahrzeugen
Verteilungen für zwei gewählte Orte. Diese Profile sind verglichen mit den
Anforderungen des Automobilherstellers BMW aus [39].
Statistische Verteilung der Fahrzeugstarts
Anzahl kompletter Warmläufe
3500
3000
2500
2000
1500
1000
500
0
-40 -35 -30 -25 -20 -15 -10 -5 0 5 10 15 20 25 30 35
Starttemperatur in °C
Zugspitze
Konstanz
Anforderung BMW
Abbildung 2.6: Verteilung der Fahrzeugstarts in Abhängigkeit der Umgebungstemperaturen
Für einen bestimmten Temperaturhub aus der Verteilung der Fahrzeugstarts können die Testzyklen für beschleunigte Labortests mit Gleichung
2.6 berechnet werden. Für die Gesamtanzahl der Testzyklen werden alle
auftretenden Temperaturhübe mit Hilfe der Gleichung 2.7 bestimmt. Für
diese Umrechnung wird das analytische Lebensdauermodell verwendet,
welches nur die Degradation der Systemverbindung berücksichtigt. Dieser Fehlermechanismus ist bei passiven Zyklen für die Lebensdauer der
Leistungsmodule entscheidend.
NT est = NT est,Gesamt =
NEinsatz
a
(2.6)
∆TEinsatz
∆TT est
X
∆TEinsatz
NEinsatz
a
(2.7)
∆TEinsatz
∆TT est
Der Parameter a ist dabei abhängig von der Verbindungstechnologie.
2.3 Ermittlung der Anforderungen
33
In [94] wird für bleifreie Lötverbindungen der Bereich von –2,5 bis –2
angegeben, in [46] liegt der Wert für alle heutigen Standard-Module mit
Kupfer-Grundplatte bei –4,5. Mit diesen Parametern wurde die Abschätzung der Anforderungen an die passiven Zyklen bei 105◦ C Kühlmitteltemperatur und mit den in Abbildung 2.6 angegebenen Zyklenverteilungen
durchgeführt. Zu der nominellen Kühlmitteltemperatur wurde noch der
Anteil berücksichtigt, der durch die Verlustleistung im Leistungsmodul
verursacht wird. Aufgrund des thermischen Übergangswiderstands zwischen der Leistungsmodul-Grundplatte und dem Kühlmedium wird die
Grundplattentemperatur eine geringfügig höhere Temperatur aufweisen.
In [94] wird dieser Anteil bei 70◦ C Kühlmitteltemperatur mit 15K angegeben. Bei 105◦ C Kühlmitteltemperatur und höherer Leistungsdichte ist ein
größerer Wert zu erwarten. Deshalb wurde für die Abschätzung angenommen, dass die Grundplatte des Leistungsmoduls bei jedem kompletten
Betriebszyklus einen Temperaturwechsel zwischen Umgebungstemperatur
und 125◦ C erfährt.
In Abbildung 2.7 ist die Ermittlung der Testzyklen in Abhängigkeit vom
Temperaturhub ∆Tpassiv durchgeführt. Die Kurven sind für zwei gewählte
Parameter a = −4, 5 und a = −2 aufgezeichnet. Mit Hilfe dieser Kurven
ist zu sehen, dass je kleiner der Betrag des Parameters a ist, desto geringer
wirken sich die Unterschiede der Umgebungsbedingungen auf die Anforderungen aus. Des Weiteren ist zu sehen, dass für höhere Temperaturhübe
kleinere Parameter a höhere Testanforderungen bedeuten. Im Vergleich
zu den ermittelten Anforderungen ist die Lebensdauerkurve der heutigen
Leistungsmodule bei passiven Temperaturzyklen aufgezeichnet. Hierzu
wurde die Gleichung 2.8 verwendet, wobei die Parameter dieser Gleichung
für heutige Industrie-Leistungsmodule mit Kupfer-Grundplatte gelten.
Nf = 15000 ·
∆Tcase
80
−4,5
(2.8)
Mit dieser Vorgehensweise kann mit gegebenem Parameter a für eine
bestimmte Verbindungstechnologie die Anforderung an die Temperaturwechselfestigkeit abgeleitet werden. Die ermittelte Zyklenzahl muss mit
beschleunigten Labortests mindestens erreicht werden, um die Zuverlässigkeit in der realen Anwendung zu gewährleisten.
2.3.3
Aktive und überlagerte Temperaturzyklen
Die aktiven und überlagerten Temperaturzyklen des beispielhaften Temperaturprofils aus Abbildung 2.4 wurden ähnlich nach der Vorgehensweise
34
2 Anforderungen an die Leistungselektronik in Hybridfahrzeugen
Anforderung an die Temperaturwechselfestigkeit
Anzahl Zyklen
1,0E+06
1,0E+05
1,0E+04
a=-2
a=-4,5
1,0E+03
1,0E+02
40
60
80
Zugspitze
100
120 140
∆Tpassiv
160
180
200
220
Konstanz
Anforderung BMW
Standard-Leistungsmodule mit Cu-Grundplatte (Stand 2011)
Abbildung 2.7: Anforderung an die Temperaturwechselfestigkeit bei passiven Zyklen
bei passiven Temperaturwechseln auf aktive Lastwechsel-Bedingungen
umgerechnet. Die ermittelte Anzahl von Testzyklen muss unter Laborbedingungen mit Hilfe der Lastwechseltests nachgewiesen werden. Die genaue
Bestimmung dieser Testzyklen ist jedoch aufwendig. Die grundsätzliche
Vorgehensweise ist in [25] und [11] beschrieben. Ein etwas modifizierter
Ablauf dieser Anforderungsabschätzung ist in Abbildung 2.8 dargestellt.
Es wird in Abbildung 2.8 deutlich, dass für eine genaue Abschätzung viele
Faktoren berücksichtigt werden müssen. Primär wird das Temperaturprofil
im Leistungsmodul vom Fahrzeug-Fahrprofil vorgegeben. Dieses Profil ist
abhängig vom Verhalten des Fahrers. Meist werden hier häufig standardisierte Fahrprofile wie NEFZ verwendet. Für geforderte Drehmomente
stellt die Regelung des Wechselrichters die jeweiligen Ausgangsströme ein.
Diese Ströme zusammen mit den Eigenschaften der Leistungsbauelemente
bestimmen das Verlustleistungsprofil im Leistungsmodul. Mit dem Verlustleistungsprofil und den transienten thermischen Widerständen kann das
Temperaturprofil berechnet werden. Danach kann mit Zählalgorithmen
die Verteilung der Zyklen ermittelt werden.
Im Hybridfahrzeug erfährt das Leistungsmodul beispielsweise den in
Abbildung 2.4 dargestellten Betriebszyklus. Werden nach dem ”Rain-Flow-
2.3 Ermittlung der Anforderungen
Elektische Eigenschaften
der Leistungsbauelemente
(VCE_sat, Vf, Eon, Eoff, Erec)
Regelungsparameter (Motor,
Umrichter)
(VDC, IPhase, m, cos ϕ , fTakt, fMotor)
Verlustleistungsberechnung
Kühlrandbedingungen
(Thermische Impedanzen,
Kühlmitteltemperatur)
35
Fahrzeug-Fahrprofil
Thermische Simulation
(Temperaturprofil)
Zyklenzählung
Umrechnung mit
Lebensdauermodellen auf
Testzyklen
Anzahl von Testzyklen für
beschleunigte
Lastwechseltests
Abbildung 2.8: Vorgehensweise für die Bestimmung der geforderten aktiven
Testzyklen an die Leistungsmodule in einer Hybridfahrzeuganwendung
Verfahren” [2] diese überlagerten Zyklen in einzelne Zyklen unterteilt,
ergibt das einen großen Temperaturhub als Differenz zwischen der absolut
maximalen Sperrschichttemperatur und der Umgebungstemperatur und
je nach Fahrzyklus viele kleinere Zyklen.
Für die nachfolgende Abschätzung der Anforderung an die Lastwechselfestigkeit wurde die statistische Verteilung von rein aktiven Zyklen aus dem
Forschungsbericht [93] entnommen, wo die Zyklenverteilung für eine reale
Anwendung mit der Vorgehensweise in Abbildung 2.8 ermittelt wurde.
Diese statistische Verteilung wurde so verschoben, dass maximal auftretende Temperaturhübe bei der maximalen Kühlmitteltemperatur von
125◦ C zu der geforderten maximalen Sperrschichttemperatur von 200◦ C
führen. Zusätzlich zu diesen rein aktiven Zyklen wurden die überlagerten
Zyklen hinzugenommen, die sich mit dem „Rain-Flow-Verfahren” aus
der Differenz der absoluten maximalen Sperrschichttemperatur und der
Umgebungstemperatur in einem Betriebszyklus ergeben. Damit ergibt
36
2 Anforderungen an die Leistungselektronik in Hybridfahrzeugen
sich die Verteilung der Zyklen, wie sie in Abbildung 2.9 dargestellt ist.
Die überlagerten Zyklen wurden für die Umgebungstemperaturen der
Zugspitze berechnet. Insgesamt ergibt diese Abschätzung insgesamt etwa
eine Million aktiver Zyklen mit verschiedenen Temperaturhüben.
Mit diesen ermittelten Zyklen wurde im nächsten Schritt die Anforderung
an die Lastwechselfestigkeit bestimmt. Hierfür wurde die Lebensdauergleichung 2.1 verwendet. Die Parameter für diese Gleichung wurden
anhand der Lastwechselergebnisse bei hohen Sperrschichttemperaturen
aus [96] ermittelt. Es ergibt sich die Lebensdauergleichung 2.9, die für
600V Standard-Leistungsmodule für maximale Sperrschichttemperaturen
bis zu 200◦ C gültig ist.
2,82E−20
Nf = 3, 44E9 · ∆Tj−3,426 · e( 1,38E−28·Tm )
(2.9)
Die ermittelten Zyklen in Abbildung 2.9 wurden mit dieser Lebensdauergleichung in die Zyklen umgerechnet, die mit beschleunigten Tests
mindestens nachgewiesen werden müssen, um die Lastwechselfestigkeit
des Leistungsmoduls bei 200◦ C Sperrschichttemperatur zu gewährleisten.
Dazu dient Gleichung 2.10. Darin ist Nf,T est die zu bestimmende Anforderung für beschleunigte Lastwechseltests beim Temperaturhub ∆Tj,T est ,
der Wert Nf,Einsatz ist die Zyklenzahl aus dem Einsatzprofil (Abbildung
2.9) beim Temperaturhub ∆Tj,Einsatz .
Das Ergebnis der Anforderungsermittlung ist in Abbildung 2.10 dargestellt.
Die Kennlinie beschreibt die Anforderung für Umgebungsbedingungen von
Zugspitze und Konstanz. Wie man erkennt, ergeben sich für beide Orte
in etwa gleiche Anforderungen an die Lastwechselfestigkeit. Im Vergleich
hierzu zeigt die gestrichelte Linie die Lastwechselfestigkeit von heutigen
Standard-Leistungsmodulen. Bei den Anforderungen an die Lastwechselfestigkeit machen die rein aktiven Zyklen etwa ein Drittel der gesamten
geforderten Lebensdauer aus. Zwei Drittel des Lebensdauerverbrauchs
ergeben sich aus überlagerten Zyklen.
NT est =
X
NEinsatz ·
∆TEinsatz
(∆TT est )−3,426 · e
(∆TEinsatz
)−3,426
·e
2,32E−20
1,38E−23·Tm,T est
2,32E−20
1,38E−23·Tm,Einsatz
(2.10)
2.3 Ermittlung der Anforderungen
37
Zyklenverteilung für Lastwechselbelastung
537500
537500
7,0E+05
6,0E+05
rein aktive Zyklen
überlagerte Zyklen
Zugspitze
Konstanz
4,0E+05
50
60
1170
0
40
3810
150
30
5010
3570
0,0E+00
960
4980
1,0E+05
0
2250
87000
87000
2,0E+05
6500
6500
3,0E+05
39000
39000
223000
223000
Anzahl Zyklen
5,0E+05
70 180
ΔTj in K
190
200
210
220
Abbildung 2.9: Verteilung der Zyklen für die Ermittlung der Anforderung
an die Lastwechselfestigkeit
Anforderung an die Lastwechselfestigkeit
1,0E+07
Anzahl Zyklen
1,0E+06
1,0E+05
1,0E+04
Anforderung 200°C (Zugspitze)
Anforderung 200°C (Konstanz)
Standard-Lestungsmodule 200°C (Stand 2011)
1,0E+03
40
60
80
100
∆Tj in K
120
140
160
Abbildung 2.10: Anforderung an die Lastwechselfestigkeit der Leistungsmodule für die maximale Sperrschichttemperatur von 200◦ C
38
2 Anforderungen an die Leistungselektronik in Hybridfahrzeugen
2.4 Diskussion der Anforderungen
Das Ziel der gezeigten Anforderungsermittlung ist die realen Bedingungen im Fahrzeug auf beschleunigte Labortestbedingungen mit bekannten
Lebensdauermodellen umzurechnen. Das Ergebnis zeigt, dass heutige
Standard-Leistungsmodule die geforderte Zuverlässigkeit sowohl bei passiven als auch bei aktiven Zyklen nicht erreichen. Im ungünstigsten Fall in
Abbildung 2.7 müssen mit beschleunigten passiven Temperaturwechseltests bei ∆T =100K bis zu 40.000 Zyklen nachgewiesen werden. Heutige
Standard-Leistungsmodule mit Kupfer-Grundplatte erreichen bei diesen
Bedingungen eine Lebensdauer von 5.000 Zyklen. Die Temperaturwechselfestigkeit für den Einsatz bei hohen Kühlmitteltemperaturen muss demnach um den Faktor acht verbessert werden. Auch die Lastwechselfestigkeit
(aktive Zyklen) ist nicht ausreichend. Die Lebensdauer heutiger Aufbauund Verbindungstechnik liegt beim Temperaturhub von 100K und 200◦ C
maximaler Sperrschichttemperatur bei ca. 25.000 Zyklen. Nach Abbildung
2.10 müssen bei diesen Testbedingungen 100.000 Zyklen nachgewiesen
werden. Die Lastwechselfestigkeit muss also für die Sperrschichttemperatur
von 200◦ C um den Faktor vier verbessert werden.
Diese ermittelten Anforderungen gelten nur als grober Richtwert. Für
eine genaue Aussage, ob andere Aufbau- und Verbindungstechnologien die Anforderungen der Hybridfahrzeuganwendung erfüllen, müssen
Ausfallmechanismen dieser Technologien erforscht und Parameter der Lebensdauermodelle angepasst werden. Entscheidend dabei ist der Exponent
a
a der Terme ∆Tcase
und ∆Tja in den verwendeten Lebensdauergleichungen 2.8 und 2.9. Oft ist dieser Wert gleich für verschiedene Aufbau- und
Verbindungstechnologie, wie es z.B. in Gleichung 2.3 angegeben wird.
Weichen diese Exponenten ab, muss die Anforderung mit angepassten
Gleichungsparametern erneut ermittelt werden.
Ein wichtiger Aspekt der Anforderungsermittlung ist die Annahme der
linearen Schadensakkumulation, die auch als die „Miner-Regel” bezeichnet
wird. Bei Leistungsmodulen ist bekannt, dass unterschiedliche Amplituden des Temperaturhubs zu unterschiedlichen Fehlermechanismen führen
können. Je nach Amplitude und Länge des Temperaturhubes im Lastwechsel kommt es zu Bonddrahtfehler, Degradation der Chipverbindung
oder Versagen der Systemverbindung. Treten in der Anwendung Zyklen
auf, die diese unterschiedlichen Fehlermechanismen ansprechen, kann die
Anwendung der „Miner-Regel” zur zu gering geschätzten Lebensdauererwartung führen [76]. Die tatsächliche Lebensdauer kann also deutlich
höher liegen als die Voraussage verwendeter Lebensdauermodelle.
39
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
3.1 Messung der Sperrschichttemperatur
3.1.1
Einfluss der Messunsicherheit
Die Sperrschichttemperatur ist die wichtigste Messgröße für die Untersuchung der Zuverlässigkeit der Leistungsmodule. Diese wird bei Lastwechseltests überwiegend mit der VCE (T)-Methode gemessen. Im Hinblick
auf die Zuverlässigkeitsuntersuchungen bei hohen Sperrschichttemperaturen sollen im Nachfolgenden einige Aspekte dieser Methode betrachtet
werden. Wichtig ist die Kenntnis über den Einfluss des Messfehlers in
der Sperrschichttemperaturmessung. Gleichungen 2.1 und 2.2 beschreiben
die Lebensdauer in Abhängigkeit von den Lastwechselbedingungen. Die
Bewertung der Parameter in [3] zeigt, dass die Lebensdauer im Wesentlichen vom Temperaturhub der Sperrschicht ∆Tj und von der mittleren
bzw. minimalen Sperrschichttemperatur Tj bestimmt wird. Diese zwei
Parameter werden während der Lastwechseltests mit Hilfe von gemessener
minimaler und maximaler Sperrschichttemperatur Tvj,min und Tvj,max
bestimmt. Um den Einfluss der Messunsicherheit dieser zwei Messwerte
auf die Lebensdauer zu zeigen, wird Gleichung 2.9 verwendet. Diese Gleichung beschreibt die Lebensdauer heutiger IGBT-Leistungsmodule mit der
600V-Chiptechnologie. Gleichung 3.1 zeigt den Zusammenhang zwischen
der mittleren Sperrschichttemperatur Tm (in K) und den Messwerten
Tvj,min (in ◦ C) und Tvj,max (in ◦ C).
Tm =
(Tvj,max + Tvj,min )
+ 273, 15K
2
(3.1)
Für die Berechnung des Fehlers bei der Lebensdauerbewertung, hier definiert als Nf,max /Nf,min in Abhängigkeit der Messunsicherheit in den
Messwerten der minimalen und der maximalen Sperrschichttemperatur
Tvj,min und Tvj,max , gelten Gleichungen 3.2 und 3.3. In diesen Gleichungen ist der Fehler der Temperaturmessung Tj,F ehler in beiden Parametern
∆Tj und Tm der Lebensdauergleichung berücksichtigt. Beim Temperaturhub ∆Tj wird der Fehler mit dem Faktor zwei multipliziert, da in diesem
Parameter die Messunsicherheit sowohl der minimalen als auch der maximalen Sperrschichttemperatur berücksichtigt werden muss. Obwohl bei
40
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
der mittleren Sperrschichttemperatur Tm auch beide Messwerte der Sperrschichttemperatur eingehen, kann man hier aufgrund der Umrechnung in
der Formel 3.1 mit einfachem Fehler rechnen.
Nf,max = Nf (∆Tj − 2 · Tj,F ehler , Tm − Tj,F ehler )
(3.2)
Nf,min = Nf (∆Tj + 2 · Tj,F ehler , Tm + Tj,F ehler )
(3.3)
Abbildung 3.1 zeigt den berechneten Fehler Nf,max /Nf,min der Lebensdauer in Abhängigkeit vom Temperaturhub der Sperrschicht ∆Tj und
dem Messfehler der Sperrschichttemperatur Tj,F ehler . Es ist deutlich zu
sehen, dass schon eine geringe Messabweichung in der Sperrschichttemperaturmessung zu einem großen Fehler in der Lebensdauerbewertung führt.
Besonders kritisch ist die Messunsicherheit der Sperrschichttemperatur
bei kleinen Temperaturhüben. Bereits 3K Messabweichung führt bei 30K
Temperaturhub zu einem Unsicherheitsfaktor in der Lebensdauer von fast
drei.
Einfluss des Tj-Messfehlers auf die Lebensdauerbewertung
2,50-2,75
2,25-2,50
2,00-2,25
1,75-2,00
1,50-1,75
1,25-1,50
1,00-1,25
140
120
130
100
3
2
1
150
ΔTj in K
110
80
90
70
50
60
30
40
Nf, max / Nf, min
3,00
2,75
2,50
2,25
2,00
1,75
1,50
1,25
1,00
Tj, Fehler
in K
Abbildung 3.1: Einfluss der Messunsicherheit in der Sperrschichttemperaturmessung auf die Lebensdauer der Leistungsmodule
Es wird bei der Messunsicherheit zwischen dem systematischen oder dem
zufälligen Fehler unterschieden. Bei Lastwechseltests können zufällige
3.1 Messung der Sperrschichttemperatur
41
Messfehler vernachlässigt werden, wenn Messwerte über viele Zyklen gemittelt werden. Der zufällige Messfehler verringert sich bei der Mittelung
nach dem Zusammenhang in der Formel 3.4 [51]. Der Wert u(Nf,mittel )
ist die Unsicherheit nach der Mittelung der Messwerte, u(Nf,einzel ) ist
die Unsicherheit auf Basis eines Messwerte und n die Anzahl der gemittelten Werte [64]. Mit diesem Zusammenhang verringert sich der zufällige
Messfehler von 1K nach der Mittelung von 100 Werten auf 0,1K und bei
1000 Werten auf 0,03K.
u(Nf,mittel ) =
u(Nf,einzel )
√
n
(3.4)
Der Fehler in der Lebensdauer wird deshalb überwiegend aufgrund des
systematischen Fehlers in der Sperrschichttemperaturmessung bestimmt.
Es ist von großer Bedeutung die Quellen für diesen Fehler zu kennen und
auf das Minimum zu reduzieren. Das soll im Nachfolgenden betrachtet
werden.
3.1.2
Eigenschaften der Kalibrierfunktion
Für die Messung der virtuellen Sperrschichttemperaturmessung mit der
VCE (T)-Methode ist die Kalibrierfunktion erforderlich, welche die Abhängigkeit der Durchlassspannung des Leistungsbauteils von der Temperatur
beim eingeprägten Strom beschreibt. Diese Funktion beeinflusst direkt
die Genauigkeit der Sperrschichttemperaturmessung. Insbesondere für die
Zuverlässigkeitsuntersuchungen bei hohen Sperrschichttemperaturen bis
zu 200◦ C ist die Kenntnis über die Eigenschaften dieser Funktion von
großer Bedeutung. Die Kalibrierfunktion wird mit Hilfe einer Messvorrichtung wie Klimakammer oder Heizplatte aufgenommen. Bekannt ist
auch eine aktive Kalibrierung, bei der der Halbleiterchip als Heizquelle
genutzt wird [8]. Für eine zu messende Sperrschichttemperatur herrscht
im ganzen Leistungsmodul homogene Temperaturverteilung.
Die Aufbau- und Verbindungstechnik des Leistungsmoduls wird so ausgelegt, dass in der Nähe des Leistungshalbleiter-Bauelementes die maximale
Sperrschichttemperatur auftreten kann. Die weiter entfernten Materialien
wie z.B. das Kunststoffgehäuse oder die Lotschicht zwischen DCB und
Grundplatte müssen nicht für diese hohe Temperatur bestimmt sein. In
einem realen Einsatz treten die hohen Temperaturen nur im Bereich des
Halbleiterchips auf. Aufgrund des Wärmeflusses und des thermischen
Widerstandes erfahren die darunter liegenden Materialschichten niedrigere
Temperaturen. Bei Zuverlässigkeitsuntersuchungen wird das Leistungsmodul bei maximal zulässigen Sperrschichttemperatur getestet. Hierfür ist die
42
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
Kalibrierkennlinie bis zu dieser Temperatur erforderlich. Bei Temperaturen
nahe 200◦ C kann es zu Veränderungen der mechanischen Eigenschaften
oder sogar zu Schädigung in der Aufbau- und Verbindungstechnik des
Leistungsmoduls kommen und die Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
verändern. Der Temperaturbereich in der Kalibrierfunktion nahe dieser
hohen Sperrschichttemperaturen kann bei Lastwechseluntersuchungen bei
bestimmter Aufbau- und Verbindungstechnik nur anhand einer Extrapolation abgedeckt werden. Wie im Folgenden gezeigt wird, kann die
Extrapolation aus den gemessenen Punkten unter bestimmten Bedingungen zu einem systematischen Fehler führen und die Testergebnisse der
Lastwechseltests verfälschen.
In der Literatur wird die Kalibrierkennlinie oft mathematisch mit Hilfe
einer Geraden approximiert [1], [35], [59]. Allerdings ist die Genauigkeit
dieser Approximation nicht ausreichend, insbesondere bei hochsperrenden
IGBT-Chips und hohen Sperrschichttemperaturen. Das zeigen die gemessenen Kalibrierkennlinien der 600V-, 1200V und 6,5kV-Leistungsmodule
in Abbildung 3.2.
Gemessene Kalibrierkennlinien VCE=f(Tvj)
0,6
0,5
VCE in V
0,4
0,3
0,2
0,1
0
0
50
100
150
200
250
Tvj in °C
600V IGBT
1200V IGBT
6,5kV IGBT
Abbildung 3.2: Vergleich der gemessenen Kalibrierkennlinien von 600V
(Stromdichte 62mA/cm2 ), 1200V (Stromdichte 120mA/cm2 ) und 6,5kV
(Stromdichte 17mA/cm2 ) IGBT-Leistungsmodulen
Wenn die Kalibrierkennlinien mit einer Geraden beschrieben werden und
3.1 Messung der Sperrschichttemperatur
43
diese Geradenfunktion zur Messung der Sperrschichttemperatur genutzt
wird, kommt es zu einem nicht zu vernachlässigbaren systematischen
Messfehler. Die Größenordnung des Fehlers zeigt Abbildung 3.3. Beim
600V IGBT liegt der Fehler bei ca. 1K, beim 1200V IGBT bei ca. 4K und
beim 6,5kV beträgt die systematische Abweichung sogar bis zu 20K.
Abweichung von der linearen Approximation
20
15
Fehler in K
10
5
0
-5
-10
-15
-20
0
50
100
150
200
250
Tvj in °C
600V IGBT
1200V IGBT
6,5kV IGBT
Abbildung 3.3: Systematischer Fehler bei der Messung der Sperrschichttemperatur bei der Beschreibung der Kalibrierkennlinie mit einer Geradenfunktion; Vergleich auf Basis der Messung in der Abbildung 3.2
Die Messung zeigt, dass die Kalibrierkennlinie einen nichtlinearen Verlauf
hat. Die Linearität ist abhängig von der Spannungsklasse des HalbleiterLeistungsbauelements. Zusätzlich wird die Eigenschaft der Kennlinie von
der Stromdichte beeinflusst. Die Messungen in Abbildung 3.4 zeigt den
Einfluss der Stromdichte beim 6,5kV IGBT. Bei der Stromdichte von
67mA/cm2 weist die Kalibrierkennlinie eine starke Rechtskrümmung auf.
Diese steigt ab einer Temperatur von 150◦ C stark an. Bei 17mA/cm2
ist die Rechtskrümmung weniger ausgeprägt, jedoch kommt es bei hohen
Temperaturen zusätzlich zu einer Linkskrümmung. Bei niedrigster Stromdichte ist die Kennlinie bis 150◦ C annähernd linear und läuft ab dieser
Temperatur asymptotisch zu der x-Achse.
Für die Erläuterung der Eigenschaften der Kalibrierkennlinie dienen
nachfolgende Ergebnisse aus [66], die mit dem Bauelementsimulator
SentaurusTCAD erzielt wurden. Für diese Simulation wurde eine pin-
44
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
Kalibrierkennlinien VCE=f(Tvj) eines 6,5kV IGBTLeistungsmoduls bei verschiedenen Stromdichten
0,8
0,7
0,6
VCE in V
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
0
50
100
150
200
250
Tvj in °C
67 mA/cm²
17 mA/cm²
1,7 mA/cm²
Abbildung 3.4: Einfluss der Stromdichte auf den Verlauf der Kalibrierkennlinie eines 6,5kV/200A IGBTs
Leistungsdiode angenommen (siehe Abbildung 3.5). Die Simulationsparameter sind in Tabelle 3.1 angegeben.
Tabelle 3.1: Simulationsparameter
-
−3
Dotierung des n -Gebietes [cm
Dicke [µm]
Basisweite [µm]
Stromdichte [mA/cm2 ]
Trägerlebensdauer (bei 300K):
der Löcher τp [µs]
der Elektronen τn [µs]
]
600V
3, 93 · 1014
50, 1
45, 0
66, 7
6,5kV
1, 64 · 1013
728
722
100
0, 3
3
1, 4
7
Dotierung des n- -Gebietes und Basisweite konnten vereinfacht mit den
Zusammenhängen einer idealen Non-Punch-Through-Dimensionierung berechnet werden [56]. Ausgehend von der gegebenen IGBT-Spannungsklasse,
die hier der Einsatzspannung des Lawinendurchbruchs UBD gleichgesetzt
ist, wird anhand der Formel 3.5 die Grunddotierung des n- -Gebietes ND
3.1 Messung der Sperrschichttemperatur
45
n-
p
n+
Basisweite (wB)
Dicke (d)
Abbildung 3.5: Halbleiterstruktur für die Simulation der Kalibrierkennlinie
mit dem Bauelementsimulator SenataurusTCAD
bestimmt. Danach lässt sich mit diesem Wert die Basisweite mit 3.8
berechnen. In Formel 3.5 sind C 0 und b Ionisierungsraten nach Shields
und Fulop, die mit Formeln 3.6 und 3.7 analytisch beschrieben werden.
Diese Abschätzung legt eine ideale NPT-Dimensionierung des Leistungsbauelements zugrunde. Für reale Bauelemente wird jedoch meist eine
moderate PT-Dimensionierung mit trapezförmigem Feldverlauf gewählt
[58]. Eine genaue Bestimmung der Dotierung und Basisweite für diese
Auslegung ist nicht möglich und bedarf Herstellerangaben sowohl zur
Dotierung als auch zum Feldverlauf. In Tabelle 3.1 berechneten Werte für
Dotierung und Basisweite für den dreiecksförmigen Feldverlauf weichen
deshalb geringfügig von einem realen Leistungsbauelement ab.
UBD =
1
·
2
b+1
C0
1
b+1
1
q · ND b+1
·
ε
T
C 0 = 2 · 10−28 · e−16,22· 300K
b = 5, 8 + 1, 2 ·
s
wB =
T
300K
2 · ε · UBD
q · ND
(3.5)
(3.6)
(3.7)
(3.8)
Abbildung 3.6 zeigt das Ergebnis der Simulation, wo ähnliche Eigenschaften im Vergleich zu den gemessenen Kennlinien zu sehen sind. Die
Kennlinie für 600V IGBT zeigt einen nahezu linearen Verlauf, beim 6,5kV
IGBT ist eine starke Rechtskrümmung sichtbar.
46
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
Simulierte Kalibrierkennlinien
1,40
1,20
Spannung in V
1,00
0,80
0,60
0,40
0,20
0,00
0
50
600V
100
150
Temperatur in°C
6,5kV
200
250
6,5kV ohne Mittelgebiet
Abbildung 3.6: Simulierte Kalibrierkennlinien
Die Nichtlinearität der Kalibrierkennlinie wird wegen des Spannungsabfalls
am Mittelgebiet verursacht. Dieser Effekt führt zu einer Rechtskrümmung.
Die Spannung am schwach dotierten Mittelgebiet nimmt mit höherer Spannungsklasse zu. Abbildung 3.7 zeigt den Verlauf des Spannungsabfalls in
Abhängigkeit von der Temperatur. Bei den gewählten Stromdichten ist
der Spannungsabfall am n- -Gebiet beim 600V-Bauelement im Bereich von
wenigen Millivolt, beim 6,5kV IGBT beträgt dieser etwa die Hälfte des
Gesamtspannungsabfalls am Bauelement. Die Spannung des n- -Gebietes
steigt zunächst leicht mit steigender Temperatur an, fällt dann bei hohen
Temperaturen ab. Der Anstieg ist aufgrund der abnehmender Beweglichkeit der Ladungsträger zu begünden, während der Spannungsabfall
mit einer längeren Trägerlebensdauer und einer höheren Ladungsträgerinjektion bei höheren Temperaturen zusammenhängt. Die Diffusionslänge
nimmt zu und das Ladungsträgerplasma im Mittelgebiet steigt. Damit
sinkt der Spannungsabfall im Mittelgebiet. Dieser Effekt überwiegt bei
höheren Temperaturen [66]. Zieht man den Anteil des Mittelgebietes von
der Gesamtspannung ab, ist dieses Verhalten nicht mehr zu sehen (siehe
Kennlinie „6,5kV ohne Mittelgebiet” in Abbildung 3.6).
Ein weiterer Effekt führt zur Nichtlinearität der Kalibrierkennlinie im
Bereich hoher Temperaturen und verursacht eine Linkskrümmung. In
diesem Bereich kommt es zu einem asymptotischen Verlauf der Kennlinie,
3.1 Messung der Sperrschichttemperatur
47
Spannungsabfall über dem ni-Gebiet
Spannung in V
1
0,1
0,01
0,001
0
50
100
150
Temperatur in °C
6,5kV
200
250
600V
Abbildung 3.7: Spannungsabfall am n- -Gebiet, Ergebnisse der Bauteilsimulation mit Parametern aus Tabelle 3.1
wenn die Stromdichte zu klein gewählt wurde. Je kleiner die Stromdichte
desto stärker wird dieser Einfluss (siehe hierzu Simulationsergebnisse in
Abbildung 3.8).
Um diese Art von Nichtlinearität zu vermeiden muss eine ausreichend
große Stromdichte gewählt werden. Die Höhe der minimalen Stromdichte
ist abhängig vom gewünschten Temperaturbereich und von der Spannungsklasse des Leistungsbauelements. Für die Abschätzung der minimalen
Stromdichte kann die Kalibrierkennlinie mit einem analytischen Modell
berechnet werden. Dabei ist es ausreichend nur den Spannungsabfall des
pn-Übergangs zu betrachten und den Spannungsabfall des n- -Gebietes
zu vernachlässigen. Die analytische Berechnung der Kalibrierkennlinie ist
im Anhang A.1 beschrieben. Das Ergebnis dieses analytischen Modells
ist in Abbildung 3.9 verglichen mit dem Ergebnis des Bauelementsimulators und der real gemessenen Kennlinie eines 600V-Leistungsbauelements.
Die Ergebnisse der analytischen Berechnung weichen von der gemessenen
Kennlinie stärker ab als die Ergebnisse der Simulation mit SentaurusTCAD .
Für eine Abschätzung der minimalen Stromdichte für eine Kalibrierkennlinie ist die Genauigkeit des analytischen Modells ausreichend.
Für verschiedene Spannungsklassen der Leistungsbauelemente und ver-
48
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
Einfluss der Stromdichte auf die Kalibrierkennlinie
0,70
0,60
Spannung in V
0,50
0,40
0,30
0,20
0,10
0,00
0
50
100
150
Temperatur in°C
0,62 mA/cm²
62 mA/cm²
200
250
620 mA/cm²
Abbildung 3.8: Einfluss der Stromdichte auf die Kalibrierkennlinien eines
600V Leistungsbauelements, Simulationsergebnisse aus [66]
schiedene maximale Sperrschichttemperaturen wurde mit dem analytischen Modell der Zusammenhang in Formel 3.9 gefunden. Abhängig
von der Sperrspannung UBD (in V ) und der maximalen Sperrschichttemperatur Tj,max (in K) erhält man damit die minimale Stromdichte
Jmin (in mA/cm2 ), bei der es bis zur maximalen Sperrschichttemperatur
zu keiner Linkskrümmung der Kalibrierkennlinie kommt. Hierfür wurde
vereinfacht angenommen, dass bei maximaler Sperrschichttemperatur
mindestens 60mV als Spannungsabfall am pn-Übergang noch vorhanden
sein müssen. Bei diesem Wert zeigte die berechnete Kalibrierkennlinie mit
dem analytischen Ansatz noch keine Linkskrümmung. Abbildung 3.10
zeigt Verläufe der Stromdichten für typische Sperrspannungsklassen der
Leistungsbauelemente. Aus diesem Diagramm kann abhängig von der
maximalen Sperrschichttemperatur die minimale Stromdichte für die zu
messende Kalibrierkennlinie abgelesen werden.
Jmin (UBD , T ) = 1, 59 · 10−17 · UBD 1,33 · e7,17·10
−2
·Tmax
(3.9)
Insgesamt zeigen die gemessenen und die simulierten Eigenschaften der
Kalibrierkennlinie, dass für eine Sperrschichttemperaturmessung bei hohen Temperaturen mit geringem systematischem Fehler einige Aspekte
3.1 Messung der Sperrschichttemperatur
49
Vergleich der Kalibrierkennlinien
0,6
0,5
UCE in V
0,4
0,3
0,2
0,1
0,0
0
50
Sentaurus
100
Tvj in °C
analytisch
150
200
gemessen
Abbildung 3.9: Kalibrierkennlinie für ein 600V / 400A - Leistungsmodul, Vergleich zwischen Messung, Simulation mit Bauelementsimulator
SentaurusTCAD und analytischer Berechnung
beachtet werden müssen. Es muss eine ausreichend große Stromdichte
gewählt werden. Die Kennlinie darf nicht mit einer Geradenfunktion
approximiert werden. Für die Bestimmung der Sperrschichttemperatur
muss die Kalibrierkennlinie mindestens mit der Polynomfunktion dritten
Grades beschrieben werden, damit der systematische Fehler bei einer
Interpolation kleiner 0,1K bleibt. Hierfür sollte die Kennlinie mindestens
einen Messpunkt mehr haben, als der Grad der Polynomfunktion. Eine
Extrapolation der Kennlinie in Richtung hoher Sperrschichttemperaturen
kann bei hochsperrenden Bauelementen zu einer Messunsicherheit von
mehreren Kelvin führen. Bei 600V Bauelementen kann die Extrapolation
unter Beachtung der minimalen Stromdichte durchgeführt werden. Mit
experimentellen Daten lässt sich feststellen, dass eine Verlängerung der Näherungsfunktion als Polynomfunktion dritten Grades um 25◦ C in Richtung
höherer Temperaturen zu einem systematischen Fehler von maximal einem
Kelvin führt. Die Extrapolation über einen weiteren Temperaturbereich
führt zu einer nicht mehr akzeptablen Abweichung.
Eine andere Art der mathematischen Näherung der Kalibrierkennlinie
ist eine stückweise lineare Approximation zwischen zwei Messpunkten.
Ein kleiner systematischer Fehler kann damit erreicht werden, wenn die
50
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
Minimale Stromdichte für Kalibrierfunktion
1000
J in mA/cm²
100
10
1
0,1
380
400
420
440
460
480
T in K
600V
1200V
1700V
3300V
6500V
Abbildung 3.10: Diagramm zur Bestimmung der minimalen Stromdichte für die Kalibrierkennlinie eines Leistungsmoduls, ermittelt mit dem
analytischen Berechnungsmodell im Anhang A.1
Kalibrierkennlinie viele Messpunkte enthält. Eine Extrapolation bei dieser
Methode ist jedoch nicht möglich.
3.1.3
Einfluss von Rekombinationszeit und Verlustleistung
Eine weitere Quelle für die systematische Messunsicherheit in der Sperrschichttemperaturmessung mit der VCE (T)-Methode ist der Einfluss der
Rekombinationszeit. Gleichzeitig spielt die Höhe der Verlustleistung eine
besondere Rolle, die in der Stromflussphase für die Erwärmung des Chips
verantwortlich ist.
Die maximale Sperrschichttemperatur wird dann gemessen, wenn der
Laststrom durch den Chip abgeklungen ist und der Messstrom auf den
gewünschten Wert ausgeregelt ist. Dieser Schaltvorgang verursacht eine
Verzögerung, die in [77] als Rekombinationszeit bezeichnet wird. Erst
nach dieser Zeit kann die Sperrschichttemperatur gemessen werden. Abbildung 3.11 zeigt den typischen Messvorgang. Diese Verläufe wurden
an einem 600V / 400A Leistungsmodul nach der Belastung mit 400A
Gleichstrom aufgenommen. In diesem Beispiel erfolgt die Messung der
3.1 Messung der Sperrschichttemperatur
51
Sperrschichttemperatur nach ca. 500µs.
Messung von Tvj,max nach Laststromabschaltung
500
190
Oszillationen
185
ILast
Zeitbereich für Tvj,max-Messung
180
Tvj
175
ILast
400
300
200
Tvj in °C
600
170
Verzögerung
100
0
-2,0E-03
165
160
0,0E+00
2,0E-03
t in s
4,0E-03
Abbildung 3.11: Messung der maximalen Sperrschichttemperatur nach
Abschalten des Belastungsstroms
Während der Rekombinationszeit kühlt sich der Halbleiterchip bereits
ab. Die Rekombinationszeit wird deshalb so kurz wie möglich eingestellt.
Praktisch erreicht man abhängig von der Höhe des Belastungsstroms,
von der Schnelligkeit der Messstromquelle, vom Leistungsbauelement
selbst und von der parasitären Induktivität des Stromkreises die minimale Rekombinationszeit von etwa 300 µs [77]. Bereits während dieser
kurzen Zeit kühlt sich die Sperrschicht um einige Kelvin ab. Aufgrund des
schnellen Abkühlvorgangs ist es nicht möglich, den Fehler in der Messung
der maximalen Sperrschichttemperatur zu vermeiden. Der Fehler lässt
sich aber anhand der Methode aus [6] kompensieren. Es wird gezeigt,
dass bei großflächigen Halbleiterchips in dem ersten Zeitabschnitt nach
dem abrupten Abschalten des Laststroms die Sperrschichttemperatur
nach der Wurzelfunktion abklingt. Trägt man den Verlauf der Sperrschichttemperatur über der Wurzel der Zeit, so ergeben die Messwerte
in diesem Zeitabschnitt eine Gerade. Die Messung in Abbildung 3.12
zeigt, dass bei Leistungsmodulen diese Näherung in den ersten 10ms mit
hinreichend guter Genauigkeit gilt. Über diesen Zeitabschnitt lässt sich
eine lineare Approximation durchführen, welche erlaubt, die maximale
Sperrschichttemperatur im Zeitpunkt t = 0 indirekt zu bestimmen. Der
52
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
Zeitpunkt t = 0 ist definiert als die Mitte der negativen Laststromflanke
(50% des Laststromes) beim Abschaltvorgang. Diese Methode wird im
Nachfolgenden als „Wurzel-t-Methode” bezeichnet.
Wurzel-t-Methode
Tj=f(t1/2)
200
195
190
185
lineare Approximation
Tj in °C
180
Tj
175
170
165
160
155
150
0,0E+00
2,0E-02
4,0E-02
6,0E-02
t1/2 in s1/2
8,0E-02
1,0E-01
Abbildung 3.12: Wuzel-t-Methode zur Bestimmung der maximalen Sperrschichttemperatur, Messwerte aus Abbildung 3.11
Die Methode der indirekten Messung der maximalen Sperrschichttemperatur erlaubt abzuschätzen, wie groß der systematische Fehler bei der
herkömmlichen Messmethode ausfällt. In der durchgeführten Messung
verringert sich die Sperrschichttemperatur nach 300µs bereits um 4K,
nach 500µs sind es etwa 6K.
Der Abkühlgradient nach dem Abschaltvorgang ist abhängig von der Höhe
des Laststroms bzw. von der Verlustleistung und vom transienten thermischen Widerstand des Leistungsmoduls. Den Einfluss der Verlustleistung
zeigt Abbildung 3.13. Aufgezeichnet sind gemessene Abkühlverläufe für
die ersten 10ms der Sperrschicht über der Wurzel der Zeit eines 400A
/ 600V Leistungsmoduls bei verschiedenen Verlustleistungsdichten. Für
jeden Verlauf wurde die lineare Approximation durchgeführt. Die Steigung der Geraden gibt den Abkühlgradienten an, der y-Achsenabschnitt
einzelner Geraden gibt die maximale Sperrschichttemperatur an.
Es ist zu sehen, dass das Abkühlverhalten unabhängig von der Verlustleistungseinspeisung linear über der Wurzel der Zeit verläuft. Die Steigung
3.1 Messung der Sperrschichttemperatur
53
Abkühlverhalten bei verschiedenen
Wärmestromdichten
190
170
y = -229,3∙t1/2 + 160,3
420W/cm² (400A)
150
Tvj in °C
130
y = -142,6∙t1/2 + 120,4
259W/cm² (300A)
y = -77,4∙t1/2 + 72,5
142W/cm² (200A)
y = -30,6∙t1/2 + 37,9
61,7W/cm² (100A)
110
90
70
50
30
0
0,02
0,04
0,06
t1/2 in s1/2
0,08
0,1
Abbildung 3.13: Einfluss der Verlustleistung auf das Abkühlverhalten der
Sperrschicht, Messungen an einem 400A / 600V Modul
p
der Geraden bzw. der Gradient, angegeben als dTvj /d( (t)), wird von der
Verlustleistung beeinflusst. Abkühlgradient und Wärmeflussdichte sind
zueinander proportional, wie das in Abbildung 3.14 gezeigt ist. Durch die
gemessenen Punkte lässt sich eine Ursprungsgerade durchziehen. Damit
kann für beliebige Wärmeflussdichten das Abkühlverhalten in den ersten
10ms mit guter Genauigkeit abgeschätzt werden.
Dieses gemessene Abkühlverhalten kann mit dem transienten thermischen
Widerstand berechnet werden. Für die Berechnung gilt der Zusammenhang
in Formel 3.10. Darin ist PV die in den Chip eingespeiste Verlustleistung,
Ri und τi die FOSTER-Koeffiezienten. Gefordert wird hierfür ein genau
gemessener transienter thermischer Widerstand. Die Genauigkeit der
Datenblattwerte zu einem bestimmten Leistungsmodul können für die
Berechnung nicht ausreichen, da üblicherweise nur ein typisches Verhalten
angegeben wird. Leistungsbauelemente eines Leistungsmoduls können
aufgrund verschiedener Positionen auf der DCB-Keramik im transienten
thermischen Verhalten geringfügig schwanken.
Tj,abkühl (t) = PV ·
n
X
i=1
Ri · e
− τt
i
(3.10)
54
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
0
Abkühlgradient in Abhängigkeit der Verlustleistung
dTj/d(t1/2) in K/(s1/2)
-50
-100
-150
-200
-250
0
100
200
300
PV/A in W/cm²
400
500
Abbildung 3.14: Zusammenhang zwischen dem Abkühlgradienten und der
Wärmeflussdichte, Werte aus Abbildung 3.13
Ein weiterer bekannter Effekt der Verlustleistung ist die Temperaturverteilung über dem Chip. Je größer die Strom- bzw. Wärmestromdichte, desto
größer ist der Temperaturunterschied zwischen Chipmitte und Chiprand
[32]. Bei früheren Chipgenerationen mit niedrigen Stromdichten im Vergleich zu heutigen Leistungsbauelementen war dieser Temperaturgradient
im Bereich von 20K. Bei heutigen Leistungsmodulen bei im Datenblatt
angegebenem Nennstrom ist der Temperaturunterschied zwischen Chipmitte und Chiprand höher. In Abbildung 3.15 ist die Messung mit einer
Infrarotkamera gezeigt, wo der Temperaturunterschied bei 420W/cm2
etwa 80K beträgt. Bei dieser hoher Wärmestromdichte ist der Einfluss der
Rekombinationszeit auf die gemessene maximale Sperrschichttemperatur
Tvj mit der VCE (T)-Methode sehr groß. Bei der Messung nach 500µs liegt
der Wert etwa 13K unterhalb der maximalen Oberflächentemperatur, der
Messwert mit der Wurzel-t-Methode dagegen nur 7K (siehe Abbildung
3.15). Die Genauigkeit der verwendeten Infrarotkamera wird mit +/ − 2K
angegeben.
p
Die Messungen zeigen, dass der Abkühlgradient dT /d (t) ein Indikator
für die Temperaturverteilung im Chip ist. Je größer die Verlustleistung im
Chip ist, desto größer ist dieser Parameter. Ebenso zeigt dieser Messwert
den Zusammenhang zwischen dem transienten Wärmewiderstand und der
Wärmestromdichte und schließt zusätzliche die Kühlrandbedingungen ein.
3.2 Thermische Impedanzspektroskopie
55
Dieser Messwert beschreibt demnach mehrere physikalische Effekte im
Leistungsmodul. Es ist notwendig mit Hilfe von weiteren Messungen zu untersuchen, ob dieser Parameter zur Verbesserung vorhandener empirischer
Lebensdauermodelle verwendet werden kann. Ein erweitertes Lebensdauermodell könnte die Lebensdauer in Abhängigkeit der maximalen
Sperrschichttemperatur,
dem Temperaturhub und dem Abkühlgradienten
p
dT /d (t) genauer beschreiben als heutige Lebensdauermodelle, die auf
der LESIT-Gleichung basieren.
Tvj,max=179°C (Wurzel-t-Methode)
200
T in °C
175
Tvj,max=173°C
(nach 500µs Rekombinationszeit)
150
125
Chip 1
IR-Kamera
Chip 2
100
75
0
0,2
0,4
0,6
0,8
Diagonale normiert auf 9mm x 9mm Chipgröße
Chip2 Chip1
1
Abbildung 3.15: Gemessene Temperaturverteilung an der Chipoberfläche im 400A / 600V Leistungsmodul nach 0,2s Stromfluss,
420W/cm2 Wärmestromdichte
3.2 Thermische Impedanzspektroskopie
3.2.1
Messung der thermischen Impedanz
Im Nachfolgenden werden zwei Methoden der thermischen Impedanzspektroskopie erläutert, die eine zerstörungsfreie Fehleranalyse des Kühlpfads
im Leistungsmodul ermöglichen. Damit kann die Ursache für die Verän-
56
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
derung des thermischen Widerstandes im Leistungsmodul eindeutig auf
eine bestimmte degradierte Verbindungsschicht eingegrenzt werden. Die
erste Variante beruht auf der bekannten Analysemethode, mit der zwei
Strukturfunktionen aus der thermischen Impedanz berechnet werden ([91],
[90]). Diese Methode wird für ie Fehleranalyse oder Bestimmung partieller thermischer Widerstände bei Mikroelektronikbauelementen ([55]),
Leuchtdioden ([101], [89]), diskreten Leistungsbauelementen ([85], [86],
[67]) oder zur Bewertung der thermischen Eigenschaften von Wärmeleitmaterialien ([72], [71]) genutzt. Speziell für diese Anwendungen werden
bereits Messgeräte angeboten ([62]). In der vorliegenden Arbeit wird diese
Methode für die Anwendung bei Leistungsmodulen modifiziert.
Der zweite Teil der thermischen Impedanzspektroskopie in dieser Arbeit analysiert die thermische Impedanz mit einem diskreten CAUERErsatzschaltbild und führt die Veränderung der CAUER-Teilwiderstände
auf bestimmte Fehlermechanismen im Leistungsmodul zurück.
Beide Methoden der thermischen Impedanzspektroskopie benötigen als
Basis die thermische Impedanzfunktion des Leistungsmoduls. Einige wichtige Aspekte werden im Nachfolgenden behandelt, die bei der Messung
dieser Funktion beachtet werden müssen. Diese sind für die weitere mathematische Behandlung der Messwerte signifikant.
Die thermische Impedanz als Funktion der Zeit (Zth (t)) beschreibt das
thermische Verhalten zwischen der Sperrschicht des Leistungsbauelements
und einem definierten Referenzpunkt. Für Leistungsmodule mit der glatten
Grundplatte liegt der Referenzpunkt meist auf der Unterseite der Grundplatte mittig unterhalb des Halbleiterchips. Bei direkt flüssigkeitsgekühlten
Grundplatten ist die Referenz in der Regel die Kühlmitteltemperatur.
Die Zth (t)-Funktion wird überwiegend mit der Messung des Abkühlverhaltens bestimmt. Beim Abkühl-Messverfahren wird das Leistungsmodul
mit einem definierten Laststrom bis zum stationären thermischen Zustand
aufgeheizt. Am Ende der Heizphase wird die Durchlassspannung und der
Strom gemessen und damit die Verlustleistung PV bestimmt. Danach
wird der Laststrom abgeschaltet und die Abkühlkurve der Sperrschicht
aufgenommen. Die Sperrschichttemperatur Tvj wird dabei mit Hilfe des
Spannungsabfalls am Bauelement bei einem eingeprägten kleinen Strom
gemessen [77]. Simultan dazu wird die Referenztemperatur Tref aufgezeichnet. Das Prinzip der Messung ist in Abbildung 3.16 dargestellt. Mit
den gemessenen drei Größen berechnet sich die thermische Impedanz als
Abkühlkurve mit Gleichung 3.11.
Zth,abkühl (t) =
Tvj (t) − Tref (t)
PV
(3.11)
3.2 Thermische Impedanzspektroskopie
57
S1
Prüfling
Laststrom
Tref
V
Messstrom
15V
A
Abbildung 3.16: Messprinzip der thermischen Impedanz Zth (t) am IGBTLeistungsmodul
Die gemessene Funktion Zth,abkühl (t) wird im nächsten Schritt in die
Aufheizkurve umgerechnet. Die Umrechnungsvorschrift ist in Gleichung
3.12 angegeben. Dabei ist die Annahme, dass das Abkühlverhalten des
Leistungsmoduls analog zum Aufheizverhalten ist. Streng genommen
sind diese Funktionen nicht identisch [7]. Beim Aufheizen startet der
Vorgang bei niedrigerer Temperatur als beim Abkühlen. Weiterhin ist
beim Beginn des Abkühlvorgangs ein relativ starker Temperaturgradient
in der Sperrschicht ausgeprägt [77], beim Start des Aufheizvorgangs ist
die Temperaturverteilung des Chips dagegen homogen. Diese Einflüsse
werden mit der Umrechnung der Abkühlfunktion in die Aufheizfunktion
vernachlässigt.
Die Aufheizkurve kann physikalisch richtig mit dem Aufheiz-Messverfahren
gemessen werden. Das Prinzip des Messverfahrens ist in Abbildung 3.17
erläutert. Hier wird die Impedanzfunktion punktweise gemessen. Für jeden Messpunkt wird ein Verlustleistungsimpuls erzeugt und nach dem
Abschaltvorgang ein Punkt der Impedanzfunktion bestimmt. Danach wird
das Leistungsmodul wieder auf den stationären Zustand abgekühlt. Im
darauf folgenden Impuls wird die Impulslänge verlängert und die Messung
analog durchgeführt. Für die komplette thermische Impedanz wird die
Vorgehensweise entsprechen der Anzahl der Messpunkte wiederholt. Bei
großer Anzahl der Messpunkte dauert die Messung der thermischen Impedanz mit diesem Verfahren viel länger als mit dem Abkühl-Messverfahren.
In Abbildung 3.18 zeigen die Messergebnisse beider Messmethoden keine
wesentliche Unterschiede. Geringfügige Abweichungen können vernachlässigt werden. Das Abkühlverhalten des Leistungsbauelements verhält
sich also analog zum Aufheizverhalten. Die Umrechnung der thermischen
Impedanz aus der Abkühlkurve in die Aufheizkurve führt damit zu keinem
gravierenden Fehler.
58
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
Prinzip des Aufheiz-Messverfahrens
1,2
PV
1
1,02E+00
0,8
8,20E-01
PV, Tvj
Messpunkt
0,6
6,20E-01
0,4
4,20E-01
Tvj
0,2
2,20E-01
0
2,00E-02
0
2
4
6
8
10
12
14
t
Abbildung 3.17: Prinzip des Aufheiz-Messverfahrens
Der erste Schritt der Umrechnung der Abkühlkurve in die analoge Aufheizkurve ist die korrekte Bestimmung des stationären thermischen Widerstandes Rth . Dieser Wert liegt auf der Abkühlkurve Zth,auf heiz zum Zeitpunkt
t = 0 (siehe Formel 3.13). Unter realen Messbedingungen kann dieser Wert
nicht gemessen werden. Nach dem Abschalten des Laststromes verzögert
sich der Startzeitpunkt für die Messung aufgrund von Rekombinationsvorgängen im Bauelement und der Einregelzeit der Messstromquelle. Erst
nach dieser Verzögerung kann mit der Messung begonnen werden. Die
Verzugszeit liegt im Bereich einiger 100µs. In dieser Zeit kühlt sich die
Sperrschicht bereits ab. In Abbildung 3.19 wird eine Methode gezeigt, wie
trotz dieser Messverzögerung der stationäre thermische Widerstand Rth
richtig bestimmt werden kann.
Zth,auf heiz (t) = Zth,abkühl · (−1) + Rth
(3.12)
Rth = Zth,abkühl (t = 0)
(3.13)
Wie in Kapitel 3.1 gezeigt, ist der Temperaturverlauf der Sperrschicht im
ersten kurzen Zeitabschnitt des Abkühlvorgangs eine Geradenfunktion
über der Wurzel der Zeit. Weil in diesem Zeitabschnitt sich die Referenztemperatur Tref aufgrund hoher Zeitkonstanten des Kühlkörpers oder
des Kühlmediums nicht ändert, ist der Zusammenhang auch auf die thermischen Impedanz Zth,abkühl (t) übertragbar. Wie Abbildung 3.19 zeigt,
ist das in sehr guter Näherung mit der Messung übereinstimmend. Wie
3.2 Thermische Impedanzspektroskopie
59
Zthja(t) Vergleich zwischen Aufheiz- und Abkühl-Messverfahren
0,18
0,16
0,14
Zthja in K/W
0,12
0,10
0,08
0,06
0,04
0,02
0,00
1,0E-04
1,0E-03
1,0E-02
Aufheiz-Messverfahren
1,0E-01
t in s
1,0E+00
1,0E+01
1,0E+02
Abkühl-Messverfahren
Abbildung 3.18: Vergleich der thermischen Impedanzen, ermittelt mit dem
Aufheiz-Messverfahren und Abkühl-Messverfahren; Messung zwischen
Sperrschicht und Kühlflüssigkeit an einem 600V 300A Leistungsmodul mit
direkt gekühlter Grundplatte, Messung bei 150A Laststrom bzw. 171W
Verlustleistung
bei der Messung der maximalen Sperrschichttemperatur ist der Zeitpunkt
t=0 in der negativen Stromflanke bei 50% des Stromwertes.
Mit dem Prinzip kann der verzögerte Start der Messung kompensiert
und der richtige thermische Widerstand Rth bestimmt werden. Damit
kann nun die Abkühlkurve in die Aufheizkurve mit der Formel 3.12
umgerechnet werden. Grafisch bedeutet diese Umrechnung eine Spiegelung
der Abkühlkurve an der Zeitachse und eine Verschiebung um den Wert
Rth nach oben. Als Ergebnis erhält man eine weit verbreitete Darstellung
der thermischen Impedanz (siehe Abbildung 3.18) als Aufheizkurve.
Beachtet werden muss bei der Messung der Einfluss des Laststromes bzw.
der Wärmestromdichte. Wie Abbildung 3.20 zeigt, führt eine höhere Wärmestromdichte zu einem höheren thermischen Widerstand. Der höhere
Laststrom führt zu höheren Temperaturen im Leistungsmodul. Da die
Wärmeleitfähigkeit der Materialien mit der Temperatur sinkt, steigt der
thermische Widerstand des Leistungsmoduls. Dieser Effekt muss berücksichtigt werden. Verglichen werden dürfen nur thermische Impedanzen
60
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
Gemessene Zthja, abkühl(t) eines 400A, 600V IGBTs
0,20
0,20
0,18
0,18
Rth
0,16
0,16
0,14
0,14
0,12
0
Zthja in K/W
0,12
0,05
(t)1/2 in (s)1/2
0,10
0,1
0,08
0,06
0,04
0,02
0,00
0,0001
0,001
0,01
0,1
t in s
1
10
100
Abbildung 3.19: Gemessene Abkühlkurve Zth,abkühl (t), indirekte Bestimmung des thermischen Widerstands Rth
eines Leistungsmoduls bei etwa gleichen Wärmestromdichten, was für die
thermische Impedanzspektroskopie relevant ist.
3.2.2
Quasi-kontinuierliches Impedanzspektrum
Die thermische Impedanz wird vereinfacht mit Hilfe eines eindimensionalen
Ersatzschaltbildes beschrieben. Üblicherweise wird hierzu die FOSTERDarstellung genommen (siehe Abbildung 3.21). Diese Schaltung spiegelt das thermische Verhalten des betrachteten Systems zwischen der
Sperrschichttemperatur Tvj und der Referenztemperatur Tref wieder. Die
Knotenpunkte zwischen den einzelnen RC-Gliedern können dabei nicht
einem realen Punkt im Kühlpfad des Leistungsmoduls zugeordnet werden.
Das Verhalten des FOSTER-Ersatzschaltbildes wird mathematisch mit
Formeln 3.14 und 3.15 beschrieben.
Zth (t) =
n
X
i=1
− t
Ri 1 − e τi
(3.14)
3.2 Thermische Impedanzspektroskopie
61
Zth in Abhängigkeit des Laststroms
0,18
0,16
0,14
Zth in K/W
0,12
0,10
0,08
0,06
0,04
0,02
0,00
1,0E-04
1,0E-03
1,0E-02
150A
1,0E-01
t in s
250A
1,0E+00
1,0E+01
1,0E+02
350A
Abbildung 3.20: Einfluss des Laststroms bzw. der Wärmestromdichte
auf den Verlauf der thermischen Impedanz, gemessen am 600V, 300A
Leistungsmodul mit einer direkt gekühlten Grundplatte mit der PinFinStruktur
τi = Ri · Ci
(3.15)
Je nach Dicke und Anzahl der Materialschichten zwischen der Sperrschichttemperatur und der Referenztemperatur sind unterschiedlich viele Glieder
im FOSTER-Ersatzschaltbild für eine genaue Approximation notwendig.
Für das Leistungsmodul mit glatter Grundplatte sind für die Beschreibung
der thermischen Impedanz zwischen Sperrschicht und Grundplattenunterseite (oft bezeichnet als Zthjc ) drei bis vier RC-Glieder ausreichend.
Ein bis zwei Glieder mehr sind notwendig, wenn die Referenztemperatur
im Kühlkörper oder im Kühlmedium (Luft, Kühlflüssigkeit) liegt. Die
in dieser Form beschriebene thermische Impedanz lässt sich grafisch in
der Form eines diskreten Spektrums darstellen. Dabei bilden die Zeitkonstanten τi die x-Achse und die Amplituden sind die dazugehörigen
thermischen Teilwiderstände. Ein Beispiel dafür ist in der Abbildung 3.22
dargestellt. In diesem Diagramm ist das diskrete Spektrum eines StandardLeistungsmoduls FS400R07A1E3 (600V, 400A) des Herstellers Infineon
Technologies dargestellt. Die Daten hierfür sind in Tabelle 3.2. Dieses
diskrete Spektrum kann mit dem „Levenberg-Marquardt-Verfahren” be-
62
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
Tj
R1
Rn
C1
Cn
PV
Tref
Abbildung 3.21: FOSTER-Ersatzschaltbild für die thermische Impedanz
rechnet werden [33]. Möglich hierfür ist auch das Lösungsverfahren „NNLS”
(non negative least square) aus [53].
Tabelle 3.2: RC-Glieder des FOSTER-Ersatzschaltbildes für den IGBT
im Leistungsmodul FS400R07A1E3 (600V, 400A), Datenblattwerte
Index
1
2
3
4
τi in s
3,60E-4
1,94E-2
3,76E-2
9,87E-1
ri in K/W
0,01419
0,06479
0,03350
0,00743
Obwohl das diskrete Spektrum das thermische Verhalten ausreichend
genau beschreibt, muss dieses in komplexen thermischen Systemen eher
kontinuierlicher Natur sein. In [91] und [90] wird eine Vorgehensweise
vorgestellt, wie man ausgehend von der gemessenen thermischen Impedanz
das kontinuierliche Impedanzspektrum berechnet.
Die Berechnung des kontinuierlichen Impedanzspektrums unterteilt sich
in drei Schritte:
1. Logarithmieren der Zeitachse der Zth -Funktion
2. Ableitung der Zth -Funktion
3. Lösung eines Faltungsintegrals
Problematisch erweist sich bei der Anwendung dieser Methode auf die Leistungsmodule die Ableitung der gemessenen Zth -Funktion. Dieser Schritt
liefert bei bereits geringem Rauschen der Messwerte in der thermischen
Impedanz zu starken Störungen in der Ableitungsfunktion. Ein weiteres
Verarbeiten dieser Werte führt zu schlechten Ergebnissen. Um dies zu
veranschaulichen, zeigt Abbildung 3.23 die ermittelte Ableitungsfunktion
aus einer gemessenen thermischen Impedanz eines Leistungsmoduls. Wie
3.2 Thermische Impedanzspektroskopie
63
Diskretes Spektrum
0,07
0,06
Rth in K/W
0,05
0,04
0,03
0,02
0,01
0
1,0E-05
1,0E-04
1,0E-03
1,0E-02
τ in s
1,0E-01
1,0E+00
1,0E+01
Abbildung 3.22: Diskretes Impedanzspektrums des Leistungsmoduls
FS400R07A1E3
im rechten Diagramm zu erkennen, enthält die Ableitungsfunktion ein
starkes Rauschen, obwohl die gemessene thermische Impedanz im linken
Diagramm nur eine geringe Streuung der Messwerte aufweist. Ein Filtern
dieser Funktion würde zu einem Informationsverlust führen.
Deshalb wird speziell für Leistungsmodule ein anderer Lösungsweg nachfolgend vorgeschlagen. Bei dem neuen Lösungsansatz wird die Ableitung
der thermischen Impedanzfunktion vermieden. Der erste Schritt dieses
Lösungsweges ist das Logarithmieren der t- und der τ -Achse (siehe Gleichungen 3.16 und 3.17). Damit lässt sich die FOSTER-Darstellung aus
Gleichung 3.14 in Gleichung 3.18 umformen.
Zth (t) =
n
X
i=1
x = ln(t)
(3.16)
ξ = ln(τ )
(3.17)
(xj −ξi )
R(ξi ) 1 − e−e
(3.18)
64
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
Gemesssene thermische Impedanz
Zthja(ln(t))
Ableitungsfunktion
dZthja/d(ln(t))
0,030
0,10
0,025
0,08
0,020
Zthja in K/W
dZthja/d(ln(t)
0,12
0,06
0,015
0,04
0,010
0,02
0,005
0,00
0,000
-8
-6
-4
-2
ln(t)
0
2
4
-8
-6
-4
-2
ln(t)
0
2
4
Abbildung 3.23: Links: gemessene thermische Impedanz eines 800A / 600V
IGBTs im direkt gekühlten Leistungsmodul; rechts: rechnerisch ermittelte
Ableitungsfunktion
Für die Verarbeitung der Messwerte ist Gleichung 3.18 in der MatrixDarstellung von Vorteil, siehe Gleichungen 3.19 und 3.20. Damit ist die
Matrixgleichung 3.21 vorgegeben. Der Vektor z enthält die Messwerte der
gemessenen thermischen Impedanz Zth , die Matrix A ist die Faltungsmatrix der logarithmierten t- und τ -Achsen und der Vektor r ist unbekannt,
der die Amplitudenwerte des zu berechnenden Impedanzspektrums enthält. Die logarithmierte t-Achse wird von der gemessenen thermischen
Impedanz vorgegeben. Dagegen muss die τ -Achse frei gewählt werden,
wobei der Wertebereich mindestens zwischen der kleinsten und der größten
Zeitkonstante des zu untersuchenden thermischen Systems liegen soll.
 

 

Zth (x1 )
a11 · · · a1i · · · a1n
R(ξ1 )
..
..
..   .. 
  ..


  .
.
.
.   . 

 
 

(3.19)
 Zth (xj )  =  aj1 · · · aji · · · ajn  ·  R(ξi ) 





..
..
..   .. 

  ..

.
.
.
.
.
Zth (xm )
am1 · · · ami · · · amn
R(ξn )
3.2 Thermische Impedanzspektroskopie
65
(xj −ξi )
aji = 1 − e−e
(3.20)
z =A·r
(3.21)
Prinzipiell kann Gleichung 3.21 mit verschiedenen mathematischen Hilfsmitteln gelöst werden. Als optimal für die gegebene Problemstellung
erweist sich der iterative Lösungsalgorithmus nach [49], der mit Formel
3.22 angegeben ist. Darin ist der Index p die Anzahl der Iterationen.
(p+1)
ri
X aji · r(p) · zj
1
i
=P
·
P
(p)
ajk · rk
aji j
j
(3.22)
k
Mit Hilfe der beschriebenen Vorgehensweise wurde das Spektrum für ein
IGBT des Standardmoduls FS400R07A1E3 (650V, 400A) des Herstellers
Infineon Technologies AG berechnet. Hierfür war der Ausgangspunkt die
thermische Impedanz zwischen der Sperrschicht und der Grundplattenunterseite (Rthjc ) aus dem Datenblatt. Mit Hilfe der FOSTER-Glieder
wurde die thermische Impedanz mit 300 Punkten erstellt, danach für diese
Funktion das quasi-kontinuierliches Spektrum berechnet. Die Lösung zeigt
Abbildung 3.24.
Im Vergleich zum diskreten Spektrum wird die thermische Impedanz mit
viel mehr RC-Gliedern des FOSTER-Netzwerkes beschrieben und erlaubt
mit der weiteren mathematischen Analyse eine physikalische Interpretation
des Kühlpfads im Leistungsmodul.
3.2.3
Strukturfunktionen
Das quasi-kontinuierliche Spektrum stellt ein FOSTER-Ersatzschaltbild
mit vielen RC-Gliedern dar. Für die weitere Analyse ist die Umrechnung dieses FOSTER-Ersatzschaltbildes in das äquivalente CAUERErsatzschaltbild (Abbildung 3.25) notwendig.
Die Transformation des FOSTER-Ersatzschaltbildes in das äquivalente
CAUER-Ersatzschaltbild kann mit dem rekursiven Umrechnungsalgorithmus aus [21] durchgeführt werden. Im Nachfolgenden wird die Herleitung
des Algorithmus nicht im Detail erläutert, sondern nur die Anwendung
dieser Transformation beschrieben.
Der erste Schritt der Umrechnungsvorschrift ist die Anwendung der
Laplace-Transformation in Gleichung 3.14. Das FOSTER-Ersatzschaltbild
66
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
Quasikontinuierliches Impedanzspektrum
0,025
Rth in K/W
0,020
0,015
0,010
0,005
0,000
1,0E-05
1,0E-04
1,0E-03
1,0E-02
τ in s
1,0E-01
1,0E+00
1,0E+01
Abbildung 3.24: Berechnetes quasi-kontinuierliches Spektrum für den
IGBT des Standard-Leistungsmoduls FS400R07A1E3 (650V, 400A)
im Bildbereich nach dieser Transformation beschreiben Gleichungen 3.23
und 3.24
n
X
1
Zth (s) =
(3.23)
Ci (s − si )
i=1
−1
(3.24)
Ri · Ci
Mit der Laplace-Darstellung muss die Summe der PT1-Glieder der Gleisi =
r1
Tj
PV
c1
rn
cn
Tref
Abbildung 3.25: CAUER-Ersatzschaltbild für die thermische Impedanz
3.2 Thermische Impedanzspektroskopie
67
chung 3.23 in die Form der gebrochen rationalen Funktion gebracht werden
(siehe 3.25), wobei p(s) Zählerpolynom und q(s) Nennerpolynom darstellen.
In dieser Funktion ist der Zählergrad um eins kleiner als der Nennergrad.
Zth (s) =
p(s)
q(s)
(3.25)
Im dritten Schritt wird der Nenner durch den Zähler der Gleichung
3.25 mit Hilfe der Polynomdivision dividiert, wobei als Ergebnis die
Summe aus einer linearen Funktion und einem Rest herauskommt (siehe
Gleichung 3.26). Die ersten Teilkomponenten ri und ci des CAUERErsatzschaltbildes können nun aus dem Term s · a + b bestimmt werden.
Die Gleichungen 3.27 und 3.28 beschreiben den Zusammenhang zwischen
CAUER-Parameter und der linearen Funktion.
q(s)
qrest (s)
= s · a + b + Rest; Rest =
p(s)
pi (s)
(3.26)
1
b
(3.27)
ci = a
(3.28)
ri =
Im letzten Schritt wird eine gebrochen rationale Funktion mit Hilfe der
Rekursion in Gleichungen 3.29 und 3.30 definiert. Für die neue Funktion
pi−1 (s)/qi−1 (s) kann wieder die Umrechnungsvorschrift ab Gleichung 3.25
angewendet werden. Die Iterationsschleife wird so lange durchgeführt
bis der Rest Null wird. Die Anzahl der Schleifendurchläufe entspricht
genau der Anzahl der RC-Paare im FOSTER-Ersatzschaltbild. Damit
hat das CAUER-Ersatzschaltbild nach der Transformation genauso viele
RC-Paare wie das äquivalente FOSTER-Netzwerk.
qi−1 (s) = b · pi (s) + qrest
pi−1 (s) =
−qrest
b
(3.29)
(3.30)
Mit dem berechneten CAUER-Ersatzschaltbild können Strukturfunktionen gebildet werden, die eine physikalische Interpretation des Kühlpfads
ermöglichen. Bekannt sind differentielle Strukturfunktion und kumulative
Strukturfunktion [70], [69], [48], [47]. Die differentielle Strukturfunktion K(ρ) wird mit Gleichung 3.31 und die kumulative Strukturfunktion
68
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
Ckum (ρ) mit Gleichung 3.32 gebildet. Die Berechnung erfolgt mit den
Parametern ri und ci des CAUER-Ersatzschaltbildes.
n
K(ρ) : Ki =
X
ci
; ρi =
ri
ri
i=1
Ckum (ρ) : Ckum,i =
n
X
ci ; ρi =
i=1
(3.31)
n
X
ri
(3.32)
i=1
Als Beispiel wurden beide Strukturfunktionen für das berechnete Spektrum aus Abbildung 3.24 bestimmt. Zunächst wurde das Spektrum bzw.
das FOSTER-Ersatzschaltbild nach dem beschriebenen Verfahren in das
CAUER-Ersatzschaltbild transformiert, danach die Parameter der Strukturfunktionen mit den Gleichungen 3.31 und 3.32 berechnet. Das Ergebnis
ist in Abbildungen 3.26 und 3.27 dargestellt.
K(ρ)
1,0E+07
Rthjc
1,0E+06
4
K in (W²s)/K²
1,0E+05
1,0E+04
3
1,0E+03
1,0E+02
2
1
1,0E+01
1,0E+00
1,0E-01
0,00
0,02
0,04
0,06
0,08
0,10
0,12
0,14
ρ in K/W
Abbildung 3.26: Differentielle Strukturfunktion eines 650V/400A IGBTs,
ermittelt nach der thermischen Impedanz des Datenblattes
Auf der ρ-Achse bei diesen Strukturfunktionen ist bei ρ = 0 der Halbleiterchip. Von diesem Punkt aus nach rechts ist der physikalische Wärmefluss
vom Chip zum Referenzpunkt Tref . Strukturfunktionen können nach [90]
3.2 Thermische Impedanzspektroskopie
69
Ckum(ρ)
1,0E+04
Rthjc
Ckum in (Ws)/K
1,0E+03
4
1,0E+02
1,0E+01
3
1,0E+00
2
1,0E-01
1
1,0E-02
1,0E-03
0,00
0,02
0,04
0,06
0,08
0,10
0,12
0,14
ρ in K/W
Abbildung 3.27: Kumulative Strukturfunktion eines 650V/400A IGBTs,
ermittelt nach der thermischen Impedanz des Datenblattes
wie folgt physikalisch interpretiert werden. In der differentiellen Strukturfunktion geben die lokalen Maxima die Informationen über die jeweilige
Materialschicht. Bei der kumulativen Strukturfunktion liefern Plateaus
Werte für die Identifikation des Kühlpfads. In diesem gezeigten Beispiel
konnten vier Punkte identifiziert werden, die einzelnen Materialschichten
zugeordnet werden können. Den physikalisch Zusammenhang der Werte
K und Ckum geben die Gleichungen 3.33 und 3.34. λ ist die Wärmeleitfähigkeit, s ist die Wärmespeicherzahl, A ist die am Wärmefluss beteiligte
Fläche und d ist die Dicke der Materialschicht. Die Konstanten der im
Leistungsmodul verwendeten Materialien sind in Tabelle 3.3 aufgelistet.
K(ρ) = λ · s · A2
(3.33)
Ckum (ρ) = s · A · d
(3.34)
Mit grober Kenntnis über den Leistungsmodulaufbau bzw. über darin
verwendete Materialien lassen sich die wesentlichen Schichten identifizieren.
In Tabelle 3.4 sind anhand der ermittelten Strukturfunktionen die vier
markierten Punkte den einzelnen Materialien im Leistungsmodul-Kühlpfad
zugeordnet.
70
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
Tabelle 3.3: Materialkonstanten aus [100]
Material
Si
Cu
Al2 O3
Lot
Wärmeleitfähigkeit
λ in W/(m · K)
148
394
24
70
Wärmespeicherzahl
s in W s/(m3 · K)
1,65·106
3,40·106
3,03·106
1,67·106
Tabelle 3.4: Zuordnung der Messpunkte aus Strukturfunktionen (Abbildungen 3.26 und 3.27 zu Materialschichten
Punkt Nr.
Material
1
Si
2
Al2 O3
3
Cu (Grundplatte)
4
TIM
Mit den Werten K und Ckum und den Materialkonstanten aus Tabelle 3.3
können die Abmessungen des Chips ermittelten werden. Im betrachteten
Leistungsmodul sind zwei IGBT-Chips parallel geschaltet, die jeweils
eine Chipfläche von ca. 10mm x 10mm haben. Die Dicke des IGBTs
beträgt 70µm. Aus Strukturfunktionen können für den Si-Chip die Werte
K = 6(W 2 s)/K 2 und C = 0, 02W s/K abgelesen werden. Damit ergibt
sich für die Fläche eines Chips 9mmx9mm und für die Chipdicke der Wert
von 77µm. Das entspricht mit guter Genauigkeit der tatsächlichen Größe.
Für andere Schichten können prinzipiell mit der gleichen Vorgehensweise
die geometrischen Abmessungen bestimmt werden. Je weiter die Schicht
vom Chip entfernt ist, desto schlechter wird jedoch die Genauigkeit.
Die Abweichung ist auf die Unsicherheitsproblematik der differentiellen
Strukturfunktion zurückzuführen. Diese Funktion ist einerseits von der
Messqualität der thermischen Impedanz abhängig und kann andererseits
vom numerischen Rauschen des Lösungsalgorithmus beeinflusst ([74], [75])
werden.
Die partiellen thermischen Widerstände können mit ausreichend guter
Qualität in Abbildungen 3.27 und 3.26 voneinander getrennt werden,
was für die Fehleranalyse verwendet werden kann. Man sieht in der
differentiellen Strukturfunktion den bestimmenden Anteil des thermischen
Widerstandes zwischen den Punkten 2 und 3. Dieser Anteil ist die Al2 O3 Schicht und beträgt etwa 70% des Gesamtwiderstandes. Zwischen den
Punkten 1 und 2 ist der Teilwiderstand bestehend aus Silizium-, Lot-,
und Kupferschicht (obere Metallisierung der DCB-Keramik). Dieser Teil
beträgt etwa 16%. Dies entspricht mit sehr guter Genauigkeit der Aussage
in [100] für heutige Standard-Leistungsmodule. Punkt 3 kann der CuGrundplatte zugeordnet werden. Zwischen Punkt 4 und dem stationären
3.2 Thermische Impedanzspektroskopie
71
Endwert Rthjc ist der Übergangswiderstand zwischen Grundplatte und
Messpunkt der Referenztemperatur.
3.2.4
Messung von Alterungsprozessen
Die zweite Methode der thermischen Impedanzspektroskopie, die nachfolgend beschrieben wird, bietet eine Möglichkeit zur Beobachtung von
Alterungsprozessen im thermischen Pfad des Leistungsmoduls während
der Lastwechseltests. Ziel ist es zu ermöglichen, die zeitliche Reihenfolge
von verschiedenen Fehlermechanismen im Leistungsmoduls zu verfolgen.
Im Laufe des Tests von Lastwechseltests treten oft in mehreren Schichten
des Leistungsmoduls Degradationsprozesse auf. Wenn die Fehleranalyse
des Kühlpfads im Leistungsmoduls nur am Testende durchgeführt wird,
kann keine Aussage über die zeitliche Abfolge der Fehlermechanismen
gemacht werden. Im Vergleich zur ersten Fehleranalysemethode mit Strukturfunktionen lässt sich diese Methode einfacher in einem Messprogramm
automatisieren.
Der Ansatz ist die Messung der Parameter des CAUER-Ersatzschaltbildes.
Hierfür ist es ausreichend nach der herkömmlichen Methode die thermischen Impedanz mit dem diskreten Impedanzspektrum zu beschreiben.
Die gemessene Kurve wird mit Hilfe vom FOSTER-Netzwerk mit wenigen RC-Paaren approximiert. Dieses Netzwerk wird dann im nächsten
Schritt in das CAUER-Netzwerk mit der vorgeschlagenen Methode der
FOSTER-CAUER-Transformation in Kapitel 3.2.3 umgerechnet. Da die
Knotenpunkte des CAUER-Ersatzschaltbildes einem bestimmten physikalischen Punkt im Kühlpfads zugeordnet werden können, liefern die
Teilwiderstände dieses Netzwerks die Information über einen bestimmten
Bereich des Kühlpfads. Misst man diese Teilwiderstände über die Dauer
des Lastwechseltests in regelmäßigen Abständen, können Degradationen
in verschiedenen Schichten des Leistungsmoduls gemessen werden.
Dieser Ansatz kann mit Hilfe einer thermischen Simulation bestätigt
werden. Für diese Simulation wurde das vereinfachte thermische Modell
aus [31] verwendet. Der simulierte Kühlpfad des Leistungsmoduls ist in
Abbildung 3.28 gezeigt. Die Simulation wurde für ein 600V / 400A Standardmodul durchgeführt. Für die Berechnung der thermischen Impedanz
wurde eine Chipfläche von 2cm2 angenommen. Weitere Angaben zum
Simulationsmodell sind im Anhang A.2.
Simuliert wurden thermische Impedanzen zwischen Sperrschicht und Kühlwasser für drei typische Fehler im Kühlpfad des Leistungsmoduls:
• Degradation der Chipverbindung
72
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
Wärmestrom
Chip (Si, SiC)
Chipverbindung (Lot)
Substrat-Metallisierung (Cu)
Keramik (Al2O3)
Substrat-Metallisierung (Cu)
Systemverbindung (Lot)
Grundplatte (Cu)
Wärmeleitpaste
Kühlkörper (Cu)
Wasser
Abbildung 3.28: Schichtenmodell für die thermische Simulation verschiedener Fehlerfälle im Kühlpfad eines Leistungsmoduls
• Degradation der Systemverbindung
• Degradation der Wärmeleitpaste
Für die Simulation dieser Fehlerfälle wurden vereinfacht die Flächen
entsprechender Schichten so verkleinert, dass der Gesamtwiderstand zwischen Chip und Kühlwasser um 20% höher wurde. Das Prinzip dieser
Flächenverkleinerung ist in Abbildung 3.29 gezeigt.
Simulation von typischen Fehlermechanismen im Kühlpfad
Chipverbindung
Systemverbindung
Wärmeleitpaste
Abbildung 3.29: Prinzip der Simulation von typischen Fehlermechanismen
Die simulierten thermischen Impedanzen zeigt Abbildung 3.30. Diese
Kurven wurden mit Hilfe der Methode der kleinsten Quadrate „NNLS”aus
[53] an das FOSTER-Ersatzschaltbild mit sieben RC-Paaren approximiert
und danach in die CAUER-Parameter umgerechnet. Die Verteilung der
CAUER-Teilwiderstände in Abbildung 3.31 zeigt, dass für einen bestimmten Fehlerfall nur ein Teilwiderstand einen signifikanten Anstieg zeigt.
Betrachtet man den Fall „Chipverbindung”, sieht man den größten Anstieg im Rth -Anteil Nr. 2. Die anderen Anteile dieses Fehlerfalles zeigen
zwar auch eine Erhöhung; diese bleibt aber relativ gering. Dieser Effekt
kann anhand Abbildung 3.29 erläutert werden. Bei der Degradation der
Chipverbindung kommt es im ganzen Kühlpfad zu einer Einengung des
Wärmeflusses. Die relative Abnahme der Fläche ist in der Chipverbindung
am größten, in den darunter liegenden Schichten nimmt sie aufgrund der
3.2 Thermische Impedanzspektroskopie
73
Wärmespreizung ab. Analog zu diesem Fehlerfall können Veränderungen
der Rth -Anteile für andere Fehlerfälle beobachtet werden.
Zth-Verläufe bei verschiedenen Fehlern
0,30
0,25
Zth in K/W
0,20
0,15
0,10
0,05
0,00
1,0E-04
ohne Fehler
1,0E-03
1,0E-02
1,0E-01
t in s
Chipverbindung
1,0E+00
Systemverbindung
1,0E+01
Wärmeleitpaste
Abbildung 3.30: Verläufe der thermischen Impedanz eines wassergekühlten
Leistungsmoduls mit drei verschiedenen Fehlern im Kühlpfad
Die Teilwiderstände des CAUER-Ersatzschaltbildes beschreiben einen bestimmten Bereich des Kühlpfads. Die Reihenfolge der Parameter entspricht
der Richtung vom Chip zum Kühlwasser. Für die physikalische Interpretation der Parameter muss abgeschätzt werden, zu welchem Punkt des
Kühlpfades der Knotenpunkt zwischen den Teilwiderständen zugeordnet
werden kann.
Prinzipiell kann die Auflösung, womit man den Kühlpfad in Teile zerlegt,
mit der Anzahl der RC-Paare frei gewählt werden. Für die Erkennung
von typischen Fehlerfällen ist es ausreichend die thermische Impedanz mit
drei bis vier Gliedern zu beschreiben.
3.2.5
Bestätigung der Methode
In diesem Abschnitt soll anhand experimenteller Beispiele die Anwendbarkeit der thermischen Impedanzspektroskopie bestätigt werden. Es werden
Beispiele zur ersten Methode gezeigt. Die Anwendbarkeit der zweiten
Methode für die Beobachtung von Alterungsprozessen wird in Kapitel 4
74
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
Rth-Anteile des CAUER-Ersatzschaltbildes
0,14
0,12
Rth in K/W
0,10
0,08
0,06
0,04
0,02
0,00
1
ohne Fehler
2
3
Chipverbindung
4
5
Rth-Anteil (Nr.)
Systemverbindung
6
7
Wärmeleitpaste
Abbildung 3.31: Einfluss verschiedener Fehlerfälle auf die Verteilung der
CAUER-Teilwiderstände, Ergebnisse für simulierte Zth (t)-Kurven in Abbildung 3.30
experimentell nachgewiesen.
Der Prüfling war in der ersten Untersuchung ein 600V/400A Leistungsmodul mit heutiger Standardtechnologie. Dieses Leistungsmodul war
auf einem wassergekühlten Kühlkörper montiert und wurde mit aktiven
Zyklen belastet. Die Testparameter waren laut Tabelle 3.5.
Der Test erreichte das „End-of-Life” aufgrund des angestiegenen thermischen Widerstandes. Wie die nachfolgende Analyse gezeigt hat, war
für den Anstieg die Degradation der Chipverbindung verantwortlich. Abbildung 3.32 zeigt die gemessenen thermischen Impedanzen am Anfang
und am Ende des Lastwechseltests. Der stationäre thermische Widerstand
Rth ist am Ende des Tests um ca. 20% erhöht, was dem Ausfallkriterium
entspricht. Nach Erreichen dieses Kriteriums wurde der Lastwechseltest
gestoppt.
Eine eindeutige Lokalisierung des Fehlers mit Hilfe der thermischen Impedanzspektroskopie liefert die kumulative Strukturfunktion in Abbildung
3.33. Die Funktion mit der degradierten Chipverbindung ist im Vergleich
zur Funktion ohne Degradation um den Wert ∆ nach rechts verschoben.
Die Verschiebung ist gleich an der ersten Stufe zu erkennen. In Bezug
3.2 Thermische Impedanzspektroskopie
75
Tabelle 3.5: Testparameter beim Lastwechseltest für die Untersuchung
der thermischen Impedanzspektroskopie
Parameter
für Lastwechsel
Parameter
für Zth -Messung
I
ton
tof f
Tvj,max
∆Tj
TW asser
PV
I
ton
tof f
Messperiode
400A
0,6s
3,1s
175◦ C
105K
70◦ C
320W/cm2
250A
30s
30s
250Zyklen
auf die Interpretation der Funktion in Abbildung 3.26, bedeutet diese
Verschiebung eine Verschlechterung des lokalen thermischen Widerstandes
zwischen dem Chip und Al2 O3 -Keramik. Damit ist die Degradation in
der Chipverbindung eindeutig nachgewiesen. Dieser Fehler wird mit der
Ultraschallaufnahme in Abbildung 3.34 bestätigt.
Für die Untersuchung der thermischen Impedanzspektroskopie auf die
Lokalisierung des Fehlers in der Systemverbindung dient ein Lastwechseltestergebnis aus [31]. Das 600V/400A Leistungsmodul fiel unter den
gewählten Lastwechselbedingungen nur aufgrund der Degradation in der
Systemverbindung. Das Fehlerbild, aufgenommen mit einem Ultraschallmikroskop, zeigt Abbildung 3.35. Die Systemverbindung weist Schädigungen
auf, die als helle Bereiche zu erkennen sind; in der Chipverbindung sind
dagegen keine Degradationen sichtbar.
Dieses Fehlerbild kann anhand der Strukturfunktion in Abbildung 3.36
bestätigt werden. Im Bereich des Chips sind keine wesentlichen Veränderungen des Funktionsverlaufs zu sehen. Strukturfunktionen für beide Fälle
laufen erst im Bereich von etwa ρ = 0, 1 auseinander, was physikalisch
dem Bereich zwischen der DCB-Keramik und der Grundplatte entspricht.
Damit kann eindeutig die Degradation der Systemverbindung eingegrenzt
werden.
Für den Fall, dass die Wärmeleitpaste im Kühlpfad des Leistungsmoduls
altert, eignet sich die Strukturfunktion ebenfalls zur Fehlerlokalisierung.
Für diesen typischen Fehlerfall zeigt Abbildung 3.37 die differentielle
76
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
Zth(t)
0,30
0,25
Zth in K/W
0,20
0,15
0,10
0,05
0,00
1,0E-04
1,0E-03
1,0E-02
1,0E-01
1,0E+00
1,0E+01
1,0E+02
t in s
ohne Degradation
mit Degradation der Chipverbindung
Abbildung 3.32: Thermische Impedanz des 600V/400A IGBTs am Anfang
und am Ende des Lastwechseltests
Strukturfunktion. Es ist deutlich zu erkennen, dass die Strukturfunktionen Änderungen außerhalb von dem thermischen Widerstand Rthjc
aufweisen. Die Kurve für den Fall mit gealterter Wärmeleitpaste hat einen
höheren partiellen thermischen Widerstand zwischen Rthjc (thermischer
Widerstand zwischen Sperrschicht und Modulgrundplatte) und Rthjh
(thermischer Widerstand zwischen Sperrschicht und Kühlkörper). Dieser
partielle Widerstand wird von der Wärmeleitpaste bestimmt.
Anhand der vorgestellten Messungen kann gezeigt werden, dass sowohl
die kumulative als auch die differentielle Strukturfunktion für die Fehleranalyse bei Zuverlässigkeitsuntersuchungen der Leistungsmodule geeignet
ist. Es besteht nach dem heutigen Stand der Technik oft die Schwierigkeit die Schädigungen im Kühlpfad eines Leistungsmoduls eindeutig
einzugrenzen. Nach der herkömmlichen Methode wird bei Lastwechseltests der stationäre thermische Widerstand zwischen der Sperrschicht des
Leistungsmoduls und der Referenztemperatur-Messstelle überwacht. Der
Anstieg des thermischen Widerstandes kann aufgrund der Degradation der
Verbindungsschichten im Leistungsmodul oder der Verschlechterung des
Wärmeleitmaterials wie z.B. Wärmeleitpaste zwischen Leistungsmodul
und Kühlkörper verursacht werden. Auch die Verringerung des Kühlmitteldurchflusses und Ablagerungen im Kühlkörper bei wassergekühlten
3.2 Thermische Impedanzspektroskopie
77
Ckum in (Ws)/K
Ckum(ρ)
1,0E+05
Rthjh(Testende)
1,0E+04
Rthjh(Teststart)
1,0E+03
Rthjc(Teststart)
1,0E+02
Δ
1,0E+01
1,0E+00
1,0E-01
1,0E-02
0,00
0,05
0,10
0,15
0,20
0,25
ρ in K/W
ohne Degradation
mit Degradation der Chipverbindung
Abbildung 3.33: Kumulative Strukturfunktion des 600V/400A IGBTs
ohne Degradation und mit degradierten Chipverbindung
Testsystemen kann zur Erhöhung des thermischen Widerstandes führen.
Für die Bewertung der Zuverlässigkeit der Leistungsmodule sind nur Fehler
im Leistungsmodul relevant. Wird ein Anstieg des thermischen Widerstandes während des Lastwechseltests detektiert, muss der Fehler im Kühlpfad
eindeutig lokalisiert werden. Dafür muss der Test bei herkömmlichen
Lastwechseluntersuchungen unterbrochen, das Leistungsmodul abmontiert
und zerstörungsfrei analysiert werden. Geeignete Methoden sind dafür die
Ultraschall- oder Röntgenanalyse.
Delaminationen innerhalb der Verbindungen können meist nur mit Hilfe
der Ultraschallanalyse festgestellt werden, Mikrorisse in den Lotschichten
werden mit Hilfe des Röntgenbildes sichtbar gemacht [45]. Eine zerstörungsfreie Analyse des Leistungsmoduls mit diesen Methoden ist jedoch
nicht bei allen Aufbau- und Verbindungstechnologien möglich. Z.B. bei
direkt flüssigkeitsgekühlten Leistungsmodulen mit der PinFin-Struktur
auf der Grundplatte können keine Aufnahmen der Verbindungsschichten
mit dem Ultraschallgerät in ausreichender Auflösung gemacht werden.
Eine fein auflösende Ultraschallanalyse ist nur möglich, wenn die PinFinStruktur abgefräst wird. Nach dieser zerstörenden Prüfung kann der
Lastwechseltest nicht weiter durchgeführt werden. In diesem Fall ist die
zerstörungsfreie Analyse mit der thermischen Impedanzspektroskopie ein
78
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
IGBT
IGBT
Abbildung 3.34: Ultraschallanalyse eines 600V/400A Leistungsmoduls
nach einem Lastwechseltest, links: Systemverbindung, mitte: Chipverbindung mit Degradation, rechts: Chipverbindung im Ausgangszustand
wichtiges Hilfsmittel für die Zuverlässigkeitsuntersuchungen.
Abbildung 3.35: Ultraschallanalyse eines 600V/400A Leistungsmoduls
nach einem Lastwechseltest, links: Systemverbindung mit Degradation,
rechts: Chipverbindung ohne Degradation
3.2 Thermische Impedanzspektroskopie
79
Ckum(ρ)
1,0E+05
Rthjh (ohne Fehler)
1,0E+04
Rthjc (Systemverbindung degradiert)
1,0E+03
Ckum in (Ws)/K
Rthjc (ohne Fehler)
1,0E+02
1,0E+01
1,0E+00
Δ
1,0E-01
1,0E-02
0
0,05
0,1
0,15
0,2
0,25
ρ [K/W]
ohne Fehler
Systemverbindung degradiert
Abbildung 3.36: Kumulative Strukturfunktion des 600V/400A IGBTs
ohne Degradation und mit degradierten Systemverbindung
K(ρ)
1,0E+09
Rthjh (Wärmeleitpaste gealtert)
1,0E+08
Rthjh (ohne Fehler)
K in (W²s)/K²
1,0E+07
1,0E+06
Rthjc
1,0E+05
1,0E+04
1,0E+03
1,0E+02
1,0E+01
1,0E+00
1,0E-01
0
0,05
0,1
0,15
0,2
0,25
ρ [K/W]
ohne Fehler
Wärmeleitpaste gealtert
Abbildung 3.37: Differentielle Strukturfunktion des 600V/400A IGBTs
ohne Degradation und mit gealterter Wärmeleitpaste
80
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
3.3 Lastwechselstand mit Gleichstrombelastung
3.3.1
Stromregelung und Kühlung
Dieses Prüfstandskonzept ermöglicht die Lastwechselfestigkeit der Leistungsmodule mit dem weit verbreiteten Testverfahren zu untersuchen.
Die Lastzyklen werden mit dem Gleichstrom generiert, wobei die Erwärmung bzw. die Temperaturhübe im Leistungsmodul aufgrund von internen
Durchlassverlusten der Leistungsbauelemente entstehen. Zusätzlich zu
diesem typischen Testverfahren bietet das hier beschriebene Testkonzept die Nachbildung von Kühlrandbedingungen eines Hybridfahrzeugs.
Den realisierten Prüfstand zeigt Abbildung 3.38. Das Konzept für die
Automatisierung des Prüfstandes entstand in [31].
Das Funktionsprinzip des Prüfstandes ist in Abbildung 3.39 dargestellt.
Für den geregelten Belastungs-Gleichstrom wird zunächst die Netzspannung über einen Stelltransformator herunter transformiert und mit Hilfe
einer Zwölfpuls-Gleichrichterschaltung gleichgerichtet. Die gleichgerichtete
Spannung wird genutzt um den Laststrom mit Hilfe einer Zweipunktregelung zu regeln. Wichtige Eigenschaften der Stromregelung sind sowohl die
geringe Welligkeit als auch das sehr schnelle Abschalten großer Ströme.
Die abrupte Stromabschaltung ist notwendig, um die Sperrschichttemperatur im Leistungshalbleiter möglichst schnell nach dem Abschaltvorgang
mit Hilfe der VCE (T)-Methode messen zu können.
Die Stromregelung wird mit Hilfe eines Tiefsetzstellers realisiert (siehe
Abbildung 3.40). Der Schalter MOSFET 1 in dieser Schaltung ist für die
Regelung des Stroms zuständig. Mit Hilfe des Schalters MOSFET 2 und
des parallel geschalteten Varistors wird die schnelle Stromabschaltung
realisiert. Während des Abschaltvorgangs wird die in der Lastinduktivität
gespeicherte Energie im Varistor in Wärme umgesetzt. Der Varistor begrenzt die Überspannung am Schalter MOSFET 2 und muss entsprechend
Schalthäufigkeit, Größe der Lastinduktivität und Stromstärke thermisch
bemessen sein.
Für Kühlung bzw. Temperieren der zu testenden Leistungsmodule ist der
Einsatz eines Kühl- und Heizgerätes erforderlich. Damit wird ermöglicht,
neben der reinen Kühlung des Prüflings ein konstantes Temperaturniveau des Kühlmittels unabhängig von der Verlustleistungseinspeisung
des Prüflings zu halten und passive Temperaturzyklen einzustellen. Um
die Temperaturen größer als 100◦ C erreichen zu können, muss der Kühlkreislauf als geschlossenes System ausgeführt sein. Insgesamt können
mit Funktionen des Kühlkreislaufs für die zu testenden Leistungsmodule die Umgebungsbedingungen eines Hybridfahrzeugs im beschränkten
3.3 Lastwechselstand mit Gleichstrombelastung
Laststromregler
81
Prüflinge
Kühl-, Heizgerät
Messstromquelle
Stelltransformator,
Gleichrichter
Lastinduktivität
Steuerung und Messwerterfassung
Abbildung 3.38: Realisierter Testaufbau für Lastwechseltests mit Gleichstrombelastung
Temperaturbereich nachgebildet werden.
Das Prinzip des Kühlkreislaufs ist in Abbildung 3.41 dargestellt. Das
Kühlkonzept besteht aus zwei getrennten Kreisläufen. Der primäre Kreislauf wird an das Kühlwasser des Prüflabors angeschlossen, welches die
Wärme über einen Wärmetauscher aus dem Sekundärkreislauf entzieht.
Die minimal mögliche Temperatur im Kühlsystem wird mit diesem Kühlwasser bestimmt. Über das Ventil (Kühlen) kann die Kühlung ein- und
ausgeschaltet werden und somit die Kühlleistung geregelt werden. Im
Sekundärkreislauf befinden sich die zu temperierenden Leistungsmodule.
Hier dient die Heizung als Wärmequelle, die zusätzlich zur Verlustleistung
der Prüflinge zum Aufheizen des Kühlmittels genutzt werden kann. Die
82
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
Steuerung, Messwerterfassung
3~ 230/400V
y
D
d
DydStelltransformator
UDC+
U~
U~
UDCB12Gleichrichter
Imax
Imin
IDC,Last
Q
IDC,Last
LaststromZweipunktregler
Prüfling
Kühlung,
Temperierung
Abbildung 3.39: Übersichtsschaltbild des Prüfstandes für Lastwechseltests
mit Gleichstrombelastung
Pumpe stellt die Durchflussmenge ein. Das Ausdehnungsgefäß ist ein
kleiner Speicher, welches die Volumenänderung des Kühlmittels kompensiert. Darin wird der Kühlmittelstand kontrolliert und bei Bedarf das
Kühlmittel aus dem Kühlmittel-Reservoir nachgefüllt.
3.3.2
Prinzip der Steuerung und Messwerterfassung
Die Aufgaben der automatisierten Steuerung des Lastwechselversuchs
unterteilen sich in zwei Gruppen. Zum einen müssen gewünschte Belastungsbedingungen ausgegeben und zum anderen die alterungsrelevanten
Größen gemessen und überwacht werden.
Beim vorgestellten Versuchsaufbau sind die Belastungsbedingungen rein
aktive, rein passive oder überlagerte Temperaturzyklen. Für die Belastung
mit aktiven Zyklen sind vier verschiedene Steuerungsverfahren möglich
([83]):
1. Konstante Ein- und Ausschaltzeit (ton , toff = const.)
2. Konstanter Temperaturhub an Gehäuse oder Kühlkörper (Tc =
cont.)
3. Konstante Verlustleistung (Pv = const.)
4. Konstanter Temperaturhub der Sperrschicht
Bei konstanter Ein- und Ausschaltzeit während des Lastwechseltests werden die Alterungseffekte im Kühlpfad des Leistungsmoduls nicht kompensiert. Eine Verschlechterung des thermischen Widerstandes im Laufe des
Tests führt zur steigenden maximalen Sperrschichttemperatur. Bei üblichen Lastwechselbedingungen verändert der erhöhte Wärmewiderstand
jedoch kaum die minimale Sperrschichttemperatur. Es kommt dadurch
3.3 Lastwechselstand mit Gleichstrombelastung
83
Laststrom-Zweipunktregler
U
MOSFET 1
MOSFET 2
Messstrom
UDC
ILast
L
Regler
ILast
Sollwert
Prüfling
EIN/AUS
Signal
Abbildung 3.40: Übersichtsschaltbild des Prüfstandes für Lastwechseltests
mit Gleichstrombelastung
zusätzlich zu einem erhöhten Temperaturhub der Sperrschicht und folglich
zur Alterungsbeschleunigung der Aufbau- und Verbindungstechnik im
Leistungsmodul. Wird während des Tests die zweite Steuerungsmethode
angewendet, kompensiert man teilweise die Degradationen im Kühlpfad.
Es kommt dadurch zu einer geringeren Alterungsbeschleunigung. Noch
größer ist die Kompensation der Degradationsprozesse bei den letzten zwei
Steuerungsverfahren. Wie in [83] gezeigt, führt das Verfahren mit konstanter Ein- und Ausschaltzeit zu kürzester Lebensdauer. Im Vergleich dazu
wird beim konstantem Temperaturhub der Sperrschicht mit heutigen Leistungsmodulen die bis zu dreifache Zyklenzahl erreicht. Die Bedingungen
in den ersten beiden Steuerungsmethoden kommen einer realen Anwendung am nächsten. Die anderen zwei entsprechen dagegen keiner realen
Anwendung und sind deshalb für eine solide Lebensdaueruntersuchung
nicht erwünscht.
Die Steuerung des vorgestellten Prüfstandes für die Belastung mit überlagerten Zyklen basiert auf der Steuerungsmethode mit konstanter Einund Ausschaltzeit. Das Prinzip ist in Abbildung 3.42 dargestellt. Der gesamte Belastungszyklus ist in vier Phasen unterteilt: Aufwärmen, Halten
warm, Abkühlen, Halten kalt. Im ersten Zustand wird der Prüfling passiv
mit einer definierten Temperaturrampe aufgewärmt. Gleichzeitig erfährt
das Leistungsmodul Lastwechsel, die eine feste Ein- und Ausschaltzeit
84
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
TE
Wasser-WasserPlattenwärmetauscher
Ausdehnungsgefäß
Heizung
Pumpe
Temperatur
Vorlauf
Kühlmittel
Vorlauf
Ventil
(Befüllen)
TE
KühlmittelTemperatur
Reservoir
Rücklauf
Kühlmittel
Rücklauf
Ventil
(Kühlen)
Kühlwasser
Kühlwasser
Abbildung 3.41: Prinzip des Kühlkreislaufs für die Nachbildung der Umgebungsbedingungen des Hybridfahrzeugs
haben. Erreicht die Kühlmitteltemperatur den maximalen eingestellten
Wert, wird die Temperatur auf dem Niveau gehalten, bis die gewünschte
Anzahl von aktiven Zyklen erreicht ist. Danach wird das System auf die
Anfangstemperatur mit einer definierten Rampe abgekühlt. Nach diesem
Zustand wird das untere Temperaturniveau des Kühlmittels konstant gehalten. Während dieser Phase werden die Durchlassspannung VCE und der
transiente thermische Widerstand Zth des Prüflings gemessen. Dazu wird
ein Strompuls mit einer gewünschten Länge ausgegeben. Diese Messung
wird nur in gewissen Zeitabständen durchgeführt, nicht in jedem passiven Zyklus. Der Zeitabschnitt zwischen zwei Messungen muss abhängig
von Testbedingungen gewählt werden, damit das Alterungsverhalten der
Prüflinge mit einer noch ausreichenden Auflösung gemessen werden kann.
Zusätzlich muss der Temperaturhub der Sperrschicht im Messvorgang
möglichst niedrig sein, um den Einfluss auf die gesamte Lebensdauer des
Prüflings im laufenden Test vernachlässigbar gering zu halten.
Für rein aktive Zyklen wird die Kühlmitteltemperatur auf konstantem
Niveau gehalten. Lastwechsel werden kontinuierlich ausgegeben und nur
für den Messpuls, mit dem die Durchlassspannung und der transiente thermische Widerstand gemessen werden, kurzzeitig unterbrochen. Beim rein
passiven Temperaturwechseltest werden die aktiven Zyklen weggelassen.
Für die Aufzeichnung des Alterungsverhaltens werden während des Tests
drei Messgrößen erfasst: Belastungsstrom I durch Prüflinge, Spannungsabfall am Leistungsbauelement VCE , Temperatur an einem gewählten
Referenzpunkt Tc (Grundplatte des Prüflings, Kühlkörper oder Kühlmittel). Diese Größen müssen mit hoher Zeitauflösung abgetastet werden, um
folgende Werte für die Zuverlässigkeitsbewertung aufzuzeichnen:
3.3 Lastwechselstand mit Gleichstrombelastung
85
200
1. Aufwärmen
2. Halten
warm
160
Tvj,max
140
Tvj
Temperatur
180
120
3. Abkühlen
4. Halten
kalt
TKühlmittel, max
100
Tvj,min
80
dT/dt kühlen
60
0
VCE, Zth
Messung
dT/dt heizen
40
20
ton
TKühlmittel
TKühlmittel, min
toff
Zeit
Abbildung 3.42: Steuerungsverfahren für die Belastung der Leistungsmodule mit überlagerten Temperaturzyklen
•
•
•
•
•
•
•
Sperrschichttemperatur Tvj,min und Tvj,max
Kühlmittel- bzw. Referenztemperatur Tc,min und Tc,max
Belastungsstrom I
Durchlassspannung VCE
Verlustleistung im Leistungsbauelement PV
stationärer thermischer Widerstand Rth
Transiente thermische Impedanz Zth (t)
Im aktiven Zyklus wird während der Stromflussphase unmittelbar nach
dem Stromanstieg die Durchlassspannung VCE gemessen. Die Erwärmung
des Leistungsbauelement soll in diesem Zeitbereich noch vernachlässigbar
bleiben. Bei den typischen Leistungsmodulen ist das im Bereich bis zu
einer Millisekunde gewährleistet. Dieser Messwert dient zur Erfassung
des Bonddrahtfehlers im Leistungsmodul. Beim überlagerten Temperaturund Lastwechseltest wird diese Messung im Messpuls bei der unteren
Kühlmitteltemperatur durchgeführt.
Am Ende der Stromflussphase ton wird die Verlustleistung mit Hilfe von
VCE und I erfasst und unmittelbar nach dem Ausschalten des Stroms die
86
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
maximalen Werte Tvj,max und Tc,max . Mit der gemessenen Verlustleistung
und der Differenz zwischen Tvj,max und Tc,max errechnet sich der thermische Widerstand Rth . Dieser Wert ist korrekt, wenn der Strom ausreichend
lange davor geflossen ist und der stationäre Zustand für diese gemessene
Temperaturdifferenz zwischen der Sperrschicht und dem Referenzpunkt erreicht wurde. Bei kurzen Zyklen wird der stationäre Zustand nicht erreicht.
Dadurch entspricht der auf diese Weise gemessene thermische Widerstand
Rth nicht dem richtigen stationären Wert und repräsentiert einen Punkt
der transienten thermischen Impedanz. Bei kurzen Zyklen muss deshalb
der thermische Widerstand mit Hilfe des Messpulses gemessen werden
(siehe Abbildung 3.42, Haltephase kalt). Hier wird die Strompulsbreite
so gewählt, damit der stationäre Zustand erreicht wird. Der Messpuls
dient zusätzlich zur Messung des transienten thermischen Verhaltens
des Leistungsmoduls, um damit Fehlermechanismen im Kühlpfad des
Leistungsmoduls mit Hilfe der thermischen Impedanzspektroskopie zu
lokalisieren.
Am Ende der Kühlphase im aktiven Zyklus werden Messwerte Tvj,min
und Tc,min gemessen.
Insgesamt werden alle Messungen im Lastwechseltest auf ansteigende bzw.
fallende Flanke des Belastungsstroms getriggert. Für eine gute Qualität
der Messung ist eine Abtastrate im Bereich von mindestens 25 kHz in
jedem Messkanal erforderlich. Die hohe Abtastrate wird insbesondere für
die Messung von Tvj,max und Zth (t) gefordert.
3.4 Konzept für Lastwechseltests unter Umrichterbedingungen
3.4.1
Betriebsweise des Lastkreises
Zuverlässigkeitsuntersuchungen und Qualifizierungstests an Leistungsmodulen bezüglich der Lastwechselfestigkeit werden üblicherweise mit Gleichstrombelastung durchgeführt (siehe Kapitel 3.3). Dabei wird der Prüfling
mit aktiven Lastwechseln belastet, die Temperaturwechseln im Chip und
im Modul hervorrufen. Während eines solchen Tests wird das Leistungsbauelement keinen hohen Spannungen ausgesetzt. Die Erwärmung wird
nur mit Durchlassverlusten erzeugt, Schaltverluste sind vernachlässigbar
klein und tragen nicht zur Erwärmung bei. Dagegen machen die Schaltverluste in der Anwendung je nach Betriebspunkt des Umrichters etwa
die Hälfte der Gesamtverluste aus. Um während des Lastwechseltests mit
Gleichstrombelastung hohe Temperaturhübe der Sperrschicht zu erreichen,
3.4 Konzept für Lastwechseltests unter Umrichterbedingungen
87
ist der Strom aufgrund fehlender Schaltverluste in den meisten Fällen
höher als in der Anwendung. Weiterhin können während des Tests IGBTs
und dazugehörigen Freilaufdioden nicht gleichzeitig belastet werden.
Für die Auslegung des Umrichters werden Lebensdauermodelle genutzt, die
mit solchen Tests ermittelt werden. Es gibt jedoch keine experimentellen
Untersuchungen, wie genau diese Lebensdauermodelle die Zuverlässigkeit des Leistungsmoduls in der Anwendung beschreiben. Es ist deshalb
von großem Interesse die Lastwechselfestigkeit unter realen Umrichterbedingungen zu überprüfen. Zu diesem Zweck wurde in [68] und [41] ein
Testkonzept für Leistungsmodule vorgestellt. Dieses Konzept wird in der
vorliegenden Arbeit für Lastwechseluntersuchungen verwendet.
Für die Konzipierung des Lastwechselstandes dient als Prüfling ein dreiphasiges Wechselrichter-Leistungsmodul. Als Last am Ausgang wird eine
Induktivität gewählt. Damit ist es möglich eine induktive Blindleistung zwischen der Last und dem Zwischenkreis zu fahren. In den Ausgangsphasen
kann der volle gewünschte Strom eingestellt werden, wobei eingangsseitig
in den Wechselrichter nur die Verlustleistung eingespeist werden muss. Der
prinzipielle Aufbau des Laststromkreises ist in Abbildung 3.43 dargestellt.
Die Ansteuerung des Laststromkreises kann mit einer Sinus-Dreieckoder Raumzeigermodulation realisiert werden. Die Leiter- bzw. Stangströme sind am Ausgang bei vernachlässigbarem Stromrippel sinusförmig
und jeweils um 120◦ C gegeneinander phasenverschoben. Zwischen dem
Strangstrom und der Strangspannung ist die Phasenverschiebung aufgrund
der induktiven Last annähernd 90◦ . Dadurch werden die Freilaufdioden im
Vergleich zu einer realen Last stärker und die IGBTs schwächer belastet.
Dies ist besonders dann der Fall, wenn das zu testende Leistungsmodul
für die Steuerung eines Wechselstrommotors ausgelegt ist.
Wird der Lastwechseltest mit einer induktiven Last bei sonst gleichen
Betriebsparametern der realen Anwendung betrieben, führt dies also zu
einer abweichenden thermischen Belastung der Leistungsbauelemente. Um
die thermischen Verhältnisse im Leistungsmodul während des Tests ähnlich
den realen Einsatzbedingungen einzustellen, müssen die Betriebsparameter
des Wechselrichters richtig gewählt werden. Diese Parameter können mit
Hilfe der analytischen Verlustleistungsberechnung aus [5] und [10] gefunden
werden. Bei einem sinusförmigen Ausgangsstrom lassen sich die Verluste
im IGBT und der Freilaufdiode mit den Gleichungen 3.35, 3.36, 3.37 und
3.38 mit ausreichender Genauigkeit abschätzen.
Für die Berechnung der Durchlassverluste werden die Durchlasskennlinien
der Leistungsbauelemente mit einer Geradenfunktion beschrieben (Werte
US und rd ). Bei Schaltverlusten geht die analytische Berechnung von einem
proportionalen Zusammenhang zwischen dem Strom bzw. Spannung und
88
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
+UZK/2
V
U
W
CZK
UGate
-UZK/2
IU
IV
L
R
R
R
UU
IW
UV
L
UW
L
Induktive Last
Abbildung 3.43: Dreiphasiger Wechselrichter für den Lastwechseltest unter
Umrichterbedingungen
der Verlustenergie beim Ein- und Ausschaltvorgang aus. Hierfür müssen
die Verlustenergien für einem bestimmten Referenzpunkt bekannt sein.
In der Regel werden die Werte für den Nennstrom des Leistungsmoduls
und für die halbe Sperrspannung des Leistungsbauelements im Datenblatt
angegeben.
Bei dieser Berechnung muss beachtet werden, dass die Verlustenergien von der Größe der Gatewiderstände abhängig sind. Der EinschaltGatewiderstand des IGBTs beeinflusst das Einschaltverhalten des IGBTs
und das Ausschaltverhalten der Diode. Die Vergrößerung des Widerstandswertes bedeutet eine Erhöhung der IGBT-Einschaltverluste und
eine Verringerung der Dioden-Ausschaltverluste. Der Wert des Gatewiderstandes, der beim Ausschaltvorgang des IGBTs wirksam ist, beeinflusst
nur die Ausschaltverluste des IGBTs. Das Einschaltverhalten des IGBTs
3.4 Konzept für Lastwechseltests unter Umrichterbedingungen
89
kann dabei stärker beeinflusst werden, als dessen Ausschaltverhalten.
Pleit,IGBT
1
=
2
US ˆ rd ˆ2
US ˆ rd ˆ2
·I +
· I +M ·cosφ
·I +
·I
(3.35)
π
4
8
3π
Pschalt,IGBT =
Pleit,diode =
1
2
1
UZK
Iˆ
· fs · (Eon,ref + Eof f,ref ) ·
·
π
Uref Iref
(3.36)
US ˆ rd ˆ2
US ˆ rd ˆ2
·I +
· I − M · cosφ
·I +
·I
(3.37)
π
4
8
3π
Pschalt,diode =
UZK
1
Iˆ
· fs · Err,ref ·
·
π
Uref Iref
(3.38)
Mit Verringerung des Ausgangsstroms, Erhöhung des Gate-Widerstandes
und Erhöhung der Schaltfrequenz können beim Betrieb des Wechselrichters mit rein induktiver Last Verlustleistungsverhältnisse von IGBTs und
Dioden im Leistungsmodul ähnlich den Bedingungen bei einer realen
Motorlast eingestellt werden [68]. Dies kann mit der analytischen Verlustleistungsberechnung mit hinreichender Genauigkeit bestimmt werden.
3.4.2
Messung alterungsrelevanter Parameter
Zu den alterungsrelevanter Parameter gehört die Durchlassspannung,
die Sperrschichttemperatur und der thermische Widerstand bzw. die
thermische Impedanz. Mit diesen Messungen werden Bonddrahtfehler
und Degradationen im Kühlpfades des Leistungsmoduls während des
Lastwechseltests detektiert. Die Sperrschichttemperatur dient zusätzlich
zur nachträglichen Lebensdauerbewertung des Leistungsmoduls.
Im Lastzyklus muss die maximale und die minimale Sperrschichttemperatur gemessen werden. Die minimale Temperatur wird am Ende der
Ausschaltzeit gemessen. Für die Messung der maximalen Sperrschichttemperatur während des Wechselbetriebs muss ein richtiger Zeitpunkt
am Ende der Heizphase gefunden werden, da die Sperrschicht neben dem
großen relativ langsamen Temperaturzyklus kurzen Zyklen ausgesetzt
ist. Die Amplitude der kleinen Temperaturzyklen ist abhängig von der
Grundfrequenz des Ausgangsstromes und beträgt bei typischer Frequenz
von 50 Hz wenige Kelvin. Bei dieser hohen Ausgangsfrequenz ist der Einfluss der kleinen Zyklen alleine auf die Lebensdauer des Leistungsmoduls
90
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
vernachlässigbar. Diese kleinen Zyklen müssen jedoch für die Messung
der absolut maximalen Sperrschichttemperatur betrachtet werden. Nach
dem simulierten Temperaturverlauf des IGBTs in Abbildung 3.44 ist die
maximale Sperrschichttemperatur unmittelbar nach dem Erreichen des
Strommaximums.
TJ, IGBT
TJ, max
IIGBT
t
t
Abbildung 3.44: Simulierter Temperaturverlauf im IGBT während des
Wechselrichterbetriebs [68]
Für die Messung der Sperrschichttemperatur im Wechselrichterbetrieb ist
es sinnvoll, die bekannte VCE (T)-Methode anzuwenden. Die Ergebnisse
der Lastwechseltests unter Umrichterbedingungen sind damit mit den
Ergebnissen typischer Tests mit Gleichstrom vergleichbar. Es wird verhindert, dass aufgrund von unterschiedlichen Temperaturmessmethoden die
Lebensdauerergebnisse verfälscht werden.
Für die VCE (T)-Methode muss unter Umrichterbedingungen der Einfluss
des Sperrstromes beachtet werden. Wie die Abbildung 3.45 an der Messung
der IGBT-Sperrschichttemperatur zeigt, fließt durch das zu messende
IGBT der Sperrstrom der unteren IGBTs und Dioden. Insgesamt wird
dieser somit von sechs Leistungsbauteilen bestimmt, wobei jedes davon
eine Parallelschaltung von mehreren Chips sein kann. Der Sperrstrom fließt
zusätzlich zum eingespeisten Messstrom im oberen IGBT und verfälscht
somit die Kennlinie, die zur Bestimmung der Sperrschichttemperatur
dient.
Der Messfehler aufgrund des Sperrstromes ist primär abhängig von der
Temperatur. Wie die Messung des Sperrstromes an einem 1200V / 100A
IGBT in Abbildung 3.46 zeigt, kann der Sperrstrom bei höheren Temperaturen für die VCE (T)-Methode nicht mehr vernachlässigt werden. Hinzu
3.4 Konzept für Lastwechseltests unter Umrichterbedingungen
91
100mA
IGBT für Tj-Messung
UDC
-15V
+15V
-15V
-15V
V
VCE
-15V
C
-15V
Abbildung 3.45: Einfluss des Sperrstromes bei der Messung der Sperrschichttemperatur im Wechselrichterbetrieb
kommt, dass die Werte des Sperrstromes bei Leistungshalbleiterbauelementen abhängig von der Herstellungscharge sehr stark variieren können.
Hersteller geben in den Datenblättern bei heutigen Leistungsmodulen
den maximal möglichen Sperrstrom bei Raumtemperatur im einstelligen
mA-Bereich an. Typischerweise ist der Sperrstrom jedoch viel kleiner.
Der Sperrstrom erhöht den Messstrom durch das zu messende Bauelement
und verändert die Kalibrierkennlinie. Es ist von Interesse zu wissen, ab
welchem Sperrstrom der Einfluss auf die Kalibrierkennlinie nicht mehr
vernachlässigbar ist. Mit Hilfe des analytischen Modells zur Berechnung
der Kalibrierkennlinie, beschrieben im Anhang A.1, wurde der Einfluss
der Stromdichte auf die Veränderung der Kalibrierkennlinie für ein 1200V
Bauelement berechnet. Das Ergebnis ist in Abbildung 3.47 dargestellt. Bei
150◦ C Sperrschichttemperatur wird verdeutlicht, welchen Fehler die Stromdichtenänderung von 50mA/cm2 in der Temperaturmessung verursacht.
Diese Abschätzung liefert den Zusammenhang in Gleichung 3.39. Dieses
Ergebnis sagt aus, dass eine Änderung der Stromdichte um 1mA/cm2
zu einem Fehler von 0, 14K in der Sperrschichttemperaturmessung führt.
Bezogen auf die Problematik des Sperrstromes führt bei einem Chip mit
einer Fläche von 1cm2 , bei dem die Kalibrierkennlinie beim Messstrom
von 100mA aufgenommen wurde, ein Sperrstrom von etwa 7mA zu einem
92
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
Sperrstrom
1000
IR in mA
100
10
1
0,1
0,01
100
120
140
160
180
200
Tj in °C
1200V / 100A IGBT, Messung bei 1200V
600V / 150A IGBT, Messung bei 200V
600V / 150A Diode, Messung bei 200V
Abbildung 3.46: Gemessene Sperrströme aus [30] der 1200V und 600V
Leistungsbauelemente in Abhängigkeit von der Sperrschichttemperatur
Fehler von 1K bei der Messung der Sperrschichttemperatur.
cm2
dT
= 0, 14K
dj
mA
(3.39)
Die Messungen der Sperrströme in Abbildung 3.46 zeige, dass es notwendig
ist den Einfluss der Sperrstromes bei der Messung der Sperrschichttemperatur im Wechselrichterbetrieb zu korrigieren. Dafür muss der Sperrstrom
genau gemessen werden können. Das ermöglicht die Schaltung in Abbildung 3.48.
Mit der Parallelschaltung von zwei antiparallelen Dioden und einem Widerstand lässt sich der Sperrstrom mit hinreichend guter Genauigkeit
bestimmen. Die Schaltung muss für die entsprechende Anwendung richtig
dimensioniert werden. Die Dioden dienen dazu, den Strom des Wechselrichters im Durchlasszustand zu leiten, sie müssen für mindestens den
Spitzenstrom des Umrichters ausgelegt werden. Im Sperrzustand des
Wechselrichters soll der Sperrstrom nur durch den Messwiderstand fließen
und der Stromfluss durch die Dioden dabei vernachlässigbar klein bleiben. Voraussetzung hierfür ist, dass der Spannungsabfall am Widerstand
3.4 Konzept für Lastwechseltests unter Umrichterbedingungen
93
Einfluss der Stromdichte auf die Kalibrierkennlinie
0,30
0,25
UCE
ΔT
0,20
0,15
0,10
125
130
135
140
75mA/cm²
145
150 155
Tj in °C
100mA/cm²
160
165
170
175
125mA/cm²
Abbildung 3.47: Einfluss der Stromdichte auf die Kalibrierkennlinie im
1200V Leistungsbauelement, simulierte Kennlinien mit dem analytischen
Modell aus Anhang A.1
kleiner ist als die Schleusenspannung der anti-parallelen Dioden. Da die
Schleusenspannung mit steigender Temperatur kleiner wird, muss beim
Auslegungspunkt die maximal mögliche Sperrschichttemperatur der Dioden gewählt werden. Die Spannung am Messwiderstand repräsentiert
dann den Sperrstrom des Wechselrichters. Die gemessene Größe kann
der Messstromquelle zugeführt werden, die den Messstrom durch das
Leistungshalbleiterbauelement für die Sperrschichttemperaturmessung
einstellt. Damit kann der Messstrom durch das zu messende Leistungsbauelement auf die richtige Größe geregelt werden. Das Prinzip der Messstromregelung zeigt Abbildung 3.49. Der Strom der Messstromquelle und
der Sperrstrom werden simultan kontinuierlich gemessen. Die Stromquelle
erhält mit dieser Regelungsstruktur als Sollwert die Differenz zwischen IQ
und Isperr , sodass die Summe aus diesen beiden Strömen den gewünschten
Messstrom durch den IGBT ergibt. Die Stromquelle muss hierfür vom
Wechselrichter galvanisch getrennt ausgeführt sein.
Mit dem richtig geregelten Messstrom kann die Durchlassspannung am
Leistungsbauelement auf die Sperrschichttemperatur im Wechselrichterbetrieb zurückgeführt werden. Diese Spannung muss differentiell gemessen
werden und ebenfalls wie die Stromquelle vom Potential des Wechselrichter getrennt werden. Eine mögliche Schaltung für diese Messung ist in
der Abbildung 3.50 angegeben. In dieser Schaltung wird eingangsseitig
94
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
Rmess
Zwischenkreis
Wechselrichter
Abbildung 3.48: Schaltung zur Messung des Sperrstromes im Wechselrichter [68], [59]
ISperr
A
Sperrstrommessung
+
A
Imess=konstant
IQ
+15V
ISperr
Abbildung 3.49: Prinzip der Messstromregelung für die Messung der
Sperrschicht im Wechselrichterbetrieb
der Messbereich mittels der Z-Diode und Eingangswiderstände nur auf
den Durchlassbereich des Bauelements begrenzt, welches für die Messung der Sperrschichttemperatur wichtig ist. Die Filter der Schaltung
filtern die Störungen, müssen aber so eingestellt werden, dass die schnelle
Sperrschichttemperaturänderungen noch messbar bleiben. Die maximale
Zeitkonstante der Schaltung sollte nicht größer als 100µs sein. Ein Problem
stellt hierfür die Reihenschaltung aus hochohmigen Widerständen und der
Z-Diode. Die Sperrschicht der Z-Diode hat eine relativ hohe Kapazität und
führt mit den Widerständen zu einer zu hohen Zeitkonstante und verlangsamt merklich die Sperrschichttemperaturmessung. Um dies zu verhindern
müssen die Widerstände am Eingang niederohmiger gewählt werden, was
jedoch zu einem Anstieg des Stromes durch die Messschaltung führt. In
[68] wird für Widerstände der Wert von 360kOhm vorgeschlagen. Bei
600V Zwischenkreisspannung fließt in die Messschaltung im Sperrzustand
des IGBTs ein Strom von 1,7mA und muss wie auch der Sperrstrom der
Leistungsbauelemente in der Regelschleife des Messstroms berücksichtigt
3.4 Konzept für Lastwechseltests unter Umrichterbedingungen
95
werden.
Messkarte
Spannungsbegrenzung
Eingangsfilter
DifferenzVerstärker
Zwischenfilter
Potentialtrennung
Abbildung 3.50: Schaltung für die Messung der Durchlassspannung am
Leistungsbauelement im Wechselrichterbetrieb [68]
Mit den gezeigten Messanordnungen können während des Wechselrichterbetriebes die Sperrschichttemperaturen gemessen werden. Weitere zwei
Parameter für die Messung der Alterung des Leistungsmoduls ist die
Durchlassspannung und der thermische Widerstand bzw. die thermische Impedanz. Für diese zwei Parameter muss ein separater Messzyklus
eingeführt werden, da die Messung dieser Größen im Wechselrichterbetrieb zu ungenau wäre. Die Durchlassspannung für die Lokalisierung der
Bonddrahtfehler muss im gesamten Testverlauf bei gleicher Sperrschichttemperatur und gleichem Strom gemessen werden. Für die Messung des
thermischen Widerstandes bzw. der transienten thermischen Impedanz
müssen die Verluste im Leistungsbauelement genau bekannt sein. Im Umrichterbetrieb können die Verluste im Leistungsbauelement nur mit sehr
großem Messaufwand genau bestimmt werden. Hinzu kommt, dass die
Verlustleistungseinspeisung zeitlich nicht konstant ist. Für die Messung
des thermischen Widerstandes muss die Verlustleistung jedoch genau
bekannt sein und über eine gewisse Zeit konstant in das zu messende
Bauelement eingespeist werden. Diese gewünschten Bedingungen können
sehr einfach mit Hilfe der Gleichstrommessung realisiert werden. Hierzu
muss in definierten Zeitabständen der Wechselrichterbetrieb im laufenden
Lastwechseltest unterbrochen werden. Für die Messung wird durch das
zu untersuchende Leistungsbauelement ein Gleichstromimpuls mit einer
bestimmten Pulsbreite und Amplitude eingespeist. Die Durchlassspannung wird kurz nach dem Einschalten des Gleichstroms im Bauelement
gemessen, wo die Erwärmung des Bauelements noch vernachlässigbar ist.
Dadurch wird sichergestellt, dass die Messung bei einer definierten Sperrschichttemperatur durchgeführt wird. Für die Messung der thermischen
Impedanz bzw. des thermischen Widerstandes wird das Bauelement bis
96
3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
zum thermisch stationären Zustand mit dem Gleichstrom belastet und
danach das Abkühlverhalten der Sperrschicht gemessen. Diese Messung
ist im Kapitel 3.2.1 ausführlicher beschrieben.
Der Lastwechseltest unter Wechselrichterbedingungen kann nach der zeitlichen Abfolge in der Abbildung 3.51 durchgeführt werden. Es sind drei
Betriebszyklen definiert: Wechselrichterbetrieb, Abkühlphase und Messzyklus. Das Aufwärmen des Leistungsmoduls im Wechselbetrieb und die
darauf folgende Abkühlphase stellen einen Lastwechselzyklus dar, welcher für die Alterung des Prüflings von Bedeutung ist. Die Bedingungen
für den Messzyklus werden so gewählt, dass diese für die Belastung mit
thermischen Zyklen vernachlässigbar sind. Dieser Messzyklus wird nur in
definierten Zeitabständen durchgeführt, nicht nach jedem Lastwechselzyklus.
WRBetrieb
Rth, Zth
Abkühlung
Messzyklus
Tjmin, UCE
Tjmax
t
Tjmin, Tjmax
Messung im Wechselrichterbetrieb
UCE, Rth, Zth Messung im Messzyklus mit Gleichstrom
Abbildung 3.51: Zeitliche Abfolge der Messungen im Lastwechseltest unter
Wechselrichterbedingungen
97
4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
4.1 Lastwechseltest unter Umrichterbedingungen
4.1.1
Wahl der Testparameter
Im Kapitel 3.4 ist die Methode für die Lastwechseluntersuchungen der
Leistungsmodule unter Umrichterbedingungen beschrieben. Mit dieser
Methode wurde ein Lastwechseltest mit dem Standard-Leistungsmodul
BSM100GD120DLC durchgeführt, dessen Ergebnisse im Nachfolgenden
vorgestellt werden.
Für den Betrieb unter realen Wechselrichterbedingungen wurde das Leistungsmodul entsprechend Abbildung 3.43 betrieben. Als Last wurde am
Ausgang eine dreiphasige Induktivität angeschlossen, die elektrisch eine RL-Last darstellt. Für die Kühlung des Moduls wurde der Aufbau
in Abbildung 4.1 realisiert. Die Grundplatte des Prüflings ist über eine
Wärmeleitpaste auf eine Aluminium-Platte montiert. Die Wärmeleitfolie
zwischen Aluminiumplatte und Aluminiumkühlkörper dient zur Einstellung des gewünschten thermischen Widerstandes zwischen Modul und
Umgebungsluft.
Prüfling (BSM100GD120DLC)
Al Platte
Al Kühlkörper
Themoelement (Tcase)
Wärmeleitfolie
Abbildung 4.1: Kühlrandbedingungen für den Lastwechseltest unter Umrichterbedingungen
Die Ausgangspunkte für die Wahl der Betriebsparameter des Wechselrichters im Lastwechseltest mit RL-Last sind die festgelegten Werte für
Ausgangsstrom, Schaltfrequenz und Gatewiderstand bei einer realen Motorlast mit Leistungsfaktor cos(φ) = 0, 9. Für diese Randbedingungen
wurden die Verlustleistungen in den Leistungsbauelementen (IGBT, Diode) mit Formeln 3.35 bis 3.38 berechnet. Um Verlustleistungsverhältnisse
für den Lastwechseltest mit der RL-Last einzustellen, wurden Ausgangs-
98
4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
strom, Gatewiderstand und Schaltfrequenz verändert. Die Parameter der
zwei Betriebspunkte (Motor- und RL-Last) sind in Tabelle 4.1 aufgelistet.
Den Vergleich der Verlustleistungsaufteilung zeigt Abbildung 4.2.
Tabelle 4.1: Testparameter für den Lastwechseltest unter Umrichterbedingungen im Vergleich zu realen Betriebsbedingungen bei einer Motorlast
Ief f [A]
m
cos(ϕ)
fSchalt [Hz]
UZK [V]
RGate [Ω]
Motorlast
54,4
0,800
0,90
9000
400
6,5
RL-Last (Lastwechseltest)
50,2
0,064
0,27
9000
400
22
100
PV in W
90
80
8
13
70
15
7
60
29
50
40
42
30
20
10
38
22
0
Lastwechseltest
P_schalt_Diode
Pschalt, diode
Pleit, diode
P_leit_Diode
Pschalt, IGBT
P_schalt_IGBT
Pleit, IGBT
P_leit_IGBT
Reale Anwendung
Abbildung 4.2: Berechnete Verlustleistungsverteilung zwischen IGBT- und
Diode bei gewählten Testparametern
Mit den gewählten Testparametern und Kühlrandbedingungen hatten
die IGBTs des Leistungsmoduls etwas höhere Chiptemperaturen als die
Dioden. Unter der Annahme, dass der Chip mit der höchsten Temperatur
die Lebensdauer des Prüflings bestimmt, war es ausreichend das Ausfallverhalten eines IGBTs der mittleren Phase zu messen. Dieser Chip erfuhr
im Test die höchste Temperatur und den höchsten Temperaturhub.
4.1 Lastwechseltest unter Umrichterbedingungen
99
Der Lastwechseltest wurde entsprechend der Reihenfolge in Abbildung
3.51 durchgeführt. Nach der definierten Einschaltzeit im Wechselrichterbetrieb wurde der Wechselrichter zum Zeitpunkt des maximalen Stroms in
der mittleren Phase ausgeschaltet und zu diesem Zeitpunkt die maximale
Sperrschichttemperatur des oberen IGBTs gemessen. Die minimale Sperrschichttemperatur wurde nach der Abkühlphase erfasst. Der thermische
Widerstand und die Durchlassspannung wurden im Messzyklus überwacht.
Gesteuert wurde der Lastwechseltest über die konstante Einschalt- und
Ausschaltzeit. Die Parameter des Belastungszyklus waren:
•
•
•
•
•
4.1.2
Tcase,min ; Tvj,min = 60◦ C
Tcase,max = 132◦ C
Tvj,max = 152◦ C
ton = 30s
tof f = 90s
Fehlermechanismen
Für die Messung des Ausfallverhaltens des Leistungsmoduls während
des Lastwechseltests wurden Sperrschichttemperatur, Grundplattentemperatur, Durchlassspannung und thermischer Widerstand gemessen. In
Abbildung 4.3 ist der Verlauf der Temperaturen dargestellt. Die maximalen Werte Tcase,max und Tvj,max wurden am Ende der Einschaltzeit
und die minimalen Werte am Ende der Ausschaltzeit im Wechselrichterzyklus gemessen. An den gemessenen Trends erkennt man, wie der
Prüfling mit den gewählten Parametern belastet wurde. ∆Tcase zeigt den
Temperaturhub an der Grundplatte und der Wert ∆Tj die Belastung an
der Sperrschicht.
Aufgrund der nicht konstanten Raumtemperatur und der gewählten Steuerungsmethode mit konstanter Ein- und Ausschaltzeit weisen die Temperaturverläufe Schwankungen auf. Der Verlauf der Differenz zwischen
maximaler Sperrschichttemperatur (Tvj,max − Tcase,max ) filtert diesen Effekt heraus und zeigt die Alterung des Leistungsmoduls. Ab 25.000 Zyklen
ist ein stetiger Anstieg dieser Differenz zu erkennen. Dieser Anstieg kann
physikalisch aufgrund der steigenden Verlustleistung im Chip oder des
steigenden thermischen Widerstandes bewirkt werden. Den eindeutigen
Grund für diesen Anstieg liefert der gemessene Verlauf des thermischen
Widerstandes in Abbildung 4.4.
Der thermische Widerstand wurde im Messzyklus gemessen, wobei im
Leistungsbauelement eine definierte Verlustleistung mit Gleichstrom eingespeist wurde. Diese Messung wurde im Intervall von etwa 700 Lastzyklen
durchgeführt. Der Verlauf des thermischen Widerstandes zeigt ab ca. der
100
4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
Hälfte der Gesamtlebensdauer eine beginnende Degradation. Damit lässt
sich nachweisen, dass der Anstieg der maximalen Sperrschichttemperatur
Tvj,max und der Differenz Tvj,max − Tcase,max auf die Verschlechterung
des Kühlpfades zurückzuführen ist. Abbildung 4.4 zeigt zusätzlich den
Verlauf der Durchlassspannung. Hier ist gegen Ende des Lastwechseltests
ein Sprung zu erkennen. Dieser Sprung deutet auf den Bonddrahtabgang
hin.
Temperaturverläufe
180
160
Tvj,max
T in °C, ΔT in K
140
Tcase,max
120
100
ΔTj
80
ΔTcase
60
Tcase, min ,Tvjmin
40
Tvj,max-Tcase,max
20
0
0
10000
20000
30000
Zyklen
40000
50000
60000
Abbildung 4.3: Gemessener Trend der Sperrschicht- und Grundplattentemperatur während des Lastwechseltests
Das gemessene Ausfallverhalten wurde von der optischen Ausfallanalyse
bestätigt. In Abbildung 4.5 ist der Bonddrahtfehler dargestellt. Für diese
mikroskopische Analyse wurde der Weichverguss aus dem Modul chemisch
entfernt.
Festzustellen ist, dass der Bonddrahtfehler an der Stelle aufgetreten ist,
an der die Degradation der Lotschicht am größten war. In Abbildungen 4.6 und 4.7 sind Ultraschallaufnahmen der Systemverbindung und
der Chipverbindung gezeigt. Diese Bilder wurden aus der Richtung der
Modulunterseite aufgenommen. Die größte Delamination ist in der Systemlotschicht zu sehen, wobei unterhalb des mittleren DCB-Substrates die
geschädigte Fläche am größten ist. Aufgrund der Kühlrandbedingungen
war in der Mitte des Leistungsmoduls die Temperatur am größten und
führte deshalb zu diesem Ausfallbild. In der Chiplotschicht sind beginnen-
4.1 Lastwechseltest unter Umrichterbedingungen
101
Verlauf von VCE und Rth
110
160
5% Grenze (VCE)
105
150
VCE
100
140
130
20% Grenze (Rth)
90
85
120
110
Rth
80
100
75
90
70
0
10000
20000
30000
Zyklen
40000
50000
Rth in %
VCE in %
95
80
60000
Abbildung 4.4: Gemessener Trend der Durchlassspannung und des thermischen Widerstandes
de Degradationen an den Chipecken und -rändern sowohl bei IGBTs als
auch bei Dioden zu sehen.
Die elektrischen Messungen während des Lastwechseltests und auch die
nachträglichen Fehleranalysen zeigen, dass die primäre Ursache für den
Ausfall des Leistungsmoduls die Degradation der Systemlotschicht war.
Dieser Fehler führte im Laufe des Tests zur steigenden Sperrschichttemperatur und verursachte damit den Bonddrahtfehler. Diese Fehlerreihenfolge
ist sicherlich von den Betriebsbedingungen des Wechselrichters abhängig.
Dabei wurden die Parameter so gewählt, dass sie einer realen Anwendung
sehr nahe kommen. Es kann deshalb aus dem Testergebnis gefolgert werden, dass die Systemlotschicht der Schwachpunkt des Leistungsmoduls
unter realen Umrichterbedingungen ist. Insgesamt konnten drei Fehlermechanismen (Degradation der System- und Chiplotschicht, Bonddrahtabgang) mit verschieden starker Ausprägung beobachtet werden, die auch aus
den Forschungsergebnissen der Lastwechseltests mit Gleichstrombelastung
bekannt sind [57].
102
4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
Abbildung 4.5: Bondddrahtabgang nach dem Lastwechseltest unter Umrichterbedingungen
4.1.3
Lebensdauerbewertung
Ein wichtiges Ergebnis des Lastwechseltests ist der Vergleich der erreichten Lebensdauer im Vergleich zu den Lebensdauermodellen, die
mit Hilfe der vereinfachten beschleunigten Lastwechseltests mit Gleichstrombelastung ermittelt wurden. Für das untersuchte Leistungsmodul
BSM100GD120DLC gelten die Lebensdauerkurven für Technologien, die
für die Sperrschichttemperatur von 125◦ C angegeben sind. Aus der Zuverlässigkeitskurve in [3] kann entnommen werden, dass für diese Leistungsmodultechnologie bei 92K Temperaturhub und 125◦ C Sperrschichttemperatur die Lebensdauer etwa 40.000 Zyklen beträgt. Erreicht wurden
bei diesem Temperaturhub und bei 152◦ C maximaler Sperrschichttemperatur im Lastwechseltest 45.000 Zyklen. Es wurde also im Test unter
Umrichterbedingungen trotz höherer Sperrschichttemperatur eine höhere
Lastwechselfestigkeit im Vergleich zum angegebenem Lebensdauermodell
erreicht.
Ein weiteres Vergleichskriterium ist die Lebensdauer unter passiven Temperaturwechseln. Aufgrund von relativ langsamen Temperaturzyklen kann
der Temperaturhub an der Grundplatte des Prüflings als passiver Temperaturzyklus angenommen werden. Dieser Temperaturhub ∆Tcase betrug
nach Abbildung 4.3 etwa 75K. Für dieses Modul ergibt die vom Hersteller angegebene Lebensdauerkurve für passive Temperaturzyklen eine
Lebensdauer von etwa 15.000 Zyklen. Bei diesem Kriterium übertraf das
getestete Leistungsmodul die erwartete Lebensdauer um den Faktor drei.
4.1 Lastwechseltest unter Umrichterbedingungen
103
Abbildung 4.6: Ultraschallaufnahme des Systemlots, helle Bereiche zeigen
Delamination des Lotes
Chiplotschicht nicht sichtbar
wegen Delamination im Systemlot
Beginnende
Delamination
des Chiplotes
Abbildung 4.7: Ultraschallaufnahme des Chiplotes
Mit dem Ergebnis kann keine genaue Aussage über die statistische Messabweichung des Messergebnisses gemacht werden. Hierfür müssen eine
größere Anzahl von Prüflingen getestet werden. Auf Basis der Untersuchungen in 3.1.1 bezüglich der Messgenauigkeit der Sperrschichttemperatur,
die den größten Einfluss auf die Lebensdauer der Leistungsmodule hat,
kann der systematische Messfehler bei der ermittelten Lebensdauer auf
etwa 20% abgeschätzt werden. Dabei wird von einer Messunsicherheit der
Sperrschichttemperatur von 1K ausgegangen.
Insgesamt kann auf Basis des durchgeführten Lastwechseltests unter Umrichterbedingungen zusammengefasst werden, dass die Leistungsmodule
unter realen Einsatzbedingungen eher eine höhere Lebensdauer erreichen als bei vergleichbaren beschleunigten Lastwechseltests mit Gleichstrombelastung. Die Lebensdauermodelle, die mittels Lastwechseltests mit
Gleichstrombelastung ermittelt werden, liefern auf Basis des gezeigten
104
4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
Ergebnisses eine sichere Lebensdauervorhersage.
4.2 Einfluss der Chipdicke und Bonddrahttechnologie
4.2.1
Testbedingungen
Weitere Lastwechseltests in dieser Arbeit wurden mit Gleichstrombelastung durchgeführt.
Dieser Lastwechseltest diente primär zur Untersuchung des Einflusses der
Bonddrahttechnologie auf die Zuverlässigkeit des ganzen Leistungsmoduls
unter aktiven Lastwechseln. Der zweite zu untersuchende Parameter in
diesem Test war die Chipdicke. Um den Einfluss der Chipdicke experimentell zu bestimmen, wurden Leistungsmodule mit Halbleiterbauelementen
verschiedener Sperrspannungsklassen aufgebaut. Gegenstand der Untersuchung waren drei Spannungsklassen der Leistungsmodule mit den Werten
in Tabelle 4.2.
Tabelle 4.2: Angaben zu Spannungsklasse und Chipdicke
Spannungsklasse
600V
1200V
1700V
Chipdicke
70 µm
120 µm
180 µm
Der Aufbau der Prüflinge ist in Abbildung 4.8 zu sehen. Im Vergleich
zu heutigen Standard-Leistungsmodulen, in denen Bonddrähte aus reinem Aluminium verbaut werden, hatten die Prüflinge in diesem Test
dotierte bzw. gehärtete Aluminium-Bonddrähte. Zusätzlich zu diesen
Prüflingen mit der neuen Bonddrahttechnologie wurde ein Standardmodul BSM100GD120DLC unter ähnlichen Bedingungen getestet, um eine
vergleichbare Referenz bezüglich der Lastwechselfestigkeit zu erhalten.
Die Belastung der Leistungsmodule mit Lastwechseln erfolgte mit Gleichstrom. Hierfür wurden drei Prüflinge in Reihe geschaltet. In jedem Prüfling
floss der Laststrom jeweils durch zwei IGBTs einer Halbbrücke. Der prinzipielle Aufbau dieses Tests ist in Abbildung 4.9 dargestellt. Die Durchlassspannung an jedem IGBT und der Laststrom durch diese Reihenschaltung
wurden gemessen. Des Weiteren wurde die Grundplattentemperatur Tcase
unter jedem Leistungsmodul in der Mitte zwischen zwei belasteten IGBTs
erfasst. Mit Hilfe der Durchlassspannung wurde die virtuelle Sperrschichttemperatur mit der in Kapitel 3.1 beschriebenen Methode aufgenommen.
Der Messstrom betrug 100mA.
4.2 Einfluss der Chipdicke und Bonddrahttechnologie
105
Abbildung 4.8: Aufbau des Prüflings mit gehärteten AluminiumBonddrähten und verschiedenen Chipdicken
Der Lastwechseltest wurde über die konstante Ein- und Ausschaltzeit
gesteuert. Die Testparameter waren wie folgt:
•
•
•
•
ton = 15s
tof f = 25s
I = 100A
TW asser = 75◦ C
Bezüglich der Temperatur an der Sperrschicht des Halbleiterchips und
an der Grundplatte erfuhren die Prüflinge unterschiedliche Belastungen.
Die Unterschiede wurden primär aufgrund von unterschiedlicher Verlustleistung verursacht, da dickere Chips bzw. Bauelemente höherer Sperrspannungsklasse höhere Durchlassspannungen aufweisen im Vergleich zu
dünneren Chips. Der zweite Faktor, der die Temperaturen beeinflusste,
war die Wahl der Kühlrandbedingungen. Die drei gleichzeitig getesteten Leistungsmodule wurden auf einem gemeinsamen wassergekühlten
Kühlkörper montiert. Der Prüfling in der Nähe des Wassereintritts erfuhr bessere Kühlung als das Modul am Wasseraustritt. Das Modul in
der Mitte der zwei äußeren Prüflinge hatte aufgrund der niedrigsten
Wärmespreizung die schlechteste Kühlung. Die unterschiedlichen Temperaturrandbedingungen wurden gezielt gewählt, um die Testergebnisse bei
variablen Temperaturhüben zu erhalten. Insgesamt waren die Temperaturparameter der Prüflinge mit neuer Bonddrahttechnologie in den folgenden
Parameterbereichen (Werte in Klammern gelten für das Standardmodul
BSM100GD120DLC):
• Tcase,min ; Tvj,min = 78,9..84,2◦ C (84,0..84,8◦ C)
• Tcase,max = 106,1..117,9◦ C (128,6..135,1◦ C)
• Tvj,max = 135,1..166,8◦ C (189,1..196,4◦ C)
4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
Ein/Aus
100A
100mA
DUT1
VCE
Tcase
DUT2
VCE
Tcase
DUT3
VCE
Tcase
ILast
Steuerung und Messwerterfassung
106
Abbildung 4.9: Prinzipieller Testaufbau
Zur Veranschaulichung der Temperaturwechselbelastung innerhalb des
Leistungsmoduls während des Tests zeigt Abbildung 4.10 den Temperaturverlauf, welcher in einem der getesteten Prüflinge gemessen wurde. Für
diese Messung wurde die Temperatur der Grundplattentemperatur mit einem Thermoelement aufgenommen. Die Sperrschichttemperatur während
der Abkühlphase ist gemessen mit der VCE (T)-Methode. Während der
Aufheizphase wurde diese Temperatur indirekt bestimmt mit Hilfe der gemessenen Verlustleistung des Chips (Produkt aus Durchlassspannung und
Belastungsstrom) und dem transienten thermischen Widerstand, der in
einem der vorherigen Temperaturzyklen in diesem Chip gemessen wurde.
4.2.2
Alterungsverhalten und Lebensdauer
Ziel der Auswertung in diesem Test ist zu zeigen, welchen Beitrag die
verbesserte Bonddrahttechnologie zur Zuverlässigkeitssteigerung des Leistungsmoduls leistet. Ebenso soll der Einfluss der Chipdicke herausgestellt
werden.
Das erste Ergebnis des Tests war, dass sich bei allen Prüflingen mit
verbesserter Bonddrahttechnologie trotz verschiedener Chipdicken und
variablen Temperaturhüben das gleiche Ausfallverhalten zeigte. In Abbildung 4.11 sind während des Lastwechseltests gemessenen Verläufe der
Durchlassspannung und des thermischen Widerstandes eines Prüflings
dargestellt. Diese Messungen repräsentieren das Ausfallverhalten aller getesteten Prüflinge mit gehärteten Aluminium-Bonddrähten. Die Verläufe
4.2 Einfluss der Chipdicke und Bonddrahttechnologie
107
Temperaturverlauf beim Lastwechseltest
160
Tvj
150
140
T in °C
130
120
Tcase
110
100
90
80
70
60
0
20
40
60
80
100
120
t in s
Abbildung 4.10: Temperaturverlauf der Sperrschicht- und Grundplattentemperatur
zeigen, dass die Leistungsmodule aufgrund des gestiegenen thermischen
Widerstands ausgefallen sind. Im Verlauf der Durchlassspannung ist ein
leichter Anstieg im Bereich des Lebensdauerendes zu sehen. Diese leichte
Erhöhung ist jedoch nicht auf die Alterung der Bonddrahtverbindungen
zurückzuführen, sondern auf die erhöhte Sperrschichttemperatur bei der
Messung der Durchlassspannung. Die Durchlassspannung wird kurz nach
dem Einschalten des Laststromes gemessen, etwa eine Millisekunde nach
der Einschaltflanke. In diesem Zeitpunkt ist die Erwärmung im Leistungsmodul ohne eine Alterungserscheinung vernachlässigbar. Man kann davon
ausgehen, dass die Durchlassspannung bei der minimalen Sperrschichttemperatur am Ende des Abkühlvorgangs gemessen wurde. Wenn sich
jedoch der thermische Widerstand im Leistungsmodul im Laufe des Tests
verschlechtert, kommt es innerhalb dieser kurzen Zeit nach der Einschaltflanke des Laststromes bereits zu einer nicht mehr vernachlässigbaren
Erwärmung der Sperrschicht. Besonders stark ist dieser Effekt, wenn die
Verschlechterung des thermischen Widerstands von der Chiplotdegradation verursacht wird. Dann ist die relative Veränderung des transienten
thermischen Widerstandes im Millisekunden-Bereich sehr hoch, siehe
hierzu Abbildung 3.32. Da die Durchlassspannung im Bereich des Modulnennstroms einen positiven Temperaturkoeffizienten hat, kommt es in
Abbildung 4.11 beim Anstieg des thermischen Widerstandes ebenfalls zu
einer Erhöhung der gemessenen Durchlassspannung. Die Prüflinge zeigten
108
4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
also keine Alterung der Bonddrahttechnologie. Die Ausfallursache war
allein der Anstieg des thermischen Widerstands.
Trend von VCE und Rth
200
110
5% Grenze (VCE)
Rthjc in %
VCE
100
20% Grenze (Rth)
95
Rth
100
VCE in %
150
105
90
IGBT_links
50
0
50000
IGBT_rechts
85
100000 150000 200000 250000 300000
Anzahl Zyklen
Abbildung 4.11: Verlauf des thermischen Widerstandes und der Durchlassspannung der Prüflinge mit verbesserten Bonddrähten
Die Ursache für den Anstieg des thermischen Widerstandes ist die Degradation der Chiplotschicht. Die Ultraschallaufnahme des Prüflings in
Abbildung 4.12 zeigt diesen Fehlermechanismus. Diese Bilder sind vom
Prüfling, von dem in Abbildung 4.11 die Verläufe der Durchlassspannung
des thermischen Widerstandes dargestellt sind. Unter dem linken Chip
ist die degradierte Fläche in der Chipverbindung kleiner als unter dem
rechten Chip. Entsprechend ist der relative Anstieg des thermischen Widerstands in Abbildung 4.11 zu sehen. Die Degradation in Abbildung 4.12
ist mit Pfeilen markiert und ist in dieser Aufnahme als verschwommene
unregelmäßige Fläche zu sehen. Die Prüflinge wurden aus der Richtung
der Grundplatte mit dem Ultraschallmikroskop analysiert. Die Reflektionsebene des Ultraschallsignals wurde auf die Ebene fokussiert, sodass gerade
noch die Bonddrähte sichtbar sind. Die sichtbaren Punkte über der nicht
beschädigten Fläche sind die Bondfüße. Die Lotdegradation ist dadurch
zu erkennen, dass die Bondfüße nicht mehr sichtbar sind. Aufnahmen mit
der Fokussierung in der Chipverbindung würden die degradierten Bereiche
4.2 Einfluss der Chipdicke und Bonddrahttechnologie
109
hell darstellen. Die Justierung auf diese Lotschicht wäre problematisch,
da aufgrund der Toleranzen im Leistungsmodul der Ultraschall ungewollt
die Schichten unterhalb oder oberhalb der Lotschicht treffen und die zu
untersuchende Schicht nicht sauber darstellen könnte. Deshalb wurde bei
der Aufnahme diese Einstellung des Ultraschallmikroskops gewählt.
Abbildung 4.12: Degradation des Chiplotes nach dem Lastwechseltest,
Prüfling mit 1200V /100A IGBT-Chips, Testparameter: ton = 15s, tof f =
25s, I = 100A, Tvj,min = 82, 0◦ C, ∆Tj = 62, 1K
Im Vergleich zu Prüflingen mit verbesserter Bonddrahttechnologie zeigte
das Standardmodul, welches unter ähnlichen Randbedingungen getestet
wurde, ein ähnliches Alterungsverhalten. Die Verläufe der Durchlassspannung und des thermischen Widerstandes sind in Abbildung 4.13 gezeigt.
Das Standardmodul ist primär aufgrund des angestiegenen thermischen
Widerstandes ausgefallen. Jedoch sieht man im Verlauf der Durchlassspannung, dass gegen Ende der Lebensdauer zusätzlich noch der Bonddrahtfehler aufgetreten ist. Der stufenförmige Anstieg der Durchlassspannung
ist typisch für diese Fehlerart.
Die Messung des Alterungsverhaltens zeigt, dass sowohl bei Prüflingen
mit verbesserten Bonddrähten als auch beim Standardmodul das primäre
Ausfallverhalten die Degradation der Chiplotschicht war. Mit verbesserter
Bonddrahttechnologie ist bei keinem der getesteten Leistungsmodule ein
Bonddrahtfehler aufgetreten. Dagegen kam es beim Standardmodul bei
diesen Testbedingungen zum Bonddrahtabgang, der jedoch als sekundärer
Fehler betrachtet werden kann. Die Ergebnisse aus Abbildungen 4.11 und
4.13 können bezüglich des Ausfallverhaltens miteinander verglichen werden.
Die Lebensdauer beider Aufbau- und Verbindungstechnologien sind jedoch
nicht direkt vergleichbar, da die beiden Module bei unterschiedlichen
Temperaturhüben getestet wurden.
Um einen Lebensdauervergleich zu ermöglichen, werden im Nachfolgen-
110
4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
Trend von VCE and Rth
110
105
150
VCE
140
95
130
20% Grenze (Rth)
90
85
120
110
Rth
80
100
75
90
70
0
5000
Rth in %
100
VCE in %
160
5% Grenze (VCE)
10000
15000
20000
80
25000
Zyklen
Abbildung 4.13: Verlauf des thermischen Widerstandes und der Durchlassspannung des Standardmoduls BSM100GD120DLC, Testparameter:
ton = 15s, tof f = 25s, I = 100A, Tvj,min = 83, 3◦ C, ∆Tj = 105, 7K
den alle Ergebnisse dieses Tests mit Hilfe der CIPS2008-Gleichung 2.2
ausgewertet. Die Konstanten für diese Gleichung sind aus [60]:
•
•
•
•
•
•
•
K = 9, 3E14
β1 = −4, 416
β2 = 1285
β3 = −0, 463
β4 = −0, 716
β5 = −0, 761
β6 = −0, 5
Für die Lebensdauerbestimmung werden in diesem Lastwechseltest folgende Testparameter der CIPS2008-Gleichung als konstant angenommen:
•
•
•
•
Minimale Sperrschichttemperatur Tj,min = 84◦ C
Strom pro Bondfuß I = 6, 3A
Einschaltzeit ton = 15s
Durchmesser des Bonddrahts D = 400µm
Variable Testparameter sind:
4.2 Einfluss der Chipdicke und Bonddrahttechnologie
111
• Sperrspannungsklasse V
• Temperaturhub der Sperrschicht ∆Tj
Wie in den Testrandbedingungen zu sehen, ist die minimale Sperrschichttemperatur nicht für alle Prüflinge konstant und variiert um etwa 5K. Der
Fehler durch die Annahme des konstanten Wertes von Tj,min = 84◦ C ist
bei der berechneten Lebensdauer gering und kann vernachlässigt werden.
Mit diesen Definitionen vereinfacht sich die Lebensdauergleichung zur
Funktion: Nf = f (V, ∆Tj ).
Die erzielten Testergebnisse im Vergleich zur berechneten Lebensdauer
sind in Abbildung 4.14 dargestellt. Die drei Kennlinien sind die berechneten Lebensdauerkurven für drei Spannungsklassen in Abhängigkeit des
Temperaturhubs an der Sperrschicht. Die Punkte sind die erzielten Testergebnisse. Das berechnete Ergebnis stimmt mit dem Testergebnis mit guter
Genauigkeit überein. Die Lebensdauer sowohl des Standardmoduls als
auch der Module mit verbesserten Bonddrähten liegen auf den zugehörigen
Lebensdauerkurven.
Lebensdauerauswertung
Anzahl Zyklen
1,0E+07
1,0E+06
1,0E+05
1,0E+04
40,00 50,00 60,00 70,00 80,00 90,00 100,00 110,00 120,00
ΔTj in K
Test 600V IGBT
CIPS2008 600V
Standard BSM100GD120DLC
Test 1200V IGBT
CIPS2008 1200V
Test 1700V IGBT
CIPS2008 1700V
Abbildung 4.14: Lebensdauerauswertung für Leistungsmodule mit gehärteten Bonddrähten, Vergleich mit Ergebnissen der CIPS2008-Gleichung
und des Standard-Moduls
Die Annahme für die Lebensdauerbewertung ist, dass die CIPS2008Gleichung die Lebensdauer der Standard-Leistungsmodule beschreibt.
112
4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
Diese Annahme wird mit dem Ergebnis des Standard-Leistungsmoduls
BSM100GD12DLC bestätigt. Die Prüflinge mit verbesserten Bonddrähten
haben nur das Niveau der CIPS2008-Gleichung erreicht. Somit zeigen die
Leistungsmodule unter diesen Testbedingungen keine höhere Lebensdauer
als die vergleichbaren Standard-Module. Der Grund hierfür ist, dass der
lebensdauerbestimmende Fehlermechanismus die Degradation der Chiplotschicht war. Die Technologie dieser Verbindung war in allen Prüflingen
identisch.
Dieses Ergebnis verdeutlicht, dass für die Erhöhung der Lastwechselfestigkeit die Verbesserung der Bonddrahttechnologie alleine nicht ausreichend
ist. Allerdings existieren Lastwechselbedingungen, bei denen die verbesserte Bonddrahttechnologie zur Lebensdauersteigerung führt [96]. Die
Lastwechsel-Testparameter in [96] waren anders als die Parameter dieses
Lastwechseltests. Die Unterschiede waren bei Strom, Zykluszeit, Sperrschichttemperatur und Temperaturhub. Die erzielten Aussagen über die
Lebensdauer der Leistungsmodule mit verbesserter Bonddrahttechnologie widersprechen sich nicht. Die Testergebnisse der vorliegenden Arbeit
zeigen, dass bei bestimmten Lastwechselbedingungen (niedrigere Temperaturhübe im Vergleich zu [96], was einer realen Anwendung näher
kommt) die Lebensdauer der Leistungsmodule von der Degradation der
Chiplotschicht bestimmt wird und die verbesserte Bonddrahttechnologie
zur höheren Zuverlässigkeit keinen Beitrag leistet.
Ein weiterer Nachweis für die Aussage liefert der Vergleich der erzielten
Ergebnisse mit den Ergebnissen aus [24], [78] und [34]. In diesen Veröffentlichungen wurde die Lebensdauer der Standard-Aluminiumbonddrähte
in Leistungsmodulen unabhängig von anderen Fehlermechanismen untersucht. Der Vergleich ist in Abbildung 4.15 dargestellt. Die Daten in
Diagrammen sind wie folgt definiert:
•
•
•
•
Goehre CIPS2010: Ergebnisse aus [24]
Schmidt PCIM2012: Ergebnisse aus [78]
Hartmann PCIM2012: Ergebnisse aus [34]
Test 600V IGBT, Test 1200V IGBT, Test 1700V IGBT: Ergebnisse
vorliegender Arbeit, Prüflinge mit verbesserten Bonddrähten und
Standard-Chipverbindung
Die Lebensdauer der Standard-Bonddrähte für „Goehre CIPS2010” wurden aus [24] (Figure 7) anhand der linearen Extrapolation der gemessenen
Scherkräfte über der Zyklenzahl (im Wertebereich „Average Shear Force”=
2500cN..1000cN) ermittelt, wobei die Lebensdauer als der Schnittpunkt
mit der x-Achse definiert wurde.
In Abbildung 4.15 sind die Ergebnisse der Prüflingen mit gehärteten
Aluminium-Bonddrähten unterhalb der Lebensdauerkurve für Standard-
4.2 Einfluss der Chipdicke und Bonddrahttechnologie
113
Al-Bonddrähte. Aufgrund der Degradation der Chipverbindung konnten
die verbesserten Bonddrähten zu keiner Verbesserung der Lebensdauer
im Vergleich zu Standard-Leistungsmodulen beitragen.
Lebensdauerauswertung
1,0E+07
Anzahl Zyklen
Lebensdauerkurve für Standard-Aluminiumbonddrähte
1,0E+06
1,0E+05
1,0E+04
40,00 50,00 60,00 70,00 80,00 90,00 100,00 110,00 120,00
ΔTj in K
Test 600V IGBT
Test 1200V IGBT
Test 1700V IGBT
Goehre CIPS2010
Schmidt PCIM2012
Hartmann PCIM2012
Abbildung 4.15: Leistungsmodule mit gehärteten Bonddrähten im Vergleich zur Lebensdauer der Standard-Al-Bonddrähte
Das zweite Ergebnis dieses Tests ist, dass die Chipdicke die Zuverlässigkeit
wesentlich beeinflusst. Je dünner der Halbleiterchip ist, desto weniger Belastung erfährt die Verbindungsschicht zwischen Chip und DCB-Substrat
und desto größer ist die Lebensdauer des Leistungsmoduls. Im durchgeführten Test zeigten Module mit 600V-Chips im Durchschnitt etwa eine
doppelte Lebensdauer im Vergleich zu Prüflingen mit 1700V-Chips. Die
erzielten Ergebnisse bestätigen die empirisch ermittelten Zusammenhänge
der CIPS2008–Gleichung. Diese Abhängigkeit gilt aber nur dann, wenn die
Lebensdauer des Leistungsmoduls von der Degradation der Chiplotschicht
bestimmt wird. Unter anderen Belastungsbedingen, bei denen z.B. Bonddrahtfehler oder die großflächige Verbindung zwischen DCB-Substrat und
Grundplatte die Zuverlässigkeit des Leistungsmoduls bestimmen, kann
sich die Chipdicke weniger stark auf die Zuverlässigkeit auswirken.
114
4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
4.3 Einfluss der Chipverbindungstechnologie
4.3.1
Diffusionslöten
Wie bereits gezeigt wurde, ist die Verbesserung der Bonddrahttechnologie
nicht ausreichend, um die Lastwechselfestigkeit der Leistungsmodule zu
erhöhen. Der Grund dafür ist die Degradation der Chipverbindung, die
unter bestimmten Lastwechselbedingungen die Lebensdauer der Leistungsmodule bestimmt. Die Verbesserung der Chipverbindungstechnologie ist
deshalb notwendig.
Der Gegenstand der Untersuchung des folgenden Lastwechseltests war,
die Zuverlässigkeit der Leistungsmodule mit der neuen Verbindungstechnologie „Diffusionslöten” zu untersuchen.
Die Verbindung, die mittels Diffusionslöten hergestellt wird, ist schematisch mit der Standard-Lotschicht in Abbildung 4.16 verglichen. Links ist
die bleifreie Standard-Lotschicht dargestellt, welche nach dem Lötprozess
im Wesentlichen aus der Zinn-Silber-Legierung besteht. Dagegen hat die
Chipverbindung, die mit Diffusionslöten ausgeführt ist, intermetallische
Phasen. Der Unterschied des Diffusionslötens im Vergleich zur StandardLötung sind die Schmelztemperaturen der intermetallischen Phasen, die
400◦ C bzw. 600◦ C betragen. Die Standard-Lötung hat dagegen in den
größten Bereichen eine Schmelztemperatur von 221◦ C. Sowohl beim Standardlötverfahren als auch beim Diffusionslöten ist der Ausgangszustand
beim Löten die zinnbasierte Legierung mit niedriger Schmelztemperatur. Erst im Laufe des Lötprozesses bilden sich beim Diffusionslöten die
intermetallischen Phasen.
Abbildung 4.16: Prinzipieller Vergleich der Chipverbindungstechnologien:
Standard-Lötung und Diffusionslöten [28]
Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Verbindungstechnologien
für die Chipverbindung ist die Schichtdicke. Die Verbindung mit Diffusionslöten beträgt etwa 10µm und ist somit nur ein Zehntel der Standard-
4.3 Einfluss der Chipverbindungstechnologie
115
Lotschichtdicke [29]. Der Querschnitt einer realen Verbindung mit dem
Diffusionslöten ist in Abbildung 4.17 gezeigt.
Abbildung 4.17: Schliffbind der verbesserten Chipverbindung (Diffusionslöten)
Aufgrund der dünnen Verbindungsschicht beim Diffusionslöten ist diese
Technologie für Verbindungsflächen bis zu 185 mm2 beschränkt [28].
Größere Flächen weisen oft Unebenheiten auf, die beim Lötprozess nicht
ausgeglichen werden können; deshalb ist die Neigung zu Lufteinschlüssen
sehr hoch. Der Einsatz des Diffusionslötens für die großflächige Verbindung
zwischen DCB-Substrat und Grundplatte im Leistungsmodul ist nach
dem heutigen Stand der Technik nicht möglich. Das Verfahren eignet sich
nur für die Verbindung zwischen Chip und DCB-Substrat [27].
4.3.2
Lastwechseltest mit verbesserter Chipverbindung
Das Diffusionslöten verspricht nach dem Zusammenhang der homologen
Temperatur eine wesentlich höhere Lastwechselfestigkeit der Leistungsmodule. Um das zu testen, wurde nachfolgender Lastwechseltest durchgeführt.
Die Prüflinge für diesen Test wurden, wie in Abbildung 4.18 dargestellt,
aufgebaut. Im Vergleich zur Aufbau-und Verbindungstechnik der StandardModule wurde nur die Chipverbindungstechnologie geändert.
Der Lastwechseltest wurde mit Gleichstrombelastung bei konstanter Zykluszeit durchgeführt, wobei die Prüflinge mit Hilfe einer Luftkühlung
gekühlt wurden. Folgende Testparameter wurden gewählt:
• ton = 4s
116
4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
Abbildung 4.18: Prüfling mit verbesserter Chipverbindung (Diffusionslöten)
•
•
•
•
•
tof f = 6s
I = 150..165A
Tcase,min ; Tvj,min = 71,6..77,4◦ C
Tcase,max = 97,7..108,2◦ C
Tvj,max = 170,2..186,5◦ C
Für die Bewertung der Lastwechselfestigkeit der Prüflinge mit Diffusionslöten, wurden Standard-Leistungsmodule unter vergleichbaren Testbedingungen getestet. Die Standard-Technologie repräsentieren in diesem
Test die Leistungsmodule FS150R06KE3 und Prototypmodule des 400A /
600V HybridPACK1-Leistungsmoduls des Herstellers Infineon. Für diese
Standard-Module wurden Testparameter laut Tabelle 4.3 eingestellt.
Tabelle 4.3: Testparameter für Standard-Module
ton
tof f
I
Tcase,min ; Tvj,min
Tvj,max
Kühlart
FS150R06KE3
4s
6s
150A
81,9..90,4◦ C
186,6..198,6◦ C
Luftkühlung
Prototyp HybridPACK1
0,6..0,8s
3,1..5,1s
400A
73,0..75,8◦ C
164,5..185,0◦ C
Wasserkühlung
Wie an den Testparametern in Tabelle 4.3 zu sehen, wurden die StandardModule bezüglich der maximalen Sperrschichttemperatur bei stark unterschiedlichen Werten getestet. Um die Testergebnisse als eine vergleichbare
Referenz für die Prüflinge mit verbesserter Chipverbindung nehmen zu
können, wurde die erreichte Lebensdauer mit der Formel 4.1 auf die ma-
4.3 Einfluss der Chipverbindungstechnologie
117
ximale Sperrschichttemperatur Tj,max = 175◦ C umgerechnet, wobei die
Basis für diese Umrechnung die Lebensdauergleichung 2.9 ist. Durch die
Umrechnung wurden die realen Testergebnisse um maximal 7% korrigiert.
Nf =
Nf,T estergebnis
2,32
· e 1,38E−23·Tm,175◦ C
(4.1)
e
Die Lebensdauerauswertung der Testergebnisse ist in Abbildung 4.19
zusammenfassend dargestellt. Die gestrichelte Linie ist die berechnete
Lebensdauer mit der Gleichung 2.9. Die Ergebnisse der Standard-Module
stimmen in etwa mit dem Ergebnis der Lebensdauergleichung überein
und erreichten somit die erwartete Lebensdauer.
2,32
1,38E−23·Tm,T estergebnis
Verglichen mit den Ergebnissen aus Abbildung 4.14 (600V-Module) erreichten die Standard-Module in diesem Test nicht das gleiche Lebensdauerniveau. Die Begründung hierfür liegt in der Belastung mit der
Strom- bzw. Wärmestromdichte. Die Wärmestromdichte der Prüflinge in
Abbildung 4.14 betrug für 600V-Module in etwa PV = 150W/cm2 , für
Standard-Module in diesem Test war die Belastung um den Faktor zwei
höher.
Im Vergleich zu Standard-Modulen zeigen die Prüflinge mit der verbesserten Chipverbindung eine zwei- bis dreifach höhere Lebensdauer. In
[24], [23], [52], [78] und [34] wurde die Lastwechselfestigkeit der StandardBonddrähte unabhängig von anderen Fehlermechanismen untersucht. Diese Ergebnisse wurden in Abbildung 4.15 verwendet und daraus eine
Lebensdauerkurve für Standard-Aluminiumbonddrähte ermittelt. Diese Lebensdauerkurve ist zur Lebensdauerbewertung in Abbildung 4.14
aufgezeichnet und verdeutlicht, dass die Zuverlässigkeit der Prüflinge
„Chipverbindung Diffusionslöten” von der Standard-Bonddrahttechnologie
bestimmt wird.
Das gemessene Alterungsverhalten der Module mit der verbesserten Chipverbindung bestätigt, dass die Lebensdauer dieser Aufbau-und Verbindungstechnik nur vom Bonddrahtfehler bestimmt wird. Die gemessenen
Trends der Durchlassspannung und des thermischen Widerstands zeigt
Abbildung 4.20.
Die Standard-Module fielen unter den gewählten Lastwechselbedingungen überwiegend aufgrund der Degradation der Chiplotschicht aus. Bei
einigen Standard-Modulen kam es zusätzlich zum Bonddrahtfehler. Bevor jedoch der Bonddrahtfehler aufgetreten ist, war bei allen Prüflingen
eine Verschlechterung des thermischen Widerstandes messbar. Dieses
Alterungsverhalten ist in Abbildung 4.21 dargestellt.
Die höhere Lebensdauer der Standard-Bonddrähte in den Modulen mit
118
4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
Lebensdauerauswertung
Anzahl Zyklen
1,0E+07
1,0E+06
1,0E+05
1,0E+04
80
85
90
95
100
105
ΔTj in K
110
115
120
Standard FS150R06KE3
Standard 400A/600V
Lebensdauergleichung 600V-Standardmodule
Chipverbindung Diffusionslöten
Lebensdauerkurve Standard-Aluminiumbonddrähte
Abbildung 4.19: Vergleich der Lastwechsel-Testergebnisse zwischen
Standard-Modulen und Prüflingen mit verbesserter Chipverbindung
verbesserter Chipverbindung kann auf den Einfluss des thermischen Widerstandes zurückgeführt werden. Der Anstieg des thermischen Widerstandes
führte im Laufe des Tests zu einer immer höheren Sperrschichttemperatur.
Dieser Effekt beschleunigte die Alterung der Bonddrahtverbindungen.
Bei verbesserter Chipverbindung trat dieser Beschleunigungsmechanismus
nicht auf. Der Vergleich der Verläufe der minimalen und der maximalen
Sperrschichttemperatur ist in Abbildung 4.22 gezeigt.
Verglichen sind Standardmodul und Prüfling mit der verbesserten Chipverbindung. Das verbesserte Modul in diesem Beispiel erfuhr ab Beginn des
Lastwechseltests eine höhere maximale Sperrschichttemperatur und auch
einen höheren Temperaturhub im Vergleich zum Standard-Modul. Trotz
dieser härteren Bedingungen zeigen die Standard-Bonddrahtverbindungen
bei verbesserter Chipverbindung eine höhere Lebensdauer. Während des
ganzen Lastwechseltests hat das Standardmodul einen viel geringeren
Temperaturhub erfahren. Trotzdem erzielten hier die Bonddrähte eine
geringere Lebensdauer. Es ist zu vermuten, dass im Standard-Modul die
Chiplotdegradation lokale Temperaturüberhöhungen verursachte und dadurch die Bonddrahtverbindungen an den betroffenen Stellen mit viel
höheren Temperaturen belastet wurden. Diese lokalen Temperaturen konnten mit der Sperrschicht-Temperaturmessung nicht erfasst werden. Die
4.3 Einfluss der Chipverbindungstechnologie
119
Verlauf von VCE und Rth
120
5% Anstieg (VCE)
VCE in %
105
110
VCE
100
100
Rth in %
110
Rth
95
90
90
0
20000
40000
60000
80
80000
Zyklen
Abbildung 4.20: Verlauf des thermischen Widerstandes und der Durchlassspannung des Prüflings mit verbesserter Chipverbindung, Testparameter:
ton = 4s, tof f = 6s, I = 150A, Tvj,min = 77◦ C, ∆Tj = 99, 8K
virtuelle Sperrschichttemperatur ist ein stromgewichteter Mittelwert der
Sperrschichttemperatur über den ganzen Chip [77]. Diese Methode liefert
über die Temperaturverteilung im Chip keine Information.
Wie im Kapitel 4.2 zeigen die Ergebnisse dieses Lastwechseltests, dass
der Schwachpunkt der Aufbau-und Verbindungstechnik in den StandardModulen primär in der Chiplotschicht liegt. Das Versagen der Bonddrahtverbindung war der sekundäre Fehlermechanismus und begrenzte nicht die
Lebensdauer der Leistungsmodule. Erst bei verbesserter Chipverbindung
wurde die Bonddrahtverbindung zum bestimmenden Schwachpunkt der
Aufbau- und Verbindungstechnik. Die Lebensdauer der neuen Verbindung
(Diffusionslöten) wurde unter den gewählten Testbedingungen aufgrund
des Bonddrahtfehlers nicht erreicht. Die Verbindungstechnologie zeigt also
ein Potenzial für eine viel höhere Zuverlässigkeit, wenn im Leistungsmodul
zusätzlich die Bonddrahtverbindungen verbessert werden.
120
4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
Verlauf von VCE und Rth
110
140
5% Anstieg (VCE)
130
VCE
120
100
20% Anstieg (Rth)
Rth in %
VCE in %
105
110
Rth
95
100
90
0
10000
20000
30000
40000
90
50000
Zyklen
Abbildung 4.21: Verlauf des thermischen Widerstandes und der Durchlassspannung des 400A / 600V Standard-Moduls, Lastwechseltestparameter:
ton = 0, 4, tof f = 4, 1s, I = 400A, Tvj,max = 166, 1◦ C, ∆Tj = 90, 9K
4.3.3
Lastwechseltest mit Diffusionslöten und verbesserten Bonddrähten
Die vorhergehenden Lastwechseluntersuchungen vorliegender Arbeit zeigen, dass die Verbesserung nur der Bonddrahtverbindungen im Leistungsmodul unter bestimmten Lastwechselbedingungen zu keiner Lebensdauererhöhung führt. Durch die Verbesserung der Chipverbindung lässt
sich die Lastwechselfestigkeit der Leistungsmodule wesentlich erhöhen.
Dabei erwies sich die Bonddrahtverbindung als der lebensdauerbestimmende Fehlermechanismus. Dieses Ergebnis bezieht sich wiederum streng
genommen nur auf bestimmte Testbedingungen. Demzufolge ist die Verbesserung sowohl der Chipverbindung und der Bonddrahtverbindungen
für die Verbesserung der Zuverlässigkeit der Leistungsmodule erforderlich. Im folgenden Lastwechseltest wurden beide Verbindungstechnologien
(Diffusionslöten und dotierte bzw. gehärtete Aluminiumbonddrähte) in
den zu untersuchenden Prüflingen integriert auf die Lastwechselfestigkeit
untersucht.
Die neuen Technologien wurden in einem Standard-Gehäuse HybridPACK1
aufgebaut. Untersucht wurden 650V IGBTs mit dem Nennstrom von 300A.
4.3 Einfluss der Chipverbindungstechnologie
121
Verlauf von Tvj,min und Tvj,max
Tvj,max
130
Tvj,min in °C
200
standard
140
verbessert
190
180
120
170
110
160
100
150
90
verbessert
Tvj,min
80
70
140
Tvj,max in °C
150
130
120
standard
60
110
50
0
20000
40000
60000
100
80000
Zyklen
Abbildung 4.22: Verlauf der Sperrschichttemperatur; Vergleich zwischen
Standard-Modulen (standard) und Modulen mit Diffusionslöten (verbessert), Messungen aus dem Test der Abbildungen 4.20 und 4.21
Ein IGBT war eine Parallelschaltung von zwei 150A IGBT-Chips. Es
wurden insgesamt drei Gruppen der Prüflinge getestet, wobei die Chipmetallisierungstechnologie als Untersuchungsparameter variiert wurde.
Während des Tests wurden die Prüflinge mit dem Gleichstrom belastet
und mit Wasser direkt an der Grundplatte gekühlt. Die Steuerung des
Tests erfolgte mit konstanter Zykluszeit. Die anderen Testparameter der
Prüflinge waren wie folgt:
•
•
•
•
•
ton = 0, 1..6, 0s
tof f = 0, 2..8, 0s
I = 300..400A
Tvj,max = 168, 0..207, 0◦ C
∆Tj = 73, 0..155, 0K
Alle Leistungsmodule mit den Verbesserungen in der Aufbau- und Verbindungstechnik fielen unter diesen Bedingungen aufgrund des Anstiegs in
der Durchlassspannung aus, was auf das Versagen der Bonddrahtverbindung zurückzuführen war. Die Lebensdauerauswertung ist in Abbildung
4.23 gezeigt. Die Vergleichsbasis sind Lastwechselergebnisse der StandardModule aus [40]. Dabei wird sichtbar, dass die verbesserten Bonddrähte
122
4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
sehr gute Ergebnisse erreichen, sofern die Metallisierung damit verträglich
ist.
Lebensdauerauswertung
1,0E+08
Anzahl Zyklen
1,0E+07
bei 3 Modulen kein Ausfall
1,0E+06
1,0E+05
1,0E+04
1,0E+03
20,00
40,00
60,00
Standard-Module
Chipmetallisierung V3
80,00
100,00 120,00 140,00 160,00
∆Tj
Chipmetallisierung V1
Anforderung 200°C
Chipmetallisierung V2
Abbildung 4.23: Lebensdauerauswertung bei aktiven Zyklen für Module
mit verbesserter Chipverbindung, verbesserten Bonddrahtverbindungen
und verschiedenen Chipmetallisierungsvarianten im Vergleich zu 600V
Standard-Leistungsmodulen
Mit Variante 1 wird nur die Lebensdauer von den Standard-Modulen
erreicht. Im Vergleich zu den Testergebnissen in Abbildung 4.19 (Module
mit Diffusionslöten für die Chipverbindung und Standard-Bonddrähten)
zeigen Bonddrahtverbindungen mit dieser Chipmetallisierungsvariante
eine wesentlich schlechtere Zuverlässigkeit. Mit Variante 2 konnte die Lastwechselfestigkeit deutlich gesteigert werden. Dabei fiel die Verbesserung
der Lebensdauer bei niedrigen Temperaturhüben höher aus.
Bei einem Prüfling mit der Chipmetallisierungsvariante V2 wurde die
Bonddrahtverbindung mit Hilfe des metallographischen Schliffs analysiert. Die Ergebnisse zeigt Abbildung 4.24. Das Ausfallbild zeigt den
Fehlermechanismus, der in dieser Form bei Standard-Modulen nicht
bekannt war. Der wesentliche Unterschied ist das Risswachstum innerhalb der Chipmetallisierung. Im Vergleich dazu ist der Bonddrahtfehler
der Standard-Module in Abbildung 4.25 dargestellt. Der Riss breitet
sich bei der Standard-Bonddrahtverbindung oberhalb der Grenzfläche
(Chipmetallisierung-Bonddraht) im Bonddrahtmaterial aus.
4.3 Einfluss der Chipverbindungstechnologie
123
Al dotiert
Grenzfläche
Riss
Metallisierung
Si Chip
Abbildung 4.24: Metallographischer Schliff der Bonddrahtverbindung mit
der Chipmetallisierungsvariante V2, Riss in der Chipmetallisierung nach
dem Lastwechseltest
Abbildung 4.25: Risswachstum in der Bonddrahtverbindung bei StandardLeistungsmodulen [24]
Die Analyse der Chipmetallisierungsvariante V2 zeigt, dass durch eine weitere Verbesserung der Chipmetallisierung die Zuverlässigkeit der
Leistungsmodule mit der betrachteten Aufbau- und Verbindungstechnik
gesteigert werden kann. Dies lässt sich mit dem Testergebnis der Variante V3 bestätigen. Diese Prüflinge zeigen eine Lebensdauerverbesserung
im Vergleich zu Variante V2 um den Faktor zehn und im Vergleich zu
Standard-Modulen um den Faktor 100. Von den getesteten vier Leistungsmodulen erreichte ein Prüfling das Lebensdauerende aufgrund des
Anstiegs in der Durchlassspannung. Die Verläufe von VCE und Rth des
ausgefallenen Moduls sind in Abbildung 4.26 dargestellt. Im Verlauf des
gesamten Lastwechseltests ist ein stetiger Anstieg der Durchlassspannung
zu erkennen. Dieses Verhalten ist bekannt aus dem Alterungsverhalten
der Standard-Module und ist auf die Verschlechterung der Leitfähigkeit
der Chipmetallisierung zurückzuführen [57]. Zwei stufenförmige Anstie-
124
4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
ge der Durchlassspannung weisen auf einen Bonddrahtabgang hin. Der
thermische Widerstand bleibt im Verlauf des Lastwechseltests annähernd
unverändert. Daraus ist zu schließen, dass das Diffusionslöten das Potential zu einer höheren Zuverlässigkeit hat, als die erreichte Lebensdauer
des Leistungsmoduls in diesem Test.
Verlauf von VCE und Rth
110
VCE
105
VCE, Rth in %
Rth
100
Kühlmittel gewechselt
95
90
0
1.000.000
2.000.000
Zyklen
3.000.000
4.000.000
Abbildung 4.26: Verlauf der Durchlassspannung des Prüflings mit Chipmetallisierungsvariante V3, Lastwechseltestparameter: ton = 0, 7s, tof f =
3, 1s, I = 300A, Tvj,max = 176, 9◦ C, ∆Tj = 94, 2K
4.4 Applikationsnahe Lastwechseltests
4.4.1
Übersicht der Verbindungstechnologien
Die bisher vorgestellten Testergebnisse basierten auf reiner Lastwechselbelastung. Bei diesen Tests wurden die Leistungsmodule mit relativ kurzen
Temperaturzyklen belastet, die zum Versagen der Bonddraht- und Chipverbindungen führten. Solche Temperaturzyklen bilden nur einen Teil der
Belastung einer Hybridfahrzeuganwendung nach. Von großem Interesse
sind Zuverlässigkeitstests, die die Temperaturschwankungen des Kühlmittels nachbilden und zusätzlich die Verbindung zwischen DCB-Substrat und
Grundplatte (in dieser Arbeit als Systemverbindung bezeichnet) belasten.
4.4 Applikationsnahe Lastwechseltests
125
In diesem Kapitel werden Ergebnisse der applikationsnahen Lastwechseltests gezeigt, womit zusätzlich zu gehärteten Aluminiumbonddrähten
und zur neuen Chipverbindung, dem Diffusionslöten, zwei neue Verbindungstechnologien für die Systemverbindung untersucht wurden: Die
Silber-Sintertechnologie (Niedertemperaturverbindungstechnik) und die
neuartige Lötung mit vertikalen Mikrostrukturen. Abbildung 4.27 zeigt
diese Verbindungstechnologien in der Schnittdarstellung des Leistungsmoduls.
Standard: Al
Verbessert: dotiertes Aluminium,
modifizierte Chipmetallisierung
Si
Standard: Sn-Ag Lot
Verbessert: Diffusionslötung
Cu, Al2O3, Cu (DCB)
Standard: Sn-Ag Lot
Verbessert: Silber Sintertechnologie
Lötung mit vertikalen Strukturen
Standard: 3mm Cu ohne PinFin
Verbessert: 5mm Cu mit PinFin
Abbildung 4.27: Übersicht der Verbindungstechnologien für die Zuverlässigkeitsuntersuchungen mit applikationsnahen Lastwechseltests
Eine bereits sehr ausführlich erforschte Verbindungstechnologie für die
großflächige Systemverbindung der Leistungselektronik zwischen DCBSubstrat und Grundplatte ist die Silber Sintertechnologie, die auch als
Niedertemperaturverbindungstechnik bezeichnet wird ([92], [84]). Die
Prozesstemperatur für die Herstellung dieser Verbindung liegt bei ca.
250◦ C, die Schmelztemperatur dieser Verbindungsschicht beträgt dagegen 960◦ C. Die Einsatztemperatur dieser Verbindung im Leistungsmodul
liegt weit unterhalb dieser Schmelztemperatur und zeigt deshalb bei
Lastwechseln eine hohe Zuverlässigkeit [1]. Ein weiterer Vorteil dieser
Verbindungstechnologie ist eine viel bessere thermische Eigenschaft im
Vergleich zu Standard-Lotschichten. Die Dicke der Niedertemperaturverbindungstechnik beträgt ca. 30µm und ist somit nur ein Drittel der Dicke
bei Standard-Lotschichten. Außerdem lässt sich die Silber-Sinterschicht
lunkerfrei herstellen. Dagegen nehmen Lunker bei Standard-Loten einen
relativ hohen Anteil der Verbindungsfläche ein und verschlechtern somit
den thermischen Widerstand dieser Schicht. Ein neuer Ansatz speziell
für großflächige Verbindungen zwischen Substrat und Grundplatte ist die
Lötung mit vertikalen Mikrostrukturen. Diese eingebrachten Strukturen
verhindern den Risswachstum bei Temperaturwechseln in die horizontale
Richtung und versprechen eine viel höhere Zuverlässigkeit für den Einsatz
bei hohen Temperaturen ([28], [54]). Der Vorteil dieser Technologie ist,
126
4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
dass für die Herstellung der Verbindung vorhandene Standard-Lötprozesse
verwendet werden können und Kosten für neue Fertigungslinien deshalb
entfallen.
Die metallographischen Schliffe beider betrachteten Technologien für
die großflächigen Verbindungen im Leistungsmodul sind im Vergleich in
Abbildung 4.28 dargestellt. Die Mikrostrukturen in der neuartigen Lötung
sind Kupfer-Zinn Ausscheidungen, wobei das Grundmaterial der Lötung
eine Zinn-Silber-Legierung ist.
Abbildung 4.28: Schliffbilder der Niedertemperaturverbindung [97] und
neuartiger Systemlötung mit Mikrostrukturen [28]
4.4.2
Testergebnisse
Für die Zuverlässigkeitsuntersuchung beider Verbindungstechnologien wurde ein überlagerter Temperaturwechseltest durchgeführt. Hierfür wurden
Prüflinge mit Hilfe eines Wasser-Kühlkreislaufes passiv aufgeheizt und
abgekühlt. Während der Aufheizphase wurden die Module zusätzlich mit
aktiven Zyklen belastet, die mit einer Gleichstrombelastung erzeugt wurden. Der Verlauf des gewählten Temperaturzyklus ist in Abbildung 4.29
dargestellt. Module mit verbesserter Aufbau- und Verbindungstechnologie
und ein Prototyp des Standard-Leistungsmoduls Hybridpack1 600V /
400A als Vergleichsreferenz wurden unter diesen Bedingungen getestet.
Der Prüfling mit der Niedertemperaturverbindungstechnik in der Systemverbindung ist in Abbildung 4.30 dargestellt. Der Prüfling mit der
neuartigen Systemlötung wurde im gleichen Leistungsmodulgehäuse aufgebaut, die Grundplatte war jedoch ohne PinFin-Struktur und hatte eine
Dicke von 3mm.
Alle Prüflinge wurden bei aktiven Zyklen mit gleichem Laststrom von 220A
und gleichen Zykluszeiten belastet. Es ergab sich ein Unterschied in der
maximalen Sperrschichttemperatur, die am Ende der Heizphase gemessen
4.4 Applikationsnahe Lastwechseltests
127
200
200
180
175
150
160
125
140
T in °C
Tvj
Tcase
100
580
120
590
600
610
100
80
60
40
20
0
0
200
400
600
800
1000
t in s
Abbildung 4.29: Gemessener Temperaturverlauf während des überlagerten
Temperaturwechseltests, Messung am Standard-Modul
wurde. Der Prüfling mit der neuartigen Systemverbindung erfuhr die höchste Temperatur. Dieses Modul hatte gleiche Kühlrandbedingungen wie das
Standard-Modul. Beide Module wurden mit der Wärmeleitpaste auf einen
wassergekühlten Kühlkörper montiert. Aufgrund eines kleineren IGBT
Chips (300A) im Vergleich zum Standard-Modul (400A) war der thermische Widerstand insgesamt höher, was die höhere Sperrschichttemperatur
begründet. Das Modul mit der direkt gekühlten PinFin-Grundplatte hatte
trotz des 300A-Chips einen besseren thermischen Widerstand und dadurch
die niedrigste Sperrschichttemperatur. Für alle Module wurde der passive
Zyklus mit der Kühlwassertemperatur zwischen 22◦ C und 122◦ C gesteuert.
Die Zykluszeit im passiven Zyklus setzte sich zusammen aus 9min Aufwärmphase, 1min Haltephase bei maximaler Wassertemperatur und 5min
Abkühlphase, siehe Abbildung 4.29. In einem passiven Zyklus wurden
IGBTs mit 100 aktiven Zyklen während der Aufwärm- und Haltephase
belastet. Die Temperaturen sind in Tabelle 4.4 aufgelistet.
Zur Messung des Alterungsverhaltens während des Tests wurden Durchlassspannung und der transiente thermische Widerstand aufgezeichnet.
Beim Standard-Modul und beim Prüfling mit der neuartigen Systemlötung
wurde die thermische Impedanz zwischen Sperrschicht und Kühlkörper
gemessen. Für die Messung der Kühlkörpertemperatur wurden auf der
Oberfläche des Kühlkörpers 1mm dicke Kanäle eingefräst. Die Temperatur
wurde in der Mitte der Modulgrundplatte mit Hilfe eines Thermoelements
erfasst. Beim Modul mit der PinFin-Grundplatte wurde für die thermische
128
4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
Abbildung 4.30: Prüfling mit verbesserter Aufbau- und Verbindungstechnik, Technologien wie in Abbildung 4.27, Systemverbindung mit Niedertemperaturverbindungstechnik
Tabelle 4.4: Testparameter für den applikationsnahen Lastwechseltest
Tvj,min
Tvj,max
∆Tj,aktiv
Tc,max
Kühlung
NTV / PinFin
22◦ C
173◦ C
48K
Wasser direkt
Neue Systemlötung
22◦ C
195◦ C
70K
143◦ C
Wasser indirekt
Standard
22◦ C
175◦ C
50K
143◦ C
Wasser indirekt
Impedanz die Kühlmitteltemperatur als Bezugstemperatur aufgenommen.
Die Messung der thermischen Impedanz erfolgte mit diesen Parametern:
•
•
•
•
I = 250A
ton = 30s
Messdauer = 30s
TW asser = 20◦ C
Abbildung 4.31 zeigt die Verläufe gemessener thermischen Impedanzen
für die drei getestete Leistungsmodule. Der transiente thermische Widerstand des Standardmoduls zeigt aufgrund der größten Chipfläche im
Millisekundenbereich die niedrigsten Werte. Der Prüfling mit der PinFinGrundplatte und das Modul mit der neuartigen Systemlötung haben bis
etwa 30ms den gleichen Verlauf, da beide Module bis zur DCB-Unterseite
aus der Richtung des IGBT-Chips den gleichen Aufbau hatten. Die 5mm
dicke PinFin-Grundplatte macht sich bemerkbar im Bereich von 100ms
bis 3s. Bei diesem Modul sind die Zth -Werte viel kleiner als beim Modul
mit 3mm dicken Grundplatte (Modul mit neuartigen Systemlötung). Bei
4.4 Applikationsnahe Lastwechseltests
129
den anderen zwei Prüflingen sind die Anteile des Kühlpfads zwischen dem
Kühlkörper und dem Kühlwasser nicht enthalten, da der Referenzpunkt
der Zth -Messung auf der Oberseite des Kühlkörpers lag.
Zth(t)-Verlauf
0,25
Zth in K/W
0,20
0,15
0,10
0,05
0,00
1,0E-04
Standard-Modul (600V / 400A)
Modul mit NTV und PinFin (650V / 300A)
Modul mit neuer Systemlötung (650V / 300A)
1,0E-03
1,0E-02
1,0E-01
1,0E+00
1,0E+01
1,0E+02
t in s
Abbildung 4.31: Verläufe der thermischen Impedanz für Prüflinge mit
verschiedener Aufbau- und Verbindungstechnik, Messung am Anfang des
applikationsnahen Lastwechseltests mit Parametern aus Tabelle 4.4
Ausfallkriterien im Lastwechseltest waren 20%-Anstieg des stationären
thermischen Widerstandes und 5%-Anstieg der Durchlassspannung.
Die Durchlassspannung aller Prüflinge ist im Laufe des Tests konstant
geblieben, was zeigte, dass kein Bonddrahtfehler aufgetreten ist.
Die gewählten Testbedingungen führten beim Standard-Modul zum Anstieg des thermischen Widerstandes, wie es im Rth -Verlauf in Abbildung
4.32 gezeigt ist.
Das Standard-Modul wurde nach dem Test mit dem Ultraschallmikroskop
analysiert. Die Aufnahmen der Chiplot- und der Systemlotschicht sind in
Abbildung 4.33 zu sehen. Deutlich zu erkennen ist die Delamination in der
Systemlotschicht. Schlecht zu erkennen ist der Zustand der Chiplotschicht.
Die thermische Impedanzspektroskopie liefert für das Standard-Modul
bessere Analyseergebnisse für die Chiplotschicht im Vergleich zu Ultraschallaufnahmen. In Abbildung 4.34 sind Verläufe der Rth -Anteile des
130
4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
Verlauf von Rth
0,22
0,20
20% Fehlerkriterium (Standard)
Rth in K/W
0,18
0,16
0,14
Wärmeleitpaste erneuert
0,12
0,10
0
1000
2000
3000
4000
passive Zyklen
5000
6000
7000
Standard (Chip1)
Standard (Chip2)
Lötung Mikrostrukturen (Chip1)
Lötung Mikrostrukturen (Chip2)
NTV (Chip1)
NTV (Chip2)
Abbildung 4.32: Verläufe der stationären thermischen Widerstände im
applikationsnahen Lastwechseltest
diskreten CAUER-Ersatzschaltbildes dargestellt. Diese Werte wurden
anhand der Zth -Messungen ermittelt. Hierfür wurde die Methode des
Kapitels 3.2 angewendet. Die thermische Impedanz wurde mit vier RCGliedern approximiert. Damit konnten die gemessenen Kurven mit ausreichender Genauigkeit angenähert werden. Der erste Anteil r1 hat den
Anteil von etwa 10% des Gesamtwiderstandes und beschreibt somit den
Bereich zwischen Sperrschicht und Oberseite des DCB-Substrats. Die
Werte von r2 zeigen den Anteil von 50% und zeigen den partiellen Widerstand der Al2 O3 –Keramik und Grundplatte. Die Anteile r3 und r4 zeigen
den Einfluss der Wärmeleitpaste und der Oberseite des Kühlkörpers. Der
Kühlpfad mit CAUER-Gliedern kann somit wie folgt analysiert werden:
• r1: Anteil zwischen Sperrschicht und Oberseite des DCB-Substrates,
zeigt Alterung der Chipverbindung
• r2: Anteil zwischen Oberseite des DCB-Substrates und Grundplatte,
zeigt Alterung der Systemverbindung
• r3, r4: Anteile zwischen Grundplatte und Referenzpunkt der Temperaturmessung (Oberseite des Kühlkörpers), zeigt Einfluss der
Wärmeleitpaste
Im Verlauf von r1 (Chip2) sieht man einen Anstieg, was auf die Degradati-
4.4 Applikationsnahe Lastwechseltests
131
Chip2
Chip1
Abbildung 4.33: Ultraschallbilder des Standard-Moduls (600V / 400A)
nach 2.620 passiven Zyklen und 262.000 aktiven Zyklen
on des Chiplotes schließen lässt. Der Anstieg im Anteil r2 (Chip1) zeigt die
Alterung der Systemlotschicht. Bei Chip2 bleibt dieser Wert annähernd
konstant. Das Ultraschallbild in Abbildung 4.33 bestätigt diese Unterschiede. Unterhalb von Chip1 ist eine starke Delamination im Systemlot
zu erkennen, unterhalb von Chip2 sind dagegen keine hellen Bereiche zu
sehen. Die Unregelmäßigkeiten unterhalb Chip1 in der Chipverbindung
deuten im Ultraschallbild auf die Degradation hin und bestätigen die
Messung.
Die Verläufe der gemessenen CAUER-Zeitkonstanten und -Kapazitäten
zeigen Abbildungen 4.35 und 4.36. In den Bereichen, wo Widerstände
ansteigen, werden Zeitkonstanten größer und Kapazitäten kleiner. Die
relativen Veränderungen sind nur schwach zu erkennen. Dies lässt sich
wie folgt begründen.
Physikalisch gesehen verändert sich die thermische Kapazität des Materials im Laufe des Lastwechseltests nicht. Im Falle einer Degradation einer
Materialschicht wird jedoch die Kühlfläche verkleinert und das führt zur
Einengung des Wärmeflusses. Insgesamt verringert sich das Materialvolumen, welches an der Kühlung des Halbleiterchips beteiligt ist. Deshalb
sinkt die gemessene Wärmekapazität bei der Erhöhung des partiellen
thermischen Widerstandes. Bei diesem Effekt würden die entsprechenden
Zeitkonstanten der RC-Glieder konstant bleiben.
Eine kleiner werdende Kühlfläche zwingt jedoch bei gleicher abzuführender
Verlustleistung zu einer stärkeren Wärmespreizung. Dieser Effekt wirkt
der Einengung des Wärmeflusses entgegen. Dadurch kommt es zu einer
Erhöhung der Zeitkonstanten.
Beide Effekte beeinflussen sich gegenseitig. Messungen zeigen, dass sowohl
Zeitkonstanten als auch thermische Kapazitäten ungefähr in gleichem
Maße sich relativ verändern. Dadurch ist die Empfindlichkeit dieser Werte
bei einem Fehler geringer als bei Widerständen.
132
4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
Verlauf der CAUER-Widerstände
0,12
Chip1
Chip2
0,1
r2
Rth in K/W
0,08
0,06
r3
0,04
r1
0,02
r4
0
0
500
1000
1500
2000
Passive Zyklen
2500
3000
Abbildung 4.34: Verlauf der CAUER-Widerstände des Standard-Moduls
Das Ergebnis des Lastwechseltests zeigt, dass die Lastwechselbedingungen
entsprechend einer realen Anwendung in einem Standard-Leistungsmodul
zum Versagen sowohl der Chipverbindung als auch der großflächigen
Verbindung zwischen DCB-Substrat und Grundplatte führt. Unter den
gewählten Testbedingungen begrenzten die Bonddrahtverbindungen nicht
die Lebensdauer des Leistungsmoduls.
Der Test mit dem Prüfling mit der neuen Systemlötung wurde nach 2.160
Zyklen abgebrochen und das Leistungsmodul mit dem Ultraschallmikroskop analysiert. Die Aufnahmen in Abbildung 4.37 zeigen bereits eine
beginnende Degradation des Systemlotes in den Eckbereichen des mittleren DCB-Substrates. Diese delaminierten Bereiche sind außerhalb der
Chipfläche und verursachten deshalb keinen Rth -Anstieg in Abbildung
4.32.
Das Modul mit der PinFin-Grundplatte und der Niedertemperaturverbindungstechnik erreichte 6.500 passive und 650.000 aktive Zyklen ohne
Fehler. Allerdings kann man im Rth –Verlauf in Abbildung 4.32 einen Anstieg von etwa 10% feststellen. Die Analyse mit dem Ultraschallmikroskop
war aufgrund der PinFin-Struktur auf der Grundplatte nicht möglich.
Eine klare Aussage über die Ursache für den gemessenen Rth -Anstieg zeigt
die thermische Impedanzspektroskopie in Abbildung 4.38. Analog zum
4.4 Applikationsnahe Lastwechseltests
133
Verlauf der CAUER-Zeitkonstanten
10
τ4
1
τ3
τ in s
0,1
τ2
0,01
τ1
0,001
Chip1
Chip2
0,0001
0
500
1000
1500
2000
Passive Zyklen
2500
3000
Abbildung 4.35: Verlauf der CAUER-Zeitkonstanten des Standard-Moduls
Standard-Modul wurden CAUER-Parameter gemessenen. Hierfür wurde
die thermische Impedanz mit drei RC-Gliedern approximiert. Die Anteile
des CAUER-Ersatzschaltbildes unterteilen den Kühlpfad wie folgt:
• r1: Anteil zwischen Sperrschicht und Al2 O3 -Keramik, zeigt Alterung
des Chiplotes
• r2: Anteil zwischen Al2 O3 -Keramik und Grundplatte, zeigt Alterung
von Systemverbindung
• r3: Anteil zwischen Grundplatte und Kühlwasser
Die Unterteilung des Kühlpfads weicht vom Standard-Leistungsmodul ab.
Der Anteil r1 enthält, anders als beim Standard-Modul, den größten Teil
der Al2 O3 -Keramik. Im Anteil r2 ist der Rest Al2 O3 -Keramik enthalten,
wobei dieser Teil kleiner ist. Diese Unterteilung ergab sich aufgrund der
Vorgabe an den mathematischen Lösungsalgorithmus, die thermische
Impedanz mit drei RC-Gliedern zu approximieren.
Der Verlauf der CAUER-Widerstände zeigt, dass der Anstieg des stationären thermischen Widerstandes aufgrund der Verschlechterung des
Wärmeübergangwiderstandes zwischen PinFin-Grundplatte und Kühlwasser hervorgerufen wird. Die nachträgliche Analyse zeigte auf der PinFinKühlstruktur der Grundplatte Ablagerungen, die als Ursache für den
Anstieg des Übergangswiderstands festgestellt wurden. Die Degradationen
134
4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
Verlauf der CAUER-Kapazitäten
1000
C4
C in J/K
100
C3
10
1
C2
0,1
C1
Chip1
Chip2
0,01
0
500
1000
1500
2000
Passive Zyklen
2500
3000
Abbildung 4.36: Verlauf der CAUER-Kapazitäten des Standard-Moduls
Verbindungstechnologien im Leistungsmodul konnten somit ausgeschlossen
werden.
4.4.3
Lebensdauerbewertung
Die erreichten Ergebnisse im applikationsnahen Lastwechseltest sollen im
Nachfolgenden bezüglich der Lebensdauer bewertet werden. Da sowohl
der Ausfall der Chiplotschicht als auch der Systemlotschicht im StandardModul beobachtet wurde, werden Lebensdauermodelle sowohl für aktive
Zyklen als auch für passive Zyklen für die Auswertung dieses Moduls
verwendet. Die erste Gleichung 2.9 aus [96], deren Genauigkeit im Kapitel
4.3.2 anhand der Testergebnisse gezeigt wurde, beschreibt die Lebensdauer der Standard-Leistungsmodule mit 600V-Sperrspannungsklasse bei
aktiven Zyklen und hoher Sperrschichttemperatur. Das zweite Lebensdauermodell 2.8 aus [46] gibt die Zyklenzahl bis zum Ausfall bei passiven
Temperaturzyklen. Diese Gleichung gilt für Industrie-Leistungsmodule
mit Kupfer-Grundplatte mit vergleichbarer Verbindungstechnologie wie
das in dieser Arbeit getestete Standard-Leistungsmodul.
Für die Anwendung der Gleichung 2.9 werden die gemessenen Temperaturzyklen in einem passiven Zyklus (Abbildung 4.29) der Sperrschicht in
4.4 Applikationsnahe Lastwechseltests
135
Abbildung 4.37: Ultraschallbilder des Moduls mit neuer Systemlötung
nach 2.160 passiven Zyklen und 216.000 aktiven Zyklen
zehn Temperaturbereiche unterteilt. Ein Bereich wird für eine bestimmte
mittlere Sperrschichttemperatur Tm betrachtet. In jedem dieser Temperaturbereiche werden die Zyklen für die Temperaturhübe der Sperrschicht
gezählt und Temperaturhübe ∆Tj bestimmt. Die ermittelte Verteilung der
gezählten Temperaturhübe zeigt Tabelle 4.5. In dieser Tabelle zeigt die
Spalte „Tm inK” die gewählten Temperaturbereiche, die Spalte „∆Tj inK”
ist der Temperaturhub der Sperrschicht, die Werte „Nf (Tm , ∆Tj inK)”
sind die berechneten Zyklen mit der Gleichung 2.9 und die Spalte „Anzahl Zyklen im Test” sind die gezählten Temperaturzyklen. Durch das
Verhältnis der Zyklen im Test zu den berechneten Zyklen ergibt sich der
Lebensdauerverbrauch. Mit der Annahme der linearen Akkumulation des
Lebensdauerverbrauchs ergibt sich, dass während des Lastwechseltests etwa 96% der gesamten berechneten Lebensdauer verbraucht wurde. Dieses
Ergebnis zeigt, dass die erreichte Lebensdauer des Moduls sehr gut mit
der Vorhersage des gewählten Lebensdauermodells übereinstimmt.
Auch für die Lebensdauer bei passiven Zyklen liefert der Vergleich zwischen
dem Testergebnis und dem Lebensdauermodell eine gute Übereinstimmung.
Für den gemessenen Temperaturhub an der Grundplatte des StandardModuls von 121K ergibt sich mit Gleichung 2.8 eine Lebensdauer von
2330 Zyklen. Im Test wurden etwa 12% mehr Zyklen erreicht.
Die Lebensdauer der neuen Systemlötung mit vertikalen Mikrostrukturen
kann mit Hilfe der Ultraschallaufnahme in Abbildung 4.37 abgeschätzt
werden. In diesem Bild lässt sich die Länge des Risses in der Systemlötung
bestimmen. Mit der Annahme, dass sich der Riss linear mit der Anzahl der
Temperaturzyklen ausbreitet [92], lässt sich die Zyklenzahl bis zum Ausfall
abschätzen. Das Lebensdauerende wird erreicht, wenn die delaminierte
Fläche gleich der des Leistungsmoduls in Abbildung 4.33 ist. Die Lebensdauer dieser Verbindung lässt sich hiermit auf 6500 Zyklen abschätzen.
Damit ist die Zuverlässigkeit dieser Verbindungstechnologie um den Faktor 2,5 höher als die des Standard-Moduls. Vergleicht man dieses Ergebnis
136
4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
Verlauf der Rth-Anteile des CAUER-Ersatzschaltbildes
0,08
r1 (Chip-Al2O3)
0,07
0,06
r3 (Grundplatte- Kühlwasser)
Rth in K/W
0,05
0,04
r2 (Al2O3-Grundplatte)
0,03
0,02
0,01
0
0
1000
2000
3000
4000
passive Zyklen
5000
6000
7000
Abbildung 4.38: Verlauf der CAUER-Widerstände des Prüflings mit
PinFin-Grundplatte und Niedertemperaturverbindungstechnik
mit der ermittelten Anforderung an die Temperaturwechselfestigkeit für
Leistungsmodule in Abbildung 2.7, so wäre der Einsatz der neuartigen
Lötung mit vertikalen Mikrostrukturen bei hoher Kühlmitteltemperatur
im Hybridfahrzeug kritisch. Gefordert werden bei 120K Temperaturhub
an der Grundplatte etwa 10.000 bis 20.000 Zyklen.
Bezüglich der Lastwechselfestigkeit (aktive Zyklen) für den Prüfling mit
der neuartigen Systemlötung (mit vertikale Mikrostrukturen) wurde eine ähnliche Abschätzung des Lebensdauerverbrauchs durchgeführt, wie
für das Standard-Modul in Tabelle 4.6. Hier zeigt die Auswertung mit
dem Lebensdauermodell (gültig für Standard-Module), dass neue Verbindungstechnologien eine mehr als doppelt so hohe Lastwechselfestigkeit
im Vergleich zum Standard-Modul erreichen. Die Lastwechselfestigkeit
dieser Verbindungstechnologie war bei rein aktiven Zyklen um den Faktor
100 höher gegenüber der von Standard-Modulen, siehe hierzu Abbildung
4.23. Es ist zu erwarten, dass bei der abgeschätzten Lebensdauer von
6500 Zyklen, bei der die Degradation der Systemverbindung zum Ausfall
des Prüflings führen wird, die Lebensdauer der gehärteten Aluminiumbonddrähte und der neuen Chipverbindung (Diffusionslöten) noch nicht
erreicht wird. Deshalb wird bei den gewählten Testparametern die Lebensdauer der untersuchten Verbindungstechnologie im Prüfling allein
4.4 Applikationsnahe Lastwechseltests
137
Tabelle 4.5: Abschätzung des Lebensdauerverbrauchs für das StandardModul mit Gleichung 2.9
Tm in K
ΔTj in K
Nf(ΔTj, Tm)
Zyklen im Test
330
340
350
360
370
380
390
400
410
420
430
380
50
50
50
50
50
50
50
50
50
50
50
154
845887
728233
632332
553384
487797
432848
386450
346987
313195
284077
258838
9174
13100
18340
18340
20960
23580
23580
26200
26200
28820
28820
34060
2600
Lebensdauerverbrauch gesamt
Lebensdauerverbrauch in %
1,5
2,5
2,9
3,8
4,8
5,4
6,8
7,6
9,2
10,1
13,2
28,3
96,2
von der Lebensdauer der neuartigen Systemverbindung mit vertikalen
Mikrostrukturen bestimmt.
Das Leistungsmodul mit der Niedertemperaturverbindungstechnik, Diffusionslöten, gehärteten Aluminium-Bonddrähten und verbesserten Chipmetallisierung hat offensichtlich das Potenzial die Anforderungen für den
Einsatz in Hybridfahrzeugen bei hoher Kühlmitteltemperatur zu erfüllen.
Mit dem erreichten Ergebnis wurde allerdings noch kein vollständiger
Nachweis für die Erfüllung der Anforderungen an die passiven Temperaturzyklen geliefert. Mit 6.500 Zyklen beim Temperaturhub des Kühlmittels
von 100◦ C wurde etwa ein Drittel der geforderten Zyklen erreicht. Die
Anforderung wurde für die Kühlmitteltemperatur von 105◦ bzw. für die
maximale Grundplattentemperatur von 125◦ C ermittelt (siehe Kapitel
2.3.2). Der Test wurde aus Zeitgründen nach 6.500 Zyklen abgebrochen,
wo noch keine Degradationen in den Verbindungsschichten messbar waren.
Es besteht deshalb mit dieser Verbindungstechnologie das Potential die
geforderten 20.000 Zyklen zu erreichen.
Aus dem Standpunkt heraus, dass die untersuche Aufbau- und Verbindungstechnik mindestens 6.500 Zyklen bei 100K Temperaturhub des
Kühlmittels standhält, kann abgeschätzt werden, bei welcher maximaler
Kühlmitteltemperatur diese Technologie betrieben werden kann. Die Ab-
138
4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
Tabelle 4.6: Abschätzung des Lebensdauerverbrauchs für den Prüfling mit
der neuartigen Systemlötung (mit vertikalen Mikrostrukturen), Auswertung mit Gleichung 2.9
Tm in K
ΔTj in K
Nf(ΔTj, Tm)
Zyklen im Test
340
350
360
370
380
390
400
410
420
430
440
380
70
70
70
70
70
70
70
70
70
70
70
173
229951
199669
174740
154030
136679
122028
109567
98896
89702
81732
74786
6158
10800
15120
15120
17280
19440
19440
21600
21600
23760
23760
28080
2160
Lebensdauerverbrauch gesamt
Lebensdauerverbrauch in %
4,7
7,6
8,7
11,2
14,2
15,9
19,7
21,8
26,5
29,1
37,5
35,1
232,0
schätzung nach der Vorgehensweise des Kapitels 2.3.2 ergibt, dass das
untersuchte Leistungsmodul für die angenommenen Umgebungstemperaturen der Stadt Konstanz die Anforderungen für die maximale Kühlmitteltemperatur von 95◦ C erfüllt. Für die Temperaturen der Zugspitze
kann das Leistungsmodul für 80◦ C zugelassen werden.
Bezüglich der Lastwechselfestigkeit dieser Verbindungstechnologie, zeigen
die Ergebnisse in Abbildung 4.23 eine klare Tauglichkeit für die maximale
Sperrschichttemperatur von 200◦ C. Die erreichten Zyklen übertreffen die
Anforderungen um mindestens Faktor 10. Diese Ergebnisse verdeutlichen,
dass die Lastwechselfestigkeit im Vergleich zu Temperaturwechselfestigkeit
bei passiven Zyklen deutlich höhere Anforderungen erfüllen können. Man
könnte in der Nähe des Halbleiterchips deshalb höhere Temperaturen als
200◦ C zulassen und die Leistungsdichte des Umrichters steigern. Das kann
z.B. für den Einsatz von SiC-Bauelementen sprechen. Diese Bauelemente
konnten bisher aufgrund der Lastwechselproblematik noch nicht für diese
hohen Temperaturen zugelassen werden.
139
5 Zusammenfassung und Ausblick
Die Kühlmitteltemperatur von max. 125◦ C in der Hybridfahrzeuganwendung erfordert neue Aufbau- und Verbindungstechniken für eine maximale
Sperrschichttemperatur von 200◦ C. In der vorliegenden Arbeit wurde
anfangs mit den bekannten Lebensdauermodellen die Anforderung an die
Leistungsmodule bei hohen Temperaturen abgeschätzt. Demnach muss die
Zyklenfestigkeit bei passiven Zyklen um den Faktor acht verbessert werden
und die Lastwechselfestigkeit erfordert eine vierfache Zuverlässigkeit im
Vergleich zu heutigen Leistungsmodulen.
Für die Untersuchung der Lastwechselfestigkeit bei hohen Kühlmittel- und
Sperrschichttemperaturen wurden neue Prüfstandskonzepte und Messmethoden entwickelt. Eines der neuen Konzepte war der Prüfstand für
Lastwechseluntersuchungen unter Umrichterbedingungen. Mit diesem Konzept wurde ein Lastwechseltest durchgeführt. Das Ergebnis unterstützt
die Annahme, dass die Lebensdauermodelle, die mit vereinfachten Tests
mit Gleichstrombelastung ermittelt werden, eine brauchbare Lebensdauervorhersage liefern.
Weitere Ergebnisse der Zuverlässigkeitsuntersuchungen dieser Arbeit basierten auf den Temperatur- und Lastwechseltests mit Gleichstrombelastung. Für diese Testmethode wurde der signifikante Einfluss der Sperrschichttemperaturmessung auf die Bestimmung der Lebensdauer gezeigt.
Es wurden zwei Quellen für den systematischen Messfehler bei der Messung
der Sperrschichttemperatur identifiziert und Methoden für die Korrektur
der Fehler behandelt. Anhand der „Wurzel-t-Methode” und mit Untersuchungsergebnissen zur Kalibrierkennlinie konnten die systematischen
Messfehler in der Sperrschichttemperaturmessung deutlich reduziert werden.
Als weitere Methode für die Durchführung von Lastwechseltests wurde
die thermische Impedanzspektroskopie vorgestellt, welche in zwei Teilmethoden unterteilt wurde. Diese erste Methode basiert auf der Analyse
der thermischen Impedanzfunktion, die aus dem Feld der Mikroelektronik
bekannt ist. Für die Anwendung dieser Methode auf die Leistungsmodule
wurde die mathematische Analyse der Impedanzfunktion modifiziert. Der
zweite Teil der thermischen Impedanzspektroskopie ist die Aufzeichnung
der diskreten CAUER-Teilwiderstände. Besonders hilfreich erweisen sich
beide Methoden der thermischen Impedanzspektroskopie bei direkt gekühlten Leistungsmodulen mit der PinFin-Struktur auf der Grundplatte,
140
5 Zusammenfassung und Ausblick
bei denen eine zerstörungsfreie Fehleranalyse mit heutigen Ultraschallmikroskopen nicht möglich ist.
Die Lastwechseltests mit verbesserten Aufbau- und Verbindungstechnologien zeigten, dass allein die Verbesserung der Bonddrahttechnologie
für die Erhöhung der Lastwechselfestigkeit nicht ausreichend ist, da die
Lebensdauer der Leistungsmodule unter bestimmten Bedingungen von
der Degradation der Chipverbindung bestimmt wird. Der Einsatz der
neuen Chipverbindungstechnologie Diffusionslöten zeigt eine signifikant
höheren Lastwechselfestigkeit der Leistungsmodule trotz der StandardAluminiumbonddrähte. Prüflinge mit Diffusionslöten und dotierten bzw.
gehärteten Aluminium-Bonddrähten zeigten eine um den Faktor 100 höhere Lastwechselfestigkeit im Vergleich zu Standard-Leistungsmodulen.
Für die Untersuchung der Zuverlässigkeit der großflächigen Verbindung
zwischen DCB-Substrat und Grundplatte (Systemverbindung) wurden
applikationsnahe Lastwechseltests durchgeführt, wo Lastwechsel einem
passiven Temperaturzyklus überlagert wurden. Mit diesem Test wurden
zwei neue Verbindungstechnologien für die Systemverbindung untersucht:
Niedertemperaturverbindungstechnik und neuartige Lötung mit vertikalen
Mikrostrukturen. Das Ergebnis zeigte, dass die neuartige Lötung zwar
eine deutlich höhere Zuverlässigkeit erreicht im Vergleich zu der StandardVerbindungstechnologie, jedoch die gestellten Anforderungen für eine hohe
Kühlmitteltemperatur von 125◦ C und eine maximale Sperrschichttemperatur von 200◦ C nach dem heutigen Stand der Forschung nicht erfüllt.
Da diese neuartige Lötverbindung sich noch im Entwicklungsstadium
befindet, ist eine Steigerung der Zuverlässigkeit noch denkbar.
Eine deutlich bessere Zuverlässigkeit zeigte in diesem Test das untersuchte
Leistungsmodul mit der Niedertemperaturverbindungstechnik. In diesem
Modul wurden gleichzeitig gehärtete Aluminium-Bonddrähte, die verbesserte Chipmetallisierung und das Diffusionslöten untersucht. Der Aufbau
des Leistungsmoduls mit diesen Verbindungstechnologien verspricht auf
Basis der Untersuchungen in der vorliegenden Arbeit die Anforderungen
bei hohen Temperaturen im Hybridfahrzeug zu erfüllen.
Für die neuen Verbindungstechnologien können anhand der vorgestellten
Ergebnisse der vorliegenden Arbeit noch keine genauen Lebensdauermodelle abgeleitet werden. Hierfür sind weitere Testergebnisse notwendig, die
vor allem bei verschiedenen Sperrschichttemperaturen und Temperaturhüben die Lastwechselfestigkeit zeigen. Wichtig sind auch Untersuchungen,
wie sich die Parameter wie Zykluszeit, Stromstärke pro Bondfuß und
Chipdicke bei dieser neuen Verbindungstechnologie auf die Lastwechselfestigkeit auswirken. Mit diesen Ergebnissen können die neuen Parameter
der CIPS2008-Gleichung ermittelt werden und die Gültigkeit dieser Gleichung für neue Verbindungstechnologien systematisch überprüft werden.
141
Lebensdauerbestimmende Fehlermechanismen bei verschiedenen Testbedingungen können mit der Vorgehensweise ebenfalls ermittelt werden.
Es wurde bei der Anwendung
der „Wurzel-t-Methode” gezeigt, dass der gep
messene Gradient dT /d (t) im ersten Zeitabschnitt des Abkühlvorgangs
der Sperrschicht ein Indikator dafür ist, welche Wärmeflussdichte das
Leistungsmodul bei entsprechenden Belastungsparametern erfährt und
wie sich die Temperaturverteilung über der Chipfläche einstellt. Sowohl
Wärmeflussdichte als auch Temperaturverteilung im Chip beeinflussen
wesentlich das Ausfallverhalten des Leistungsmoduls und werden in der
CIPS2008-Gleichung nur indirekt mit dem Gleichungsparameter „Strom
pro Bondfuß” berücksichtigt. Ein neues Lebensdauermodell, welches als
Parameter Temperaturhub der Sperrschicht, mittlere Sperrschichttemperatur,pEinschaltzeit, Verlustleistungsdichte und zusätzlich den Gradienten
dT /d (t) enthält, wird vermutlich die Lebensdauer der Leistungsmodule genauer und zuverlässiger beschreiben. Der letzte Parameter kann
physikalisch mit Hilfe der thermischen Impedanz und Verlustleistung im
Chip beschrieben werden. Diese Parameter können auf die physikalischen
Zusammenhänge von Coffin-Manson-Gesetz, Arrhenius-Gleichung, Relaxationsprozesse bzw. Kriechvorgänge, Kühlrandbedingungen und Temperaturverteilung im Leistungsmodul zurückgeführt werden. Der Einfluss
dieser Parameter auf die Lastwechselfestigkeit kann mit Hilfe von Testreihen für beliebige Aufbau- und Verbindungstechnologien ermittelt werden.
Für eine reale Anwendung der Leistungselektronik wäre so ein physikalisch
basiertes Lebensdauermodell genauer und zuverlässiger. Weiterführende
Forschungen in diese Richtung sind notwendig.
Ein hilfreiches Werkzeug für eine reale Applikation oder für lange Feldversuche der Leistungselektronik wäre die thermische Impedanzspektroskopie.
Mit dieser Messmethode können die Degradationsprozesse im Kühlpfad
des Leistungsmoduls unter realen Bedingungen beobachtet werden. Für die
Integration dieser Messmethode in das Fahrzeug oder in ein Diagnosegerät
sind weitere Forschungsarbeiten notwendig.
Interessant für die weiteren Forschungen sind Tests unter Umrichterbedingungen bei gleichzeitig kombinierten Temperaturzyklen (passiv und
aktiv). Hierfür können in dieser Arbeit vorgestellte Prüfstandskonzepte
verwendet werden.
Insgesamt zeigen die Ergebnisse dieser Arbeit, dass sich die Lastwechselfestigkeit der Leistungsmodule mit untersuchten Verbindungstechnologien
wesentlich verbessern lässt. Die Messmethoden für die Tests wurden im
Vergleich zum Stand der Technik verbessert. Die Ergebnisse dieser Arbeit
sind aus Sicht einer Hybridfahrzeuganwendung, wobei Erkenntnisse auf
andere Anwendungen ausgeweitet werden können.
142
5 Zusammenfassung und Ausblick
143
A Anhang
A.1 Analytische Berechnung der Kalibrierkennlinie
Die Berechnung der Kalibrierkennlinie erfordert folgende Größen des
Leistungsbauelements: Sperrspannung bzw. die Durchbruchspannung bei
Raumtemperatur, aktive Chipfläche, Messstrom durch das Bauelement.
Als Ergebnis erhält man die Kalibrierkennlinie als Funktion U = f (T ).
Das analytische Modell basiert auf den Ergebnissen der Arbeit [65] und
wurde modifiziert. Zur Berechnung der Kalibrierkennlinie werden folgende
analytische Gleichungen verwendet.
q·Upn
Ipn = IS · e k·T − 1
k·T
· ln
Upn (T ) =
q
(A.1)
j
+1
js (T )
(A.2)
Sperrsättigungsstrom:
js (T ) = q · ni (T )2 ·
Dp (T )
Lp (T ) · ND
Temperaturabhängigkeit der Eigenleitdichte [56]:
q
−WG (T )
ni (T ) = Nc (T ) · NV (T ) · e k·T
(A.3)
(A.4)
Effektive Zustandsdichten [56]:
NC (T ) = 3, 22 · 1019 ·
NV (T ) = 1, 83 · 1019 ·
T
300
T
300
1,7
1,75
[cm−3 ]
(A.5)
[cm−3 ]
(A.6)
144
A Anhang
Temperaturabhängigkeit der Bandlücke im Silizium [98]:
WG (T ) = 1, 1557eV −
7, 021 · 10− 4 · T 2
T + 1108
(A.7)
Zusammenhang zwischen der Durchbruchspannung und der Dichte der
Dotierstoffatome im intrinsischen Bereich für eine NPT-Dimensionierung
des Leistungsbauelements [56]:
UBD =
1
·
2
b+1
C0
2
b+1
·
q · ND
ε
1−b
1+b
(A.8)
Gleichung A.8 nach ND umgestellt:
ND =
ε
2 · UBD · ·
q
b+1
C0
1+b
2 ! 1−b
− b+1
(A.9)
Ionisationsraten b und C 0 werden in [88] auf Basis Shields [87] und Fulop
[20] mit diesen Gleichungen beschrieben:
T
C 0 = 2 · 10−28 · e−16,22· 300K
b = 5, 8 + 1, 2 ·
T
300K
(A.10)
(A.11)
Diffusionskonstante der Löcher [58]:
Dp (T ) =
k·T
· µp (T )
q
(A.12)
Beweglichkeit der Löcher:
µp (T ) = µ∞ (T ) +
µ0 (T ) − µ∞ (T )
γ(T )
ND
1 + Nref
(T )
µ0 (T ) = 469 ·
300
T
2,1
cm2
Vs
(A.13)
(A.14)
A.2 Modell zur Simulation von Fehlermechanismen im Kühlpfad
µ∞ (T ) = 44 ·
Nref (T ) = 2, 4 · 10
17
γ(T ) = 0, 7 ·
300
T
0,8
cm2
Vs
T
300
4,13
T
300 · K
0,26
·
145
(A.15)
cm−3
(A.16)
(A.17)
Diffusionslänge der Löcher [56]:
Lp (T ) =
q
Dp (T ) · τp (T )
(A.18)
Trägerlebensdauer der Löcher [56]:
τp (T ) = 1 · 10−6 s ·
T
300 · K
2
(A.19)
A.2 Modell zur Simulation von Fehlermechanismen
im Kühlpfad
Jede Schicht des Kühlpfads im Leistungsmodul wird als ein Pyramidenstumpf beschrieben und damit vereinfacht die Wärmespreizung mit 45◦
berücksichtigt. Für das thermische CAUER-Ersatzschaltbild ist jedes
dieser Teile anhand der Materialkonstanten mit zwei thermischen Widerständen und einer thermischen Kapazität mathematisch beschrieben. Die
ganze Strecke vom Chip zum Kühlwasser werden diese Teilglieder in Reihe
geschaltet. Das Prinzip dieser Simulation ist in Abbildung A.1 erläutert.
Für die Berechnung der Teilwiderstände und der Teilkapazitäten werden
Formeln A.20 und A.21 verwendet. Die Materialkonstanten sind hierfür in
Tabelle A.1 angegeben. Die Abhängigkeit der thermischen Eigenschaften
von der Temperatur werden vernachlässigt.
Rth,i =
l
λ·A
(A.20)
146
A Anhang
45°
...
PV
Si (Chip)
Cu (DCB)
Cu (Kühlkörper)
Abbildung A.1: Prinzip der thermischen Simulation
Cth,i = Vi · s
(A.21)
Tabelle A.1: Materialparameter aus [100]
Si
Lot (Chipverbindung)
Cu (DCB)
Al2O3 (DCB)
Cu (DCB)
Lot (Systemverbindung)
Cu (Grundplatte)
Wärmeleitpaste
Cu (Kühlkörper)
Wärmeleitfähigkeit λ
in W/mmK
1,5E-01
7,0E-02
3,9E-01
2,4E-02
3,9E-01
7,0E-02
3,9E-01
5,9E-04
3,9E-01
Wärmespeicherzahl s
in J/(mm³K)
1,65E-03
1,67E-03
3,40E-03
3,03E-03
3,40E-03
1,67E-03
3,40E-03
2,00E-03
3,40E-03
Dicke
in mm
0,060
0,100
0,300
0,320
0,300
0,150
3,000
0,025
5,000
147
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