Alexander Hensler Lastwechselfestigkeit von Halbleiter-Leistungsmodulen für den Einsatz in Hybridfahrzeugen Alexander Hensler Lastwechselfestigkeit von HalbleiterLeistungsmodulen für den Einsatz in Hybridfahrzeugen Universitätsverlag Chemnitz 2013 Impressum Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Zugl.: Chemnitz, Techn. Univ., Diss., 2012 Technische Universität Chemnitz/Universitätsbibliothek Universitätsverlag Chemnitz 09107 Chemnitz http://www.bibliothek.tu-chemnitz.de/UniVerlag/ Herstellung und Auslieferung Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat OHG Am Hawerkamp 31 48155 Münster http://www.mv-verlag.de ISBN 978-3-941003-76-7 http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:ch1-qucosa-101573 Lastwechselfestigkeit von Halbleiter-Leistungsmodulen für den Einsatz in Hybridfahrzeugen Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor-Ingenieur (Dr.-Ing.) vorgelegt der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der Technischen Universität Chemnitz von Alexander Hensler verteidigt am 11.12.2012 Gutachter: Prof. Dr.-Ing. Prof. h.c. Josef Lutz Prof. Dr.-Ing. Andreas Lindemann Bibliographische Beschreibung Lastwechselfestigkeit von Halbleiter-Leistungsmodulen für den Einsatz in Hybridfahrzeugen Alexander Hensler 155 Seiten, 102 Abbildungen, 13 Tabellen Dissertation 2012 Technische Universität Chemnitz Fakultät Elektrotechnik und Informationstechnik Schlagwörter Hybridfahrzeug, Fahrzeuggetriebe, Halbleiter-Leistungsmodul, Leistungselektronik, Lastwechselfestigkeit, hohe Kühlmitteltemperatur, hohe Sperrschichttemperatur, thermische Impedanzspektroskopie, Diffusionslöten, Niedertemperatur-Verbindungstechnik Referat Eine kompakte Integration der Leistungselektronik in einem Fahrzeuggetriebe des Hybridfahrzeugs stellt hohe Anforderungen an die Lastwechselfestigkeit der Halbleiter-Leistungsmodule. Gefordert wird die Auslegung für die Kühlmitteltemperatur von 125◦ C und für die Sperrschichttemperatur von 200◦ C. Für die Untersuchung der Lastwechselfestigkeit bei geforderten hohen Temperaturen werden neue Prüfstandskonzepte und Messmethoden vorgestellt. Mit realisierten Testständen wird die Lastwechselfestigkeit der neuen Aufbau- und Verbindungstechnologien „gehärtete Aluminiumbonddrähte”, „Diffusionslöten”, „Lötung mit vertikalen Strukturen” und „Niedertemperatur-Verbindungstechnik” untersucht. Meiner Frau gewidmet 9 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 9 Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole 11 1 Einleitung 1.1 Gründe für Elektro- und Hybridfahrzeuge . . . . . . . . . 1.2 Technologische Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . 1.3 Gegenstand und Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . 17 17 18 19 2 Anforderungen an die Leistungselektronik in Hybridfahrzeugen 2.1 Optimale Integration der Leistungselektronik im Fahrzeug 2.2 Leistungshalbleitermodul . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Zuverlässigkeitsproblematik . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Fehlermechanismen und Lebensdauermodelle . . . 2.3 Ermittlung der Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Definition der Temperaturzyklen . . . . . . . . . . 2.3.2 Passive Temperaturzyklen . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Aktive und überlagerte Temperaturzyklen . . . . . 2.4 Diskussion der Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . 21 21 24 24 26 29 29 31 33 38 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte 3.1 Messung der Sperrschichttemperatur . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Einfluss der Messunsicherheit . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Eigenschaften der Kalibrierfunktion . . . . . . . . 3.1.3 Einfluss von Rekombinationszeit und Verlustleistung 3.2 Thermische Impedanzspektroskopie . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Messung der thermischen Impedanz . . . . . . . . 3.2.2 Quasi-kontinuierliches Impedanzspektrum . . . . . 3.2.3 Strukturfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Messung von Alterungsprozessen . . . . . . . . . . 3.2.5 Bestätigung der Methode . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Lastwechselstand mit Gleichstrombelastung . . . . . . . . 3.3.1 Stromregelung und Kühlung . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Prinzip der Steuerung und Messwerterfassung . . . 3.4 Konzept für Lastwechseltests unter Umrichterbedingungen 3.4.1 Betriebsweise des Lastkreises . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Messung alterungsrelevanter Parameter . . . . . . 39 39 39 41 50 55 55 60 65 71 73 80 80 82 86 86 89 10 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests 4.1 Lastwechseltest unter Umrichterbedingungen . . . . . . . 4.1.1 Wahl der Testparameter . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Fehlermechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Lebensdauerbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Einfluss der Chipdicke und Bonddrahttechnologie . . . . . 4.2.1 Testbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Alterungsverhalten und Lebensdauer . . . . . . . . 4.3 Einfluss der Chipverbindungstechnologie . . . . . . . . . . 4.3.1 Diffusionslöten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Lastwechseltest mit verbesserter Chipverbindung . 4.3.3 Lastwechseltest mit Diffusionslöten und verbesserten Bonddrähten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Applikationsnahe Lastwechseltests . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Übersicht der Verbindungstechnologien . . . . . . . 4.4.2 Testergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Lebensdauerbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . 97 97 97 99 102 104 104 106 114 114 115 120 124 124 126 134 5 Zusammenfassung und Ausblick 139 A Anhang 143 A.1 Analytische Berechnung der Kalibrierkennlinie . . . . . . 143 A.2 Modell zur Simulation von Fehlermechanismen im Kühlpfad145 Literaturverzeichnis 147 11 Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole αAl α βi ∆T ∆Tj ∆Tcase ∆TEinsatz ∆TT est λ µp ρ σ τ τn τp ε εpl ξ A a aji Al Al2 O3 AlN AlSiC b C0 Ci ci Ckum (ρ) cosφ Cu D d Dp E Eof f Ausdehnungskoeffizient, Al: Abkürzung für Material Konstante der LESIT-Gleichung Konstanten der CIPS2008-Gleichung Temperaturhub allgemein Temperaturhub der Sperrschicht Temperaturhub der Leistungsmodul-Grundplatte Temperaturhub im realen Einsatz Temperaturhub im beschleunigten Test Wärmeleitfähigkeit Beweglichkeit freier Löcher Achse der Strukturfunktionen mechanische Spannung thermische Zeitkonstante Lebensdauer der Elektronen Lebensdauer der Löcher Dielektrizitätskonstante plastische Dehnung logarithmische Zeitkonstanten-Achse Faltungsmatrix; Fläche; Konstante der LESIT-Gleichung Konstante der Lebensdauergleichung; Element der Faltungsmatrix Element der Faltungsmatrix A Aluminium Aluminiumoxid Aluminiumnitrid Aluminium-Siliziumkarbid Fulop-Exponent (7 in Si bei 300K); Konstante der Lebensdauergleichung Fulop-Konstante (1, 8 · 10−35 inSibei300K) thermische Teilkapazität im FOSTER-Ersatzschaltbild thermische Teilkapazität im CAUER-Ersatzschaltbild kumulative Strukturfunktion Leistungsfaktor Kupfer Bonddrahtdurchmesser in CIPS2008-Gleichung (in µm) Dicke der Materialschicht Diffusionskonstante von Löchern Elastizitätsmodul IGBT Verlustenergie beim Ausschalten 12 Eon Err fM otor fT akt I Iphase Ipn j js Jmin K K(ρ) Lp M m NC ND Nf ni NV Ncyc NEinsatz Nf,einzel Nf,mittel NT est p PV Pleit Pschalt Q q R r R(ξ) Ri ri rd RGate Rthjc Rthjh IGBT Verlustenergie beim Einschalten Dioden Verlustenergie beim Ausschalten Grundfrequenz des Motorstroms Taktfrequenz des Wechselrichters Strom; in CIPS2008-Gleichung Strom pro Bondfuß Ausgangsstrom des Wechselrichters Strom durch einen pn-Übergang Stromdichte Sättigungsstromdichte minimal einzustellende Stromdichte für Sperrschichttemperaturmessung Konstante der Lebensdauergleichung differentielle Strukturfunktion Diffusionslänge von Löchern Modulationsgrad der Ausgangsspannung Aussteuergrad des Wechselrichters Zustandsdichte am Leitungsband Konzentration der Donatoren Anzahl der Zyklen bis zum Ausfall intrinsische Ladungsträgerdichte Zustandsdichte am Valenzband Konstante der Lebensdauergleichung Anzahl der Zyklen im realen Einsatz Lebensdauerermittlung mit einzelnem Messwert Lebensdauerermittlung mit dem Mittelwert der Messwerte Anzahl der Zyklen im Test Anzahl von Iterationen; Zählerpolynom Verlustleistung Durchlassverluste Schaltverluste Konstante der Lebensdauergleichung Elementarladung (1, 60218 · 10−19 ); Nennerpolynom Gaskonstante (8, 314J/(mol · K) Vektor des thermischen Impedanzspektrums Impedanzspektrum thermischer Teilwiderstand im FOSTER-Ersatzschaltbild thermischer Teilwiderstand im CAUER-Ersatzschaltbild differentieller Widerstand der Durchlasskennlinie Gate-Widerstand thermischer Widerstand zwischen Sperrschicht und Grundplatte thermischer Widerstand zwischen Sperrschicht und Kühl- 13 Rth s Si T t Tm Tcase Tj,F ehler Tj TKühlmittel,max TKühlmittel,min TKühlmittel Tm,Einsatz Tm,T est Tmax ton Tref Tvj,max Tvj,min Tvj u UBD Upn US UZK V VCE , VCEsat VDC Vf wB WG x z Zth,abkühl Zth,auf heiz Zthja Zth EfA EMV TIM körper thermischer Widerstand, stationärer Wert Wärmespeicherzahl; Variable der Laplace-Transformierten Silizium Temperatur in ◦ C, K Zeit mittlere Sperrschichttemperatur Grundplattentemperatur des Leistungsmoduls absoluter Messfehler in der Sperrschichttemperatur Sperrschichttemperatur maximale Kühlmitteltemperatur minimale Kühlmitteltemperatur Kühlmitteltemperatur Mittlere Sperrschichttemperatur im realen Einsatz Mittlere Sperrschichttemperatur im Test Maximalwert des Temperaturmessbereichs Einschaltzeit im Lastwechselzyklus Referenztemperatur bei Messung der thermischen Impedanz maximale virtuelle Sperrschichttemperatur im Zyklus minimale virtuelle Sperrschichttemperatur im Zyklus Sperrschichttemperatur gemessen mit VCE (T)-Methode Messunsicherheit Einsatzspannung des Lawinendurchbruchs Spannungsabfall am pn-Übergang Schleusenspannung der Durchlasskennlinie Zwischenkreisspannung Sperrspannungsklasse in CIPS2008-Gleichung (in 1/100V) Durchlassspannung am Leistungsbauelement Zwischenkreisspannung im Wechselrichter Durchlassspannung der Diode Basisweite im Leistungshalbleiterbauelement Bandlücke logarithmische Zeitachse Messwerte der thermischen Impedanz als Vektor thermische Impedanz als Abkühlkurve thermische Impedanz als Aufheizkurve thermische Impedanz zwischen Sperrschicht und Kühlmedium Thermische Impedanz Elektrokomponenten für Aktivgetriebe Elektromagnetische Verträglichkeit Thermisches Interface-Material 14 15 Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Beschäftigung als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Leistungselektronik und elektromagnetische Verträglichkeit der Technischen Universität Chemnitz. Initiiert wurde die Arbeit durch das Verbundforschungsprojekt „EfA” (Elektrokomponenten für Aktivgetriebe), an dem als Projektpartner neben der Technischen Universität Chemnitz folgende Firmen beteiligt waren: BMW Group, ZF, Liebherr-Elektronik, Infineon Technologies, Kemet. Dieses Projekt wurde gefördert von BMWi (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie), vertreten und betreut durch TÜV Rheinland. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Projektpartnern für eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit bedanken. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. J. Lutz für seine fachliche Betreuung. Aufgrund seiner fundierten Kenntnisse auf dem Gebiet der Zuverlässigkeit der Leistungselektronik ist er international bekannt und anerkannt, wovon ich während meiner Forschungstätigkeit sehr profitierte. Er gab mir wichtige fachliche Impulse und motivierte mich herausfordernde Problemstellungen zu lösen und trug damit zu erfolgreichen Ergebnissen bei. Insbesondere danke ich ihm für die Unterstützung auf internationalen Fachkonferenzen teilzunehmen. Mein Dank richtet sich auch an Prof. Dr. A. Lindemann für die Bewertung der Arbeit und die Erstellung des Zweitgutachtens und Beisitzern Herrn Dr. Thoben und Herrn Dr. Polenov für die Mitwirkung im Promotionsverfahren als Beisitzer. Mein großer Dank gilt der Firma Infineon Technologies für Aufbau und Bereitstellung der Leistungsmodule, die im Rahmen dieser Arbeit untersucht wurden. Herrn Dr. Thoben danke ich außerdem für produktive fachliche Diskussionen über Ergebnisse dieser Arbeit. Herrn Dr. Bayerer danke ich für sehr aufmerksames Kontrollieren der experimentellen Testergebnisse. Ich möchte mich auch bei allen ehemaligen Mitarbeitern der Professur Leistungselektronik und elektromagnetische Verträglichkeit für eine sehr gute Zusammenarbeit, interessante Gespräche und fachliche Diskussionen bedanken. Besonders danke ich den ehemaligen Studierenden Herrn Dipl.Ing. C. Herold, Herrn M. Sc. S. Kremp und Herrn Dipl.-Ing. M. Ott, die mich durch Ihre wissenschaftlichen Arbeiten unterstützt haben. Weiterhin danke ich Herrn Dipl.-Math. Daniel Wingert für wichtige Anregungen bei 16 mathematischen Problemen zum Thema „Thermische Impdanzspektroskopie”. Für das Korrekturlesen der Arbeit danke ich Herrn Matthias Mühle und Frau Damaris Mühle. Meinem aktuellen Arbeitgeber, Siemens AG, danke ich für die finanzielle Unterstützung, die Ergebnisse meiner Arbeit auf zwei Fachkonferenzen präsentieren zu können. Nicht weniger möchte ich meiner Familie und besonders meiner Frau danken, die mir während der arbeitsreichen Zeit der Promotion zur Seite gestanden haben und mich unterstützt haben. Chemnitz, Juni 2012 Alexander Hensler 17 1 Einleitung 1.1 Gründe für Elektro- und Hybridfahrzeuge Fahrzeuge mit Elektroantrieben sollen in Zukunft die Straßen von Deutschland erobern. Der Grundstein für diese Entwicklung ist von der Politik in den letzten Jahren gelegt worden. Mit der verfolgten Strategie „weg vom Öl” wurde der „nationale Entwicklungsplan Elektromobilität der Bundesregierung” Deutschlands im August 2009 veröffentlicht. Demnach ist das erste Ziel bis zum Jahr 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen zu haben und bis zum Jahr 2030 mehr als fünf Millionen [15] [17]. Um diese Ziele zu erreichen, werden von der Bundesregierung Forschungs- und Entwicklungsprojekte der Automobilindustrie für neue Fahrzeugkonzepte mit elektrischen Antriebssystemen verstärkt unterstützt und für potenzielle Fahrzeugkäufer Kaufanreize geschaffen. Für die Einführung von Elektro- bzw. Hybridfahrzeugen ist einer der Gründe die Unabhängigkeit vom Erdöl. Die Erdölreserven sind begrenzt und es ist schwer einzuschätzen, wie lange dieser fossile Energieträger noch reichen wird [73]. Nicht nur die verbleibenden Reserven sind entscheidend für die Automobilität, sondern die Diskrepanz zwischen wachsender Erdölnachfrage und maximal möglicher weltweiter Ölförderung, genannt als globaler „Peak Oil”. Dieser Punkt ist erreicht, wenn alle Erdöllieferanten in Summe die Ölproduktion nicht mehr steigern können. Laut Studie der Energy Watch Group [82] wurde dieser Punkt bereits 2006 erreicht, was mit der Ölpreisentwicklung bestätigt werden kann. Aus dieser Sicht heraus ist der Umstieg auf alternative Fahrzeugantriebe für die Zukunft notwendig. Der zweite und wichtigere Grund für die Elektromobilität ist die Reduktion von CO2 -Emissionen. Dieses Ziel trägt zum Klimaschutz bei und soll die Erderwärmung aufgrund von Treibhausgasen verhindern. Die globale Erwärmung macht sich bereits deutlich bemerkbar in steigendem Meeresspiegel, schmelzenden Gletschern und Erdpolen und ausbreitenden Tropen. Von vielen Klimaforschern wird die Klimaveränderung deutlich mit der Industrialisierung verbunden bzw. mit von den Menschen verursachten Treibhausgasemissionen. Der Straßenverkehr trägt einen großen Anteil dazu bei, wie es in Abbildung 1.1 für Deutschland zu sehen ist. Die elektrifizierten Antriebe in Kraftfahrzeugen können den CO2 -Ausstoß stark reduzieren und zur Lösung dieses globalen Problems einen signifikanten 18 1 Einleitung Beitrag leisten. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass die Energie für Elektrofahrzeuge regenerativ und emissionsfrei erzeugt wird. Anteile der CO2-Emissionen in Deutschland Energieerzeugung und -umwandlung 41% Haushalte 13% Verkehr 19% Industrie 21% Gewerbe, Handel, Dienstleistung 6% Quelle: DAT Deutschland, 2009 Abbildung 1.1: CO2 -Emissionen in Deutschland 1.2 Technologische Herausforderungen Das ideale Ziel der Elektromobilität-Politik ist das Null-EmissionenFahrzeug, welches gegenüber den heutigen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor keine wesentlichen technischen und wirtschaftlichen Nachteile hat. Theoretisch ist das mit einem Elektrofahrzeug zu einem akzeptablem Kaufpreis möglich, wobei dafür die elektrische Energie aus Wind-, Wasseroder Sonnenkraftwerken geliefert wird. Die wohl größte Herausforderung stellt dabei der Energiespeicher im Fahrzeug dar. Die heutigen elektrochemischen Energiespeicher sind für den breiten Einsatz der Elektromobilität nicht gerüstet. Diese sind noch zu teuer, zu schwer, haben keine ausreichende Lebensdauer im Fahrzeugeinsatz, brauchen lange Ladezeiten, ermöglichen nur eine geringe Reichweite und müssten auch noch aus Sicht der Sicherheit verbessert werden [17]. Viele dieser Punkte haben in der Autogeschichte am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts dazu geführt, dass auf den Straßen damals überlegene Elektrofahrzeuge von den Fahrzeugen mit einem Verbrennungsmotor schnell verdrängt wurden. Seit schon mehr als 100 Jahren besteht dieses Problem des Energiespeichers im Elektrofahrzeug. In dieser Zeitspanne hat die Batterie eine merkliche Verbesserung erfahren, aber nur in der Form einer Evolution nicht jedoch 1.3 Gegenstand und Ziel der Arbeit 19 einer Revolution. Ein leichtes sicheres batteriegespeistes Elektrofahrzeug mit einer vergleichbar großen Reichweite und zu einem konkurrenzfähigen Preis bleibt vermutlich noch lange für Wissenschaftler und Ingenieure ein weit entferntes Ziel. Eine mögliche langfristige Zwischenlösung für dieses Problem sind Elektrofahrzeuge mit geringer Reichweite für den städtischen Verkehr oder für tägliche Kurzstreckenfahrten und Hybridfahrzeuge mit einer großen Reichweite. Dieses Mobilitätskonzept kann auch in einem Fahrzeug kombiniert werden, welches als „Plug-In-Hybrid” bezeichnet wird [4]. Dieses Fahrzeug ist so ausgelegt, dass es kurze Strecken rein elektrisch fährt, bei längeren Fahrten springt der zusätzliche Verbrennungsmotor an und lädt die Batterie nach. Für dieses Konzept sprechen aktuelle Statistiken. So haben z.B. 63 % aller Fahrten in Deutschland eine Fahrtstrecke unter 50 km pro Tag [22]. Die meisten davon sind im städtischen Verkehr. Mit der Reichweite des Elektrofahrzeugs von 100 km können sogar statistisch gesehen 90% aller Fahrten abgedeckt werden [63]. Doch auch dafür müssen noch einige Probleme gelöst werden. Die Infrastruktur für die Energieversorgung der Ladestationen muss ausgebaut werden. Die emissionsfreie Stromerzeugung aus regenerativen Energiequellen muss sichergestellt werden. Und eines der wichtigen Ziele ist die Konkurrenzfähigkeit zu herkömmlichen Antrieben, damit sich diese Autos schnell durchsetzen und zum Umweltschutz beitragen können. Die wirtschaftliche Hybridisierung der Fahrzeuge kann realisiert werden, wenn neben hohen Batteriekosten die Kosten für die Leistungselektronik und deren Fahrzeugintegration und Kühlung reduziert werden. In diesem Punkt gibt es ein großes Verbesserungspotential. 1.3 Gegenstand und Ziel der Arbeit Für die Kühlung der Leistungselektronik im Hybridfahrzeug wird heute ein separater Kühlkreislauf verwendet. Dieser ist vom Kühlkreislauf des Verbrennungsmotors getrennt und hat eine niedrigere Temperatur im Vergleich zum Kühlkreislauf des Verbrennungsmotors. Diese niedrigere Temperatur ist notwendig um die maximale Sperrschichttemperatur des Leistungsmoduls und die Belastung mit großen Temperaturhüben niedrig zu halten und somit die Zuverlässigkeit der Leistungselektronik während der ganzen Lebensdauer des Hybridautos zu garantieren. Gewicht und Kosten können eingespart werden, wenn die Leistungselektronik mit dem Kühlmittel des Verbrennungsmotors gekühlt werden kann bei gleichzeitiger Erhöhung der Leistungsdichte. Das kann mit der auf dem Markt vorhandenen Technologie nicht realisiert werden. Für die Entwicklung einer sehr kompakten Leistungselektronik-Einheit, 20 1 Einleitung die in einem Hybridfahrzeug in den Kühlkreislauf des Verbrennungsmotors integriert werden kann, wurde ein Forschungsprojekt „EfA - Elektrokomponenten für Aktivgetriebe” vom Projektträger BMWi, vertreten durch TÜV Rheinland, gefördert. Die Schwerpunkte der Forschungsarbeit im EfA-Projekt waren [80]: • kompakter Wechselrichter mit sehr hoher Leistungsdichte • Kühlung, die eine platzsparende Einbindung in die Infrastruktur des Fahrzeuges zulassen • Zwischenkreiskondensator für Kühlmitteltemperaturen von bis zu 125◦ C • Aufbau- und Verbindungstechnik der Leistungselektronik für Kühlmitteltemperaturen von bis zu 125 ◦ C und Sperrschichttemperaturen von bis zu 200◦ C Der letzte Schwerpunkt des EfA-Projektes ist der Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Der Ausgangspunkt ist die Vorstellung des neuen Hybridantriebskonzeptes. Für diese Applikation werden die Anforderungen an die Temperatur- und Lastwechselfestigkeit der Leistungsmodule ermittelt. Danach werden in dieser Arbeit entwickelte Messmethoden und Teststände für Lastwechselprüfungen beschrieben. Im experimentellen Teil dieser Arbeit werden die Ergebnisse der Lastwechseltests bei Sperrschichttemperaturen bis zu 200◦ C präsentiert. Bei diesen Tests ist der Schwerpunkt die Untersuchung neuer Aufbau- und Verbindungstechnologien im Vergleich zu Standard-Leistungsmodulen. Die Vorgehensweise innerhalb dieser Arbeit ist in Abbildung 1.2 dargestellt. Die Zwischenergebnisse der Arbeit wurden in [39], [37], [40], [41], [95], [38], [43], [42], [36] und [44] veröffentlicht. Applikation und Anforderungen Integrationskonzept im Hybridfahrzeug Anforderungen an die Leistungselektronik Messmethoden Entwicklung der Teststände Teststände Experimentelle Lastwechseluntersuchungen Lastwechseltests mit aktuellen und neuen Leistungsmodulen Lebensdauervergleich, Analyse Abbildung 1.2: Vorgehensweise innerhalb dieser Arbeit 21 2 Anforderungen an die Leistungselektronik in Hybridfahrzeugen 2.1 Optimale Integration der Leistungselektronik im Fahrzeug Ausgehend von den erläuterten Gründen für die Elektromobilität ist das wichtigste Ziel der Hybridfahrzeugentwicklung eine möglichst schnelle und wirtschaftliche Hybridisierung aller Fahrzeugklassen. Um das zu erreichen ist der Ansatz nicht ein komplett neues Fahrzeug zu entwickeln, sondern bereits auf dem Markt vorhandene Fahrzeugmodelle zu modifizieren und mit zusätzlichem elektrischen Antrieb auszustatten. Bei dieser Vorgehensweise besteht die Problematik der Integration der zusätzlichen Fahrzeugkomponenten. Des Weiteren erschwert die Variantenvielfalt der Fahrzeuge eine flächendeckende Hybridisierung. Es sollen sowohl Kleinwagen als auch Oberklassenwagen hybridisiert werden, wobei insbesondere bei kleinen Fahrzeugen ein relativ geringer zusätzlicher Bauraum zur Verfügung steht. Nach dem Stand der Technik sind zwei unterschiedliche Ansätze zur Integration der Leistungselektronik bekannt (siehe Abbildung 2.1). In der ersten Lösung ist die Leistungselektronik eine separate Einheit und von der elektrischen Maschine entfernt im Fahrzeug platziert. Vorteile: • Hohe Flexibilität bei Änderungen • Möglichkeit für getrennte Vormontage und Prüfung • Gute Skalierbarkeit Nachteile: • Meist lange geschirmte Wechselstromleitungen zwischen E-Maschine und Leistungselektronik • Aufwendige EMV-Maßnahmen notwendig • Hoher Bauraumbedarf • Fahrzeugspezifische Bauweise • Viele Schnittstellen • Relativ hohes Gewicht 22 2 Anforderungen an die Leistungselektronik in Hybridfahrzeugen El. Maschine Leistungselektronik Externe Einheit El. Maschine Leistungselektronik Vollintegration Abbildung 2.1: Integrationsansätze der Leistungselektronik [99] Demgegenüber steht die Vollintegration. Bei dieser Lösung wird die Leistungselektronik konzentrisch meist außen im Gehäuse der elektrischen Maschine untergebracht. Diese Anordnung kann wie folgt bewertet werden. Vorteile: • Keine Wechselstromleitungen zwischen E-Maschine und Leistungselektronik • Weniger EMV-Störungen als bei der externen Einheit • Kompakte Bauweise • Plattformübergreifender Einsatz als Getriebevariante möglich • Wenig Schnittstellen • Relativ niedriges Gewicht Nachteile: • Änderungen aufwendig • Funktionsprüfung nur mit Gesamtgetriebe möglich • Nur bedingt skalierbar Diese Lösungen stellen zwei Extrema dar. Es ist kaum möglich alle Vorteile beider Varianten bei der Integration der Leistungselektronik im Hybridfahrzeug zu vereinen. Die beste Integrationslösung ist ein Optimum, wobei die wichtigsten Vor- und Nachteile beider Seiten berücksichtigt sein sollen. Basierend auf diesem Ansatz wurde eine neue Lösung für die optimale 2.1 Optimale Integration der Leistungselektronik im Fahrzeug 23 Leistungselektronikintegration in [99] vorgestellt. Der Bauraum innerhalb eines serienmäßig eingesetztem Automatikgetriebes wird dort als optimal zwischen der Vollintegration und der separaten Einheit bewertet. Für dieses neue Konzept wurde aus dem Standard-Automatikgetriebe der mechanische Wandler entfernt und stattdessen in diesem Raum die elektrische Maschine mit der Kupplung integriert und von der unteren Fahrzeugseite die Leistungselektronik angeflanscht [81], [80], [79]. Diese Anordnung ist in der Abbildung 2.2 dargestellt. Innerhalb des Bauraumes für die Leistungselektronik mit dem Volumen von 1,8 Liter befinden sich Leistungsmodul mit der dreiphasigen Wechselrichterschaltung, Zwischenkreiskondensator, Strom- und Spannungssensoren, Sicherheitsbeschaltung und Regelungselektronik. Mit dieser Topologie besteht nahezu eine Bauraumneutralität im Vergleich zu heutigen Antriebssträngen. Da die Leistungselektronik direkt an die elektrische Maschine angeschlossen wird, entfallen lange Zuleitungen für den dreiphasigen Wechselstrom. Damit werden Gewicht und Kosten eingespart und der Aufwand für die EMV-Maßnahmen stark reduziert. Für den Automobilhersteller bzw. den Zulieferer sinkt der Produktionsaufwand aufgrund der Möglichkeiten zur einfachen Vormontage und der separaten Prüfung losgelöst vom ganzen Getriebe. Des Weiteren vereinfachen sich Service- und Reparaturarbeiten an der gesamten Getriebeglocke. Hervorgehoben werden soll aber neben all den genannten Punkten die Möglichkeit zum plattformübergreifenden Einsatz als eine Getriebevariante. Dieses Aktivgetriebe könnte in vielen heutigen Fahrzeugklassen ohne viel Änderungsaufwand implementiert werden. Somit wäre das Ziel einfacher zu erreichen, möglichst schnell viele Hybridfahrzeuge auf die Straße zu bringen. Ein Nachteil dieser neuen Leistungselektronikintegration ist der relativ kleine Bauraum. Dadurch sind Skalierung und Änderungen im Rahmen der Weiterentwicklung stark eingeschränkt. Die Leistungselektronik wird in den Kühlkreislauf des Verbrennungsmotors integriert. Die Kühlmitteltemperatur beträgt nach den Anforderungen des EfA-Projektes nominal 105◦ C und kann in extremen Fällen bis zu 125◦ C erreichen [61]. Für eine hohe Leistungsdichte wird in dieser Anwendung 200◦ C für die maximale Sperrschichttemperatur der Leistungsbauelemente gefordert. 24 2 Anforderungen an die Leistungselektronik in Hybridfahrzeugen Getriebe Leistungselektronik Abbildung 2.2: Optimale Systemintegration der Leistungselektronik im Getriebe [99] 2.2 Leistungshalbleitermodul 2.2.1 Zuverlässigkeitsproblematik Für den vorgestellten Integrationsansatz der Leistungselektronik im Hybridfahrzeug eignet sich am besten der Einsatz eines Leistungshalbleitermoduls, die auch als Leistungsmodule bezeichnet werden. Leistungsmodule werden üblicherweise ab einer Leistung von einem Kilowatt eingesetzt [19]. Deren Funktionen sind es eine robuste elektrische Kontaktierung zu ermöglichen, gegen Kühlkörper elektrisch zu isolieren, gleichzeitig eine gute Kühlung für Leistungshalbleiterbauelemente zu gewährleisten und vor schädlichen Umweltbedingungen zu schützen. Der prinzipielle Aufbau ist in Abbildung 2.3 dargestellt. Bonddrahtverbindung (Al) Chip-Metallisierung (Al) Chip (Si, SiC) Chipverbindung (Lot) Substrat-Metallisierung (Cu, Al) Keramik (Al2O3, AlN) Substrat-Metallisierung (Cu, Al) Systemverbindung (Lot) Grundplatte (Cu, AlSiC) Wärmeleitmaterial (Paste, Folie) Kühlkörper (Cu, Al) Abbildung 2.3: Prinzipieller Leistungsmodulaufbau In diesem Aufbau sind verschiedene Materialien miteinander verbunden, 2.2 Leistungshalbleitermodul 25 die unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten haben. Dies ist die Hauptursache für die Zuverlässigkeitsproblematik bei Temperaturwechseln. Die Tabelle 2.1 gibt die Werte für oft eingesetzte Materialien. Tabelle 2.1: Ausdehnungskoeffizienten der häufig verwendeten Materialien [58] Material Aluminium Silizium Kupfer Aluminiumoxid Aluminiumnitrid Aluminium-Siliziumkarbid Abkürzung Al Si Cu Al2 O3 AlN AlSiC Ausdehnungskoeffizient in 10-6 ·K-1 23,5 2,6 17,5 6,8 4,7 7,5 Bei der Erwärmung des Leistungsmoduls dehnen sich verbundene Materialien unterschiedlich aus und es kommt zu Spannungen bzw. Dehnungen in den Verbindungsschichten. Bei den üblichen Temperaturzyklen im Leistungsmodul erreichen die Belastungswerte der Lote und Bonddrähte den plastischen Bereich [13], [92]. Die Hystereseschleife im SpannungsDehnungs-Diagramm schließt dabei eine Fläche ein und es wird eine Verformungsenergie umgesetzt. Dies führt zur Materialermüdung bzw. zur Rissbildung und schließlich zum Versagen des elektrischen oder des thermischen Pfads im Leistungsmodul. Grundsätzlich werden in der Forschung und Entwicklung zwei Wege verfolgt um die Temperaturwechselfestigkeit der Leistungsmodule zu erhöhen. Eine Möglichkeit davon ist die Anpassung der Ausdehnungskoeffizienten verbundener Materialien. Dies ist z.B. beim Aluminium-Siliziumkarbid (AlSiC) als Grundplattenmaterial möglich. Je nach Zusammensetzung der Materialanteile lässt sich der Ausdehnungskoeffizient an das Keramikmaterial anpassen. Die beste Anpassung gelingt dabei an die AluminiumnitridKeramik. AlSiC hat jedoch im Vergleich zu Kupfer eine niedrigere Wärmeleitfähigkeit. Für die Stromtragfähigkeit des Leistungsmoduls ist es von Nachteil. Der zweite Ansatz zur Erhöhung der Zuverlässigkeit ist die Verbesserung der Verbindung zwischen den zu verbindenden Modulschichten. Neben den Ausdehnungskoeffizienten müssen hier andere Parameter betrachtet werden. Eine der entscheidendsten Einflussgrößen ist die homologe Temperatur. Diese Größe ist das Verhältnis von der Einsatz- zur Schmelztemperatur des Verbindungsmaterials in Kelvin. Zum Beispiel für Chipverbindung aus der Abbildung 2.3 werden bleifreie Zinn-Silber-Lote SnAg(3.5) mit 26 2 Anforderungen an die Leistungselektronik in Hybridfahrzeugen dem Schmelzpunkt von 221◦ C eingesetzt. Hierfür beträgt die homologe Temperatur für 150◦ C Chiptemperatur von 0,86. Als mechanisch stabil gilt der Arbeitspunkt mit einer homologen Temperatur kleiner 0,4 [58]. Des Weiteren hat die Geometrie der Verbindungsschicht einen Einfluss auf die Zuverlässigkeit. Je größer die Verbindungsfläche ist, desto größer wird die mechanische Belastung bei Temperaturwechseln. Besonders ausgeprägt ist dieser Effekt in Lötverbindungen, die sich stark plastisch verändern. In diesen Schichten wird nur wenig Spannung aufgenommen und es kommt deswegen zu einer starken Dehnung und Ermüdungserscheinungen an den Flächenrändern. Bekannt ist auch der Einfluss der Dicke der Lotschicht auf das Risswachstum innerhalb der Verbindungsschicht [18]. In [26] wird gezeigt, dass für die Systemverbindung eine optimale Schichtdicke existiert und sowohl eine zu dünne als auch eine zu dicke Lotschicht zu einer größeren Rissfortschrittsgeschwindigkeit führen. 2.2.2 Fehlermechanismen und Lebensdauermodelle In Leistungsmodulen treten aufgrund der Temperaturwechselbelastung unterschiedliche Fehlermechanismen auf. Der für die Lebensdauer bestimmende Fehler ist abhängig von der Aufbau- und Verbindungstechnik. Auch die Art der Temperaturwechsel, aktiv oder passiv, sind entscheidend (siehe Abbildung 2.4). Nach dem Stand der Forschung sind folgende Fehlermechanismen bekannt ([12], [1], [16], [39]): • Bonddrahtfehler (Bonddrahtabgang oder ”Fersenbruch”) • Degradation der Chipverbindung • Degradation der Verbindung zwischen Keramiksubstrat und Grundplatte • Ablösung der Substratmetallisierung • Rekonstruktion der Chipmetallisierung • Chipbruch • Gate-Kurzschluss • Anstieg des Sperrstromes Bei Standard-Leistungsmodulen sind die drei ersten Fehlermechanismen für die Lebensdauer entscheidend [57]. Der Bonddrahtfehler und die Degradation der Chipverbindung bestimmen die Zuverlässigkeit bei kurzen aktiven Temperaturzyklen. Die Degradation der Systemverbindung tritt überwiegend bei passiven Zyklen oder langen aktiven Zyklen auf. In der Fachliteratur wird die Zuverlässigkeit der Leistungsmodule für die aktiven bzw. passiven Zyklen mit folgenden analytischen Modellen beschrieben. Diese Modelle beruhen auf experimentell ermittelten Daten 2.2 Leistungshalbleitermodul 27 und werden deshalb auch als empirische Lebensdauermodelle bezeichnet. Das erste Modell aus [35] beschreibt die Zuverlässigkeit bei aktiven Zyklen in Abhängigkeit von der mittleren Sperrschichttemperatur und dem Temperaturhub, den die Sperrschicht während eines Zyklus erfährt (siehe Gleichung 2.1). Dieses Modell wird auch als LESIT-Gleichung bezeichnet. In dieser Gleichung ist R (8, 314J/(mol · K)) die Gaskonstante. Parameter Q und α sind Konstanten, die für die Aufbau- und Verbindungstechnik des Leistungsmoduls experimentell bestimmt werden müssen. Die Parameter Tm (mittlere Sperrschichttemperatur auf der Kelvinskala) und ∆Tj (Temperaturhub der Sperrschicht) sind die Randbedingungen der aktiven Temperaturzyklen. Q Nf = A · ∆Tjα · e( R·Tm ) (2.1) Die CIPS2008-Gleichung 2.2 aus [3] beschreibt die Lebensdauer der Leistungsmodule in Abhängigkeit von folgenden Parametern: Temperaturhub der Sperrschicht (∆Tj in K), minimale Sperrschichttemperatur im Lastzyklus (Tj in ◦ C), Einschaltzeit (ton in s), Stromstärke pro Bondfuß (I in A), Spannungsklasse des Halbleiterchips (V in 1/100V der Sperrspannung), Durchmesser des Bonddrahts (D in µm). β2 Nf = K · ∆Tjβ1 · e Tj +273 · tβon3 · I β4 · V β5 · Dβ4 (2.2) Sowohl die LESIT-Gleichung als auch die CIPS2008-Gleichung haben Terme, die die Zusammenhänge des Cofin-Manson-Models und der ArrheniusGleichung berücksichtigen. Das Cofin-Manson-Model beschreibt die Zuverlässigkeit der Materialien bei zyklischer plastischer Verformung und die Arrhenius-Gleichung die Veränderung der Materialeigenschaften bei Änderung der Temperatur. Diese Teile der Gleichung enthalten ∆Tj und Tm bzw. Tj . Diese Parameter haben den stärksten Einfluss auf die Lebensdauer der Leistungsmodule [3]. In der CIPS2008-Gleichung wurden zusätzliche und für die Materialermüdung wichtige physikalische Vorgänge wie Kriechen und Relaxationsvorgänge berücksichtigt. Auch der Einfluss geometrischer Abmessungen wie Chipdicke oder Kontaktfläche des Bonddrahts werden in Betracht gezogen. Jedoch sind die einzelnen Parameter in der Gleichung zum Teil voneinander abhängig. So führt z.B. in einem Lastwechsel größerer Strom pro Bondfuß I zu einem größeren Temperaturhub ∆Tj , ebenso hängt ∆Tj mit der Einschaltzeit ton zusammen. Eine klare Trennung dieser Parameter ist nicht möglich. Deshalb ist eine physikalische Interpretation der Einflüsse anhand der einzelnen Gleichungsparameter, die für diese Gleichung anhand statistischer Auswertung ermittelt wurden, nicht eindeutig. Diese Gleichung dient im Vergleich zur LESIT-Gleichung einer genaueren Lebensdauerabschätzung bei aktiver 28 2 Anforderungen an die Leistungselektronik in Hybridfahrzeugen Temperaturwechselbelastung. Mit Gleichungen 2.1 und 2.2 ist es nicht möglich in Abhängigkeit von den Belastungsbedingungen auf einen bestimmten Fehlermechanismus zu schließen. Zwei weitere bekannte Modelle beziehen sich dagegen auf einen bestimmten Fehlermechanismus. Gleichung 2.3 aus [46] beschreibt die Lebensdauer der Systemverbindung bei passiven Temperaturzyklen. Dieses Modell basiert auf das Cofin-Manson-Gesetz. Nf = Ncyc (∆Tcase = 80K) · ∆Tcase 80 −4,5 (2.3) Der Parameter Ncyc (∆Tcase = 80K) ist dabei abhängig von der Verbindungstechnologie des Leistungsmoduls. Für heutige Leistungsmodule mit Kupfer-Grundplatte variiert dieser Parameter zwischen 3000 und 15000. Ein anderes Modell (Gleichungen 2.4 und 2.5) aus [24] beschreibt die Lebensdauer des Bonddrahtes. Damit wird nur der Bonddrahtabgang beschrieben und hierfür die plastische Verformung ∆εpl des Bonddrahts bei der Erwärmung um den Temperaturhub ∆T vereinfacht betrachtet. Für die Ermittlung von ∆εpl dienen Ausdehnungskoeffizienten (αSi , αAl ), mechanische Spannung (σyAl ) und Elastizitätsmodule (E Si , E Al ). Werte a und b sind Konstanten, die anhand der Testergebnisse ermittelt werden. Diese Gleichung basiert ebenfalls auf dem Cofin-Manson-Gesetz. Der Einfluss der absoluten Temperatur, wie in der LESIT- und der CIPS2008-Gleichung, wird in dieser Veröffentlichung anhand experimenteller Untersuchungen in Hinsicht auf den Bonddrahtabgang nicht bestätigt. Nf = a · ∆εbpl ∆εAl pl = (α Al Si − α ) · ∆T − 2 · (2.4) σyAl σyAl + E Si E Al ! (2.5) Außer den beschriebenen analytischen Lebensdauermodellen wird aktuell für Leistungsmodule ein physikalisch basiertes Lebensdauermodell erforscht ([50], [9]). Dieses Modell beschreibt die Zuverlässigkeit der Leistungsmodule unter der Annahme, dass die Lebensdauer nur von der Degradation der Lotschicht bestimmt wird. In [34] wird außerdem nur der Bonddrahtfehler betrachtet und ein anderer physikalisch basierter Ansatz vorgestellt. 2.3 Ermittlung der Anforderungen 29 2.3 Ermittlung der Anforderungen 2.3.1 Definition der Temperaturzyklen Die vorgestellte Applikation stellt an die Leistungselektronik bezüglich der Temperatur- und Lastwechselfestigkeit neue Anforderungen. Für die Kühlung der Leistungselektronik wird kein separater NiedertemperaturKühlkreislauf vorgesehen, wie es heute in den serienmäßigen Hybridfahrzeugen der Fall ist. Die Kühlung wird einfach mit Hilfe eines parallelen Zweiges aus dem Kühlkreislauf des Verbrennungsmotors realisiert. Die nominelle Kühlmitteltemperatur des Verbrennungsmotors im stationären Zustand beträgt 105◦ C, in extremen seltenen Betriebspunkten muss von 125◦ C ausgegangen werden ([39], [61]). Um mit diesem hohen Kühlmitteltemperaturniveau die geforderte hohe Leistungsdichte des Wechselrichters zu erreichen, muss die maximal zulässige Sperrschichttemperatur im Vergleich zu den heutigen Standardanwendungen angehoben werden. Gefordert wird eine maximale Sperrschichttemperatur von 200◦ C. Für diese hohen Temperaturen sollen im Nachfolgenden die genauen Anforderungen an die Temperatur- bzw. Lastwechselfestigkeit abgeschätzt werden. Die im Kühlkreislauf des Verbrennungsmotors integrierte Leistungselektronik ist unmittelbar den Temperaturschwankungen des Kühlmittels ausgesetzt. Bei einem vollständigen Warmlauf des Verbrennungsmotors erwärmt sich das Kühlmittel von der Umgebungstemperatur auf die nominelle Kühlmitteltemperatur von 105◦ C, die während der Weiterfahrt mit Hilfe eines Temperaturreglers konstant gehalten wird. Nachdem die Fahrt beendet ist und danach das Fahrzeug ausreichend lange steht, kühlt sich das ganze System wieder auf die Umgebungstemperatur ab. So eine typische Fahrt belastet die Leistungselektronik mit passiven Temperaturzyklen. Zu den passiven Temperaturzyklen überlagern sich aufgrund der Verluste in den Leistungsbauelementen zusätzliche Temperaturzyklen, welche durch Lastwechsel erzeugt werden. Für den Arbeitspunkt der maximalen Beschleunigung oder Rekuperation des Hybridfahrzeugs ist die Leistungselektronik in der Regel so ausgelegt, dass in diesem Betrieb die Sperrschicht bei der maximalen Kühlmitteltemperatur die maximal zulässige Sperrschichttemperatur erreicht. In Abbildung 2.4 ist beispielhaft ein vollständiger Temperaturzyklus dargestellt. Es gibt drei unterschiedliche Gruppen der Temperaturzyklen, welche jede für sich eine andere Belastungsart im Leistungsmodul darstellt: passiv (Temperaturwechsel), aktiv (Lastwechsel) und überlagert. Die erste Grup- 30 2 Anforderungen an die Leistungselektronik in Hybridfahrzeugen 200 Sperrschichttemeperatur 180 160 aktiv Temperatur in °C 140 120 überlagert 100 80 60 Kühlmitteltemperatur 40 Umgebungstemperatur passiv 20 0 Zeit vollständiger Betriebszyklus Abbildung 2.4: Beispielhafte Temperaturbelastung des Leistungsmoduls im Hybridfahrzeug pe sind Temperaturwechsel aufgrund der schwankenden Kühlmitteltemperatur. Diese Zyklen belasten insbesondere die großflächige Verbindung des Leistungsmoduls zwischen Keramik und Grundplatte. Die überlagerten Temperaturzyklen und die rein aktiven Zyklen stellen die Belastung für chipnahe Verbindungen dar. Der Ausgangspunkt für die nachfolgende Ermittlung der Anforderung sind reale Temperaturprofile im Leistungsmodul eines Hybridfahrzeugs. Diese Betriebsbedingungen werden mit heutigen analytischen Lebensdauermodellen auf beschleunigte Zuverlässigkeitstests umgerechnet. Die erste Anforderung sind passive Temperaturzyklen, wobei hier das Lebensdauermodell für die großflächige Verbindung zwischen Keramik und Grundplatte verwendet wird. Bei aktiven Zyklen wird die Lebensdauergleichung für chipnahe Verbindungen verwendet. Die so ermittelten Zyklen können als ein Kriterium für die Bewertung der Zuverlässigkeit der Leistungsmodule bei beschleunigten Labortests verwendet werden. 2.3 Ermittlung der Anforderungen 2.3.2 31 Passive Temperaturzyklen Für die Abschätzung der Anforderungen an die passiven Zyklen bei hoher Kühlmitteltemperatur soll zunächst die Umgebungstemperatur betrachtet werden. Diese Temperatur bestimmt direkt die Starttemperatur und somit die Temperaturwechsel der Leistungselektronik. Das Temperaturprofil ist vom Einsatzort des Fahrzeugs abhängig. In Abbildung 2.5 sind Temperaturtageswerte für zwei Orte Deutschlands gezeigt. Diese Temperaturen sind die vom Wetterdienst aufgezeichnete Tagesminima, die 5 cm über dem Erdboden gemessen wurden. Bezüglich der Umgebungstemperatur sind diese Orte zwei Extrempunkte. Minimale Temperaturtageswerte 2010 25 20 15 Konstanz Temperatur in °C 10 5 0 -5 -10 -15 Zugspitze -20 -25 -30 01. Jan 31. Dez Abbildung 2.5: Verläufe der minimalen Temperaturtageswerte, gemessen 5cm über dem Erdboden, Daten aus [14] Die Belastung mit den passiven Temperaturzyklen, die aufgrund der schwankenden Umgebungs- und Kühlmitteltemperaturen hervorgerufen wird, kann mit Hilfe dieser Umgebungstemperaturprofile abgeschätzt werden. Dafür wird angenommen, dass das Fahrzeug für 15 Jahre Lebensdauer ausgelegt wird und innerhalb dieser Zeit täglich zwei Fahrten mit vollständigem Betriebszyklus bzw. Warmlauf absolviert werden. Die Temperaturtageswerte aus Abbildung 2.5 wurden in 5◦ C Schritte unterteilt und die Häufigkeitsverteilung der Starttemperaturen für das Fahrzeug bestimmt. Abbildung 2.6 zeigt die ermittelten statistischen 32 2 Anforderungen an die Leistungselektronik in Hybridfahrzeugen Verteilungen für zwei gewählte Orte. Diese Profile sind verglichen mit den Anforderungen des Automobilherstellers BMW aus [39]. Statistische Verteilung der Fahrzeugstarts Anzahl kompletter Warmläufe 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 0 -40 -35 -30 -25 -20 -15 -10 -5 0 5 10 15 20 25 30 35 Starttemperatur in °C Zugspitze Konstanz Anforderung BMW Abbildung 2.6: Verteilung der Fahrzeugstarts in Abhängigkeit der Umgebungstemperaturen Für einen bestimmten Temperaturhub aus der Verteilung der Fahrzeugstarts können die Testzyklen für beschleunigte Labortests mit Gleichung 2.6 berechnet werden. Für die Gesamtanzahl der Testzyklen werden alle auftretenden Temperaturhübe mit Hilfe der Gleichung 2.7 bestimmt. Für diese Umrechnung wird das analytische Lebensdauermodell verwendet, welches nur die Degradation der Systemverbindung berücksichtigt. Dieser Fehlermechanismus ist bei passiven Zyklen für die Lebensdauer der Leistungsmodule entscheidend. NT est = NT est,Gesamt = NEinsatz a (2.6) ∆TEinsatz ∆TT est X ∆TEinsatz NEinsatz a (2.7) ∆TEinsatz ∆TT est Der Parameter a ist dabei abhängig von der Verbindungstechnologie. 2.3 Ermittlung der Anforderungen 33 In [94] wird für bleifreie Lötverbindungen der Bereich von –2,5 bis –2 angegeben, in [46] liegt der Wert für alle heutigen Standard-Module mit Kupfer-Grundplatte bei –4,5. Mit diesen Parametern wurde die Abschätzung der Anforderungen an die passiven Zyklen bei 105◦ C Kühlmitteltemperatur und mit den in Abbildung 2.6 angegebenen Zyklenverteilungen durchgeführt. Zu der nominellen Kühlmitteltemperatur wurde noch der Anteil berücksichtigt, der durch die Verlustleistung im Leistungsmodul verursacht wird. Aufgrund des thermischen Übergangswiderstands zwischen der Leistungsmodul-Grundplatte und dem Kühlmedium wird die Grundplattentemperatur eine geringfügig höhere Temperatur aufweisen. In [94] wird dieser Anteil bei 70◦ C Kühlmitteltemperatur mit 15K angegeben. Bei 105◦ C Kühlmitteltemperatur und höherer Leistungsdichte ist ein größerer Wert zu erwarten. Deshalb wurde für die Abschätzung angenommen, dass die Grundplatte des Leistungsmoduls bei jedem kompletten Betriebszyklus einen Temperaturwechsel zwischen Umgebungstemperatur und 125◦ C erfährt. In Abbildung 2.7 ist die Ermittlung der Testzyklen in Abhängigkeit vom Temperaturhub ∆Tpassiv durchgeführt. Die Kurven sind für zwei gewählte Parameter a = −4, 5 und a = −2 aufgezeichnet. Mit Hilfe dieser Kurven ist zu sehen, dass je kleiner der Betrag des Parameters a ist, desto geringer wirken sich die Unterschiede der Umgebungsbedingungen auf die Anforderungen aus. Des Weiteren ist zu sehen, dass für höhere Temperaturhübe kleinere Parameter a höhere Testanforderungen bedeuten. Im Vergleich zu den ermittelten Anforderungen ist die Lebensdauerkurve der heutigen Leistungsmodule bei passiven Temperaturzyklen aufgezeichnet. Hierzu wurde die Gleichung 2.8 verwendet, wobei die Parameter dieser Gleichung für heutige Industrie-Leistungsmodule mit Kupfer-Grundplatte gelten. Nf = 15000 · ∆Tcase 80 −4,5 (2.8) Mit dieser Vorgehensweise kann mit gegebenem Parameter a für eine bestimmte Verbindungstechnologie die Anforderung an die Temperaturwechselfestigkeit abgeleitet werden. Die ermittelte Zyklenzahl muss mit beschleunigten Labortests mindestens erreicht werden, um die Zuverlässigkeit in der realen Anwendung zu gewährleisten. 2.3.3 Aktive und überlagerte Temperaturzyklen Die aktiven und überlagerten Temperaturzyklen des beispielhaften Temperaturprofils aus Abbildung 2.4 wurden ähnlich nach der Vorgehensweise 34 2 Anforderungen an die Leistungselektronik in Hybridfahrzeugen Anforderung an die Temperaturwechselfestigkeit Anzahl Zyklen 1,0E+06 1,0E+05 1,0E+04 a=-2 a=-4,5 1,0E+03 1,0E+02 40 60 80 Zugspitze 100 120 140 ∆Tpassiv 160 180 200 220 Konstanz Anforderung BMW Standard-Leistungsmodule mit Cu-Grundplatte (Stand 2011) Abbildung 2.7: Anforderung an die Temperaturwechselfestigkeit bei passiven Zyklen bei passiven Temperaturwechseln auf aktive Lastwechsel-Bedingungen umgerechnet. Die ermittelte Anzahl von Testzyklen muss unter Laborbedingungen mit Hilfe der Lastwechseltests nachgewiesen werden. Die genaue Bestimmung dieser Testzyklen ist jedoch aufwendig. Die grundsätzliche Vorgehensweise ist in [25] und [11] beschrieben. Ein etwas modifizierter Ablauf dieser Anforderungsabschätzung ist in Abbildung 2.8 dargestellt. Es wird in Abbildung 2.8 deutlich, dass für eine genaue Abschätzung viele Faktoren berücksichtigt werden müssen. Primär wird das Temperaturprofil im Leistungsmodul vom Fahrzeug-Fahrprofil vorgegeben. Dieses Profil ist abhängig vom Verhalten des Fahrers. Meist werden hier häufig standardisierte Fahrprofile wie NEFZ verwendet. Für geforderte Drehmomente stellt die Regelung des Wechselrichters die jeweiligen Ausgangsströme ein. Diese Ströme zusammen mit den Eigenschaften der Leistungsbauelemente bestimmen das Verlustleistungsprofil im Leistungsmodul. Mit dem Verlustleistungsprofil und den transienten thermischen Widerständen kann das Temperaturprofil berechnet werden. Danach kann mit Zählalgorithmen die Verteilung der Zyklen ermittelt werden. Im Hybridfahrzeug erfährt das Leistungsmodul beispielsweise den in Abbildung 2.4 dargestellten Betriebszyklus. Werden nach dem ”Rain-Flow- 2.3 Ermittlung der Anforderungen Elektische Eigenschaften der Leistungsbauelemente (VCE_sat, Vf, Eon, Eoff, Erec) Regelungsparameter (Motor, Umrichter) (VDC, IPhase, m, cos ϕ , fTakt, fMotor) Verlustleistungsberechnung Kühlrandbedingungen (Thermische Impedanzen, Kühlmitteltemperatur) 35 Fahrzeug-Fahrprofil Thermische Simulation (Temperaturprofil) Zyklenzählung Umrechnung mit Lebensdauermodellen auf Testzyklen Anzahl von Testzyklen für beschleunigte Lastwechseltests Abbildung 2.8: Vorgehensweise für die Bestimmung der geforderten aktiven Testzyklen an die Leistungsmodule in einer Hybridfahrzeuganwendung Verfahren” [2] diese überlagerten Zyklen in einzelne Zyklen unterteilt, ergibt das einen großen Temperaturhub als Differenz zwischen der absolut maximalen Sperrschichttemperatur und der Umgebungstemperatur und je nach Fahrzyklus viele kleinere Zyklen. Für die nachfolgende Abschätzung der Anforderung an die Lastwechselfestigkeit wurde die statistische Verteilung von rein aktiven Zyklen aus dem Forschungsbericht [93] entnommen, wo die Zyklenverteilung für eine reale Anwendung mit der Vorgehensweise in Abbildung 2.8 ermittelt wurde. Diese statistische Verteilung wurde so verschoben, dass maximal auftretende Temperaturhübe bei der maximalen Kühlmitteltemperatur von 125◦ C zu der geforderten maximalen Sperrschichttemperatur von 200◦ C führen. Zusätzlich zu diesen rein aktiven Zyklen wurden die überlagerten Zyklen hinzugenommen, die sich mit dem „Rain-Flow-Verfahren” aus der Differenz der absoluten maximalen Sperrschichttemperatur und der Umgebungstemperatur in einem Betriebszyklus ergeben. Damit ergibt 36 2 Anforderungen an die Leistungselektronik in Hybridfahrzeugen sich die Verteilung der Zyklen, wie sie in Abbildung 2.9 dargestellt ist. Die überlagerten Zyklen wurden für die Umgebungstemperaturen der Zugspitze berechnet. Insgesamt ergibt diese Abschätzung insgesamt etwa eine Million aktiver Zyklen mit verschiedenen Temperaturhüben. Mit diesen ermittelten Zyklen wurde im nächsten Schritt die Anforderung an die Lastwechselfestigkeit bestimmt. Hierfür wurde die Lebensdauergleichung 2.1 verwendet. Die Parameter für diese Gleichung wurden anhand der Lastwechselergebnisse bei hohen Sperrschichttemperaturen aus [96] ermittelt. Es ergibt sich die Lebensdauergleichung 2.9, die für 600V Standard-Leistungsmodule für maximale Sperrschichttemperaturen bis zu 200◦ C gültig ist. 2,82E−20 Nf = 3, 44E9 · ∆Tj−3,426 · e( 1,38E−28·Tm ) (2.9) Die ermittelten Zyklen in Abbildung 2.9 wurden mit dieser Lebensdauergleichung in die Zyklen umgerechnet, die mit beschleunigten Tests mindestens nachgewiesen werden müssen, um die Lastwechselfestigkeit des Leistungsmoduls bei 200◦ C Sperrschichttemperatur zu gewährleisten. Dazu dient Gleichung 2.10. Darin ist Nf,T est die zu bestimmende Anforderung für beschleunigte Lastwechseltests beim Temperaturhub ∆Tj,T est , der Wert Nf,Einsatz ist die Zyklenzahl aus dem Einsatzprofil (Abbildung 2.9) beim Temperaturhub ∆Tj,Einsatz . Das Ergebnis der Anforderungsermittlung ist in Abbildung 2.10 dargestellt. Die Kennlinie beschreibt die Anforderung für Umgebungsbedingungen von Zugspitze und Konstanz. Wie man erkennt, ergeben sich für beide Orte in etwa gleiche Anforderungen an die Lastwechselfestigkeit. Im Vergleich hierzu zeigt die gestrichelte Linie die Lastwechselfestigkeit von heutigen Standard-Leistungsmodulen. Bei den Anforderungen an die Lastwechselfestigkeit machen die rein aktiven Zyklen etwa ein Drittel der gesamten geforderten Lebensdauer aus. Zwei Drittel des Lebensdauerverbrauchs ergeben sich aus überlagerten Zyklen. NT est = X NEinsatz · ∆TEinsatz (∆TT est )−3,426 · e (∆TEinsatz )−3,426 ·e 2,32E−20 1,38E−23·Tm,T est 2,32E−20 1,38E−23·Tm,Einsatz (2.10) 2.3 Ermittlung der Anforderungen 37 Zyklenverteilung für Lastwechselbelastung 537500 537500 7,0E+05 6,0E+05 rein aktive Zyklen überlagerte Zyklen Zugspitze Konstanz 4,0E+05 50 60 1170 0 40 3810 150 30 5010 3570 0,0E+00 960 4980 1,0E+05 0 2250 87000 87000 2,0E+05 6500 6500 3,0E+05 39000 39000 223000 223000 Anzahl Zyklen 5,0E+05 70 180 ΔTj in K 190 200 210 220 Abbildung 2.9: Verteilung der Zyklen für die Ermittlung der Anforderung an die Lastwechselfestigkeit Anforderung an die Lastwechselfestigkeit 1,0E+07 Anzahl Zyklen 1,0E+06 1,0E+05 1,0E+04 Anforderung 200°C (Zugspitze) Anforderung 200°C (Konstanz) Standard-Lestungsmodule 200°C (Stand 2011) 1,0E+03 40 60 80 100 ∆Tj in K 120 140 160 Abbildung 2.10: Anforderung an die Lastwechselfestigkeit der Leistungsmodule für die maximale Sperrschichttemperatur von 200◦ C 38 2 Anforderungen an die Leistungselektronik in Hybridfahrzeugen 2.4 Diskussion der Anforderungen Das Ziel der gezeigten Anforderungsermittlung ist die realen Bedingungen im Fahrzeug auf beschleunigte Labortestbedingungen mit bekannten Lebensdauermodellen umzurechnen. Das Ergebnis zeigt, dass heutige Standard-Leistungsmodule die geforderte Zuverlässigkeit sowohl bei passiven als auch bei aktiven Zyklen nicht erreichen. Im ungünstigsten Fall in Abbildung 2.7 müssen mit beschleunigten passiven Temperaturwechseltests bei ∆T =100K bis zu 40.000 Zyklen nachgewiesen werden. Heutige Standard-Leistungsmodule mit Kupfer-Grundplatte erreichen bei diesen Bedingungen eine Lebensdauer von 5.000 Zyklen. Die Temperaturwechselfestigkeit für den Einsatz bei hohen Kühlmitteltemperaturen muss demnach um den Faktor acht verbessert werden. Auch die Lastwechselfestigkeit (aktive Zyklen) ist nicht ausreichend. Die Lebensdauer heutiger Aufbauund Verbindungstechnik liegt beim Temperaturhub von 100K und 200◦ C maximaler Sperrschichttemperatur bei ca. 25.000 Zyklen. Nach Abbildung 2.10 müssen bei diesen Testbedingungen 100.000 Zyklen nachgewiesen werden. Die Lastwechselfestigkeit muss also für die Sperrschichttemperatur von 200◦ C um den Faktor vier verbessert werden. Diese ermittelten Anforderungen gelten nur als grober Richtwert. Für eine genaue Aussage, ob andere Aufbau- und Verbindungstechnologien die Anforderungen der Hybridfahrzeuganwendung erfüllen, müssen Ausfallmechanismen dieser Technologien erforscht und Parameter der Lebensdauermodelle angepasst werden. Entscheidend dabei ist der Exponent a a der Terme ∆Tcase und ∆Tja in den verwendeten Lebensdauergleichungen 2.8 und 2.9. Oft ist dieser Wert gleich für verschiedene Aufbau- und Verbindungstechnologie, wie es z.B. in Gleichung 2.3 angegeben wird. Weichen diese Exponenten ab, muss die Anforderung mit angepassten Gleichungsparametern erneut ermittelt werden. Ein wichtiger Aspekt der Anforderungsermittlung ist die Annahme der linearen Schadensakkumulation, die auch als die „Miner-Regel” bezeichnet wird. Bei Leistungsmodulen ist bekannt, dass unterschiedliche Amplituden des Temperaturhubs zu unterschiedlichen Fehlermechanismen führen können. Je nach Amplitude und Länge des Temperaturhubes im Lastwechsel kommt es zu Bonddrahtfehler, Degradation der Chipverbindung oder Versagen der Systemverbindung. Treten in der Anwendung Zyklen auf, die diese unterschiedlichen Fehlermechanismen ansprechen, kann die Anwendung der „Miner-Regel” zur zu gering geschätzten Lebensdauererwartung führen [76]. Die tatsächliche Lebensdauer kann also deutlich höher liegen als die Voraussage verwendeter Lebensdauermodelle. 39 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte 3.1 Messung der Sperrschichttemperatur 3.1.1 Einfluss der Messunsicherheit Die Sperrschichttemperatur ist die wichtigste Messgröße für die Untersuchung der Zuverlässigkeit der Leistungsmodule. Diese wird bei Lastwechseltests überwiegend mit der VCE (T)-Methode gemessen. Im Hinblick auf die Zuverlässigkeitsuntersuchungen bei hohen Sperrschichttemperaturen sollen im Nachfolgenden einige Aspekte dieser Methode betrachtet werden. Wichtig ist die Kenntnis über den Einfluss des Messfehlers in der Sperrschichttemperaturmessung. Gleichungen 2.1 und 2.2 beschreiben die Lebensdauer in Abhängigkeit von den Lastwechselbedingungen. Die Bewertung der Parameter in [3] zeigt, dass die Lebensdauer im Wesentlichen vom Temperaturhub der Sperrschicht ∆Tj und von der mittleren bzw. minimalen Sperrschichttemperatur Tj bestimmt wird. Diese zwei Parameter werden während der Lastwechseltests mit Hilfe von gemessener minimaler und maximaler Sperrschichttemperatur Tvj,min und Tvj,max bestimmt. Um den Einfluss der Messunsicherheit dieser zwei Messwerte auf die Lebensdauer zu zeigen, wird Gleichung 2.9 verwendet. Diese Gleichung beschreibt die Lebensdauer heutiger IGBT-Leistungsmodule mit der 600V-Chiptechnologie. Gleichung 3.1 zeigt den Zusammenhang zwischen der mittleren Sperrschichttemperatur Tm (in K) und den Messwerten Tvj,min (in ◦ C) und Tvj,max (in ◦ C). Tm = (Tvj,max + Tvj,min ) + 273, 15K 2 (3.1) Für die Berechnung des Fehlers bei der Lebensdauerbewertung, hier definiert als Nf,max /Nf,min in Abhängigkeit der Messunsicherheit in den Messwerten der minimalen und der maximalen Sperrschichttemperatur Tvj,min und Tvj,max , gelten Gleichungen 3.2 und 3.3. In diesen Gleichungen ist der Fehler der Temperaturmessung Tj,F ehler in beiden Parametern ∆Tj und Tm der Lebensdauergleichung berücksichtigt. Beim Temperaturhub ∆Tj wird der Fehler mit dem Faktor zwei multipliziert, da in diesem Parameter die Messunsicherheit sowohl der minimalen als auch der maximalen Sperrschichttemperatur berücksichtigt werden muss. Obwohl bei 40 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte der mittleren Sperrschichttemperatur Tm auch beide Messwerte der Sperrschichttemperatur eingehen, kann man hier aufgrund der Umrechnung in der Formel 3.1 mit einfachem Fehler rechnen. Nf,max = Nf (∆Tj − 2 · Tj,F ehler , Tm − Tj,F ehler ) (3.2) Nf,min = Nf (∆Tj + 2 · Tj,F ehler , Tm + Tj,F ehler ) (3.3) Abbildung 3.1 zeigt den berechneten Fehler Nf,max /Nf,min der Lebensdauer in Abhängigkeit vom Temperaturhub der Sperrschicht ∆Tj und dem Messfehler der Sperrschichttemperatur Tj,F ehler . Es ist deutlich zu sehen, dass schon eine geringe Messabweichung in der Sperrschichttemperaturmessung zu einem großen Fehler in der Lebensdauerbewertung führt. Besonders kritisch ist die Messunsicherheit der Sperrschichttemperatur bei kleinen Temperaturhüben. Bereits 3K Messabweichung führt bei 30K Temperaturhub zu einem Unsicherheitsfaktor in der Lebensdauer von fast drei. Einfluss des Tj-Messfehlers auf die Lebensdauerbewertung 2,50-2,75 2,25-2,50 2,00-2,25 1,75-2,00 1,50-1,75 1,25-1,50 1,00-1,25 140 120 130 100 3 2 1 150 ΔTj in K 110 80 90 70 50 60 30 40 Nf, max / Nf, min 3,00 2,75 2,50 2,25 2,00 1,75 1,50 1,25 1,00 Tj, Fehler in K Abbildung 3.1: Einfluss der Messunsicherheit in der Sperrschichttemperaturmessung auf die Lebensdauer der Leistungsmodule Es wird bei der Messunsicherheit zwischen dem systematischen oder dem zufälligen Fehler unterschieden. Bei Lastwechseltests können zufällige 3.1 Messung der Sperrschichttemperatur 41 Messfehler vernachlässigt werden, wenn Messwerte über viele Zyklen gemittelt werden. Der zufällige Messfehler verringert sich bei der Mittelung nach dem Zusammenhang in der Formel 3.4 [51]. Der Wert u(Nf,mittel ) ist die Unsicherheit nach der Mittelung der Messwerte, u(Nf,einzel ) ist die Unsicherheit auf Basis eines Messwerte und n die Anzahl der gemittelten Werte [64]. Mit diesem Zusammenhang verringert sich der zufällige Messfehler von 1K nach der Mittelung von 100 Werten auf 0,1K und bei 1000 Werten auf 0,03K. u(Nf,mittel ) = u(Nf,einzel ) √ n (3.4) Der Fehler in der Lebensdauer wird deshalb überwiegend aufgrund des systematischen Fehlers in der Sperrschichttemperaturmessung bestimmt. Es ist von großer Bedeutung die Quellen für diesen Fehler zu kennen und auf das Minimum zu reduzieren. Das soll im Nachfolgenden betrachtet werden. 3.1.2 Eigenschaften der Kalibrierfunktion Für die Messung der virtuellen Sperrschichttemperaturmessung mit der VCE (T)-Methode ist die Kalibrierfunktion erforderlich, welche die Abhängigkeit der Durchlassspannung des Leistungsbauteils von der Temperatur beim eingeprägten Strom beschreibt. Diese Funktion beeinflusst direkt die Genauigkeit der Sperrschichttemperaturmessung. Insbesondere für die Zuverlässigkeitsuntersuchungen bei hohen Sperrschichttemperaturen bis zu 200◦ C ist die Kenntnis über die Eigenschaften dieser Funktion von großer Bedeutung. Die Kalibrierfunktion wird mit Hilfe einer Messvorrichtung wie Klimakammer oder Heizplatte aufgenommen. Bekannt ist auch eine aktive Kalibrierung, bei der der Halbleiterchip als Heizquelle genutzt wird [8]. Für eine zu messende Sperrschichttemperatur herrscht im ganzen Leistungsmodul homogene Temperaturverteilung. Die Aufbau- und Verbindungstechnik des Leistungsmoduls wird so ausgelegt, dass in der Nähe des Leistungshalbleiter-Bauelementes die maximale Sperrschichttemperatur auftreten kann. Die weiter entfernten Materialien wie z.B. das Kunststoffgehäuse oder die Lotschicht zwischen DCB und Grundplatte müssen nicht für diese hohe Temperatur bestimmt sein. In einem realen Einsatz treten die hohen Temperaturen nur im Bereich des Halbleiterchips auf. Aufgrund des Wärmeflusses und des thermischen Widerstandes erfahren die darunter liegenden Materialschichten niedrigere Temperaturen. Bei Zuverlässigkeitsuntersuchungen wird das Leistungsmodul bei maximal zulässigen Sperrschichttemperatur getestet. Hierfür ist die 42 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte Kalibrierkennlinie bis zu dieser Temperatur erforderlich. Bei Temperaturen nahe 200◦ C kann es zu Veränderungen der mechanischen Eigenschaften oder sogar zu Schädigung in der Aufbau- und Verbindungstechnik des Leistungsmoduls kommen und die Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests verändern. Der Temperaturbereich in der Kalibrierfunktion nahe dieser hohen Sperrschichttemperaturen kann bei Lastwechseluntersuchungen bei bestimmter Aufbau- und Verbindungstechnik nur anhand einer Extrapolation abgedeckt werden. Wie im Folgenden gezeigt wird, kann die Extrapolation aus den gemessenen Punkten unter bestimmten Bedingungen zu einem systematischen Fehler führen und die Testergebnisse der Lastwechseltests verfälschen. In der Literatur wird die Kalibrierkennlinie oft mathematisch mit Hilfe einer Geraden approximiert [1], [35], [59]. Allerdings ist die Genauigkeit dieser Approximation nicht ausreichend, insbesondere bei hochsperrenden IGBT-Chips und hohen Sperrschichttemperaturen. Das zeigen die gemessenen Kalibrierkennlinien der 600V-, 1200V und 6,5kV-Leistungsmodule in Abbildung 3.2. Gemessene Kalibrierkennlinien VCE=f(Tvj) 0,6 0,5 VCE in V 0,4 0,3 0,2 0,1 0 0 50 100 150 200 250 Tvj in °C 600V IGBT 1200V IGBT 6,5kV IGBT Abbildung 3.2: Vergleich der gemessenen Kalibrierkennlinien von 600V (Stromdichte 62mA/cm2 ), 1200V (Stromdichte 120mA/cm2 ) und 6,5kV (Stromdichte 17mA/cm2 ) IGBT-Leistungsmodulen Wenn die Kalibrierkennlinien mit einer Geraden beschrieben werden und 3.1 Messung der Sperrschichttemperatur 43 diese Geradenfunktion zur Messung der Sperrschichttemperatur genutzt wird, kommt es zu einem nicht zu vernachlässigbaren systematischen Messfehler. Die Größenordnung des Fehlers zeigt Abbildung 3.3. Beim 600V IGBT liegt der Fehler bei ca. 1K, beim 1200V IGBT bei ca. 4K und beim 6,5kV beträgt die systematische Abweichung sogar bis zu 20K. Abweichung von der linearen Approximation 20 15 Fehler in K 10 5 0 -5 -10 -15 -20 0 50 100 150 200 250 Tvj in °C 600V IGBT 1200V IGBT 6,5kV IGBT Abbildung 3.3: Systematischer Fehler bei der Messung der Sperrschichttemperatur bei der Beschreibung der Kalibrierkennlinie mit einer Geradenfunktion; Vergleich auf Basis der Messung in der Abbildung 3.2 Die Messung zeigt, dass die Kalibrierkennlinie einen nichtlinearen Verlauf hat. Die Linearität ist abhängig von der Spannungsklasse des HalbleiterLeistungsbauelements. Zusätzlich wird die Eigenschaft der Kennlinie von der Stromdichte beeinflusst. Die Messungen in Abbildung 3.4 zeigt den Einfluss der Stromdichte beim 6,5kV IGBT. Bei der Stromdichte von 67mA/cm2 weist die Kalibrierkennlinie eine starke Rechtskrümmung auf. Diese steigt ab einer Temperatur von 150◦ C stark an. Bei 17mA/cm2 ist die Rechtskrümmung weniger ausgeprägt, jedoch kommt es bei hohen Temperaturen zusätzlich zu einer Linkskrümmung. Bei niedrigster Stromdichte ist die Kennlinie bis 150◦ C annähernd linear und läuft ab dieser Temperatur asymptotisch zu der x-Achse. Für die Erläuterung der Eigenschaften der Kalibrierkennlinie dienen nachfolgende Ergebnisse aus [66], die mit dem Bauelementsimulator SentaurusTCAD erzielt wurden. Für diese Simulation wurde eine pin- 44 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte Kalibrierkennlinien VCE=f(Tvj) eines 6,5kV IGBTLeistungsmoduls bei verschiedenen Stromdichten 0,8 0,7 0,6 VCE in V 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 0 50 100 150 200 250 Tvj in °C 67 mA/cm² 17 mA/cm² 1,7 mA/cm² Abbildung 3.4: Einfluss der Stromdichte auf den Verlauf der Kalibrierkennlinie eines 6,5kV/200A IGBTs Leistungsdiode angenommen (siehe Abbildung 3.5). Die Simulationsparameter sind in Tabelle 3.1 angegeben. Tabelle 3.1: Simulationsparameter - −3 Dotierung des n -Gebietes [cm Dicke [µm] Basisweite [µm] Stromdichte [mA/cm2 ] Trägerlebensdauer (bei 300K): der Löcher τp [µs] der Elektronen τn [µs] ] 600V 3, 93 · 1014 50, 1 45, 0 66, 7 6,5kV 1, 64 · 1013 728 722 100 0, 3 3 1, 4 7 Dotierung des n- -Gebietes und Basisweite konnten vereinfacht mit den Zusammenhängen einer idealen Non-Punch-Through-Dimensionierung berechnet werden [56]. Ausgehend von der gegebenen IGBT-Spannungsklasse, die hier der Einsatzspannung des Lawinendurchbruchs UBD gleichgesetzt ist, wird anhand der Formel 3.5 die Grunddotierung des n- -Gebietes ND 3.1 Messung der Sperrschichttemperatur 45 n- p n+ Basisweite (wB) Dicke (d) Abbildung 3.5: Halbleiterstruktur für die Simulation der Kalibrierkennlinie mit dem Bauelementsimulator SenataurusTCAD bestimmt. Danach lässt sich mit diesem Wert die Basisweite mit 3.8 berechnen. In Formel 3.5 sind C 0 und b Ionisierungsraten nach Shields und Fulop, die mit Formeln 3.6 und 3.7 analytisch beschrieben werden. Diese Abschätzung legt eine ideale NPT-Dimensionierung des Leistungsbauelements zugrunde. Für reale Bauelemente wird jedoch meist eine moderate PT-Dimensionierung mit trapezförmigem Feldverlauf gewählt [58]. Eine genaue Bestimmung der Dotierung und Basisweite für diese Auslegung ist nicht möglich und bedarf Herstellerangaben sowohl zur Dotierung als auch zum Feldverlauf. In Tabelle 3.1 berechneten Werte für Dotierung und Basisweite für den dreiecksförmigen Feldverlauf weichen deshalb geringfügig von einem realen Leistungsbauelement ab. UBD = 1 · 2 b+1 C0 1 b+1 1 q · ND b+1 · ε T C 0 = 2 · 10−28 · e−16,22· 300K b = 5, 8 + 1, 2 · s wB = T 300K 2 · ε · UBD q · ND (3.5) (3.6) (3.7) (3.8) Abbildung 3.6 zeigt das Ergebnis der Simulation, wo ähnliche Eigenschaften im Vergleich zu den gemessenen Kennlinien zu sehen sind. Die Kennlinie für 600V IGBT zeigt einen nahezu linearen Verlauf, beim 6,5kV IGBT ist eine starke Rechtskrümmung sichtbar. 46 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte Simulierte Kalibrierkennlinien 1,40 1,20 Spannung in V 1,00 0,80 0,60 0,40 0,20 0,00 0 50 600V 100 150 Temperatur in°C 6,5kV 200 250 6,5kV ohne Mittelgebiet Abbildung 3.6: Simulierte Kalibrierkennlinien Die Nichtlinearität der Kalibrierkennlinie wird wegen des Spannungsabfalls am Mittelgebiet verursacht. Dieser Effekt führt zu einer Rechtskrümmung. Die Spannung am schwach dotierten Mittelgebiet nimmt mit höherer Spannungsklasse zu. Abbildung 3.7 zeigt den Verlauf des Spannungsabfalls in Abhängigkeit von der Temperatur. Bei den gewählten Stromdichten ist der Spannungsabfall am n- -Gebiet beim 600V-Bauelement im Bereich von wenigen Millivolt, beim 6,5kV IGBT beträgt dieser etwa die Hälfte des Gesamtspannungsabfalls am Bauelement. Die Spannung des n- -Gebietes steigt zunächst leicht mit steigender Temperatur an, fällt dann bei hohen Temperaturen ab. Der Anstieg ist aufgrund der abnehmender Beweglichkeit der Ladungsträger zu begünden, während der Spannungsabfall mit einer längeren Trägerlebensdauer und einer höheren Ladungsträgerinjektion bei höheren Temperaturen zusammenhängt. Die Diffusionslänge nimmt zu und das Ladungsträgerplasma im Mittelgebiet steigt. Damit sinkt der Spannungsabfall im Mittelgebiet. Dieser Effekt überwiegt bei höheren Temperaturen [66]. Zieht man den Anteil des Mittelgebietes von der Gesamtspannung ab, ist dieses Verhalten nicht mehr zu sehen (siehe Kennlinie „6,5kV ohne Mittelgebiet” in Abbildung 3.6). Ein weiterer Effekt führt zur Nichtlinearität der Kalibrierkennlinie im Bereich hoher Temperaturen und verursacht eine Linkskrümmung. In diesem Bereich kommt es zu einem asymptotischen Verlauf der Kennlinie, 3.1 Messung der Sperrschichttemperatur 47 Spannungsabfall über dem ni-Gebiet Spannung in V 1 0,1 0,01 0,001 0 50 100 150 Temperatur in °C 6,5kV 200 250 600V Abbildung 3.7: Spannungsabfall am n- -Gebiet, Ergebnisse der Bauteilsimulation mit Parametern aus Tabelle 3.1 wenn die Stromdichte zu klein gewählt wurde. Je kleiner die Stromdichte desto stärker wird dieser Einfluss (siehe hierzu Simulationsergebnisse in Abbildung 3.8). Um diese Art von Nichtlinearität zu vermeiden muss eine ausreichend große Stromdichte gewählt werden. Die Höhe der minimalen Stromdichte ist abhängig vom gewünschten Temperaturbereich und von der Spannungsklasse des Leistungsbauelements. Für die Abschätzung der minimalen Stromdichte kann die Kalibrierkennlinie mit einem analytischen Modell berechnet werden. Dabei ist es ausreichend nur den Spannungsabfall des pn-Übergangs zu betrachten und den Spannungsabfall des n- -Gebietes zu vernachlässigen. Die analytische Berechnung der Kalibrierkennlinie ist im Anhang A.1 beschrieben. Das Ergebnis dieses analytischen Modells ist in Abbildung 3.9 verglichen mit dem Ergebnis des Bauelementsimulators und der real gemessenen Kennlinie eines 600V-Leistungsbauelements. Die Ergebnisse der analytischen Berechnung weichen von der gemessenen Kennlinie stärker ab als die Ergebnisse der Simulation mit SentaurusTCAD . Für eine Abschätzung der minimalen Stromdichte für eine Kalibrierkennlinie ist die Genauigkeit des analytischen Modells ausreichend. Für verschiedene Spannungsklassen der Leistungsbauelemente und ver- 48 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte Einfluss der Stromdichte auf die Kalibrierkennlinie 0,70 0,60 Spannung in V 0,50 0,40 0,30 0,20 0,10 0,00 0 50 100 150 Temperatur in°C 0,62 mA/cm² 62 mA/cm² 200 250 620 mA/cm² Abbildung 3.8: Einfluss der Stromdichte auf die Kalibrierkennlinien eines 600V Leistungsbauelements, Simulationsergebnisse aus [66] schiedene maximale Sperrschichttemperaturen wurde mit dem analytischen Modell der Zusammenhang in Formel 3.9 gefunden. Abhängig von der Sperrspannung UBD (in V ) und der maximalen Sperrschichttemperatur Tj,max (in K) erhält man damit die minimale Stromdichte Jmin (in mA/cm2 ), bei der es bis zur maximalen Sperrschichttemperatur zu keiner Linkskrümmung der Kalibrierkennlinie kommt. Hierfür wurde vereinfacht angenommen, dass bei maximaler Sperrschichttemperatur mindestens 60mV als Spannungsabfall am pn-Übergang noch vorhanden sein müssen. Bei diesem Wert zeigte die berechnete Kalibrierkennlinie mit dem analytischen Ansatz noch keine Linkskrümmung. Abbildung 3.10 zeigt Verläufe der Stromdichten für typische Sperrspannungsklassen der Leistungsbauelemente. Aus diesem Diagramm kann abhängig von der maximalen Sperrschichttemperatur die minimale Stromdichte für die zu messende Kalibrierkennlinie abgelesen werden. Jmin (UBD , T ) = 1, 59 · 10−17 · UBD 1,33 · e7,17·10 −2 ·Tmax (3.9) Insgesamt zeigen die gemessenen und die simulierten Eigenschaften der Kalibrierkennlinie, dass für eine Sperrschichttemperaturmessung bei hohen Temperaturen mit geringem systematischem Fehler einige Aspekte 3.1 Messung der Sperrschichttemperatur 49 Vergleich der Kalibrierkennlinien 0,6 0,5 UCE in V 0,4 0,3 0,2 0,1 0,0 0 50 Sentaurus 100 Tvj in °C analytisch 150 200 gemessen Abbildung 3.9: Kalibrierkennlinie für ein 600V / 400A - Leistungsmodul, Vergleich zwischen Messung, Simulation mit Bauelementsimulator SentaurusTCAD und analytischer Berechnung beachtet werden müssen. Es muss eine ausreichend große Stromdichte gewählt werden. Die Kennlinie darf nicht mit einer Geradenfunktion approximiert werden. Für die Bestimmung der Sperrschichttemperatur muss die Kalibrierkennlinie mindestens mit der Polynomfunktion dritten Grades beschrieben werden, damit der systematische Fehler bei einer Interpolation kleiner 0,1K bleibt. Hierfür sollte die Kennlinie mindestens einen Messpunkt mehr haben, als der Grad der Polynomfunktion. Eine Extrapolation der Kennlinie in Richtung hoher Sperrschichttemperaturen kann bei hochsperrenden Bauelementen zu einer Messunsicherheit von mehreren Kelvin führen. Bei 600V Bauelementen kann die Extrapolation unter Beachtung der minimalen Stromdichte durchgeführt werden. Mit experimentellen Daten lässt sich feststellen, dass eine Verlängerung der Näherungsfunktion als Polynomfunktion dritten Grades um 25◦ C in Richtung höherer Temperaturen zu einem systematischen Fehler von maximal einem Kelvin führt. Die Extrapolation über einen weiteren Temperaturbereich führt zu einer nicht mehr akzeptablen Abweichung. Eine andere Art der mathematischen Näherung der Kalibrierkennlinie ist eine stückweise lineare Approximation zwischen zwei Messpunkten. Ein kleiner systematischer Fehler kann damit erreicht werden, wenn die 50 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte Minimale Stromdichte für Kalibrierfunktion 1000 J in mA/cm² 100 10 1 0,1 380 400 420 440 460 480 T in K 600V 1200V 1700V 3300V 6500V Abbildung 3.10: Diagramm zur Bestimmung der minimalen Stromdichte für die Kalibrierkennlinie eines Leistungsmoduls, ermittelt mit dem analytischen Berechnungsmodell im Anhang A.1 Kalibrierkennlinie viele Messpunkte enthält. Eine Extrapolation bei dieser Methode ist jedoch nicht möglich. 3.1.3 Einfluss von Rekombinationszeit und Verlustleistung Eine weitere Quelle für die systematische Messunsicherheit in der Sperrschichttemperaturmessung mit der VCE (T)-Methode ist der Einfluss der Rekombinationszeit. Gleichzeitig spielt die Höhe der Verlustleistung eine besondere Rolle, die in der Stromflussphase für die Erwärmung des Chips verantwortlich ist. Die maximale Sperrschichttemperatur wird dann gemessen, wenn der Laststrom durch den Chip abgeklungen ist und der Messstrom auf den gewünschten Wert ausgeregelt ist. Dieser Schaltvorgang verursacht eine Verzögerung, die in [77] als Rekombinationszeit bezeichnet wird. Erst nach dieser Zeit kann die Sperrschichttemperatur gemessen werden. Abbildung 3.11 zeigt den typischen Messvorgang. Diese Verläufe wurden an einem 600V / 400A Leistungsmodul nach der Belastung mit 400A Gleichstrom aufgenommen. In diesem Beispiel erfolgt die Messung der 3.1 Messung der Sperrschichttemperatur 51 Sperrschichttemperatur nach ca. 500µs. Messung von Tvj,max nach Laststromabschaltung 500 190 Oszillationen 185 ILast Zeitbereich für Tvj,max-Messung 180 Tvj 175 ILast 400 300 200 Tvj in °C 600 170 Verzögerung 100 0 -2,0E-03 165 160 0,0E+00 2,0E-03 t in s 4,0E-03 Abbildung 3.11: Messung der maximalen Sperrschichttemperatur nach Abschalten des Belastungsstroms Während der Rekombinationszeit kühlt sich der Halbleiterchip bereits ab. Die Rekombinationszeit wird deshalb so kurz wie möglich eingestellt. Praktisch erreicht man abhängig von der Höhe des Belastungsstroms, von der Schnelligkeit der Messstromquelle, vom Leistungsbauelement selbst und von der parasitären Induktivität des Stromkreises die minimale Rekombinationszeit von etwa 300 µs [77]. Bereits während dieser kurzen Zeit kühlt sich die Sperrschicht um einige Kelvin ab. Aufgrund des schnellen Abkühlvorgangs ist es nicht möglich, den Fehler in der Messung der maximalen Sperrschichttemperatur zu vermeiden. Der Fehler lässt sich aber anhand der Methode aus [6] kompensieren. Es wird gezeigt, dass bei großflächigen Halbleiterchips in dem ersten Zeitabschnitt nach dem abrupten Abschalten des Laststroms die Sperrschichttemperatur nach der Wurzelfunktion abklingt. Trägt man den Verlauf der Sperrschichttemperatur über der Wurzel der Zeit, so ergeben die Messwerte in diesem Zeitabschnitt eine Gerade. Die Messung in Abbildung 3.12 zeigt, dass bei Leistungsmodulen diese Näherung in den ersten 10ms mit hinreichend guter Genauigkeit gilt. Über diesen Zeitabschnitt lässt sich eine lineare Approximation durchführen, welche erlaubt, die maximale Sperrschichttemperatur im Zeitpunkt t = 0 indirekt zu bestimmen. Der 52 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte Zeitpunkt t = 0 ist definiert als die Mitte der negativen Laststromflanke (50% des Laststromes) beim Abschaltvorgang. Diese Methode wird im Nachfolgenden als „Wurzel-t-Methode” bezeichnet. Wurzel-t-Methode Tj=f(t1/2) 200 195 190 185 lineare Approximation Tj in °C 180 Tj 175 170 165 160 155 150 0,0E+00 2,0E-02 4,0E-02 6,0E-02 t1/2 in s1/2 8,0E-02 1,0E-01 Abbildung 3.12: Wuzel-t-Methode zur Bestimmung der maximalen Sperrschichttemperatur, Messwerte aus Abbildung 3.11 Die Methode der indirekten Messung der maximalen Sperrschichttemperatur erlaubt abzuschätzen, wie groß der systematische Fehler bei der herkömmlichen Messmethode ausfällt. In der durchgeführten Messung verringert sich die Sperrschichttemperatur nach 300µs bereits um 4K, nach 500µs sind es etwa 6K. Der Abkühlgradient nach dem Abschaltvorgang ist abhängig von der Höhe des Laststroms bzw. von der Verlustleistung und vom transienten thermischen Widerstand des Leistungsmoduls. Den Einfluss der Verlustleistung zeigt Abbildung 3.13. Aufgezeichnet sind gemessene Abkühlverläufe für die ersten 10ms der Sperrschicht über der Wurzel der Zeit eines 400A / 600V Leistungsmoduls bei verschiedenen Verlustleistungsdichten. Für jeden Verlauf wurde die lineare Approximation durchgeführt. Die Steigung der Geraden gibt den Abkühlgradienten an, der y-Achsenabschnitt einzelner Geraden gibt die maximale Sperrschichttemperatur an. Es ist zu sehen, dass das Abkühlverhalten unabhängig von der Verlustleistungseinspeisung linear über der Wurzel der Zeit verläuft. Die Steigung 3.1 Messung der Sperrschichttemperatur 53 Abkühlverhalten bei verschiedenen Wärmestromdichten 190 170 y = -229,3∙t1/2 + 160,3 420W/cm² (400A) 150 Tvj in °C 130 y = -142,6∙t1/2 + 120,4 259W/cm² (300A) y = -77,4∙t1/2 + 72,5 142W/cm² (200A) y = -30,6∙t1/2 + 37,9 61,7W/cm² (100A) 110 90 70 50 30 0 0,02 0,04 0,06 t1/2 in s1/2 0,08 0,1 Abbildung 3.13: Einfluss der Verlustleistung auf das Abkühlverhalten der Sperrschicht, Messungen an einem 400A / 600V Modul p der Geraden bzw. der Gradient, angegeben als dTvj /d( (t)), wird von der Verlustleistung beeinflusst. Abkühlgradient und Wärmeflussdichte sind zueinander proportional, wie das in Abbildung 3.14 gezeigt ist. Durch die gemessenen Punkte lässt sich eine Ursprungsgerade durchziehen. Damit kann für beliebige Wärmeflussdichten das Abkühlverhalten in den ersten 10ms mit guter Genauigkeit abgeschätzt werden. Dieses gemessene Abkühlverhalten kann mit dem transienten thermischen Widerstand berechnet werden. Für die Berechnung gilt der Zusammenhang in Formel 3.10. Darin ist PV die in den Chip eingespeiste Verlustleistung, Ri und τi die FOSTER-Koeffiezienten. Gefordert wird hierfür ein genau gemessener transienter thermischer Widerstand. Die Genauigkeit der Datenblattwerte zu einem bestimmten Leistungsmodul können für die Berechnung nicht ausreichen, da üblicherweise nur ein typisches Verhalten angegeben wird. Leistungsbauelemente eines Leistungsmoduls können aufgrund verschiedener Positionen auf der DCB-Keramik im transienten thermischen Verhalten geringfügig schwanken. Tj,abkühl (t) = PV · n X i=1 Ri · e − τt i (3.10) 54 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte 0 Abkühlgradient in Abhängigkeit der Verlustleistung dTj/d(t1/2) in K/(s1/2) -50 -100 -150 -200 -250 0 100 200 300 PV/A in W/cm² 400 500 Abbildung 3.14: Zusammenhang zwischen dem Abkühlgradienten und der Wärmeflussdichte, Werte aus Abbildung 3.13 Ein weiterer bekannter Effekt der Verlustleistung ist die Temperaturverteilung über dem Chip. Je größer die Strom- bzw. Wärmestromdichte, desto größer ist der Temperaturunterschied zwischen Chipmitte und Chiprand [32]. Bei früheren Chipgenerationen mit niedrigen Stromdichten im Vergleich zu heutigen Leistungsbauelementen war dieser Temperaturgradient im Bereich von 20K. Bei heutigen Leistungsmodulen bei im Datenblatt angegebenem Nennstrom ist der Temperaturunterschied zwischen Chipmitte und Chiprand höher. In Abbildung 3.15 ist die Messung mit einer Infrarotkamera gezeigt, wo der Temperaturunterschied bei 420W/cm2 etwa 80K beträgt. Bei dieser hoher Wärmestromdichte ist der Einfluss der Rekombinationszeit auf die gemessene maximale Sperrschichttemperatur Tvj mit der VCE (T)-Methode sehr groß. Bei der Messung nach 500µs liegt der Wert etwa 13K unterhalb der maximalen Oberflächentemperatur, der Messwert mit der Wurzel-t-Methode dagegen nur 7K (siehe Abbildung 3.15). Die Genauigkeit der verwendeten Infrarotkamera wird mit +/ − 2K angegeben. p Die Messungen zeigen, dass der Abkühlgradient dT /d (t) ein Indikator für die Temperaturverteilung im Chip ist. Je größer die Verlustleistung im Chip ist, desto größer ist dieser Parameter. Ebenso zeigt dieser Messwert den Zusammenhang zwischen dem transienten Wärmewiderstand und der Wärmestromdichte und schließt zusätzliche die Kühlrandbedingungen ein. 3.2 Thermische Impedanzspektroskopie 55 Dieser Messwert beschreibt demnach mehrere physikalische Effekte im Leistungsmodul. Es ist notwendig mit Hilfe von weiteren Messungen zu untersuchen, ob dieser Parameter zur Verbesserung vorhandener empirischer Lebensdauermodelle verwendet werden kann. Ein erweitertes Lebensdauermodell könnte die Lebensdauer in Abhängigkeit der maximalen Sperrschichttemperatur, dem Temperaturhub und dem Abkühlgradienten p dT /d (t) genauer beschreiben als heutige Lebensdauermodelle, die auf der LESIT-Gleichung basieren. Tvj,max=179°C (Wurzel-t-Methode) 200 T in °C 175 Tvj,max=173°C (nach 500µs Rekombinationszeit) 150 125 Chip 1 IR-Kamera Chip 2 100 75 0 0,2 0,4 0,6 0,8 Diagonale normiert auf 9mm x 9mm Chipgröße Chip2 Chip1 1 Abbildung 3.15: Gemessene Temperaturverteilung an der Chipoberfläche im 400A / 600V Leistungsmodul nach 0,2s Stromfluss, 420W/cm2 Wärmestromdichte 3.2 Thermische Impedanzspektroskopie 3.2.1 Messung der thermischen Impedanz Im Nachfolgenden werden zwei Methoden der thermischen Impedanzspektroskopie erläutert, die eine zerstörungsfreie Fehleranalyse des Kühlpfads im Leistungsmodul ermöglichen. Damit kann die Ursache für die Verän- 56 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte derung des thermischen Widerstandes im Leistungsmodul eindeutig auf eine bestimmte degradierte Verbindungsschicht eingegrenzt werden. Die erste Variante beruht auf der bekannten Analysemethode, mit der zwei Strukturfunktionen aus der thermischen Impedanz berechnet werden ([91], [90]). Diese Methode wird für ie Fehleranalyse oder Bestimmung partieller thermischer Widerstände bei Mikroelektronikbauelementen ([55]), Leuchtdioden ([101], [89]), diskreten Leistungsbauelementen ([85], [86], [67]) oder zur Bewertung der thermischen Eigenschaften von Wärmeleitmaterialien ([72], [71]) genutzt. Speziell für diese Anwendungen werden bereits Messgeräte angeboten ([62]). In der vorliegenden Arbeit wird diese Methode für die Anwendung bei Leistungsmodulen modifiziert. Der zweite Teil der thermischen Impedanzspektroskopie in dieser Arbeit analysiert die thermische Impedanz mit einem diskreten CAUERErsatzschaltbild und führt die Veränderung der CAUER-Teilwiderstände auf bestimmte Fehlermechanismen im Leistungsmodul zurück. Beide Methoden der thermischen Impedanzspektroskopie benötigen als Basis die thermische Impedanzfunktion des Leistungsmoduls. Einige wichtige Aspekte werden im Nachfolgenden behandelt, die bei der Messung dieser Funktion beachtet werden müssen. Diese sind für die weitere mathematische Behandlung der Messwerte signifikant. Die thermische Impedanz als Funktion der Zeit (Zth (t)) beschreibt das thermische Verhalten zwischen der Sperrschicht des Leistungsbauelements und einem definierten Referenzpunkt. Für Leistungsmodule mit der glatten Grundplatte liegt der Referenzpunkt meist auf der Unterseite der Grundplatte mittig unterhalb des Halbleiterchips. Bei direkt flüssigkeitsgekühlten Grundplatten ist die Referenz in der Regel die Kühlmitteltemperatur. Die Zth (t)-Funktion wird überwiegend mit der Messung des Abkühlverhaltens bestimmt. Beim Abkühl-Messverfahren wird das Leistungsmodul mit einem definierten Laststrom bis zum stationären thermischen Zustand aufgeheizt. Am Ende der Heizphase wird die Durchlassspannung und der Strom gemessen und damit die Verlustleistung PV bestimmt. Danach wird der Laststrom abgeschaltet und die Abkühlkurve der Sperrschicht aufgenommen. Die Sperrschichttemperatur Tvj wird dabei mit Hilfe des Spannungsabfalls am Bauelement bei einem eingeprägten kleinen Strom gemessen [77]. Simultan dazu wird die Referenztemperatur Tref aufgezeichnet. Das Prinzip der Messung ist in Abbildung 3.16 dargestellt. Mit den gemessenen drei Größen berechnet sich die thermische Impedanz als Abkühlkurve mit Gleichung 3.11. Zth,abkühl (t) = Tvj (t) − Tref (t) PV (3.11) 3.2 Thermische Impedanzspektroskopie 57 S1 Prüfling Laststrom Tref V Messstrom 15V A Abbildung 3.16: Messprinzip der thermischen Impedanz Zth (t) am IGBTLeistungsmodul Die gemessene Funktion Zth,abkühl (t) wird im nächsten Schritt in die Aufheizkurve umgerechnet. Die Umrechnungsvorschrift ist in Gleichung 3.12 angegeben. Dabei ist die Annahme, dass das Abkühlverhalten des Leistungsmoduls analog zum Aufheizverhalten ist. Streng genommen sind diese Funktionen nicht identisch [7]. Beim Aufheizen startet der Vorgang bei niedrigerer Temperatur als beim Abkühlen. Weiterhin ist beim Beginn des Abkühlvorgangs ein relativ starker Temperaturgradient in der Sperrschicht ausgeprägt [77], beim Start des Aufheizvorgangs ist die Temperaturverteilung des Chips dagegen homogen. Diese Einflüsse werden mit der Umrechnung der Abkühlfunktion in die Aufheizfunktion vernachlässigt. Die Aufheizkurve kann physikalisch richtig mit dem Aufheiz-Messverfahren gemessen werden. Das Prinzip des Messverfahrens ist in Abbildung 3.17 erläutert. Hier wird die Impedanzfunktion punktweise gemessen. Für jeden Messpunkt wird ein Verlustleistungsimpuls erzeugt und nach dem Abschaltvorgang ein Punkt der Impedanzfunktion bestimmt. Danach wird das Leistungsmodul wieder auf den stationären Zustand abgekühlt. Im darauf folgenden Impuls wird die Impulslänge verlängert und die Messung analog durchgeführt. Für die komplette thermische Impedanz wird die Vorgehensweise entsprechen der Anzahl der Messpunkte wiederholt. Bei großer Anzahl der Messpunkte dauert die Messung der thermischen Impedanz mit diesem Verfahren viel länger als mit dem Abkühl-Messverfahren. In Abbildung 3.18 zeigen die Messergebnisse beider Messmethoden keine wesentliche Unterschiede. Geringfügige Abweichungen können vernachlässigt werden. Das Abkühlverhalten des Leistungsbauelements verhält sich also analog zum Aufheizverhalten. Die Umrechnung der thermischen Impedanz aus der Abkühlkurve in die Aufheizkurve führt damit zu keinem gravierenden Fehler. 58 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte Prinzip des Aufheiz-Messverfahrens 1,2 PV 1 1,02E+00 0,8 8,20E-01 PV, Tvj Messpunkt 0,6 6,20E-01 0,4 4,20E-01 Tvj 0,2 2,20E-01 0 2,00E-02 0 2 4 6 8 10 12 14 t Abbildung 3.17: Prinzip des Aufheiz-Messverfahrens Der erste Schritt der Umrechnung der Abkühlkurve in die analoge Aufheizkurve ist die korrekte Bestimmung des stationären thermischen Widerstandes Rth . Dieser Wert liegt auf der Abkühlkurve Zth,auf heiz zum Zeitpunkt t = 0 (siehe Formel 3.13). Unter realen Messbedingungen kann dieser Wert nicht gemessen werden. Nach dem Abschalten des Laststromes verzögert sich der Startzeitpunkt für die Messung aufgrund von Rekombinationsvorgängen im Bauelement und der Einregelzeit der Messstromquelle. Erst nach dieser Verzögerung kann mit der Messung begonnen werden. Die Verzugszeit liegt im Bereich einiger 100µs. In dieser Zeit kühlt sich die Sperrschicht bereits ab. In Abbildung 3.19 wird eine Methode gezeigt, wie trotz dieser Messverzögerung der stationäre thermische Widerstand Rth richtig bestimmt werden kann. Zth,auf heiz (t) = Zth,abkühl · (−1) + Rth (3.12) Rth = Zth,abkühl (t = 0) (3.13) Wie in Kapitel 3.1 gezeigt, ist der Temperaturverlauf der Sperrschicht im ersten kurzen Zeitabschnitt des Abkühlvorgangs eine Geradenfunktion über der Wurzel der Zeit. Weil in diesem Zeitabschnitt sich die Referenztemperatur Tref aufgrund hoher Zeitkonstanten des Kühlkörpers oder des Kühlmediums nicht ändert, ist der Zusammenhang auch auf die thermischen Impedanz Zth,abkühl (t) übertragbar. Wie Abbildung 3.19 zeigt, ist das in sehr guter Näherung mit der Messung übereinstimmend. Wie 3.2 Thermische Impedanzspektroskopie 59 Zthja(t) Vergleich zwischen Aufheiz- und Abkühl-Messverfahren 0,18 0,16 0,14 Zthja in K/W 0,12 0,10 0,08 0,06 0,04 0,02 0,00 1,0E-04 1,0E-03 1,0E-02 Aufheiz-Messverfahren 1,0E-01 t in s 1,0E+00 1,0E+01 1,0E+02 Abkühl-Messverfahren Abbildung 3.18: Vergleich der thermischen Impedanzen, ermittelt mit dem Aufheiz-Messverfahren und Abkühl-Messverfahren; Messung zwischen Sperrschicht und Kühlflüssigkeit an einem 600V 300A Leistungsmodul mit direkt gekühlter Grundplatte, Messung bei 150A Laststrom bzw. 171W Verlustleistung bei der Messung der maximalen Sperrschichttemperatur ist der Zeitpunkt t=0 in der negativen Stromflanke bei 50% des Stromwertes. Mit dem Prinzip kann der verzögerte Start der Messung kompensiert und der richtige thermische Widerstand Rth bestimmt werden. Damit kann nun die Abkühlkurve in die Aufheizkurve mit der Formel 3.12 umgerechnet werden. Grafisch bedeutet diese Umrechnung eine Spiegelung der Abkühlkurve an der Zeitachse und eine Verschiebung um den Wert Rth nach oben. Als Ergebnis erhält man eine weit verbreitete Darstellung der thermischen Impedanz (siehe Abbildung 3.18) als Aufheizkurve. Beachtet werden muss bei der Messung der Einfluss des Laststromes bzw. der Wärmestromdichte. Wie Abbildung 3.20 zeigt, führt eine höhere Wärmestromdichte zu einem höheren thermischen Widerstand. Der höhere Laststrom führt zu höheren Temperaturen im Leistungsmodul. Da die Wärmeleitfähigkeit der Materialien mit der Temperatur sinkt, steigt der thermische Widerstand des Leistungsmoduls. Dieser Effekt muss berücksichtigt werden. Verglichen werden dürfen nur thermische Impedanzen 60 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte Gemessene Zthja, abkühl(t) eines 400A, 600V IGBTs 0,20 0,20 0,18 0,18 Rth 0,16 0,16 0,14 0,14 0,12 0 Zthja in K/W 0,12 0,05 (t)1/2 in (s)1/2 0,10 0,1 0,08 0,06 0,04 0,02 0,00 0,0001 0,001 0,01 0,1 t in s 1 10 100 Abbildung 3.19: Gemessene Abkühlkurve Zth,abkühl (t), indirekte Bestimmung des thermischen Widerstands Rth eines Leistungsmoduls bei etwa gleichen Wärmestromdichten, was für die thermische Impedanzspektroskopie relevant ist. 3.2.2 Quasi-kontinuierliches Impedanzspektrum Die thermische Impedanz wird vereinfacht mit Hilfe eines eindimensionalen Ersatzschaltbildes beschrieben. Üblicherweise wird hierzu die FOSTERDarstellung genommen (siehe Abbildung 3.21). Diese Schaltung spiegelt das thermische Verhalten des betrachteten Systems zwischen der Sperrschichttemperatur Tvj und der Referenztemperatur Tref wieder. Die Knotenpunkte zwischen den einzelnen RC-Gliedern können dabei nicht einem realen Punkt im Kühlpfad des Leistungsmoduls zugeordnet werden. Das Verhalten des FOSTER-Ersatzschaltbildes wird mathematisch mit Formeln 3.14 und 3.15 beschrieben. Zth (t) = n X i=1 − t Ri 1 − e τi (3.14) 3.2 Thermische Impedanzspektroskopie 61 Zth in Abhängigkeit des Laststroms 0,18 0,16 0,14 Zth in K/W 0,12 0,10 0,08 0,06 0,04 0,02 0,00 1,0E-04 1,0E-03 1,0E-02 150A 1,0E-01 t in s 250A 1,0E+00 1,0E+01 1,0E+02 350A Abbildung 3.20: Einfluss des Laststroms bzw. der Wärmestromdichte auf den Verlauf der thermischen Impedanz, gemessen am 600V, 300A Leistungsmodul mit einer direkt gekühlten Grundplatte mit der PinFinStruktur τi = Ri · Ci (3.15) Je nach Dicke und Anzahl der Materialschichten zwischen der Sperrschichttemperatur und der Referenztemperatur sind unterschiedlich viele Glieder im FOSTER-Ersatzschaltbild für eine genaue Approximation notwendig. Für das Leistungsmodul mit glatter Grundplatte sind für die Beschreibung der thermischen Impedanz zwischen Sperrschicht und Grundplattenunterseite (oft bezeichnet als Zthjc ) drei bis vier RC-Glieder ausreichend. Ein bis zwei Glieder mehr sind notwendig, wenn die Referenztemperatur im Kühlkörper oder im Kühlmedium (Luft, Kühlflüssigkeit) liegt. Die in dieser Form beschriebene thermische Impedanz lässt sich grafisch in der Form eines diskreten Spektrums darstellen. Dabei bilden die Zeitkonstanten τi die x-Achse und die Amplituden sind die dazugehörigen thermischen Teilwiderstände. Ein Beispiel dafür ist in der Abbildung 3.22 dargestellt. In diesem Diagramm ist das diskrete Spektrum eines StandardLeistungsmoduls FS400R07A1E3 (600V, 400A) des Herstellers Infineon Technologies dargestellt. Die Daten hierfür sind in Tabelle 3.2. Dieses diskrete Spektrum kann mit dem „Levenberg-Marquardt-Verfahren” be- 62 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte Tj R1 Rn C1 Cn PV Tref Abbildung 3.21: FOSTER-Ersatzschaltbild für die thermische Impedanz rechnet werden [33]. Möglich hierfür ist auch das Lösungsverfahren „NNLS” (non negative least square) aus [53]. Tabelle 3.2: RC-Glieder des FOSTER-Ersatzschaltbildes für den IGBT im Leistungsmodul FS400R07A1E3 (600V, 400A), Datenblattwerte Index 1 2 3 4 τi in s 3,60E-4 1,94E-2 3,76E-2 9,87E-1 ri in K/W 0,01419 0,06479 0,03350 0,00743 Obwohl das diskrete Spektrum das thermische Verhalten ausreichend genau beschreibt, muss dieses in komplexen thermischen Systemen eher kontinuierlicher Natur sein. In [91] und [90] wird eine Vorgehensweise vorgestellt, wie man ausgehend von der gemessenen thermischen Impedanz das kontinuierliche Impedanzspektrum berechnet. Die Berechnung des kontinuierlichen Impedanzspektrums unterteilt sich in drei Schritte: 1. Logarithmieren der Zeitachse der Zth -Funktion 2. Ableitung der Zth -Funktion 3. Lösung eines Faltungsintegrals Problematisch erweist sich bei der Anwendung dieser Methode auf die Leistungsmodule die Ableitung der gemessenen Zth -Funktion. Dieser Schritt liefert bei bereits geringem Rauschen der Messwerte in der thermischen Impedanz zu starken Störungen in der Ableitungsfunktion. Ein weiteres Verarbeiten dieser Werte führt zu schlechten Ergebnissen. Um dies zu veranschaulichen, zeigt Abbildung 3.23 die ermittelte Ableitungsfunktion aus einer gemessenen thermischen Impedanz eines Leistungsmoduls. Wie 3.2 Thermische Impedanzspektroskopie 63 Diskretes Spektrum 0,07 0,06 Rth in K/W 0,05 0,04 0,03 0,02 0,01 0 1,0E-05 1,0E-04 1,0E-03 1,0E-02 τ in s 1,0E-01 1,0E+00 1,0E+01 Abbildung 3.22: Diskretes Impedanzspektrums des Leistungsmoduls FS400R07A1E3 im rechten Diagramm zu erkennen, enthält die Ableitungsfunktion ein starkes Rauschen, obwohl die gemessene thermische Impedanz im linken Diagramm nur eine geringe Streuung der Messwerte aufweist. Ein Filtern dieser Funktion würde zu einem Informationsverlust führen. Deshalb wird speziell für Leistungsmodule ein anderer Lösungsweg nachfolgend vorgeschlagen. Bei dem neuen Lösungsansatz wird die Ableitung der thermischen Impedanzfunktion vermieden. Der erste Schritt dieses Lösungsweges ist das Logarithmieren der t- und der τ -Achse (siehe Gleichungen 3.16 und 3.17). Damit lässt sich die FOSTER-Darstellung aus Gleichung 3.14 in Gleichung 3.18 umformen. Zth (t) = n X i=1 x = ln(t) (3.16) ξ = ln(τ ) (3.17) (xj −ξi ) R(ξi ) 1 − e−e (3.18) 64 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte Gemesssene thermische Impedanz Zthja(ln(t)) Ableitungsfunktion dZthja/d(ln(t)) 0,030 0,10 0,025 0,08 0,020 Zthja in K/W dZthja/d(ln(t) 0,12 0,06 0,015 0,04 0,010 0,02 0,005 0,00 0,000 -8 -6 -4 -2 ln(t) 0 2 4 -8 -6 -4 -2 ln(t) 0 2 4 Abbildung 3.23: Links: gemessene thermische Impedanz eines 800A / 600V IGBTs im direkt gekühlten Leistungsmodul; rechts: rechnerisch ermittelte Ableitungsfunktion Für die Verarbeitung der Messwerte ist Gleichung 3.18 in der MatrixDarstellung von Vorteil, siehe Gleichungen 3.19 und 3.20. Damit ist die Matrixgleichung 3.21 vorgegeben. Der Vektor z enthält die Messwerte der gemessenen thermischen Impedanz Zth , die Matrix A ist die Faltungsmatrix der logarithmierten t- und τ -Achsen und der Vektor r ist unbekannt, der die Amplitudenwerte des zu berechnenden Impedanzspektrums enthält. Die logarithmierte t-Achse wird von der gemessenen thermischen Impedanz vorgegeben. Dagegen muss die τ -Achse frei gewählt werden, wobei der Wertebereich mindestens zwischen der kleinsten und der größten Zeitkonstante des zu untersuchenden thermischen Systems liegen soll. Zth (x1 ) a11 · · · a1i · · · a1n R(ξ1 ) .. .. .. .. .. . . . . . (3.19) Zth (xj ) = aj1 · · · aji · · · ajn · R(ξi ) .. .. .. .. .. . . . . . Zth (xm ) am1 · · · ami · · · amn R(ξn ) 3.2 Thermische Impedanzspektroskopie 65 (xj −ξi ) aji = 1 − e−e (3.20) z =A·r (3.21) Prinzipiell kann Gleichung 3.21 mit verschiedenen mathematischen Hilfsmitteln gelöst werden. Als optimal für die gegebene Problemstellung erweist sich der iterative Lösungsalgorithmus nach [49], der mit Formel 3.22 angegeben ist. Darin ist der Index p die Anzahl der Iterationen. (p+1) ri X aji · r(p) · zj 1 i =P · P (p) ajk · rk aji j j (3.22) k Mit Hilfe der beschriebenen Vorgehensweise wurde das Spektrum für ein IGBT des Standardmoduls FS400R07A1E3 (650V, 400A) des Herstellers Infineon Technologies AG berechnet. Hierfür war der Ausgangspunkt die thermische Impedanz zwischen der Sperrschicht und der Grundplattenunterseite (Rthjc ) aus dem Datenblatt. Mit Hilfe der FOSTER-Glieder wurde die thermische Impedanz mit 300 Punkten erstellt, danach für diese Funktion das quasi-kontinuierliches Spektrum berechnet. Die Lösung zeigt Abbildung 3.24. Im Vergleich zum diskreten Spektrum wird die thermische Impedanz mit viel mehr RC-Gliedern des FOSTER-Netzwerkes beschrieben und erlaubt mit der weiteren mathematischen Analyse eine physikalische Interpretation des Kühlpfads im Leistungsmodul. 3.2.3 Strukturfunktionen Das quasi-kontinuierliche Spektrum stellt ein FOSTER-Ersatzschaltbild mit vielen RC-Gliedern dar. Für die weitere Analyse ist die Umrechnung dieses FOSTER-Ersatzschaltbildes in das äquivalente CAUERErsatzschaltbild (Abbildung 3.25) notwendig. Die Transformation des FOSTER-Ersatzschaltbildes in das äquivalente CAUER-Ersatzschaltbild kann mit dem rekursiven Umrechnungsalgorithmus aus [21] durchgeführt werden. Im Nachfolgenden wird die Herleitung des Algorithmus nicht im Detail erläutert, sondern nur die Anwendung dieser Transformation beschrieben. Der erste Schritt der Umrechnungsvorschrift ist die Anwendung der Laplace-Transformation in Gleichung 3.14. Das FOSTER-Ersatzschaltbild 66 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte Quasikontinuierliches Impedanzspektrum 0,025 Rth in K/W 0,020 0,015 0,010 0,005 0,000 1,0E-05 1,0E-04 1,0E-03 1,0E-02 τ in s 1,0E-01 1,0E+00 1,0E+01 Abbildung 3.24: Berechnetes quasi-kontinuierliches Spektrum für den IGBT des Standard-Leistungsmoduls FS400R07A1E3 (650V, 400A) im Bildbereich nach dieser Transformation beschreiben Gleichungen 3.23 und 3.24 n X 1 Zth (s) = (3.23) Ci (s − si ) i=1 −1 (3.24) Ri · Ci Mit der Laplace-Darstellung muss die Summe der PT1-Glieder der Gleisi = r1 Tj PV c1 rn cn Tref Abbildung 3.25: CAUER-Ersatzschaltbild für die thermische Impedanz 3.2 Thermische Impedanzspektroskopie 67 chung 3.23 in die Form der gebrochen rationalen Funktion gebracht werden (siehe 3.25), wobei p(s) Zählerpolynom und q(s) Nennerpolynom darstellen. In dieser Funktion ist der Zählergrad um eins kleiner als der Nennergrad. Zth (s) = p(s) q(s) (3.25) Im dritten Schritt wird der Nenner durch den Zähler der Gleichung 3.25 mit Hilfe der Polynomdivision dividiert, wobei als Ergebnis die Summe aus einer linearen Funktion und einem Rest herauskommt (siehe Gleichung 3.26). Die ersten Teilkomponenten ri und ci des CAUERErsatzschaltbildes können nun aus dem Term s · a + b bestimmt werden. Die Gleichungen 3.27 und 3.28 beschreiben den Zusammenhang zwischen CAUER-Parameter und der linearen Funktion. q(s) qrest (s) = s · a + b + Rest; Rest = p(s) pi (s) (3.26) 1 b (3.27) ci = a (3.28) ri = Im letzten Schritt wird eine gebrochen rationale Funktion mit Hilfe der Rekursion in Gleichungen 3.29 und 3.30 definiert. Für die neue Funktion pi−1 (s)/qi−1 (s) kann wieder die Umrechnungsvorschrift ab Gleichung 3.25 angewendet werden. Die Iterationsschleife wird so lange durchgeführt bis der Rest Null wird. Die Anzahl der Schleifendurchläufe entspricht genau der Anzahl der RC-Paare im FOSTER-Ersatzschaltbild. Damit hat das CAUER-Ersatzschaltbild nach der Transformation genauso viele RC-Paare wie das äquivalente FOSTER-Netzwerk. qi−1 (s) = b · pi (s) + qrest pi−1 (s) = −qrest b (3.29) (3.30) Mit dem berechneten CAUER-Ersatzschaltbild können Strukturfunktionen gebildet werden, die eine physikalische Interpretation des Kühlpfads ermöglichen. Bekannt sind differentielle Strukturfunktion und kumulative Strukturfunktion [70], [69], [48], [47]. Die differentielle Strukturfunktion K(ρ) wird mit Gleichung 3.31 und die kumulative Strukturfunktion 68 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte Ckum (ρ) mit Gleichung 3.32 gebildet. Die Berechnung erfolgt mit den Parametern ri und ci des CAUER-Ersatzschaltbildes. n K(ρ) : Ki = X ci ; ρi = ri ri i=1 Ckum (ρ) : Ckum,i = n X ci ; ρi = i=1 (3.31) n X ri (3.32) i=1 Als Beispiel wurden beide Strukturfunktionen für das berechnete Spektrum aus Abbildung 3.24 bestimmt. Zunächst wurde das Spektrum bzw. das FOSTER-Ersatzschaltbild nach dem beschriebenen Verfahren in das CAUER-Ersatzschaltbild transformiert, danach die Parameter der Strukturfunktionen mit den Gleichungen 3.31 und 3.32 berechnet. Das Ergebnis ist in Abbildungen 3.26 und 3.27 dargestellt. K(ρ) 1,0E+07 Rthjc 1,0E+06 4 K in (W²s)/K² 1,0E+05 1,0E+04 3 1,0E+03 1,0E+02 2 1 1,0E+01 1,0E+00 1,0E-01 0,00 0,02 0,04 0,06 0,08 0,10 0,12 0,14 ρ in K/W Abbildung 3.26: Differentielle Strukturfunktion eines 650V/400A IGBTs, ermittelt nach der thermischen Impedanz des Datenblattes Auf der ρ-Achse bei diesen Strukturfunktionen ist bei ρ = 0 der Halbleiterchip. Von diesem Punkt aus nach rechts ist der physikalische Wärmefluss vom Chip zum Referenzpunkt Tref . Strukturfunktionen können nach [90] 3.2 Thermische Impedanzspektroskopie 69 Ckum(ρ) 1,0E+04 Rthjc Ckum in (Ws)/K 1,0E+03 4 1,0E+02 1,0E+01 3 1,0E+00 2 1,0E-01 1 1,0E-02 1,0E-03 0,00 0,02 0,04 0,06 0,08 0,10 0,12 0,14 ρ in K/W Abbildung 3.27: Kumulative Strukturfunktion eines 650V/400A IGBTs, ermittelt nach der thermischen Impedanz des Datenblattes wie folgt physikalisch interpretiert werden. In der differentiellen Strukturfunktion geben die lokalen Maxima die Informationen über die jeweilige Materialschicht. Bei der kumulativen Strukturfunktion liefern Plateaus Werte für die Identifikation des Kühlpfads. In diesem gezeigten Beispiel konnten vier Punkte identifiziert werden, die einzelnen Materialschichten zugeordnet werden können. Den physikalisch Zusammenhang der Werte K und Ckum geben die Gleichungen 3.33 und 3.34. λ ist die Wärmeleitfähigkeit, s ist die Wärmespeicherzahl, A ist die am Wärmefluss beteiligte Fläche und d ist die Dicke der Materialschicht. Die Konstanten der im Leistungsmodul verwendeten Materialien sind in Tabelle 3.3 aufgelistet. K(ρ) = λ · s · A2 (3.33) Ckum (ρ) = s · A · d (3.34) Mit grober Kenntnis über den Leistungsmodulaufbau bzw. über darin verwendete Materialien lassen sich die wesentlichen Schichten identifizieren. In Tabelle 3.4 sind anhand der ermittelten Strukturfunktionen die vier markierten Punkte den einzelnen Materialien im Leistungsmodul-Kühlpfad zugeordnet. 70 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte Tabelle 3.3: Materialkonstanten aus [100] Material Si Cu Al2 O3 Lot Wärmeleitfähigkeit λ in W/(m · K) 148 394 24 70 Wärmespeicherzahl s in W s/(m3 · K) 1,65·106 3,40·106 3,03·106 1,67·106 Tabelle 3.4: Zuordnung der Messpunkte aus Strukturfunktionen (Abbildungen 3.26 und 3.27 zu Materialschichten Punkt Nr. Material 1 Si 2 Al2 O3 3 Cu (Grundplatte) 4 TIM Mit den Werten K und Ckum und den Materialkonstanten aus Tabelle 3.3 können die Abmessungen des Chips ermittelten werden. Im betrachteten Leistungsmodul sind zwei IGBT-Chips parallel geschaltet, die jeweils eine Chipfläche von ca. 10mm x 10mm haben. Die Dicke des IGBTs beträgt 70µm. Aus Strukturfunktionen können für den Si-Chip die Werte K = 6(W 2 s)/K 2 und C = 0, 02W s/K abgelesen werden. Damit ergibt sich für die Fläche eines Chips 9mmx9mm und für die Chipdicke der Wert von 77µm. Das entspricht mit guter Genauigkeit der tatsächlichen Größe. Für andere Schichten können prinzipiell mit der gleichen Vorgehensweise die geometrischen Abmessungen bestimmt werden. Je weiter die Schicht vom Chip entfernt ist, desto schlechter wird jedoch die Genauigkeit. Die Abweichung ist auf die Unsicherheitsproblematik der differentiellen Strukturfunktion zurückzuführen. Diese Funktion ist einerseits von der Messqualität der thermischen Impedanz abhängig und kann andererseits vom numerischen Rauschen des Lösungsalgorithmus beeinflusst ([74], [75]) werden. Die partiellen thermischen Widerstände können mit ausreichend guter Qualität in Abbildungen 3.27 und 3.26 voneinander getrennt werden, was für die Fehleranalyse verwendet werden kann. Man sieht in der differentiellen Strukturfunktion den bestimmenden Anteil des thermischen Widerstandes zwischen den Punkten 2 und 3. Dieser Anteil ist die Al2 O3 Schicht und beträgt etwa 70% des Gesamtwiderstandes. Zwischen den Punkten 1 und 2 ist der Teilwiderstand bestehend aus Silizium-, Lot-, und Kupferschicht (obere Metallisierung der DCB-Keramik). Dieser Teil beträgt etwa 16%. Dies entspricht mit sehr guter Genauigkeit der Aussage in [100] für heutige Standard-Leistungsmodule. Punkt 3 kann der CuGrundplatte zugeordnet werden. Zwischen Punkt 4 und dem stationären 3.2 Thermische Impedanzspektroskopie 71 Endwert Rthjc ist der Übergangswiderstand zwischen Grundplatte und Messpunkt der Referenztemperatur. 3.2.4 Messung von Alterungsprozessen Die zweite Methode der thermischen Impedanzspektroskopie, die nachfolgend beschrieben wird, bietet eine Möglichkeit zur Beobachtung von Alterungsprozessen im thermischen Pfad des Leistungsmoduls während der Lastwechseltests. Ziel ist es zu ermöglichen, die zeitliche Reihenfolge von verschiedenen Fehlermechanismen im Leistungsmoduls zu verfolgen. Im Laufe des Tests von Lastwechseltests treten oft in mehreren Schichten des Leistungsmoduls Degradationsprozesse auf. Wenn die Fehleranalyse des Kühlpfads im Leistungsmoduls nur am Testende durchgeführt wird, kann keine Aussage über die zeitliche Abfolge der Fehlermechanismen gemacht werden. Im Vergleich zur ersten Fehleranalysemethode mit Strukturfunktionen lässt sich diese Methode einfacher in einem Messprogramm automatisieren. Der Ansatz ist die Messung der Parameter des CAUER-Ersatzschaltbildes. Hierfür ist es ausreichend nach der herkömmlichen Methode die thermischen Impedanz mit dem diskreten Impedanzspektrum zu beschreiben. Die gemessene Kurve wird mit Hilfe vom FOSTER-Netzwerk mit wenigen RC-Paaren approximiert. Dieses Netzwerk wird dann im nächsten Schritt in das CAUER-Netzwerk mit der vorgeschlagenen Methode der FOSTER-CAUER-Transformation in Kapitel 3.2.3 umgerechnet. Da die Knotenpunkte des CAUER-Ersatzschaltbildes einem bestimmten physikalischen Punkt im Kühlpfads zugeordnet werden können, liefern die Teilwiderstände dieses Netzwerks die Information über einen bestimmten Bereich des Kühlpfads. Misst man diese Teilwiderstände über die Dauer des Lastwechseltests in regelmäßigen Abständen, können Degradationen in verschiedenen Schichten des Leistungsmoduls gemessen werden. Dieser Ansatz kann mit Hilfe einer thermischen Simulation bestätigt werden. Für diese Simulation wurde das vereinfachte thermische Modell aus [31] verwendet. Der simulierte Kühlpfad des Leistungsmoduls ist in Abbildung 3.28 gezeigt. Die Simulation wurde für ein 600V / 400A Standardmodul durchgeführt. Für die Berechnung der thermischen Impedanz wurde eine Chipfläche von 2cm2 angenommen. Weitere Angaben zum Simulationsmodell sind im Anhang A.2. Simuliert wurden thermische Impedanzen zwischen Sperrschicht und Kühlwasser für drei typische Fehler im Kühlpfad des Leistungsmoduls: • Degradation der Chipverbindung 72 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte Wärmestrom Chip (Si, SiC) Chipverbindung (Lot) Substrat-Metallisierung (Cu) Keramik (Al2O3) Substrat-Metallisierung (Cu) Systemverbindung (Lot) Grundplatte (Cu) Wärmeleitpaste Kühlkörper (Cu) Wasser Abbildung 3.28: Schichtenmodell für die thermische Simulation verschiedener Fehlerfälle im Kühlpfad eines Leistungsmoduls • Degradation der Systemverbindung • Degradation der Wärmeleitpaste Für die Simulation dieser Fehlerfälle wurden vereinfacht die Flächen entsprechender Schichten so verkleinert, dass der Gesamtwiderstand zwischen Chip und Kühlwasser um 20% höher wurde. Das Prinzip dieser Flächenverkleinerung ist in Abbildung 3.29 gezeigt. Simulation von typischen Fehlermechanismen im Kühlpfad Chipverbindung Systemverbindung Wärmeleitpaste Abbildung 3.29: Prinzip der Simulation von typischen Fehlermechanismen Die simulierten thermischen Impedanzen zeigt Abbildung 3.30. Diese Kurven wurden mit Hilfe der Methode der kleinsten Quadrate „NNLS”aus [53] an das FOSTER-Ersatzschaltbild mit sieben RC-Paaren approximiert und danach in die CAUER-Parameter umgerechnet. Die Verteilung der CAUER-Teilwiderstände in Abbildung 3.31 zeigt, dass für einen bestimmten Fehlerfall nur ein Teilwiderstand einen signifikanten Anstieg zeigt. Betrachtet man den Fall „Chipverbindung”, sieht man den größten Anstieg im Rth -Anteil Nr. 2. Die anderen Anteile dieses Fehlerfalles zeigen zwar auch eine Erhöhung; diese bleibt aber relativ gering. Dieser Effekt kann anhand Abbildung 3.29 erläutert werden. Bei der Degradation der Chipverbindung kommt es im ganzen Kühlpfad zu einer Einengung des Wärmeflusses. Die relative Abnahme der Fläche ist in der Chipverbindung am größten, in den darunter liegenden Schichten nimmt sie aufgrund der 3.2 Thermische Impedanzspektroskopie 73 Wärmespreizung ab. Analog zu diesem Fehlerfall können Veränderungen der Rth -Anteile für andere Fehlerfälle beobachtet werden. Zth-Verläufe bei verschiedenen Fehlern 0,30 0,25 Zth in K/W 0,20 0,15 0,10 0,05 0,00 1,0E-04 ohne Fehler 1,0E-03 1,0E-02 1,0E-01 t in s Chipverbindung 1,0E+00 Systemverbindung 1,0E+01 Wärmeleitpaste Abbildung 3.30: Verläufe der thermischen Impedanz eines wassergekühlten Leistungsmoduls mit drei verschiedenen Fehlern im Kühlpfad Die Teilwiderstände des CAUER-Ersatzschaltbildes beschreiben einen bestimmten Bereich des Kühlpfads. Die Reihenfolge der Parameter entspricht der Richtung vom Chip zum Kühlwasser. Für die physikalische Interpretation der Parameter muss abgeschätzt werden, zu welchem Punkt des Kühlpfades der Knotenpunkt zwischen den Teilwiderständen zugeordnet werden kann. Prinzipiell kann die Auflösung, womit man den Kühlpfad in Teile zerlegt, mit der Anzahl der RC-Paare frei gewählt werden. Für die Erkennung von typischen Fehlerfällen ist es ausreichend die thermische Impedanz mit drei bis vier Gliedern zu beschreiben. 3.2.5 Bestätigung der Methode In diesem Abschnitt soll anhand experimenteller Beispiele die Anwendbarkeit der thermischen Impedanzspektroskopie bestätigt werden. Es werden Beispiele zur ersten Methode gezeigt. Die Anwendbarkeit der zweiten Methode für die Beobachtung von Alterungsprozessen wird in Kapitel 4 74 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte Rth-Anteile des CAUER-Ersatzschaltbildes 0,14 0,12 Rth in K/W 0,10 0,08 0,06 0,04 0,02 0,00 1 ohne Fehler 2 3 Chipverbindung 4 5 Rth-Anteil (Nr.) Systemverbindung 6 7 Wärmeleitpaste Abbildung 3.31: Einfluss verschiedener Fehlerfälle auf die Verteilung der CAUER-Teilwiderstände, Ergebnisse für simulierte Zth (t)-Kurven in Abbildung 3.30 experimentell nachgewiesen. Der Prüfling war in der ersten Untersuchung ein 600V/400A Leistungsmodul mit heutiger Standardtechnologie. Dieses Leistungsmodul war auf einem wassergekühlten Kühlkörper montiert und wurde mit aktiven Zyklen belastet. Die Testparameter waren laut Tabelle 3.5. Der Test erreichte das „End-of-Life” aufgrund des angestiegenen thermischen Widerstandes. Wie die nachfolgende Analyse gezeigt hat, war für den Anstieg die Degradation der Chipverbindung verantwortlich. Abbildung 3.32 zeigt die gemessenen thermischen Impedanzen am Anfang und am Ende des Lastwechseltests. Der stationäre thermische Widerstand Rth ist am Ende des Tests um ca. 20% erhöht, was dem Ausfallkriterium entspricht. Nach Erreichen dieses Kriteriums wurde der Lastwechseltest gestoppt. Eine eindeutige Lokalisierung des Fehlers mit Hilfe der thermischen Impedanzspektroskopie liefert die kumulative Strukturfunktion in Abbildung 3.33. Die Funktion mit der degradierten Chipverbindung ist im Vergleich zur Funktion ohne Degradation um den Wert ∆ nach rechts verschoben. Die Verschiebung ist gleich an der ersten Stufe zu erkennen. In Bezug 3.2 Thermische Impedanzspektroskopie 75 Tabelle 3.5: Testparameter beim Lastwechseltest für die Untersuchung der thermischen Impedanzspektroskopie Parameter für Lastwechsel Parameter für Zth -Messung I ton tof f Tvj,max ∆Tj TW asser PV I ton tof f Messperiode 400A 0,6s 3,1s 175◦ C 105K 70◦ C 320W/cm2 250A 30s 30s 250Zyklen auf die Interpretation der Funktion in Abbildung 3.26, bedeutet diese Verschiebung eine Verschlechterung des lokalen thermischen Widerstandes zwischen dem Chip und Al2 O3 -Keramik. Damit ist die Degradation in der Chipverbindung eindeutig nachgewiesen. Dieser Fehler wird mit der Ultraschallaufnahme in Abbildung 3.34 bestätigt. Für die Untersuchung der thermischen Impedanzspektroskopie auf die Lokalisierung des Fehlers in der Systemverbindung dient ein Lastwechseltestergebnis aus [31]. Das 600V/400A Leistungsmodul fiel unter den gewählten Lastwechselbedingungen nur aufgrund der Degradation in der Systemverbindung. Das Fehlerbild, aufgenommen mit einem Ultraschallmikroskop, zeigt Abbildung 3.35. Die Systemverbindung weist Schädigungen auf, die als helle Bereiche zu erkennen sind; in der Chipverbindung sind dagegen keine Degradationen sichtbar. Dieses Fehlerbild kann anhand der Strukturfunktion in Abbildung 3.36 bestätigt werden. Im Bereich des Chips sind keine wesentlichen Veränderungen des Funktionsverlaufs zu sehen. Strukturfunktionen für beide Fälle laufen erst im Bereich von etwa ρ = 0, 1 auseinander, was physikalisch dem Bereich zwischen der DCB-Keramik und der Grundplatte entspricht. Damit kann eindeutig die Degradation der Systemverbindung eingegrenzt werden. Für den Fall, dass die Wärmeleitpaste im Kühlpfad des Leistungsmoduls altert, eignet sich die Strukturfunktion ebenfalls zur Fehlerlokalisierung. Für diesen typischen Fehlerfall zeigt Abbildung 3.37 die differentielle 76 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte Zth(t) 0,30 0,25 Zth in K/W 0,20 0,15 0,10 0,05 0,00 1,0E-04 1,0E-03 1,0E-02 1,0E-01 1,0E+00 1,0E+01 1,0E+02 t in s ohne Degradation mit Degradation der Chipverbindung Abbildung 3.32: Thermische Impedanz des 600V/400A IGBTs am Anfang und am Ende des Lastwechseltests Strukturfunktion. Es ist deutlich zu erkennen, dass die Strukturfunktionen Änderungen außerhalb von dem thermischen Widerstand Rthjc aufweisen. Die Kurve für den Fall mit gealterter Wärmeleitpaste hat einen höheren partiellen thermischen Widerstand zwischen Rthjc (thermischer Widerstand zwischen Sperrschicht und Modulgrundplatte) und Rthjh (thermischer Widerstand zwischen Sperrschicht und Kühlkörper). Dieser partielle Widerstand wird von der Wärmeleitpaste bestimmt. Anhand der vorgestellten Messungen kann gezeigt werden, dass sowohl die kumulative als auch die differentielle Strukturfunktion für die Fehleranalyse bei Zuverlässigkeitsuntersuchungen der Leistungsmodule geeignet ist. Es besteht nach dem heutigen Stand der Technik oft die Schwierigkeit die Schädigungen im Kühlpfad eines Leistungsmoduls eindeutig einzugrenzen. Nach der herkömmlichen Methode wird bei Lastwechseltests der stationäre thermische Widerstand zwischen der Sperrschicht des Leistungsmoduls und der Referenztemperatur-Messstelle überwacht. Der Anstieg des thermischen Widerstandes kann aufgrund der Degradation der Verbindungsschichten im Leistungsmodul oder der Verschlechterung des Wärmeleitmaterials wie z.B. Wärmeleitpaste zwischen Leistungsmodul und Kühlkörper verursacht werden. Auch die Verringerung des Kühlmitteldurchflusses und Ablagerungen im Kühlkörper bei wassergekühlten 3.2 Thermische Impedanzspektroskopie 77 Ckum in (Ws)/K Ckum(ρ) 1,0E+05 Rthjh(Testende) 1,0E+04 Rthjh(Teststart) 1,0E+03 Rthjc(Teststart) 1,0E+02 Δ 1,0E+01 1,0E+00 1,0E-01 1,0E-02 0,00 0,05 0,10 0,15 0,20 0,25 ρ in K/W ohne Degradation mit Degradation der Chipverbindung Abbildung 3.33: Kumulative Strukturfunktion des 600V/400A IGBTs ohne Degradation und mit degradierten Chipverbindung Testsystemen kann zur Erhöhung des thermischen Widerstandes führen. Für die Bewertung der Zuverlässigkeit der Leistungsmodule sind nur Fehler im Leistungsmodul relevant. Wird ein Anstieg des thermischen Widerstandes während des Lastwechseltests detektiert, muss der Fehler im Kühlpfad eindeutig lokalisiert werden. Dafür muss der Test bei herkömmlichen Lastwechseluntersuchungen unterbrochen, das Leistungsmodul abmontiert und zerstörungsfrei analysiert werden. Geeignete Methoden sind dafür die Ultraschall- oder Röntgenanalyse. Delaminationen innerhalb der Verbindungen können meist nur mit Hilfe der Ultraschallanalyse festgestellt werden, Mikrorisse in den Lotschichten werden mit Hilfe des Röntgenbildes sichtbar gemacht [45]. Eine zerstörungsfreie Analyse des Leistungsmoduls mit diesen Methoden ist jedoch nicht bei allen Aufbau- und Verbindungstechnologien möglich. Z.B. bei direkt flüssigkeitsgekühlten Leistungsmodulen mit der PinFin-Struktur auf der Grundplatte können keine Aufnahmen der Verbindungsschichten mit dem Ultraschallgerät in ausreichender Auflösung gemacht werden. Eine fein auflösende Ultraschallanalyse ist nur möglich, wenn die PinFinStruktur abgefräst wird. Nach dieser zerstörenden Prüfung kann der Lastwechseltest nicht weiter durchgeführt werden. In diesem Fall ist die zerstörungsfreie Analyse mit der thermischen Impedanzspektroskopie ein 78 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte IGBT IGBT Abbildung 3.34: Ultraschallanalyse eines 600V/400A Leistungsmoduls nach einem Lastwechseltest, links: Systemverbindung, mitte: Chipverbindung mit Degradation, rechts: Chipverbindung im Ausgangszustand wichtiges Hilfsmittel für die Zuverlässigkeitsuntersuchungen. Abbildung 3.35: Ultraschallanalyse eines 600V/400A Leistungsmoduls nach einem Lastwechseltest, links: Systemverbindung mit Degradation, rechts: Chipverbindung ohne Degradation 3.2 Thermische Impedanzspektroskopie 79 Ckum(ρ) 1,0E+05 Rthjh (ohne Fehler) 1,0E+04 Rthjc (Systemverbindung degradiert) 1,0E+03 Ckum in (Ws)/K Rthjc (ohne Fehler) 1,0E+02 1,0E+01 1,0E+00 Δ 1,0E-01 1,0E-02 0 0,05 0,1 0,15 0,2 0,25 ρ [K/W] ohne Fehler Systemverbindung degradiert Abbildung 3.36: Kumulative Strukturfunktion des 600V/400A IGBTs ohne Degradation und mit degradierten Systemverbindung K(ρ) 1,0E+09 Rthjh (Wärmeleitpaste gealtert) 1,0E+08 Rthjh (ohne Fehler) K in (W²s)/K² 1,0E+07 1,0E+06 Rthjc 1,0E+05 1,0E+04 1,0E+03 1,0E+02 1,0E+01 1,0E+00 1,0E-01 0 0,05 0,1 0,15 0,2 0,25 ρ [K/W] ohne Fehler Wärmeleitpaste gealtert Abbildung 3.37: Differentielle Strukturfunktion des 600V/400A IGBTs ohne Degradation und mit gealterter Wärmeleitpaste 80 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte 3.3 Lastwechselstand mit Gleichstrombelastung 3.3.1 Stromregelung und Kühlung Dieses Prüfstandskonzept ermöglicht die Lastwechselfestigkeit der Leistungsmodule mit dem weit verbreiteten Testverfahren zu untersuchen. Die Lastzyklen werden mit dem Gleichstrom generiert, wobei die Erwärmung bzw. die Temperaturhübe im Leistungsmodul aufgrund von internen Durchlassverlusten der Leistungsbauelemente entstehen. Zusätzlich zu diesem typischen Testverfahren bietet das hier beschriebene Testkonzept die Nachbildung von Kühlrandbedingungen eines Hybridfahrzeugs. Den realisierten Prüfstand zeigt Abbildung 3.38. Das Konzept für die Automatisierung des Prüfstandes entstand in [31]. Das Funktionsprinzip des Prüfstandes ist in Abbildung 3.39 dargestellt. Für den geregelten Belastungs-Gleichstrom wird zunächst die Netzspannung über einen Stelltransformator herunter transformiert und mit Hilfe einer Zwölfpuls-Gleichrichterschaltung gleichgerichtet. Die gleichgerichtete Spannung wird genutzt um den Laststrom mit Hilfe einer Zweipunktregelung zu regeln. Wichtige Eigenschaften der Stromregelung sind sowohl die geringe Welligkeit als auch das sehr schnelle Abschalten großer Ströme. Die abrupte Stromabschaltung ist notwendig, um die Sperrschichttemperatur im Leistungshalbleiter möglichst schnell nach dem Abschaltvorgang mit Hilfe der VCE (T)-Methode messen zu können. Die Stromregelung wird mit Hilfe eines Tiefsetzstellers realisiert (siehe Abbildung 3.40). Der Schalter MOSFET 1 in dieser Schaltung ist für die Regelung des Stroms zuständig. Mit Hilfe des Schalters MOSFET 2 und des parallel geschalteten Varistors wird die schnelle Stromabschaltung realisiert. Während des Abschaltvorgangs wird die in der Lastinduktivität gespeicherte Energie im Varistor in Wärme umgesetzt. Der Varistor begrenzt die Überspannung am Schalter MOSFET 2 und muss entsprechend Schalthäufigkeit, Größe der Lastinduktivität und Stromstärke thermisch bemessen sein. Für Kühlung bzw. Temperieren der zu testenden Leistungsmodule ist der Einsatz eines Kühl- und Heizgerätes erforderlich. Damit wird ermöglicht, neben der reinen Kühlung des Prüflings ein konstantes Temperaturniveau des Kühlmittels unabhängig von der Verlustleistungseinspeisung des Prüflings zu halten und passive Temperaturzyklen einzustellen. Um die Temperaturen größer als 100◦ C erreichen zu können, muss der Kühlkreislauf als geschlossenes System ausgeführt sein. Insgesamt können mit Funktionen des Kühlkreislaufs für die zu testenden Leistungsmodule die Umgebungsbedingungen eines Hybridfahrzeugs im beschränkten 3.3 Lastwechselstand mit Gleichstrombelastung Laststromregler 81 Prüflinge Kühl-, Heizgerät Messstromquelle Stelltransformator, Gleichrichter Lastinduktivität Steuerung und Messwerterfassung Abbildung 3.38: Realisierter Testaufbau für Lastwechseltests mit Gleichstrombelastung Temperaturbereich nachgebildet werden. Das Prinzip des Kühlkreislaufs ist in Abbildung 3.41 dargestellt. Das Kühlkonzept besteht aus zwei getrennten Kreisläufen. Der primäre Kreislauf wird an das Kühlwasser des Prüflabors angeschlossen, welches die Wärme über einen Wärmetauscher aus dem Sekundärkreislauf entzieht. Die minimal mögliche Temperatur im Kühlsystem wird mit diesem Kühlwasser bestimmt. Über das Ventil (Kühlen) kann die Kühlung ein- und ausgeschaltet werden und somit die Kühlleistung geregelt werden. Im Sekundärkreislauf befinden sich die zu temperierenden Leistungsmodule. Hier dient die Heizung als Wärmequelle, die zusätzlich zur Verlustleistung der Prüflinge zum Aufheizen des Kühlmittels genutzt werden kann. Die 82 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte Steuerung, Messwerterfassung 3~ 230/400V y D d DydStelltransformator UDC+ U~ U~ UDCB12Gleichrichter Imax Imin IDC,Last Q IDC,Last LaststromZweipunktregler Prüfling Kühlung, Temperierung Abbildung 3.39: Übersichtsschaltbild des Prüfstandes für Lastwechseltests mit Gleichstrombelastung Pumpe stellt die Durchflussmenge ein. Das Ausdehnungsgefäß ist ein kleiner Speicher, welches die Volumenänderung des Kühlmittels kompensiert. Darin wird der Kühlmittelstand kontrolliert und bei Bedarf das Kühlmittel aus dem Kühlmittel-Reservoir nachgefüllt. 3.3.2 Prinzip der Steuerung und Messwerterfassung Die Aufgaben der automatisierten Steuerung des Lastwechselversuchs unterteilen sich in zwei Gruppen. Zum einen müssen gewünschte Belastungsbedingungen ausgegeben und zum anderen die alterungsrelevanten Größen gemessen und überwacht werden. Beim vorgestellten Versuchsaufbau sind die Belastungsbedingungen rein aktive, rein passive oder überlagerte Temperaturzyklen. Für die Belastung mit aktiven Zyklen sind vier verschiedene Steuerungsverfahren möglich ([83]): 1. Konstante Ein- und Ausschaltzeit (ton , toff = const.) 2. Konstanter Temperaturhub an Gehäuse oder Kühlkörper (Tc = cont.) 3. Konstante Verlustleistung (Pv = const.) 4. Konstanter Temperaturhub der Sperrschicht Bei konstanter Ein- und Ausschaltzeit während des Lastwechseltests werden die Alterungseffekte im Kühlpfad des Leistungsmoduls nicht kompensiert. Eine Verschlechterung des thermischen Widerstandes im Laufe des Tests führt zur steigenden maximalen Sperrschichttemperatur. Bei üblichen Lastwechselbedingungen verändert der erhöhte Wärmewiderstand jedoch kaum die minimale Sperrschichttemperatur. Es kommt dadurch 3.3 Lastwechselstand mit Gleichstrombelastung 83 Laststrom-Zweipunktregler U MOSFET 1 MOSFET 2 Messstrom UDC ILast L Regler ILast Sollwert Prüfling EIN/AUS Signal Abbildung 3.40: Übersichtsschaltbild des Prüfstandes für Lastwechseltests mit Gleichstrombelastung zusätzlich zu einem erhöhten Temperaturhub der Sperrschicht und folglich zur Alterungsbeschleunigung der Aufbau- und Verbindungstechnik im Leistungsmodul. Wird während des Tests die zweite Steuerungsmethode angewendet, kompensiert man teilweise die Degradationen im Kühlpfad. Es kommt dadurch zu einer geringeren Alterungsbeschleunigung. Noch größer ist die Kompensation der Degradationsprozesse bei den letzten zwei Steuerungsverfahren. Wie in [83] gezeigt, führt das Verfahren mit konstanter Ein- und Ausschaltzeit zu kürzester Lebensdauer. Im Vergleich dazu wird beim konstantem Temperaturhub der Sperrschicht mit heutigen Leistungsmodulen die bis zu dreifache Zyklenzahl erreicht. Die Bedingungen in den ersten beiden Steuerungsmethoden kommen einer realen Anwendung am nächsten. Die anderen zwei entsprechen dagegen keiner realen Anwendung und sind deshalb für eine solide Lebensdaueruntersuchung nicht erwünscht. Die Steuerung des vorgestellten Prüfstandes für die Belastung mit überlagerten Zyklen basiert auf der Steuerungsmethode mit konstanter Einund Ausschaltzeit. Das Prinzip ist in Abbildung 3.42 dargestellt. Der gesamte Belastungszyklus ist in vier Phasen unterteilt: Aufwärmen, Halten warm, Abkühlen, Halten kalt. Im ersten Zustand wird der Prüfling passiv mit einer definierten Temperaturrampe aufgewärmt. Gleichzeitig erfährt das Leistungsmodul Lastwechsel, die eine feste Ein- und Ausschaltzeit 84 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte TE Wasser-WasserPlattenwärmetauscher Ausdehnungsgefäß Heizung Pumpe Temperatur Vorlauf Kühlmittel Vorlauf Ventil (Befüllen) TE KühlmittelTemperatur Reservoir Rücklauf Kühlmittel Rücklauf Ventil (Kühlen) Kühlwasser Kühlwasser Abbildung 3.41: Prinzip des Kühlkreislaufs für die Nachbildung der Umgebungsbedingungen des Hybridfahrzeugs haben. Erreicht die Kühlmitteltemperatur den maximalen eingestellten Wert, wird die Temperatur auf dem Niveau gehalten, bis die gewünschte Anzahl von aktiven Zyklen erreicht ist. Danach wird das System auf die Anfangstemperatur mit einer definierten Rampe abgekühlt. Nach diesem Zustand wird das untere Temperaturniveau des Kühlmittels konstant gehalten. Während dieser Phase werden die Durchlassspannung VCE und der transiente thermische Widerstand Zth des Prüflings gemessen. Dazu wird ein Strompuls mit einer gewünschten Länge ausgegeben. Diese Messung wird nur in gewissen Zeitabständen durchgeführt, nicht in jedem passiven Zyklus. Der Zeitabschnitt zwischen zwei Messungen muss abhängig von Testbedingungen gewählt werden, damit das Alterungsverhalten der Prüflinge mit einer noch ausreichenden Auflösung gemessen werden kann. Zusätzlich muss der Temperaturhub der Sperrschicht im Messvorgang möglichst niedrig sein, um den Einfluss auf die gesamte Lebensdauer des Prüflings im laufenden Test vernachlässigbar gering zu halten. Für rein aktive Zyklen wird die Kühlmitteltemperatur auf konstantem Niveau gehalten. Lastwechsel werden kontinuierlich ausgegeben und nur für den Messpuls, mit dem die Durchlassspannung und der transiente thermische Widerstand gemessen werden, kurzzeitig unterbrochen. Beim rein passiven Temperaturwechseltest werden die aktiven Zyklen weggelassen. Für die Aufzeichnung des Alterungsverhaltens werden während des Tests drei Messgrößen erfasst: Belastungsstrom I durch Prüflinge, Spannungsabfall am Leistungsbauelement VCE , Temperatur an einem gewählten Referenzpunkt Tc (Grundplatte des Prüflings, Kühlkörper oder Kühlmittel). Diese Größen müssen mit hoher Zeitauflösung abgetastet werden, um folgende Werte für die Zuverlässigkeitsbewertung aufzuzeichnen: 3.3 Lastwechselstand mit Gleichstrombelastung 85 200 1. Aufwärmen 2. Halten warm 160 Tvj,max 140 Tvj Temperatur 180 120 3. Abkühlen 4. Halten kalt TKühlmittel, max 100 Tvj,min 80 dT/dt kühlen 60 0 VCE, Zth Messung dT/dt heizen 40 20 ton TKühlmittel TKühlmittel, min toff Zeit Abbildung 3.42: Steuerungsverfahren für die Belastung der Leistungsmodule mit überlagerten Temperaturzyklen • • • • • • • Sperrschichttemperatur Tvj,min und Tvj,max Kühlmittel- bzw. Referenztemperatur Tc,min und Tc,max Belastungsstrom I Durchlassspannung VCE Verlustleistung im Leistungsbauelement PV stationärer thermischer Widerstand Rth Transiente thermische Impedanz Zth (t) Im aktiven Zyklus wird während der Stromflussphase unmittelbar nach dem Stromanstieg die Durchlassspannung VCE gemessen. Die Erwärmung des Leistungsbauelement soll in diesem Zeitbereich noch vernachlässigbar bleiben. Bei den typischen Leistungsmodulen ist das im Bereich bis zu einer Millisekunde gewährleistet. Dieser Messwert dient zur Erfassung des Bonddrahtfehlers im Leistungsmodul. Beim überlagerten Temperaturund Lastwechseltest wird diese Messung im Messpuls bei der unteren Kühlmitteltemperatur durchgeführt. Am Ende der Stromflussphase ton wird die Verlustleistung mit Hilfe von VCE und I erfasst und unmittelbar nach dem Ausschalten des Stroms die 86 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte maximalen Werte Tvj,max und Tc,max . Mit der gemessenen Verlustleistung und der Differenz zwischen Tvj,max und Tc,max errechnet sich der thermische Widerstand Rth . Dieser Wert ist korrekt, wenn der Strom ausreichend lange davor geflossen ist und der stationäre Zustand für diese gemessene Temperaturdifferenz zwischen der Sperrschicht und dem Referenzpunkt erreicht wurde. Bei kurzen Zyklen wird der stationäre Zustand nicht erreicht. Dadurch entspricht der auf diese Weise gemessene thermische Widerstand Rth nicht dem richtigen stationären Wert und repräsentiert einen Punkt der transienten thermischen Impedanz. Bei kurzen Zyklen muss deshalb der thermische Widerstand mit Hilfe des Messpulses gemessen werden (siehe Abbildung 3.42, Haltephase kalt). Hier wird die Strompulsbreite so gewählt, damit der stationäre Zustand erreicht wird. Der Messpuls dient zusätzlich zur Messung des transienten thermischen Verhaltens des Leistungsmoduls, um damit Fehlermechanismen im Kühlpfad des Leistungsmoduls mit Hilfe der thermischen Impedanzspektroskopie zu lokalisieren. Am Ende der Kühlphase im aktiven Zyklus werden Messwerte Tvj,min und Tc,min gemessen. Insgesamt werden alle Messungen im Lastwechseltest auf ansteigende bzw. fallende Flanke des Belastungsstroms getriggert. Für eine gute Qualität der Messung ist eine Abtastrate im Bereich von mindestens 25 kHz in jedem Messkanal erforderlich. Die hohe Abtastrate wird insbesondere für die Messung von Tvj,max und Zth (t) gefordert. 3.4 Konzept für Lastwechseltests unter Umrichterbedingungen 3.4.1 Betriebsweise des Lastkreises Zuverlässigkeitsuntersuchungen und Qualifizierungstests an Leistungsmodulen bezüglich der Lastwechselfestigkeit werden üblicherweise mit Gleichstrombelastung durchgeführt (siehe Kapitel 3.3). Dabei wird der Prüfling mit aktiven Lastwechseln belastet, die Temperaturwechseln im Chip und im Modul hervorrufen. Während eines solchen Tests wird das Leistungsbauelement keinen hohen Spannungen ausgesetzt. Die Erwärmung wird nur mit Durchlassverlusten erzeugt, Schaltverluste sind vernachlässigbar klein und tragen nicht zur Erwärmung bei. Dagegen machen die Schaltverluste in der Anwendung je nach Betriebspunkt des Umrichters etwa die Hälfte der Gesamtverluste aus. Um während des Lastwechseltests mit Gleichstrombelastung hohe Temperaturhübe der Sperrschicht zu erreichen, 3.4 Konzept für Lastwechseltests unter Umrichterbedingungen 87 ist der Strom aufgrund fehlender Schaltverluste in den meisten Fällen höher als in der Anwendung. Weiterhin können während des Tests IGBTs und dazugehörigen Freilaufdioden nicht gleichzeitig belastet werden. Für die Auslegung des Umrichters werden Lebensdauermodelle genutzt, die mit solchen Tests ermittelt werden. Es gibt jedoch keine experimentellen Untersuchungen, wie genau diese Lebensdauermodelle die Zuverlässigkeit des Leistungsmoduls in der Anwendung beschreiben. Es ist deshalb von großem Interesse die Lastwechselfestigkeit unter realen Umrichterbedingungen zu überprüfen. Zu diesem Zweck wurde in [68] und [41] ein Testkonzept für Leistungsmodule vorgestellt. Dieses Konzept wird in der vorliegenden Arbeit für Lastwechseluntersuchungen verwendet. Für die Konzipierung des Lastwechselstandes dient als Prüfling ein dreiphasiges Wechselrichter-Leistungsmodul. Als Last am Ausgang wird eine Induktivität gewählt. Damit ist es möglich eine induktive Blindleistung zwischen der Last und dem Zwischenkreis zu fahren. In den Ausgangsphasen kann der volle gewünschte Strom eingestellt werden, wobei eingangsseitig in den Wechselrichter nur die Verlustleistung eingespeist werden muss. Der prinzipielle Aufbau des Laststromkreises ist in Abbildung 3.43 dargestellt. Die Ansteuerung des Laststromkreises kann mit einer Sinus-Dreieckoder Raumzeigermodulation realisiert werden. Die Leiter- bzw. Stangströme sind am Ausgang bei vernachlässigbarem Stromrippel sinusförmig und jeweils um 120◦ C gegeneinander phasenverschoben. Zwischen dem Strangstrom und der Strangspannung ist die Phasenverschiebung aufgrund der induktiven Last annähernd 90◦ . Dadurch werden die Freilaufdioden im Vergleich zu einer realen Last stärker und die IGBTs schwächer belastet. Dies ist besonders dann der Fall, wenn das zu testende Leistungsmodul für die Steuerung eines Wechselstrommotors ausgelegt ist. Wird der Lastwechseltest mit einer induktiven Last bei sonst gleichen Betriebsparametern der realen Anwendung betrieben, führt dies also zu einer abweichenden thermischen Belastung der Leistungsbauelemente. Um die thermischen Verhältnisse im Leistungsmodul während des Tests ähnlich den realen Einsatzbedingungen einzustellen, müssen die Betriebsparameter des Wechselrichters richtig gewählt werden. Diese Parameter können mit Hilfe der analytischen Verlustleistungsberechnung aus [5] und [10] gefunden werden. Bei einem sinusförmigen Ausgangsstrom lassen sich die Verluste im IGBT und der Freilaufdiode mit den Gleichungen 3.35, 3.36, 3.37 und 3.38 mit ausreichender Genauigkeit abschätzen. Für die Berechnung der Durchlassverluste werden die Durchlasskennlinien der Leistungsbauelemente mit einer Geradenfunktion beschrieben (Werte US und rd ). Bei Schaltverlusten geht die analytische Berechnung von einem proportionalen Zusammenhang zwischen dem Strom bzw. Spannung und 88 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte +UZK/2 V U W CZK UGate -UZK/2 IU IV L R R R UU IW UV L UW L Induktive Last Abbildung 3.43: Dreiphasiger Wechselrichter für den Lastwechseltest unter Umrichterbedingungen der Verlustenergie beim Ein- und Ausschaltvorgang aus. Hierfür müssen die Verlustenergien für einem bestimmten Referenzpunkt bekannt sein. In der Regel werden die Werte für den Nennstrom des Leistungsmoduls und für die halbe Sperrspannung des Leistungsbauelements im Datenblatt angegeben. Bei dieser Berechnung muss beachtet werden, dass die Verlustenergien von der Größe der Gatewiderstände abhängig sind. Der EinschaltGatewiderstand des IGBTs beeinflusst das Einschaltverhalten des IGBTs und das Ausschaltverhalten der Diode. Die Vergrößerung des Widerstandswertes bedeutet eine Erhöhung der IGBT-Einschaltverluste und eine Verringerung der Dioden-Ausschaltverluste. Der Wert des Gatewiderstandes, der beim Ausschaltvorgang des IGBTs wirksam ist, beeinflusst nur die Ausschaltverluste des IGBTs. Das Einschaltverhalten des IGBTs 3.4 Konzept für Lastwechseltests unter Umrichterbedingungen 89 kann dabei stärker beeinflusst werden, als dessen Ausschaltverhalten. Pleit,IGBT 1 = 2 US ˆ rd ˆ2 US ˆ rd ˆ2 ·I + · I +M ·cosφ ·I + ·I (3.35) π 4 8 3π Pschalt,IGBT = Pleit,diode = 1 2 1 UZK Iˆ · fs · (Eon,ref + Eof f,ref ) · · π Uref Iref (3.36) US ˆ rd ˆ2 US ˆ rd ˆ2 ·I + · I − M · cosφ ·I + ·I (3.37) π 4 8 3π Pschalt,diode = UZK 1 Iˆ · fs · Err,ref · · π Uref Iref (3.38) Mit Verringerung des Ausgangsstroms, Erhöhung des Gate-Widerstandes und Erhöhung der Schaltfrequenz können beim Betrieb des Wechselrichters mit rein induktiver Last Verlustleistungsverhältnisse von IGBTs und Dioden im Leistungsmodul ähnlich den Bedingungen bei einer realen Motorlast eingestellt werden [68]. Dies kann mit der analytischen Verlustleistungsberechnung mit hinreichender Genauigkeit bestimmt werden. 3.4.2 Messung alterungsrelevanter Parameter Zu den alterungsrelevanter Parameter gehört die Durchlassspannung, die Sperrschichttemperatur und der thermische Widerstand bzw. die thermische Impedanz. Mit diesen Messungen werden Bonddrahtfehler und Degradationen im Kühlpfades des Leistungsmoduls während des Lastwechseltests detektiert. Die Sperrschichttemperatur dient zusätzlich zur nachträglichen Lebensdauerbewertung des Leistungsmoduls. Im Lastzyklus muss die maximale und die minimale Sperrschichttemperatur gemessen werden. Die minimale Temperatur wird am Ende der Ausschaltzeit gemessen. Für die Messung der maximalen Sperrschichttemperatur während des Wechselbetriebs muss ein richtiger Zeitpunkt am Ende der Heizphase gefunden werden, da die Sperrschicht neben dem großen relativ langsamen Temperaturzyklus kurzen Zyklen ausgesetzt ist. Die Amplitude der kleinen Temperaturzyklen ist abhängig von der Grundfrequenz des Ausgangsstromes und beträgt bei typischer Frequenz von 50 Hz wenige Kelvin. Bei dieser hohen Ausgangsfrequenz ist der Einfluss der kleinen Zyklen alleine auf die Lebensdauer des Leistungsmoduls 90 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte vernachlässigbar. Diese kleinen Zyklen müssen jedoch für die Messung der absolut maximalen Sperrschichttemperatur betrachtet werden. Nach dem simulierten Temperaturverlauf des IGBTs in Abbildung 3.44 ist die maximale Sperrschichttemperatur unmittelbar nach dem Erreichen des Strommaximums. TJ, IGBT TJ, max IIGBT t t Abbildung 3.44: Simulierter Temperaturverlauf im IGBT während des Wechselrichterbetriebs [68] Für die Messung der Sperrschichttemperatur im Wechselrichterbetrieb ist es sinnvoll, die bekannte VCE (T)-Methode anzuwenden. Die Ergebnisse der Lastwechseltests unter Umrichterbedingungen sind damit mit den Ergebnissen typischer Tests mit Gleichstrom vergleichbar. Es wird verhindert, dass aufgrund von unterschiedlichen Temperaturmessmethoden die Lebensdauerergebnisse verfälscht werden. Für die VCE (T)-Methode muss unter Umrichterbedingungen der Einfluss des Sperrstromes beachtet werden. Wie die Abbildung 3.45 an der Messung der IGBT-Sperrschichttemperatur zeigt, fließt durch das zu messende IGBT der Sperrstrom der unteren IGBTs und Dioden. Insgesamt wird dieser somit von sechs Leistungsbauteilen bestimmt, wobei jedes davon eine Parallelschaltung von mehreren Chips sein kann. Der Sperrstrom fließt zusätzlich zum eingespeisten Messstrom im oberen IGBT und verfälscht somit die Kennlinie, die zur Bestimmung der Sperrschichttemperatur dient. Der Messfehler aufgrund des Sperrstromes ist primär abhängig von der Temperatur. Wie die Messung des Sperrstromes an einem 1200V / 100A IGBT in Abbildung 3.46 zeigt, kann der Sperrstrom bei höheren Temperaturen für die VCE (T)-Methode nicht mehr vernachlässigt werden. Hinzu 3.4 Konzept für Lastwechseltests unter Umrichterbedingungen 91 100mA IGBT für Tj-Messung UDC -15V +15V -15V -15V V VCE -15V C -15V Abbildung 3.45: Einfluss des Sperrstromes bei der Messung der Sperrschichttemperatur im Wechselrichterbetrieb kommt, dass die Werte des Sperrstromes bei Leistungshalbleiterbauelementen abhängig von der Herstellungscharge sehr stark variieren können. Hersteller geben in den Datenblättern bei heutigen Leistungsmodulen den maximal möglichen Sperrstrom bei Raumtemperatur im einstelligen mA-Bereich an. Typischerweise ist der Sperrstrom jedoch viel kleiner. Der Sperrstrom erhöht den Messstrom durch das zu messende Bauelement und verändert die Kalibrierkennlinie. Es ist von Interesse zu wissen, ab welchem Sperrstrom der Einfluss auf die Kalibrierkennlinie nicht mehr vernachlässigbar ist. Mit Hilfe des analytischen Modells zur Berechnung der Kalibrierkennlinie, beschrieben im Anhang A.1, wurde der Einfluss der Stromdichte auf die Veränderung der Kalibrierkennlinie für ein 1200V Bauelement berechnet. Das Ergebnis ist in Abbildung 3.47 dargestellt. Bei 150◦ C Sperrschichttemperatur wird verdeutlicht, welchen Fehler die Stromdichtenänderung von 50mA/cm2 in der Temperaturmessung verursacht. Diese Abschätzung liefert den Zusammenhang in Gleichung 3.39. Dieses Ergebnis sagt aus, dass eine Änderung der Stromdichte um 1mA/cm2 zu einem Fehler von 0, 14K in der Sperrschichttemperaturmessung führt. Bezogen auf die Problematik des Sperrstromes führt bei einem Chip mit einer Fläche von 1cm2 , bei dem die Kalibrierkennlinie beim Messstrom von 100mA aufgenommen wurde, ein Sperrstrom von etwa 7mA zu einem 92 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte Sperrstrom 1000 IR in mA 100 10 1 0,1 0,01 100 120 140 160 180 200 Tj in °C 1200V / 100A IGBT, Messung bei 1200V 600V / 150A IGBT, Messung bei 200V 600V / 150A Diode, Messung bei 200V Abbildung 3.46: Gemessene Sperrströme aus [30] der 1200V und 600V Leistungsbauelemente in Abhängigkeit von der Sperrschichttemperatur Fehler von 1K bei der Messung der Sperrschichttemperatur. cm2 dT = 0, 14K dj mA (3.39) Die Messungen der Sperrströme in Abbildung 3.46 zeige, dass es notwendig ist den Einfluss der Sperrstromes bei der Messung der Sperrschichttemperatur im Wechselrichterbetrieb zu korrigieren. Dafür muss der Sperrstrom genau gemessen werden können. Das ermöglicht die Schaltung in Abbildung 3.48. Mit der Parallelschaltung von zwei antiparallelen Dioden und einem Widerstand lässt sich der Sperrstrom mit hinreichend guter Genauigkeit bestimmen. Die Schaltung muss für die entsprechende Anwendung richtig dimensioniert werden. Die Dioden dienen dazu, den Strom des Wechselrichters im Durchlasszustand zu leiten, sie müssen für mindestens den Spitzenstrom des Umrichters ausgelegt werden. Im Sperrzustand des Wechselrichters soll der Sperrstrom nur durch den Messwiderstand fließen und der Stromfluss durch die Dioden dabei vernachlässigbar klein bleiben. Voraussetzung hierfür ist, dass der Spannungsabfall am Widerstand 3.4 Konzept für Lastwechseltests unter Umrichterbedingungen 93 Einfluss der Stromdichte auf die Kalibrierkennlinie 0,30 0,25 UCE ΔT 0,20 0,15 0,10 125 130 135 140 75mA/cm² 145 150 155 Tj in °C 100mA/cm² 160 165 170 175 125mA/cm² Abbildung 3.47: Einfluss der Stromdichte auf die Kalibrierkennlinie im 1200V Leistungsbauelement, simulierte Kennlinien mit dem analytischen Modell aus Anhang A.1 kleiner ist als die Schleusenspannung der anti-parallelen Dioden. Da die Schleusenspannung mit steigender Temperatur kleiner wird, muss beim Auslegungspunkt die maximal mögliche Sperrschichttemperatur der Dioden gewählt werden. Die Spannung am Messwiderstand repräsentiert dann den Sperrstrom des Wechselrichters. Die gemessene Größe kann der Messstromquelle zugeführt werden, die den Messstrom durch das Leistungshalbleiterbauelement für die Sperrschichttemperaturmessung einstellt. Damit kann der Messstrom durch das zu messende Leistungsbauelement auf die richtige Größe geregelt werden. Das Prinzip der Messstromregelung zeigt Abbildung 3.49. Der Strom der Messstromquelle und der Sperrstrom werden simultan kontinuierlich gemessen. Die Stromquelle erhält mit dieser Regelungsstruktur als Sollwert die Differenz zwischen IQ und Isperr , sodass die Summe aus diesen beiden Strömen den gewünschten Messstrom durch den IGBT ergibt. Die Stromquelle muss hierfür vom Wechselrichter galvanisch getrennt ausgeführt sein. Mit dem richtig geregelten Messstrom kann die Durchlassspannung am Leistungsbauelement auf die Sperrschichttemperatur im Wechselrichterbetrieb zurückgeführt werden. Diese Spannung muss differentiell gemessen werden und ebenfalls wie die Stromquelle vom Potential des Wechselrichter getrennt werden. Eine mögliche Schaltung für diese Messung ist in der Abbildung 3.50 angegeben. In dieser Schaltung wird eingangsseitig 94 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte Rmess Zwischenkreis Wechselrichter Abbildung 3.48: Schaltung zur Messung des Sperrstromes im Wechselrichter [68], [59] ISperr A Sperrstrommessung + A Imess=konstant IQ +15V ISperr Abbildung 3.49: Prinzip der Messstromregelung für die Messung der Sperrschicht im Wechselrichterbetrieb der Messbereich mittels der Z-Diode und Eingangswiderstände nur auf den Durchlassbereich des Bauelements begrenzt, welches für die Messung der Sperrschichttemperatur wichtig ist. Die Filter der Schaltung filtern die Störungen, müssen aber so eingestellt werden, dass die schnelle Sperrschichttemperaturänderungen noch messbar bleiben. Die maximale Zeitkonstante der Schaltung sollte nicht größer als 100µs sein. Ein Problem stellt hierfür die Reihenschaltung aus hochohmigen Widerständen und der Z-Diode. Die Sperrschicht der Z-Diode hat eine relativ hohe Kapazität und führt mit den Widerständen zu einer zu hohen Zeitkonstante und verlangsamt merklich die Sperrschichttemperaturmessung. Um dies zu verhindern müssen die Widerstände am Eingang niederohmiger gewählt werden, was jedoch zu einem Anstieg des Stromes durch die Messschaltung führt. In [68] wird für Widerstände der Wert von 360kOhm vorgeschlagen. Bei 600V Zwischenkreisspannung fließt in die Messschaltung im Sperrzustand des IGBTs ein Strom von 1,7mA und muss wie auch der Sperrstrom der Leistungsbauelemente in der Regelschleife des Messstroms berücksichtigt 3.4 Konzept für Lastwechseltests unter Umrichterbedingungen 95 werden. Messkarte Spannungsbegrenzung Eingangsfilter DifferenzVerstärker Zwischenfilter Potentialtrennung Abbildung 3.50: Schaltung für die Messung der Durchlassspannung am Leistungsbauelement im Wechselrichterbetrieb [68] Mit den gezeigten Messanordnungen können während des Wechselrichterbetriebes die Sperrschichttemperaturen gemessen werden. Weitere zwei Parameter für die Messung der Alterung des Leistungsmoduls ist die Durchlassspannung und der thermische Widerstand bzw. die thermische Impedanz. Für diese zwei Parameter muss ein separater Messzyklus eingeführt werden, da die Messung dieser Größen im Wechselrichterbetrieb zu ungenau wäre. Die Durchlassspannung für die Lokalisierung der Bonddrahtfehler muss im gesamten Testverlauf bei gleicher Sperrschichttemperatur und gleichem Strom gemessen werden. Für die Messung des thermischen Widerstandes bzw. der transienten thermischen Impedanz müssen die Verluste im Leistungsbauelement genau bekannt sein. Im Umrichterbetrieb können die Verluste im Leistungsbauelement nur mit sehr großem Messaufwand genau bestimmt werden. Hinzu kommt, dass die Verlustleistungseinspeisung zeitlich nicht konstant ist. Für die Messung des thermischen Widerstandes muss die Verlustleistung jedoch genau bekannt sein und über eine gewisse Zeit konstant in das zu messende Bauelement eingespeist werden. Diese gewünschten Bedingungen können sehr einfach mit Hilfe der Gleichstrommessung realisiert werden. Hierzu muss in definierten Zeitabständen der Wechselrichterbetrieb im laufenden Lastwechseltest unterbrochen werden. Für die Messung wird durch das zu untersuchende Leistungsbauelement ein Gleichstromimpuls mit einer bestimmten Pulsbreite und Amplitude eingespeist. Die Durchlassspannung wird kurz nach dem Einschalten des Gleichstroms im Bauelement gemessen, wo die Erwärmung des Bauelements noch vernachlässigbar ist. Dadurch wird sichergestellt, dass die Messung bei einer definierten Sperrschichttemperatur durchgeführt wird. Für die Messung der thermischen Impedanz bzw. des thermischen Widerstandes wird das Bauelement bis 96 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte zum thermisch stationären Zustand mit dem Gleichstrom belastet und danach das Abkühlverhalten der Sperrschicht gemessen. Diese Messung ist im Kapitel 3.2.1 ausführlicher beschrieben. Der Lastwechseltest unter Wechselrichterbedingungen kann nach der zeitlichen Abfolge in der Abbildung 3.51 durchgeführt werden. Es sind drei Betriebszyklen definiert: Wechselrichterbetrieb, Abkühlphase und Messzyklus. Das Aufwärmen des Leistungsmoduls im Wechselbetrieb und die darauf folgende Abkühlphase stellen einen Lastwechselzyklus dar, welcher für die Alterung des Prüflings von Bedeutung ist. Die Bedingungen für den Messzyklus werden so gewählt, dass diese für die Belastung mit thermischen Zyklen vernachlässigbar sind. Dieser Messzyklus wird nur in definierten Zeitabständen durchgeführt, nicht nach jedem Lastwechselzyklus. WRBetrieb Rth, Zth Abkühlung Messzyklus Tjmin, UCE Tjmax t Tjmin, Tjmax Messung im Wechselrichterbetrieb UCE, Rth, Zth Messung im Messzyklus mit Gleichstrom Abbildung 3.51: Zeitliche Abfolge der Messungen im Lastwechseltest unter Wechselrichterbedingungen 97 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests 4.1 Lastwechseltest unter Umrichterbedingungen 4.1.1 Wahl der Testparameter Im Kapitel 3.4 ist die Methode für die Lastwechseluntersuchungen der Leistungsmodule unter Umrichterbedingungen beschrieben. Mit dieser Methode wurde ein Lastwechseltest mit dem Standard-Leistungsmodul BSM100GD120DLC durchgeführt, dessen Ergebnisse im Nachfolgenden vorgestellt werden. Für den Betrieb unter realen Wechselrichterbedingungen wurde das Leistungsmodul entsprechend Abbildung 3.43 betrieben. Als Last wurde am Ausgang eine dreiphasige Induktivität angeschlossen, die elektrisch eine RL-Last darstellt. Für die Kühlung des Moduls wurde der Aufbau in Abbildung 4.1 realisiert. Die Grundplatte des Prüflings ist über eine Wärmeleitpaste auf eine Aluminium-Platte montiert. Die Wärmeleitfolie zwischen Aluminiumplatte und Aluminiumkühlkörper dient zur Einstellung des gewünschten thermischen Widerstandes zwischen Modul und Umgebungsluft. Prüfling (BSM100GD120DLC) Al Platte Al Kühlkörper Themoelement (Tcase) Wärmeleitfolie Abbildung 4.1: Kühlrandbedingungen für den Lastwechseltest unter Umrichterbedingungen Die Ausgangspunkte für die Wahl der Betriebsparameter des Wechselrichters im Lastwechseltest mit RL-Last sind die festgelegten Werte für Ausgangsstrom, Schaltfrequenz und Gatewiderstand bei einer realen Motorlast mit Leistungsfaktor cos(φ) = 0, 9. Für diese Randbedingungen wurden die Verlustleistungen in den Leistungsbauelementen (IGBT, Diode) mit Formeln 3.35 bis 3.38 berechnet. Um Verlustleistungsverhältnisse für den Lastwechseltest mit der RL-Last einzustellen, wurden Ausgangs- 98 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests strom, Gatewiderstand und Schaltfrequenz verändert. Die Parameter der zwei Betriebspunkte (Motor- und RL-Last) sind in Tabelle 4.1 aufgelistet. Den Vergleich der Verlustleistungsaufteilung zeigt Abbildung 4.2. Tabelle 4.1: Testparameter für den Lastwechseltest unter Umrichterbedingungen im Vergleich zu realen Betriebsbedingungen bei einer Motorlast Ief f [A] m cos(ϕ) fSchalt [Hz] UZK [V] RGate [Ω] Motorlast 54,4 0,800 0,90 9000 400 6,5 RL-Last (Lastwechseltest) 50,2 0,064 0,27 9000 400 22 100 PV in W 90 80 8 13 70 15 7 60 29 50 40 42 30 20 10 38 22 0 Lastwechseltest P_schalt_Diode Pschalt, diode Pleit, diode P_leit_Diode Pschalt, IGBT P_schalt_IGBT Pleit, IGBT P_leit_IGBT Reale Anwendung Abbildung 4.2: Berechnete Verlustleistungsverteilung zwischen IGBT- und Diode bei gewählten Testparametern Mit den gewählten Testparametern und Kühlrandbedingungen hatten die IGBTs des Leistungsmoduls etwas höhere Chiptemperaturen als die Dioden. Unter der Annahme, dass der Chip mit der höchsten Temperatur die Lebensdauer des Prüflings bestimmt, war es ausreichend das Ausfallverhalten eines IGBTs der mittleren Phase zu messen. Dieser Chip erfuhr im Test die höchste Temperatur und den höchsten Temperaturhub. 4.1 Lastwechseltest unter Umrichterbedingungen 99 Der Lastwechseltest wurde entsprechend der Reihenfolge in Abbildung 3.51 durchgeführt. Nach der definierten Einschaltzeit im Wechselrichterbetrieb wurde der Wechselrichter zum Zeitpunkt des maximalen Stroms in der mittleren Phase ausgeschaltet und zu diesem Zeitpunkt die maximale Sperrschichttemperatur des oberen IGBTs gemessen. Die minimale Sperrschichttemperatur wurde nach der Abkühlphase erfasst. Der thermische Widerstand und die Durchlassspannung wurden im Messzyklus überwacht. Gesteuert wurde der Lastwechseltest über die konstante Einschalt- und Ausschaltzeit. Die Parameter des Belastungszyklus waren: • • • • • 4.1.2 Tcase,min ; Tvj,min = 60◦ C Tcase,max = 132◦ C Tvj,max = 152◦ C ton = 30s tof f = 90s Fehlermechanismen Für die Messung des Ausfallverhaltens des Leistungsmoduls während des Lastwechseltests wurden Sperrschichttemperatur, Grundplattentemperatur, Durchlassspannung und thermischer Widerstand gemessen. In Abbildung 4.3 ist der Verlauf der Temperaturen dargestellt. Die maximalen Werte Tcase,max und Tvj,max wurden am Ende der Einschaltzeit und die minimalen Werte am Ende der Ausschaltzeit im Wechselrichterzyklus gemessen. An den gemessenen Trends erkennt man, wie der Prüfling mit den gewählten Parametern belastet wurde. ∆Tcase zeigt den Temperaturhub an der Grundplatte und der Wert ∆Tj die Belastung an der Sperrschicht. Aufgrund der nicht konstanten Raumtemperatur und der gewählten Steuerungsmethode mit konstanter Ein- und Ausschaltzeit weisen die Temperaturverläufe Schwankungen auf. Der Verlauf der Differenz zwischen maximaler Sperrschichttemperatur (Tvj,max − Tcase,max ) filtert diesen Effekt heraus und zeigt die Alterung des Leistungsmoduls. Ab 25.000 Zyklen ist ein stetiger Anstieg dieser Differenz zu erkennen. Dieser Anstieg kann physikalisch aufgrund der steigenden Verlustleistung im Chip oder des steigenden thermischen Widerstandes bewirkt werden. Den eindeutigen Grund für diesen Anstieg liefert der gemessene Verlauf des thermischen Widerstandes in Abbildung 4.4. Der thermische Widerstand wurde im Messzyklus gemessen, wobei im Leistungsbauelement eine definierte Verlustleistung mit Gleichstrom eingespeist wurde. Diese Messung wurde im Intervall von etwa 700 Lastzyklen durchgeführt. Der Verlauf des thermischen Widerstandes zeigt ab ca. der 100 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests Hälfte der Gesamtlebensdauer eine beginnende Degradation. Damit lässt sich nachweisen, dass der Anstieg der maximalen Sperrschichttemperatur Tvj,max und der Differenz Tvj,max − Tcase,max auf die Verschlechterung des Kühlpfades zurückzuführen ist. Abbildung 4.4 zeigt zusätzlich den Verlauf der Durchlassspannung. Hier ist gegen Ende des Lastwechseltests ein Sprung zu erkennen. Dieser Sprung deutet auf den Bonddrahtabgang hin. Temperaturverläufe 180 160 Tvj,max T in °C, ΔT in K 140 Tcase,max 120 100 ΔTj 80 ΔTcase 60 Tcase, min ,Tvjmin 40 Tvj,max-Tcase,max 20 0 0 10000 20000 30000 Zyklen 40000 50000 60000 Abbildung 4.3: Gemessener Trend der Sperrschicht- und Grundplattentemperatur während des Lastwechseltests Das gemessene Ausfallverhalten wurde von der optischen Ausfallanalyse bestätigt. In Abbildung 4.5 ist der Bonddrahtfehler dargestellt. Für diese mikroskopische Analyse wurde der Weichverguss aus dem Modul chemisch entfernt. Festzustellen ist, dass der Bonddrahtfehler an der Stelle aufgetreten ist, an der die Degradation der Lotschicht am größten war. In Abbildungen 4.6 und 4.7 sind Ultraschallaufnahmen der Systemverbindung und der Chipverbindung gezeigt. Diese Bilder wurden aus der Richtung der Modulunterseite aufgenommen. Die größte Delamination ist in der Systemlotschicht zu sehen, wobei unterhalb des mittleren DCB-Substrates die geschädigte Fläche am größten ist. Aufgrund der Kühlrandbedingungen war in der Mitte des Leistungsmoduls die Temperatur am größten und führte deshalb zu diesem Ausfallbild. In der Chiplotschicht sind beginnen- 4.1 Lastwechseltest unter Umrichterbedingungen 101 Verlauf von VCE und Rth 110 160 5% Grenze (VCE) 105 150 VCE 100 140 130 20% Grenze (Rth) 90 85 120 110 Rth 80 100 75 90 70 0 10000 20000 30000 Zyklen 40000 50000 Rth in % VCE in % 95 80 60000 Abbildung 4.4: Gemessener Trend der Durchlassspannung und des thermischen Widerstandes de Degradationen an den Chipecken und -rändern sowohl bei IGBTs als auch bei Dioden zu sehen. Die elektrischen Messungen während des Lastwechseltests und auch die nachträglichen Fehleranalysen zeigen, dass die primäre Ursache für den Ausfall des Leistungsmoduls die Degradation der Systemlotschicht war. Dieser Fehler führte im Laufe des Tests zur steigenden Sperrschichttemperatur und verursachte damit den Bonddrahtfehler. Diese Fehlerreihenfolge ist sicherlich von den Betriebsbedingungen des Wechselrichters abhängig. Dabei wurden die Parameter so gewählt, dass sie einer realen Anwendung sehr nahe kommen. Es kann deshalb aus dem Testergebnis gefolgert werden, dass die Systemlotschicht der Schwachpunkt des Leistungsmoduls unter realen Umrichterbedingungen ist. Insgesamt konnten drei Fehlermechanismen (Degradation der System- und Chiplotschicht, Bonddrahtabgang) mit verschieden starker Ausprägung beobachtet werden, die auch aus den Forschungsergebnissen der Lastwechseltests mit Gleichstrombelastung bekannt sind [57]. 102 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests Abbildung 4.5: Bondddrahtabgang nach dem Lastwechseltest unter Umrichterbedingungen 4.1.3 Lebensdauerbewertung Ein wichtiges Ergebnis des Lastwechseltests ist der Vergleich der erreichten Lebensdauer im Vergleich zu den Lebensdauermodellen, die mit Hilfe der vereinfachten beschleunigten Lastwechseltests mit Gleichstrombelastung ermittelt wurden. Für das untersuchte Leistungsmodul BSM100GD120DLC gelten die Lebensdauerkurven für Technologien, die für die Sperrschichttemperatur von 125◦ C angegeben sind. Aus der Zuverlässigkeitskurve in [3] kann entnommen werden, dass für diese Leistungsmodultechnologie bei 92K Temperaturhub und 125◦ C Sperrschichttemperatur die Lebensdauer etwa 40.000 Zyklen beträgt. Erreicht wurden bei diesem Temperaturhub und bei 152◦ C maximaler Sperrschichttemperatur im Lastwechseltest 45.000 Zyklen. Es wurde also im Test unter Umrichterbedingungen trotz höherer Sperrschichttemperatur eine höhere Lastwechselfestigkeit im Vergleich zum angegebenem Lebensdauermodell erreicht. Ein weiteres Vergleichskriterium ist die Lebensdauer unter passiven Temperaturwechseln. Aufgrund von relativ langsamen Temperaturzyklen kann der Temperaturhub an der Grundplatte des Prüflings als passiver Temperaturzyklus angenommen werden. Dieser Temperaturhub ∆Tcase betrug nach Abbildung 4.3 etwa 75K. Für dieses Modul ergibt die vom Hersteller angegebene Lebensdauerkurve für passive Temperaturzyklen eine Lebensdauer von etwa 15.000 Zyklen. Bei diesem Kriterium übertraf das getestete Leistungsmodul die erwartete Lebensdauer um den Faktor drei. 4.1 Lastwechseltest unter Umrichterbedingungen 103 Abbildung 4.6: Ultraschallaufnahme des Systemlots, helle Bereiche zeigen Delamination des Lotes Chiplotschicht nicht sichtbar wegen Delamination im Systemlot Beginnende Delamination des Chiplotes Abbildung 4.7: Ultraschallaufnahme des Chiplotes Mit dem Ergebnis kann keine genaue Aussage über die statistische Messabweichung des Messergebnisses gemacht werden. Hierfür müssen eine größere Anzahl von Prüflingen getestet werden. Auf Basis der Untersuchungen in 3.1.1 bezüglich der Messgenauigkeit der Sperrschichttemperatur, die den größten Einfluss auf die Lebensdauer der Leistungsmodule hat, kann der systematische Messfehler bei der ermittelten Lebensdauer auf etwa 20% abgeschätzt werden. Dabei wird von einer Messunsicherheit der Sperrschichttemperatur von 1K ausgegangen. Insgesamt kann auf Basis des durchgeführten Lastwechseltests unter Umrichterbedingungen zusammengefasst werden, dass die Leistungsmodule unter realen Einsatzbedingungen eher eine höhere Lebensdauer erreichen als bei vergleichbaren beschleunigten Lastwechseltests mit Gleichstrombelastung. Die Lebensdauermodelle, die mittels Lastwechseltests mit Gleichstrombelastung ermittelt werden, liefern auf Basis des gezeigten 104 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests Ergebnisses eine sichere Lebensdauervorhersage. 4.2 Einfluss der Chipdicke und Bonddrahttechnologie 4.2.1 Testbedingungen Weitere Lastwechseltests in dieser Arbeit wurden mit Gleichstrombelastung durchgeführt. Dieser Lastwechseltest diente primär zur Untersuchung des Einflusses der Bonddrahttechnologie auf die Zuverlässigkeit des ganzen Leistungsmoduls unter aktiven Lastwechseln. Der zweite zu untersuchende Parameter in diesem Test war die Chipdicke. Um den Einfluss der Chipdicke experimentell zu bestimmen, wurden Leistungsmodule mit Halbleiterbauelementen verschiedener Sperrspannungsklassen aufgebaut. Gegenstand der Untersuchung waren drei Spannungsklassen der Leistungsmodule mit den Werten in Tabelle 4.2. Tabelle 4.2: Angaben zu Spannungsklasse und Chipdicke Spannungsklasse 600V 1200V 1700V Chipdicke 70 µm 120 µm 180 µm Der Aufbau der Prüflinge ist in Abbildung 4.8 zu sehen. Im Vergleich zu heutigen Standard-Leistungsmodulen, in denen Bonddrähte aus reinem Aluminium verbaut werden, hatten die Prüflinge in diesem Test dotierte bzw. gehärtete Aluminium-Bonddrähte. Zusätzlich zu diesen Prüflingen mit der neuen Bonddrahttechnologie wurde ein Standardmodul BSM100GD120DLC unter ähnlichen Bedingungen getestet, um eine vergleichbare Referenz bezüglich der Lastwechselfestigkeit zu erhalten. Die Belastung der Leistungsmodule mit Lastwechseln erfolgte mit Gleichstrom. Hierfür wurden drei Prüflinge in Reihe geschaltet. In jedem Prüfling floss der Laststrom jeweils durch zwei IGBTs einer Halbbrücke. Der prinzipielle Aufbau dieses Tests ist in Abbildung 4.9 dargestellt. Die Durchlassspannung an jedem IGBT und der Laststrom durch diese Reihenschaltung wurden gemessen. Des Weiteren wurde die Grundplattentemperatur Tcase unter jedem Leistungsmodul in der Mitte zwischen zwei belasteten IGBTs erfasst. Mit Hilfe der Durchlassspannung wurde die virtuelle Sperrschichttemperatur mit der in Kapitel 3.1 beschriebenen Methode aufgenommen. Der Messstrom betrug 100mA. 4.2 Einfluss der Chipdicke und Bonddrahttechnologie 105 Abbildung 4.8: Aufbau des Prüflings mit gehärteten AluminiumBonddrähten und verschiedenen Chipdicken Der Lastwechseltest wurde über die konstante Ein- und Ausschaltzeit gesteuert. Die Testparameter waren wie folgt: • • • • ton = 15s tof f = 25s I = 100A TW asser = 75◦ C Bezüglich der Temperatur an der Sperrschicht des Halbleiterchips und an der Grundplatte erfuhren die Prüflinge unterschiedliche Belastungen. Die Unterschiede wurden primär aufgrund von unterschiedlicher Verlustleistung verursacht, da dickere Chips bzw. Bauelemente höherer Sperrspannungsklasse höhere Durchlassspannungen aufweisen im Vergleich zu dünneren Chips. Der zweite Faktor, der die Temperaturen beeinflusste, war die Wahl der Kühlrandbedingungen. Die drei gleichzeitig getesteten Leistungsmodule wurden auf einem gemeinsamen wassergekühlten Kühlkörper montiert. Der Prüfling in der Nähe des Wassereintritts erfuhr bessere Kühlung als das Modul am Wasseraustritt. Das Modul in der Mitte der zwei äußeren Prüflinge hatte aufgrund der niedrigsten Wärmespreizung die schlechteste Kühlung. Die unterschiedlichen Temperaturrandbedingungen wurden gezielt gewählt, um die Testergebnisse bei variablen Temperaturhüben zu erhalten. Insgesamt waren die Temperaturparameter der Prüflinge mit neuer Bonddrahttechnologie in den folgenden Parameterbereichen (Werte in Klammern gelten für das Standardmodul BSM100GD120DLC): • Tcase,min ; Tvj,min = 78,9..84,2◦ C (84,0..84,8◦ C) • Tcase,max = 106,1..117,9◦ C (128,6..135,1◦ C) • Tvj,max = 135,1..166,8◦ C (189,1..196,4◦ C) 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests Ein/Aus 100A 100mA DUT1 VCE Tcase DUT2 VCE Tcase DUT3 VCE Tcase ILast Steuerung und Messwerterfassung 106 Abbildung 4.9: Prinzipieller Testaufbau Zur Veranschaulichung der Temperaturwechselbelastung innerhalb des Leistungsmoduls während des Tests zeigt Abbildung 4.10 den Temperaturverlauf, welcher in einem der getesteten Prüflinge gemessen wurde. Für diese Messung wurde die Temperatur der Grundplattentemperatur mit einem Thermoelement aufgenommen. Die Sperrschichttemperatur während der Abkühlphase ist gemessen mit der VCE (T)-Methode. Während der Aufheizphase wurde diese Temperatur indirekt bestimmt mit Hilfe der gemessenen Verlustleistung des Chips (Produkt aus Durchlassspannung und Belastungsstrom) und dem transienten thermischen Widerstand, der in einem der vorherigen Temperaturzyklen in diesem Chip gemessen wurde. 4.2.2 Alterungsverhalten und Lebensdauer Ziel der Auswertung in diesem Test ist zu zeigen, welchen Beitrag die verbesserte Bonddrahttechnologie zur Zuverlässigkeitssteigerung des Leistungsmoduls leistet. Ebenso soll der Einfluss der Chipdicke herausgestellt werden. Das erste Ergebnis des Tests war, dass sich bei allen Prüflingen mit verbesserter Bonddrahttechnologie trotz verschiedener Chipdicken und variablen Temperaturhüben das gleiche Ausfallverhalten zeigte. In Abbildung 4.11 sind während des Lastwechseltests gemessenen Verläufe der Durchlassspannung und des thermischen Widerstandes eines Prüflings dargestellt. Diese Messungen repräsentieren das Ausfallverhalten aller getesteten Prüflinge mit gehärteten Aluminium-Bonddrähten. Die Verläufe 4.2 Einfluss der Chipdicke und Bonddrahttechnologie 107 Temperaturverlauf beim Lastwechseltest 160 Tvj 150 140 T in °C 130 120 Tcase 110 100 90 80 70 60 0 20 40 60 80 100 120 t in s Abbildung 4.10: Temperaturverlauf der Sperrschicht- und Grundplattentemperatur zeigen, dass die Leistungsmodule aufgrund des gestiegenen thermischen Widerstands ausgefallen sind. Im Verlauf der Durchlassspannung ist ein leichter Anstieg im Bereich des Lebensdauerendes zu sehen. Diese leichte Erhöhung ist jedoch nicht auf die Alterung der Bonddrahtverbindungen zurückzuführen, sondern auf die erhöhte Sperrschichttemperatur bei der Messung der Durchlassspannung. Die Durchlassspannung wird kurz nach dem Einschalten des Laststromes gemessen, etwa eine Millisekunde nach der Einschaltflanke. In diesem Zeitpunkt ist die Erwärmung im Leistungsmodul ohne eine Alterungserscheinung vernachlässigbar. Man kann davon ausgehen, dass die Durchlassspannung bei der minimalen Sperrschichttemperatur am Ende des Abkühlvorgangs gemessen wurde. Wenn sich jedoch der thermische Widerstand im Leistungsmodul im Laufe des Tests verschlechtert, kommt es innerhalb dieser kurzen Zeit nach der Einschaltflanke des Laststromes bereits zu einer nicht mehr vernachlässigbaren Erwärmung der Sperrschicht. Besonders stark ist dieser Effekt, wenn die Verschlechterung des thermischen Widerstands von der Chiplotdegradation verursacht wird. Dann ist die relative Veränderung des transienten thermischen Widerstandes im Millisekunden-Bereich sehr hoch, siehe hierzu Abbildung 3.32. Da die Durchlassspannung im Bereich des Modulnennstroms einen positiven Temperaturkoeffizienten hat, kommt es in Abbildung 4.11 beim Anstieg des thermischen Widerstandes ebenfalls zu einer Erhöhung der gemessenen Durchlassspannung. Die Prüflinge zeigten 108 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests also keine Alterung der Bonddrahttechnologie. Die Ausfallursache war allein der Anstieg des thermischen Widerstands. Trend von VCE und Rth 200 110 5% Grenze (VCE) Rthjc in % VCE 100 20% Grenze (Rth) 95 Rth 100 VCE in % 150 105 90 IGBT_links 50 0 50000 IGBT_rechts 85 100000 150000 200000 250000 300000 Anzahl Zyklen Abbildung 4.11: Verlauf des thermischen Widerstandes und der Durchlassspannung der Prüflinge mit verbesserten Bonddrähten Die Ursache für den Anstieg des thermischen Widerstandes ist die Degradation der Chiplotschicht. Die Ultraschallaufnahme des Prüflings in Abbildung 4.12 zeigt diesen Fehlermechanismus. Diese Bilder sind vom Prüfling, von dem in Abbildung 4.11 die Verläufe der Durchlassspannung des thermischen Widerstandes dargestellt sind. Unter dem linken Chip ist die degradierte Fläche in der Chipverbindung kleiner als unter dem rechten Chip. Entsprechend ist der relative Anstieg des thermischen Widerstands in Abbildung 4.11 zu sehen. Die Degradation in Abbildung 4.12 ist mit Pfeilen markiert und ist in dieser Aufnahme als verschwommene unregelmäßige Fläche zu sehen. Die Prüflinge wurden aus der Richtung der Grundplatte mit dem Ultraschallmikroskop analysiert. Die Reflektionsebene des Ultraschallsignals wurde auf die Ebene fokussiert, sodass gerade noch die Bonddrähte sichtbar sind. Die sichtbaren Punkte über der nicht beschädigten Fläche sind die Bondfüße. Die Lotdegradation ist dadurch zu erkennen, dass die Bondfüße nicht mehr sichtbar sind. Aufnahmen mit der Fokussierung in der Chipverbindung würden die degradierten Bereiche 4.2 Einfluss der Chipdicke und Bonddrahttechnologie 109 hell darstellen. Die Justierung auf diese Lotschicht wäre problematisch, da aufgrund der Toleranzen im Leistungsmodul der Ultraschall ungewollt die Schichten unterhalb oder oberhalb der Lotschicht treffen und die zu untersuchende Schicht nicht sauber darstellen könnte. Deshalb wurde bei der Aufnahme diese Einstellung des Ultraschallmikroskops gewählt. Abbildung 4.12: Degradation des Chiplotes nach dem Lastwechseltest, Prüfling mit 1200V /100A IGBT-Chips, Testparameter: ton = 15s, tof f = 25s, I = 100A, Tvj,min = 82, 0◦ C, ∆Tj = 62, 1K Im Vergleich zu Prüflingen mit verbesserter Bonddrahttechnologie zeigte das Standardmodul, welches unter ähnlichen Randbedingungen getestet wurde, ein ähnliches Alterungsverhalten. Die Verläufe der Durchlassspannung und des thermischen Widerstandes sind in Abbildung 4.13 gezeigt. Das Standardmodul ist primär aufgrund des angestiegenen thermischen Widerstandes ausgefallen. Jedoch sieht man im Verlauf der Durchlassspannung, dass gegen Ende der Lebensdauer zusätzlich noch der Bonddrahtfehler aufgetreten ist. Der stufenförmige Anstieg der Durchlassspannung ist typisch für diese Fehlerart. Die Messung des Alterungsverhaltens zeigt, dass sowohl bei Prüflingen mit verbesserten Bonddrähten als auch beim Standardmodul das primäre Ausfallverhalten die Degradation der Chiplotschicht war. Mit verbesserter Bonddrahttechnologie ist bei keinem der getesteten Leistungsmodule ein Bonddrahtfehler aufgetreten. Dagegen kam es beim Standardmodul bei diesen Testbedingungen zum Bonddrahtabgang, der jedoch als sekundärer Fehler betrachtet werden kann. Die Ergebnisse aus Abbildungen 4.11 und 4.13 können bezüglich des Ausfallverhaltens miteinander verglichen werden. Die Lebensdauer beider Aufbau- und Verbindungstechnologien sind jedoch nicht direkt vergleichbar, da die beiden Module bei unterschiedlichen Temperaturhüben getestet wurden. Um einen Lebensdauervergleich zu ermöglichen, werden im Nachfolgen- 110 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests Trend von VCE and Rth 110 105 150 VCE 140 95 130 20% Grenze (Rth) 90 85 120 110 Rth 80 100 75 90 70 0 5000 Rth in % 100 VCE in % 160 5% Grenze (VCE) 10000 15000 20000 80 25000 Zyklen Abbildung 4.13: Verlauf des thermischen Widerstandes und der Durchlassspannung des Standardmoduls BSM100GD120DLC, Testparameter: ton = 15s, tof f = 25s, I = 100A, Tvj,min = 83, 3◦ C, ∆Tj = 105, 7K den alle Ergebnisse dieses Tests mit Hilfe der CIPS2008-Gleichung 2.2 ausgewertet. Die Konstanten für diese Gleichung sind aus [60]: • • • • • • • K = 9, 3E14 β1 = −4, 416 β2 = 1285 β3 = −0, 463 β4 = −0, 716 β5 = −0, 761 β6 = −0, 5 Für die Lebensdauerbestimmung werden in diesem Lastwechseltest folgende Testparameter der CIPS2008-Gleichung als konstant angenommen: • • • • Minimale Sperrschichttemperatur Tj,min = 84◦ C Strom pro Bondfuß I = 6, 3A Einschaltzeit ton = 15s Durchmesser des Bonddrahts D = 400µm Variable Testparameter sind: 4.2 Einfluss der Chipdicke und Bonddrahttechnologie 111 • Sperrspannungsklasse V • Temperaturhub der Sperrschicht ∆Tj Wie in den Testrandbedingungen zu sehen, ist die minimale Sperrschichttemperatur nicht für alle Prüflinge konstant und variiert um etwa 5K. Der Fehler durch die Annahme des konstanten Wertes von Tj,min = 84◦ C ist bei der berechneten Lebensdauer gering und kann vernachlässigt werden. Mit diesen Definitionen vereinfacht sich die Lebensdauergleichung zur Funktion: Nf = f (V, ∆Tj ). Die erzielten Testergebnisse im Vergleich zur berechneten Lebensdauer sind in Abbildung 4.14 dargestellt. Die drei Kennlinien sind die berechneten Lebensdauerkurven für drei Spannungsklassen in Abhängigkeit des Temperaturhubs an der Sperrschicht. Die Punkte sind die erzielten Testergebnisse. Das berechnete Ergebnis stimmt mit dem Testergebnis mit guter Genauigkeit überein. Die Lebensdauer sowohl des Standardmoduls als auch der Module mit verbesserten Bonddrähten liegen auf den zugehörigen Lebensdauerkurven. Lebensdauerauswertung Anzahl Zyklen 1,0E+07 1,0E+06 1,0E+05 1,0E+04 40,00 50,00 60,00 70,00 80,00 90,00 100,00 110,00 120,00 ΔTj in K Test 600V IGBT CIPS2008 600V Standard BSM100GD120DLC Test 1200V IGBT CIPS2008 1200V Test 1700V IGBT CIPS2008 1700V Abbildung 4.14: Lebensdauerauswertung für Leistungsmodule mit gehärteten Bonddrähten, Vergleich mit Ergebnissen der CIPS2008-Gleichung und des Standard-Moduls Die Annahme für die Lebensdauerbewertung ist, dass die CIPS2008Gleichung die Lebensdauer der Standard-Leistungsmodule beschreibt. 112 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests Diese Annahme wird mit dem Ergebnis des Standard-Leistungsmoduls BSM100GD12DLC bestätigt. Die Prüflinge mit verbesserten Bonddrähten haben nur das Niveau der CIPS2008-Gleichung erreicht. Somit zeigen die Leistungsmodule unter diesen Testbedingungen keine höhere Lebensdauer als die vergleichbaren Standard-Module. Der Grund hierfür ist, dass der lebensdauerbestimmende Fehlermechanismus die Degradation der Chiplotschicht war. Die Technologie dieser Verbindung war in allen Prüflingen identisch. Dieses Ergebnis verdeutlicht, dass für die Erhöhung der Lastwechselfestigkeit die Verbesserung der Bonddrahttechnologie alleine nicht ausreichend ist. Allerdings existieren Lastwechselbedingungen, bei denen die verbesserte Bonddrahttechnologie zur Lebensdauersteigerung führt [96]. Die Lastwechsel-Testparameter in [96] waren anders als die Parameter dieses Lastwechseltests. Die Unterschiede waren bei Strom, Zykluszeit, Sperrschichttemperatur und Temperaturhub. Die erzielten Aussagen über die Lebensdauer der Leistungsmodule mit verbesserter Bonddrahttechnologie widersprechen sich nicht. Die Testergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen, dass bei bestimmten Lastwechselbedingungen (niedrigere Temperaturhübe im Vergleich zu [96], was einer realen Anwendung näher kommt) die Lebensdauer der Leistungsmodule von der Degradation der Chiplotschicht bestimmt wird und die verbesserte Bonddrahttechnologie zur höheren Zuverlässigkeit keinen Beitrag leistet. Ein weiterer Nachweis für die Aussage liefert der Vergleich der erzielten Ergebnisse mit den Ergebnissen aus [24], [78] und [34]. In diesen Veröffentlichungen wurde die Lebensdauer der Standard-Aluminiumbonddrähte in Leistungsmodulen unabhängig von anderen Fehlermechanismen untersucht. Der Vergleich ist in Abbildung 4.15 dargestellt. Die Daten in Diagrammen sind wie folgt definiert: • • • • Goehre CIPS2010: Ergebnisse aus [24] Schmidt PCIM2012: Ergebnisse aus [78] Hartmann PCIM2012: Ergebnisse aus [34] Test 600V IGBT, Test 1200V IGBT, Test 1700V IGBT: Ergebnisse vorliegender Arbeit, Prüflinge mit verbesserten Bonddrähten und Standard-Chipverbindung Die Lebensdauer der Standard-Bonddrähte für „Goehre CIPS2010” wurden aus [24] (Figure 7) anhand der linearen Extrapolation der gemessenen Scherkräfte über der Zyklenzahl (im Wertebereich „Average Shear Force”= 2500cN..1000cN) ermittelt, wobei die Lebensdauer als der Schnittpunkt mit der x-Achse definiert wurde. In Abbildung 4.15 sind die Ergebnisse der Prüflingen mit gehärteten Aluminium-Bonddrähten unterhalb der Lebensdauerkurve für Standard- 4.2 Einfluss der Chipdicke und Bonddrahttechnologie 113 Al-Bonddrähte. Aufgrund der Degradation der Chipverbindung konnten die verbesserten Bonddrähten zu keiner Verbesserung der Lebensdauer im Vergleich zu Standard-Leistungsmodulen beitragen. Lebensdauerauswertung 1,0E+07 Anzahl Zyklen Lebensdauerkurve für Standard-Aluminiumbonddrähte 1,0E+06 1,0E+05 1,0E+04 40,00 50,00 60,00 70,00 80,00 90,00 100,00 110,00 120,00 ΔTj in K Test 600V IGBT Test 1200V IGBT Test 1700V IGBT Goehre CIPS2010 Schmidt PCIM2012 Hartmann PCIM2012 Abbildung 4.15: Leistungsmodule mit gehärteten Bonddrähten im Vergleich zur Lebensdauer der Standard-Al-Bonddrähte Das zweite Ergebnis dieses Tests ist, dass die Chipdicke die Zuverlässigkeit wesentlich beeinflusst. Je dünner der Halbleiterchip ist, desto weniger Belastung erfährt die Verbindungsschicht zwischen Chip und DCB-Substrat und desto größer ist die Lebensdauer des Leistungsmoduls. Im durchgeführten Test zeigten Module mit 600V-Chips im Durchschnitt etwa eine doppelte Lebensdauer im Vergleich zu Prüflingen mit 1700V-Chips. Die erzielten Ergebnisse bestätigen die empirisch ermittelten Zusammenhänge der CIPS2008–Gleichung. Diese Abhängigkeit gilt aber nur dann, wenn die Lebensdauer des Leistungsmoduls von der Degradation der Chiplotschicht bestimmt wird. Unter anderen Belastungsbedingen, bei denen z.B. Bonddrahtfehler oder die großflächige Verbindung zwischen DCB-Substrat und Grundplatte die Zuverlässigkeit des Leistungsmoduls bestimmen, kann sich die Chipdicke weniger stark auf die Zuverlässigkeit auswirken. 114 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests 4.3 Einfluss der Chipverbindungstechnologie 4.3.1 Diffusionslöten Wie bereits gezeigt wurde, ist die Verbesserung der Bonddrahttechnologie nicht ausreichend, um die Lastwechselfestigkeit der Leistungsmodule zu erhöhen. Der Grund dafür ist die Degradation der Chipverbindung, die unter bestimmten Lastwechselbedingungen die Lebensdauer der Leistungsmodule bestimmt. Die Verbesserung der Chipverbindungstechnologie ist deshalb notwendig. Der Gegenstand der Untersuchung des folgenden Lastwechseltests war, die Zuverlässigkeit der Leistungsmodule mit der neuen Verbindungstechnologie „Diffusionslöten” zu untersuchen. Die Verbindung, die mittels Diffusionslöten hergestellt wird, ist schematisch mit der Standard-Lotschicht in Abbildung 4.16 verglichen. Links ist die bleifreie Standard-Lotschicht dargestellt, welche nach dem Lötprozess im Wesentlichen aus der Zinn-Silber-Legierung besteht. Dagegen hat die Chipverbindung, die mit Diffusionslöten ausgeführt ist, intermetallische Phasen. Der Unterschied des Diffusionslötens im Vergleich zur StandardLötung sind die Schmelztemperaturen der intermetallischen Phasen, die 400◦ C bzw. 600◦ C betragen. Die Standard-Lötung hat dagegen in den größten Bereichen eine Schmelztemperatur von 221◦ C. Sowohl beim Standardlötverfahren als auch beim Diffusionslöten ist der Ausgangszustand beim Löten die zinnbasierte Legierung mit niedriger Schmelztemperatur. Erst im Laufe des Lötprozesses bilden sich beim Diffusionslöten die intermetallischen Phasen. Abbildung 4.16: Prinzipieller Vergleich der Chipverbindungstechnologien: Standard-Lötung und Diffusionslöten [28] Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Verbindungstechnologien für die Chipverbindung ist die Schichtdicke. Die Verbindung mit Diffusionslöten beträgt etwa 10µm und ist somit nur ein Zehntel der Standard- 4.3 Einfluss der Chipverbindungstechnologie 115 Lotschichtdicke [29]. Der Querschnitt einer realen Verbindung mit dem Diffusionslöten ist in Abbildung 4.17 gezeigt. Abbildung 4.17: Schliffbind der verbesserten Chipverbindung (Diffusionslöten) Aufgrund der dünnen Verbindungsschicht beim Diffusionslöten ist diese Technologie für Verbindungsflächen bis zu 185 mm2 beschränkt [28]. Größere Flächen weisen oft Unebenheiten auf, die beim Lötprozess nicht ausgeglichen werden können; deshalb ist die Neigung zu Lufteinschlüssen sehr hoch. Der Einsatz des Diffusionslötens für die großflächige Verbindung zwischen DCB-Substrat und Grundplatte im Leistungsmodul ist nach dem heutigen Stand der Technik nicht möglich. Das Verfahren eignet sich nur für die Verbindung zwischen Chip und DCB-Substrat [27]. 4.3.2 Lastwechseltest mit verbesserter Chipverbindung Das Diffusionslöten verspricht nach dem Zusammenhang der homologen Temperatur eine wesentlich höhere Lastwechselfestigkeit der Leistungsmodule. Um das zu testen, wurde nachfolgender Lastwechseltest durchgeführt. Die Prüflinge für diesen Test wurden, wie in Abbildung 4.18 dargestellt, aufgebaut. Im Vergleich zur Aufbau-und Verbindungstechnik der StandardModule wurde nur die Chipverbindungstechnologie geändert. Der Lastwechseltest wurde mit Gleichstrombelastung bei konstanter Zykluszeit durchgeführt, wobei die Prüflinge mit Hilfe einer Luftkühlung gekühlt wurden. Folgende Testparameter wurden gewählt: • ton = 4s 116 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests Abbildung 4.18: Prüfling mit verbesserter Chipverbindung (Diffusionslöten) • • • • • tof f = 6s I = 150..165A Tcase,min ; Tvj,min = 71,6..77,4◦ C Tcase,max = 97,7..108,2◦ C Tvj,max = 170,2..186,5◦ C Für die Bewertung der Lastwechselfestigkeit der Prüflinge mit Diffusionslöten, wurden Standard-Leistungsmodule unter vergleichbaren Testbedingungen getestet. Die Standard-Technologie repräsentieren in diesem Test die Leistungsmodule FS150R06KE3 und Prototypmodule des 400A / 600V HybridPACK1-Leistungsmoduls des Herstellers Infineon. Für diese Standard-Module wurden Testparameter laut Tabelle 4.3 eingestellt. Tabelle 4.3: Testparameter für Standard-Module ton tof f I Tcase,min ; Tvj,min Tvj,max Kühlart FS150R06KE3 4s 6s 150A 81,9..90,4◦ C 186,6..198,6◦ C Luftkühlung Prototyp HybridPACK1 0,6..0,8s 3,1..5,1s 400A 73,0..75,8◦ C 164,5..185,0◦ C Wasserkühlung Wie an den Testparametern in Tabelle 4.3 zu sehen, wurden die StandardModule bezüglich der maximalen Sperrschichttemperatur bei stark unterschiedlichen Werten getestet. Um die Testergebnisse als eine vergleichbare Referenz für die Prüflinge mit verbesserter Chipverbindung nehmen zu können, wurde die erreichte Lebensdauer mit der Formel 4.1 auf die ma- 4.3 Einfluss der Chipverbindungstechnologie 117 ximale Sperrschichttemperatur Tj,max = 175◦ C umgerechnet, wobei die Basis für diese Umrechnung die Lebensdauergleichung 2.9 ist. Durch die Umrechnung wurden die realen Testergebnisse um maximal 7% korrigiert. Nf = Nf,T estergebnis 2,32 · e 1,38E−23·Tm,175◦ C (4.1) e Die Lebensdauerauswertung der Testergebnisse ist in Abbildung 4.19 zusammenfassend dargestellt. Die gestrichelte Linie ist die berechnete Lebensdauer mit der Gleichung 2.9. Die Ergebnisse der Standard-Module stimmen in etwa mit dem Ergebnis der Lebensdauergleichung überein und erreichten somit die erwartete Lebensdauer. 2,32 1,38E−23·Tm,T estergebnis Verglichen mit den Ergebnissen aus Abbildung 4.14 (600V-Module) erreichten die Standard-Module in diesem Test nicht das gleiche Lebensdauerniveau. Die Begründung hierfür liegt in der Belastung mit der Strom- bzw. Wärmestromdichte. Die Wärmestromdichte der Prüflinge in Abbildung 4.14 betrug für 600V-Module in etwa PV = 150W/cm2 , für Standard-Module in diesem Test war die Belastung um den Faktor zwei höher. Im Vergleich zu Standard-Modulen zeigen die Prüflinge mit der verbesserten Chipverbindung eine zwei- bis dreifach höhere Lebensdauer. In [24], [23], [52], [78] und [34] wurde die Lastwechselfestigkeit der StandardBonddrähte unabhängig von anderen Fehlermechanismen untersucht. Diese Ergebnisse wurden in Abbildung 4.15 verwendet und daraus eine Lebensdauerkurve für Standard-Aluminiumbonddrähte ermittelt. Diese Lebensdauerkurve ist zur Lebensdauerbewertung in Abbildung 4.14 aufgezeichnet und verdeutlicht, dass die Zuverlässigkeit der Prüflinge „Chipverbindung Diffusionslöten” von der Standard-Bonddrahttechnologie bestimmt wird. Das gemessene Alterungsverhalten der Module mit der verbesserten Chipverbindung bestätigt, dass die Lebensdauer dieser Aufbau-und Verbindungstechnik nur vom Bonddrahtfehler bestimmt wird. Die gemessenen Trends der Durchlassspannung und des thermischen Widerstands zeigt Abbildung 4.20. Die Standard-Module fielen unter den gewählten Lastwechselbedingungen überwiegend aufgrund der Degradation der Chiplotschicht aus. Bei einigen Standard-Modulen kam es zusätzlich zum Bonddrahtfehler. Bevor jedoch der Bonddrahtfehler aufgetreten ist, war bei allen Prüflingen eine Verschlechterung des thermischen Widerstandes messbar. Dieses Alterungsverhalten ist in Abbildung 4.21 dargestellt. Die höhere Lebensdauer der Standard-Bonddrähte in den Modulen mit 118 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests Lebensdauerauswertung Anzahl Zyklen 1,0E+07 1,0E+06 1,0E+05 1,0E+04 80 85 90 95 100 105 ΔTj in K 110 115 120 Standard FS150R06KE3 Standard 400A/600V Lebensdauergleichung 600V-Standardmodule Chipverbindung Diffusionslöten Lebensdauerkurve Standard-Aluminiumbonddrähte Abbildung 4.19: Vergleich der Lastwechsel-Testergebnisse zwischen Standard-Modulen und Prüflingen mit verbesserter Chipverbindung verbesserter Chipverbindung kann auf den Einfluss des thermischen Widerstandes zurückgeführt werden. Der Anstieg des thermischen Widerstandes führte im Laufe des Tests zu einer immer höheren Sperrschichttemperatur. Dieser Effekt beschleunigte die Alterung der Bonddrahtverbindungen. Bei verbesserter Chipverbindung trat dieser Beschleunigungsmechanismus nicht auf. Der Vergleich der Verläufe der minimalen und der maximalen Sperrschichttemperatur ist in Abbildung 4.22 gezeigt. Verglichen sind Standardmodul und Prüfling mit der verbesserten Chipverbindung. Das verbesserte Modul in diesem Beispiel erfuhr ab Beginn des Lastwechseltests eine höhere maximale Sperrschichttemperatur und auch einen höheren Temperaturhub im Vergleich zum Standard-Modul. Trotz dieser härteren Bedingungen zeigen die Standard-Bonddrahtverbindungen bei verbesserter Chipverbindung eine höhere Lebensdauer. Während des ganzen Lastwechseltests hat das Standardmodul einen viel geringeren Temperaturhub erfahren. Trotzdem erzielten hier die Bonddrähte eine geringere Lebensdauer. Es ist zu vermuten, dass im Standard-Modul die Chiplotdegradation lokale Temperaturüberhöhungen verursachte und dadurch die Bonddrahtverbindungen an den betroffenen Stellen mit viel höheren Temperaturen belastet wurden. Diese lokalen Temperaturen konnten mit der Sperrschicht-Temperaturmessung nicht erfasst werden. Die 4.3 Einfluss der Chipverbindungstechnologie 119 Verlauf von VCE und Rth 120 5% Anstieg (VCE) VCE in % 105 110 VCE 100 100 Rth in % 110 Rth 95 90 90 0 20000 40000 60000 80 80000 Zyklen Abbildung 4.20: Verlauf des thermischen Widerstandes und der Durchlassspannung des Prüflings mit verbesserter Chipverbindung, Testparameter: ton = 4s, tof f = 6s, I = 150A, Tvj,min = 77◦ C, ∆Tj = 99, 8K virtuelle Sperrschichttemperatur ist ein stromgewichteter Mittelwert der Sperrschichttemperatur über den ganzen Chip [77]. Diese Methode liefert über die Temperaturverteilung im Chip keine Information. Wie im Kapitel 4.2 zeigen die Ergebnisse dieses Lastwechseltests, dass der Schwachpunkt der Aufbau-und Verbindungstechnik in den StandardModulen primär in der Chiplotschicht liegt. Das Versagen der Bonddrahtverbindung war der sekundäre Fehlermechanismus und begrenzte nicht die Lebensdauer der Leistungsmodule. Erst bei verbesserter Chipverbindung wurde die Bonddrahtverbindung zum bestimmenden Schwachpunkt der Aufbau- und Verbindungstechnik. Die Lebensdauer der neuen Verbindung (Diffusionslöten) wurde unter den gewählten Testbedingungen aufgrund des Bonddrahtfehlers nicht erreicht. Die Verbindungstechnologie zeigt also ein Potenzial für eine viel höhere Zuverlässigkeit, wenn im Leistungsmodul zusätzlich die Bonddrahtverbindungen verbessert werden. 120 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests Verlauf von VCE und Rth 110 140 5% Anstieg (VCE) 130 VCE 120 100 20% Anstieg (Rth) Rth in % VCE in % 105 110 Rth 95 100 90 0 10000 20000 30000 40000 90 50000 Zyklen Abbildung 4.21: Verlauf des thermischen Widerstandes und der Durchlassspannung des 400A / 600V Standard-Moduls, Lastwechseltestparameter: ton = 0, 4, tof f = 4, 1s, I = 400A, Tvj,max = 166, 1◦ C, ∆Tj = 90, 9K 4.3.3 Lastwechseltest mit Diffusionslöten und verbesserten Bonddrähten Die vorhergehenden Lastwechseluntersuchungen vorliegender Arbeit zeigen, dass die Verbesserung nur der Bonddrahtverbindungen im Leistungsmodul unter bestimmten Lastwechselbedingungen zu keiner Lebensdauererhöhung führt. Durch die Verbesserung der Chipverbindung lässt sich die Lastwechselfestigkeit der Leistungsmodule wesentlich erhöhen. Dabei erwies sich die Bonddrahtverbindung als der lebensdauerbestimmende Fehlermechanismus. Dieses Ergebnis bezieht sich wiederum streng genommen nur auf bestimmte Testbedingungen. Demzufolge ist die Verbesserung sowohl der Chipverbindung und der Bonddrahtverbindungen für die Verbesserung der Zuverlässigkeit der Leistungsmodule erforderlich. Im folgenden Lastwechseltest wurden beide Verbindungstechnologien (Diffusionslöten und dotierte bzw. gehärtete Aluminiumbonddrähte) in den zu untersuchenden Prüflingen integriert auf die Lastwechselfestigkeit untersucht. Die neuen Technologien wurden in einem Standard-Gehäuse HybridPACK1 aufgebaut. Untersucht wurden 650V IGBTs mit dem Nennstrom von 300A. 4.3 Einfluss der Chipverbindungstechnologie 121 Verlauf von Tvj,min und Tvj,max Tvj,max 130 Tvj,min in °C 200 standard 140 verbessert 190 180 120 170 110 160 100 150 90 verbessert Tvj,min 80 70 140 Tvj,max in °C 150 130 120 standard 60 110 50 0 20000 40000 60000 100 80000 Zyklen Abbildung 4.22: Verlauf der Sperrschichttemperatur; Vergleich zwischen Standard-Modulen (standard) und Modulen mit Diffusionslöten (verbessert), Messungen aus dem Test der Abbildungen 4.20 und 4.21 Ein IGBT war eine Parallelschaltung von zwei 150A IGBT-Chips. Es wurden insgesamt drei Gruppen der Prüflinge getestet, wobei die Chipmetallisierungstechnologie als Untersuchungsparameter variiert wurde. Während des Tests wurden die Prüflinge mit dem Gleichstrom belastet und mit Wasser direkt an der Grundplatte gekühlt. Die Steuerung des Tests erfolgte mit konstanter Zykluszeit. Die anderen Testparameter der Prüflinge waren wie folgt: • • • • • ton = 0, 1..6, 0s tof f = 0, 2..8, 0s I = 300..400A Tvj,max = 168, 0..207, 0◦ C ∆Tj = 73, 0..155, 0K Alle Leistungsmodule mit den Verbesserungen in der Aufbau- und Verbindungstechnik fielen unter diesen Bedingungen aufgrund des Anstiegs in der Durchlassspannung aus, was auf das Versagen der Bonddrahtverbindung zurückzuführen war. Die Lebensdauerauswertung ist in Abbildung 4.23 gezeigt. Die Vergleichsbasis sind Lastwechselergebnisse der StandardModule aus [40]. Dabei wird sichtbar, dass die verbesserten Bonddrähte 122 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests sehr gute Ergebnisse erreichen, sofern die Metallisierung damit verträglich ist. Lebensdauerauswertung 1,0E+08 Anzahl Zyklen 1,0E+07 bei 3 Modulen kein Ausfall 1,0E+06 1,0E+05 1,0E+04 1,0E+03 20,00 40,00 60,00 Standard-Module Chipmetallisierung V3 80,00 100,00 120,00 140,00 160,00 ∆Tj Chipmetallisierung V1 Anforderung 200°C Chipmetallisierung V2 Abbildung 4.23: Lebensdauerauswertung bei aktiven Zyklen für Module mit verbesserter Chipverbindung, verbesserten Bonddrahtverbindungen und verschiedenen Chipmetallisierungsvarianten im Vergleich zu 600V Standard-Leistungsmodulen Mit Variante 1 wird nur die Lebensdauer von den Standard-Modulen erreicht. Im Vergleich zu den Testergebnissen in Abbildung 4.19 (Module mit Diffusionslöten für die Chipverbindung und Standard-Bonddrähten) zeigen Bonddrahtverbindungen mit dieser Chipmetallisierungsvariante eine wesentlich schlechtere Zuverlässigkeit. Mit Variante 2 konnte die Lastwechselfestigkeit deutlich gesteigert werden. Dabei fiel die Verbesserung der Lebensdauer bei niedrigen Temperaturhüben höher aus. Bei einem Prüfling mit der Chipmetallisierungsvariante V2 wurde die Bonddrahtverbindung mit Hilfe des metallographischen Schliffs analysiert. Die Ergebnisse zeigt Abbildung 4.24. Das Ausfallbild zeigt den Fehlermechanismus, der in dieser Form bei Standard-Modulen nicht bekannt war. Der wesentliche Unterschied ist das Risswachstum innerhalb der Chipmetallisierung. Im Vergleich dazu ist der Bonddrahtfehler der Standard-Module in Abbildung 4.25 dargestellt. Der Riss breitet sich bei der Standard-Bonddrahtverbindung oberhalb der Grenzfläche (Chipmetallisierung-Bonddraht) im Bonddrahtmaterial aus. 4.3 Einfluss der Chipverbindungstechnologie 123 Al dotiert Grenzfläche Riss Metallisierung Si Chip Abbildung 4.24: Metallographischer Schliff der Bonddrahtverbindung mit der Chipmetallisierungsvariante V2, Riss in der Chipmetallisierung nach dem Lastwechseltest Abbildung 4.25: Risswachstum in der Bonddrahtverbindung bei StandardLeistungsmodulen [24] Die Analyse der Chipmetallisierungsvariante V2 zeigt, dass durch eine weitere Verbesserung der Chipmetallisierung die Zuverlässigkeit der Leistungsmodule mit der betrachteten Aufbau- und Verbindungstechnik gesteigert werden kann. Dies lässt sich mit dem Testergebnis der Variante V3 bestätigen. Diese Prüflinge zeigen eine Lebensdauerverbesserung im Vergleich zu Variante V2 um den Faktor zehn und im Vergleich zu Standard-Modulen um den Faktor 100. Von den getesteten vier Leistungsmodulen erreichte ein Prüfling das Lebensdauerende aufgrund des Anstiegs in der Durchlassspannung. Die Verläufe von VCE und Rth des ausgefallenen Moduls sind in Abbildung 4.26 dargestellt. Im Verlauf des gesamten Lastwechseltests ist ein stetiger Anstieg der Durchlassspannung zu erkennen. Dieses Verhalten ist bekannt aus dem Alterungsverhalten der Standard-Module und ist auf die Verschlechterung der Leitfähigkeit der Chipmetallisierung zurückzuführen [57]. Zwei stufenförmige Anstie- 124 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests ge der Durchlassspannung weisen auf einen Bonddrahtabgang hin. Der thermische Widerstand bleibt im Verlauf des Lastwechseltests annähernd unverändert. Daraus ist zu schließen, dass das Diffusionslöten das Potential zu einer höheren Zuverlässigkeit hat, als die erreichte Lebensdauer des Leistungsmoduls in diesem Test. Verlauf von VCE und Rth 110 VCE 105 VCE, Rth in % Rth 100 Kühlmittel gewechselt 95 90 0 1.000.000 2.000.000 Zyklen 3.000.000 4.000.000 Abbildung 4.26: Verlauf der Durchlassspannung des Prüflings mit Chipmetallisierungsvariante V3, Lastwechseltestparameter: ton = 0, 7s, tof f = 3, 1s, I = 300A, Tvj,max = 176, 9◦ C, ∆Tj = 94, 2K 4.4 Applikationsnahe Lastwechseltests 4.4.1 Übersicht der Verbindungstechnologien Die bisher vorgestellten Testergebnisse basierten auf reiner Lastwechselbelastung. Bei diesen Tests wurden die Leistungsmodule mit relativ kurzen Temperaturzyklen belastet, die zum Versagen der Bonddraht- und Chipverbindungen führten. Solche Temperaturzyklen bilden nur einen Teil der Belastung einer Hybridfahrzeuganwendung nach. Von großem Interesse sind Zuverlässigkeitstests, die die Temperaturschwankungen des Kühlmittels nachbilden und zusätzlich die Verbindung zwischen DCB-Substrat und Grundplatte (in dieser Arbeit als Systemverbindung bezeichnet) belasten. 4.4 Applikationsnahe Lastwechseltests 125 In diesem Kapitel werden Ergebnisse der applikationsnahen Lastwechseltests gezeigt, womit zusätzlich zu gehärteten Aluminiumbonddrähten und zur neuen Chipverbindung, dem Diffusionslöten, zwei neue Verbindungstechnologien für die Systemverbindung untersucht wurden: Die Silber-Sintertechnologie (Niedertemperaturverbindungstechnik) und die neuartige Lötung mit vertikalen Mikrostrukturen. Abbildung 4.27 zeigt diese Verbindungstechnologien in der Schnittdarstellung des Leistungsmoduls. Standard: Al Verbessert: dotiertes Aluminium, modifizierte Chipmetallisierung Si Standard: Sn-Ag Lot Verbessert: Diffusionslötung Cu, Al2O3, Cu (DCB) Standard: Sn-Ag Lot Verbessert: Silber Sintertechnologie Lötung mit vertikalen Strukturen Standard: 3mm Cu ohne PinFin Verbessert: 5mm Cu mit PinFin Abbildung 4.27: Übersicht der Verbindungstechnologien für die Zuverlässigkeitsuntersuchungen mit applikationsnahen Lastwechseltests Eine bereits sehr ausführlich erforschte Verbindungstechnologie für die großflächige Systemverbindung der Leistungselektronik zwischen DCBSubstrat und Grundplatte ist die Silber Sintertechnologie, die auch als Niedertemperaturverbindungstechnik bezeichnet wird ([92], [84]). Die Prozesstemperatur für die Herstellung dieser Verbindung liegt bei ca. 250◦ C, die Schmelztemperatur dieser Verbindungsschicht beträgt dagegen 960◦ C. Die Einsatztemperatur dieser Verbindung im Leistungsmodul liegt weit unterhalb dieser Schmelztemperatur und zeigt deshalb bei Lastwechseln eine hohe Zuverlässigkeit [1]. Ein weiterer Vorteil dieser Verbindungstechnologie ist eine viel bessere thermische Eigenschaft im Vergleich zu Standard-Lotschichten. Die Dicke der Niedertemperaturverbindungstechnik beträgt ca. 30µm und ist somit nur ein Drittel der Dicke bei Standard-Lotschichten. Außerdem lässt sich die Silber-Sinterschicht lunkerfrei herstellen. Dagegen nehmen Lunker bei Standard-Loten einen relativ hohen Anteil der Verbindungsfläche ein und verschlechtern somit den thermischen Widerstand dieser Schicht. Ein neuer Ansatz speziell für großflächige Verbindungen zwischen Substrat und Grundplatte ist die Lötung mit vertikalen Mikrostrukturen. Diese eingebrachten Strukturen verhindern den Risswachstum bei Temperaturwechseln in die horizontale Richtung und versprechen eine viel höhere Zuverlässigkeit für den Einsatz bei hohen Temperaturen ([28], [54]). Der Vorteil dieser Technologie ist, 126 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests dass für die Herstellung der Verbindung vorhandene Standard-Lötprozesse verwendet werden können und Kosten für neue Fertigungslinien deshalb entfallen. Die metallographischen Schliffe beider betrachteten Technologien für die großflächigen Verbindungen im Leistungsmodul sind im Vergleich in Abbildung 4.28 dargestellt. Die Mikrostrukturen in der neuartigen Lötung sind Kupfer-Zinn Ausscheidungen, wobei das Grundmaterial der Lötung eine Zinn-Silber-Legierung ist. Abbildung 4.28: Schliffbilder der Niedertemperaturverbindung [97] und neuartiger Systemlötung mit Mikrostrukturen [28] 4.4.2 Testergebnisse Für die Zuverlässigkeitsuntersuchung beider Verbindungstechnologien wurde ein überlagerter Temperaturwechseltest durchgeführt. Hierfür wurden Prüflinge mit Hilfe eines Wasser-Kühlkreislaufes passiv aufgeheizt und abgekühlt. Während der Aufheizphase wurden die Module zusätzlich mit aktiven Zyklen belastet, die mit einer Gleichstrombelastung erzeugt wurden. Der Verlauf des gewählten Temperaturzyklus ist in Abbildung 4.29 dargestellt. Module mit verbesserter Aufbau- und Verbindungstechnologie und ein Prototyp des Standard-Leistungsmoduls Hybridpack1 600V / 400A als Vergleichsreferenz wurden unter diesen Bedingungen getestet. Der Prüfling mit der Niedertemperaturverbindungstechnik in der Systemverbindung ist in Abbildung 4.30 dargestellt. Der Prüfling mit der neuartigen Systemlötung wurde im gleichen Leistungsmodulgehäuse aufgebaut, die Grundplatte war jedoch ohne PinFin-Struktur und hatte eine Dicke von 3mm. Alle Prüflinge wurden bei aktiven Zyklen mit gleichem Laststrom von 220A und gleichen Zykluszeiten belastet. Es ergab sich ein Unterschied in der maximalen Sperrschichttemperatur, die am Ende der Heizphase gemessen 4.4 Applikationsnahe Lastwechseltests 127 200 200 180 175 150 160 125 140 T in °C Tvj Tcase 100 580 120 590 600 610 100 80 60 40 20 0 0 200 400 600 800 1000 t in s Abbildung 4.29: Gemessener Temperaturverlauf während des überlagerten Temperaturwechseltests, Messung am Standard-Modul wurde. Der Prüfling mit der neuartigen Systemverbindung erfuhr die höchste Temperatur. Dieses Modul hatte gleiche Kühlrandbedingungen wie das Standard-Modul. Beide Module wurden mit der Wärmeleitpaste auf einen wassergekühlten Kühlkörper montiert. Aufgrund eines kleineren IGBT Chips (300A) im Vergleich zum Standard-Modul (400A) war der thermische Widerstand insgesamt höher, was die höhere Sperrschichttemperatur begründet. Das Modul mit der direkt gekühlten PinFin-Grundplatte hatte trotz des 300A-Chips einen besseren thermischen Widerstand und dadurch die niedrigste Sperrschichttemperatur. Für alle Module wurde der passive Zyklus mit der Kühlwassertemperatur zwischen 22◦ C und 122◦ C gesteuert. Die Zykluszeit im passiven Zyklus setzte sich zusammen aus 9min Aufwärmphase, 1min Haltephase bei maximaler Wassertemperatur und 5min Abkühlphase, siehe Abbildung 4.29. In einem passiven Zyklus wurden IGBTs mit 100 aktiven Zyklen während der Aufwärm- und Haltephase belastet. Die Temperaturen sind in Tabelle 4.4 aufgelistet. Zur Messung des Alterungsverhaltens während des Tests wurden Durchlassspannung und der transiente thermische Widerstand aufgezeichnet. Beim Standard-Modul und beim Prüfling mit der neuartigen Systemlötung wurde die thermische Impedanz zwischen Sperrschicht und Kühlkörper gemessen. Für die Messung der Kühlkörpertemperatur wurden auf der Oberfläche des Kühlkörpers 1mm dicke Kanäle eingefräst. Die Temperatur wurde in der Mitte der Modulgrundplatte mit Hilfe eines Thermoelements erfasst. Beim Modul mit der PinFin-Grundplatte wurde für die thermische 128 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests Abbildung 4.30: Prüfling mit verbesserter Aufbau- und Verbindungstechnik, Technologien wie in Abbildung 4.27, Systemverbindung mit Niedertemperaturverbindungstechnik Tabelle 4.4: Testparameter für den applikationsnahen Lastwechseltest Tvj,min Tvj,max ∆Tj,aktiv Tc,max Kühlung NTV / PinFin 22◦ C 173◦ C 48K Wasser direkt Neue Systemlötung 22◦ C 195◦ C 70K 143◦ C Wasser indirekt Standard 22◦ C 175◦ C 50K 143◦ C Wasser indirekt Impedanz die Kühlmitteltemperatur als Bezugstemperatur aufgenommen. Die Messung der thermischen Impedanz erfolgte mit diesen Parametern: • • • • I = 250A ton = 30s Messdauer = 30s TW asser = 20◦ C Abbildung 4.31 zeigt die Verläufe gemessener thermischen Impedanzen für die drei getestete Leistungsmodule. Der transiente thermische Widerstand des Standardmoduls zeigt aufgrund der größten Chipfläche im Millisekundenbereich die niedrigsten Werte. Der Prüfling mit der PinFinGrundplatte und das Modul mit der neuartigen Systemlötung haben bis etwa 30ms den gleichen Verlauf, da beide Module bis zur DCB-Unterseite aus der Richtung des IGBT-Chips den gleichen Aufbau hatten. Die 5mm dicke PinFin-Grundplatte macht sich bemerkbar im Bereich von 100ms bis 3s. Bei diesem Modul sind die Zth -Werte viel kleiner als beim Modul mit 3mm dicken Grundplatte (Modul mit neuartigen Systemlötung). Bei 4.4 Applikationsnahe Lastwechseltests 129 den anderen zwei Prüflingen sind die Anteile des Kühlpfads zwischen dem Kühlkörper und dem Kühlwasser nicht enthalten, da der Referenzpunkt der Zth -Messung auf der Oberseite des Kühlkörpers lag. Zth(t)-Verlauf 0,25 Zth in K/W 0,20 0,15 0,10 0,05 0,00 1,0E-04 Standard-Modul (600V / 400A) Modul mit NTV und PinFin (650V / 300A) Modul mit neuer Systemlötung (650V / 300A) 1,0E-03 1,0E-02 1,0E-01 1,0E+00 1,0E+01 1,0E+02 t in s Abbildung 4.31: Verläufe der thermischen Impedanz für Prüflinge mit verschiedener Aufbau- und Verbindungstechnik, Messung am Anfang des applikationsnahen Lastwechseltests mit Parametern aus Tabelle 4.4 Ausfallkriterien im Lastwechseltest waren 20%-Anstieg des stationären thermischen Widerstandes und 5%-Anstieg der Durchlassspannung. Die Durchlassspannung aller Prüflinge ist im Laufe des Tests konstant geblieben, was zeigte, dass kein Bonddrahtfehler aufgetreten ist. Die gewählten Testbedingungen führten beim Standard-Modul zum Anstieg des thermischen Widerstandes, wie es im Rth -Verlauf in Abbildung 4.32 gezeigt ist. Das Standard-Modul wurde nach dem Test mit dem Ultraschallmikroskop analysiert. Die Aufnahmen der Chiplot- und der Systemlotschicht sind in Abbildung 4.33 zu sehen. Deutlich zu erkennen ist die Delamination in der Systemlotschicht. Schlecht zu erkennen ist der Zustand der Chiplotschicht. Die thermische Impedanzspektroskopie liefert für das Standard-Modul bessere Analyseergebnisse für die Chiplotschicht im Vergleich zu Ultraschallaufnahmen. In Abbildung 4.34 sind Verläufe der Rth -Anteile des 130 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests Verlauf von Rth 0,22 0,20 20% Fehlerkriterium (Standard) Rth in K/W 0,18 0,16 0,14 Wärmeleitpaste erneuert 0,12 0,10 0 1000 2000 3000 4000 passive Zyklen 5000 6000 7000 Standard (Chip1) Standard (Chip2) Lötung Mikrostrukturen (Chip1) Lötung Mikrostrukturen (Chip2) NTV (Chip1) NTV (Chip2) Abbildung 4.32: Verläufe der stationären thermischen Widerstände im applikationsnahen Lastwechseltest diskreten CAUER-Ersatzschaltbildes dargestellt. Diese Werte wurden anhand der Zth -Messungen ermittelt. Hierfür wurde die Methode des Kapitels 3.2 angewendet. Die thermische Impedanz wurde mit vier RCGliedern approximiert. Damit konnten die gemessenen Kurven mit ausreichender Genauigkeit angenähert werden. Der erste Anteil r1 hat den Anteil von etwa 10% des Gesamtwiderstandes und beschreibt somit den Bereich zwischen Sperrschicht und Oberseite des DCB-Substrats. Die Werte von r2 zeigen den Anteil von 50% und zeigen den partiellen Widerstand der Al2 O3 –Keramik und Grundplatte. Die Anteile r3 und r4 zeigen den Einfluss der Wärmeleitpaste und der Oberseite des Kühlkörpers. Der Kühlpfad mit CAUER-Gliedern kann somit wie folgt analysiert werden: • r1: Anteil zwischen Sperrschicht und Oberseite des DCB-Substrates, zeigt Alterung der Chipverbindung • r2: Anteil zwischen Oberseite des DCB-Substrates und Grundplatte, zeigt Alterung der Systemverbindung • r3, r4: Anteile zwischen Grundplatte und Referenzpunkt der Temperaturmessung (Oberseite des Kühlkörpers), zeigt Einfluss der Wärmeleitpaste Im Verlauf von r1 (Chip2) sieht man einen Anstieg, was auf die Degradati- 4.4 Applikationsnahe Lastwechseltests 131 Chip2 Chip1 Abbildung 4.33: Ultraschallbilder des Standard-Moduls (600V / 400A) nach 2.620 passiven Zyklen und 262.000 aktiven Zyklen on des Chiplotes schließen lässt. Der Anstieg im Anteil r2 (Chip1) zeigt die Alterung der Systemlotschicht. Bei Chip2 bleibt dieser Wert annähernd konstant. Das Ultraschallbild in Abbildung 4.33 bestätigt diese Unterschiede. Unterhalb von Chip1 ist eine starke Delamination im Systemlot zu erkennen, unterhalb von Chip2 sind dagegen keine hellen Bereiche zu sehen. Die Unregelmäßigkeiten unterhalb Chip1 in der Chipverbindung deuten im Ultraschallbild auf die Degradation hin und bestätigen die Messung. Die Verläufe der gemessenen CAUER-Zeitkonstanten und -Kapazitäten zeigen Abbildungen 4.35 und 4.36. In den Bereichen, wo Widerstände ansteigen, werden Zeitkonstanten größer und Kapazitäten kleiner. Die relativen Veränderungen sind nur schwach zu erkennen. Dies lässt sich wie folgt begründen. Physikalisch gesehen verändert sich die thermische Kapazität des Materials im Laufe des Lastwechseltests nicht. Im Falle einer Degradation einer Materialschicht wird jedoch die Kühlfläche verkleinert und das führt zur Einengung des Wärmeflusses. Insgesamt verringert sich das Materialvolumen, welches an der Kühlung des Halbleiterchips beteiligt ist. Deshalb sinkt die gemessene Wärmekapazität bei der Erhöhung des partiellen thermischen Widerstandes. Bei diesem Effekt würden die entsprechenden Zeitkonstanten der RC-Glieder konstant bleiben. Eine kleiner werdende Kühlfläche zwingt jedoch bei gleicher abzuführender Verlustleistung zu einer stärkeren Wärmespreizung. Dieser Effekt wirkt der Einengung des Wärmeflusses entgegen. Dadurch kommt es zu einer Erhöhung der Zeitkonstanten. Beide Effekte beeinflussen sich gegenseitig. Messungen zeigen, dass sowohl Zeitkonstanten als auch thermische Kapazitäten ungefähr in gleichem Maße sich relativ verändern. Dadurch ist die Empfindlichkeit dieser Werte bei einem Fehler geringer als bei Widerständen. 132 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests Verlauf der CAUER-Widerstände 0,12 Chip1 Chip2 0,1 r2 Rth in K/W 0,08 0,06 r3 0,04 r1 0,02 r4 0 0 500 1000 1500 2000 Passive Zyklen 2500 3000 Abbildung 4.34: Verlauf der CAUER-Widerstände des Standard-Moduls Das Ergebnis des Lastwechseltests zeigt, dass die Lastwechselbedingungen entsprechend einer realen Anwendung in einem Standard-Leistungsmodul zum Versagen sowohl der Chipverbindung als auch der großflächigen Verbindung zwischen DCB-Substrat und Grundplatte führt. Unter den gewählten Testbedingungen begrenzten die Bonddrahtverbindungen nicht die Lebensdauer des Leistungsmoduls. Der Test mit dem Prüfling mit der neuen Systemlötung wurde nach 2.160 Zyklen abgebrochen und das Leistungsmodul mit dem Ultraschallmikroskop analysiert. Die Aufnahmen in Abbildung 4.37 zeigen bereits eine beginnende Degradation des Systemlotes in den Eckbereichen des mittleren DCB-Substrates. Diese delaminierten Bereiche sind außerhalb der Chipfläche und verursachten deshalb keinen Rth -Anstieg in Abbildung 4.32. Das Modul mit der PinFin-Grundplatte und der Niedertemperaturverbindungstechnik erreichte 6.500 passive und 650.000 aktive Zyklen ohne Fehler. Allerdings kann man im Rth –Verlauf in Abbildung 4.32 einen Anstieg von etwa 10% feststellen. Die Analyse mit dem Ultraschallmikroskop war aufgrund der PinFin-Struktur auf der Grundplatte nicht möglich. Eine klare Aussage über die Ursache für den gemessenen Rth -Anstieg zeigt die thermische Impedanzspektroskopie in Abbildung 4.38. Analog zum 4.4 Applikationsnahe Lastwechseltests 133 Verlauf der CAUER-Zeitkonstanten 10 τ4 1 τ3 τ in s 0,1 τ2 0,01 τ1 0,001 Chip1 Chip2 0,0001 0 500 1000 1500 2000 Passive Zyklen 2500 3000 Abbildung 4.35: Verlauf der CAUER-Zeitkonstanten des Standard-Moduls Standard-Modul wurden CAUER-Parameter gemessenen. Hierfür wurde die thermische Impedanz mit drei RC-Gliedern approximiert. Die Anteile des CAUER-Ersatzschaltbildes unterteilen den Kühlpfad wie folgt: • r1: Anteil zwischen Sperrschicht und Al2 O3 -Keramik, zeigt Alterung des Chiplotes • r2: Anteil zwischen Al2 O3 -Keramik und Grundplatte, zeigt Alterung von Systemverbindung • r3: Anteil zwischen Grundplatte und Kühlwasser Die Unterteilung des Kühlpfads weicht vom Standard-Leistungsmodul ab. Der Anteil r1 enthält, anders als beim Standard-Modul, den größten Teil der Al2 O3 -Keramik. Im Anteil r2 ist der Rest Al2 O3 -Keramik enthalten, wobei dieser Teil kleiner ist. Diese Unterteilung ergab sich aufgrund der Vorgabe an den mathematischen Lösungsalgorithmus, die thermische Impedanz mit drei RC-Gliedern zu approximieren. Der Verlauf der CAUER-Widerstände zeigt, dass der Anstieg des stationären thermischen Widerstandes aufgrund der Verschlechterung des Wärmeübergangwiderstandes zwischen PinFin-Grundplatte und Kühlwasser hervorgerufen wird. Die nachträgliche Analyse zeigte auf der PinFinKühlstruktur der Grundplatte Ablagerungen, die als Ursache für den Anstieg des Übergangswiderstands festgestellt wurden. Die Degradationen 134 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests Verlauf der CAUER-Kapazitäten 1000 C4 C in J/K 100 C3 10 1 C2 0,1 C1 Chip1 Chip2 0,01 0 500 1000 1500 2000 Passive Zyklen 2500 3000 Abbildung 4.36: Verlauf der CAUER-Kapazitäten des Standard-Moduls Verbindungstechnologien im Leistungsmodul konnten somit ausgeschlossen werden. 4.4.3 Lebensdauerbewertung Die erreichten Ergebnisse im applikationsnahen Lastwechseltest sollen im Nachfolgenden bezüglich der Lebensdauer bewertet werden. Da sowohl der Ausfall der Chiplotschicht als auch der Systemlotschicht im StandardModul beobachtet wurde, werden Lebensdauermodelle sowohl für aktive Zyklen als auch für passive Zyklen für die Auswertung dieses Moduls verwendet. Die erste Gleichung 2.9 aus [96], deren Genauigkeit im Kapitel 4.3.2 anhand der Testergebnisse gezeigt wurde, beschreibt die Lebensdauer der Standard-Leistungsmodule mit 600V-Sperrspannungsklasse bei aktiven Zyklen und hoher Sperrschichttemperatur. Das zweite Lebensdauermodell 2.8 aus [46] gibt die Zyklenzahl bis zum Ausfall bei passiven Temperaturzyklen. Diese Gleichung gilt für Industrie-Leistungsmodule mit Kupfer-Grundplatte mit vergleichbarer Verbindungstechnologie wie das in dieser Arbeit getestete Standard-Leistungsmodul. Für die Anwendung der Gleichung 2.9 werden die gemessenen Temperaturzyklen in einem passiven Zyklus (Abbildung 4.29) der Sperrschicht in 4.4 Applikationsnahe Lastwechseltests 135 Abbildung 4.37: Ultraschallbilder des Moduls mit neuer Systemlötung nach 2.160 passiven Zyklen und 216.000 aktiven Zyklen zehn Temperaturbereiche unterteilt. Ein Bereich wird für eine bestimmte mittlere Sperrschichttemperatur Tm betrachtet. In jedem dieser Temperaturbereiche werden die Zyklen für die Temperaturhübe der Sperrschicht gezählt und Temperaturhübe ∆Tj bestimmt. Die ermittelte Verteilung der gezählten Temperaturhübe zeigt Tabelle 4.5. In dieser Tabelle zeigt die Spalte „Tm inK” die gewählten Temperaturbereiche, die Spalte „∆Tj inK” ist der Temperaturhub der Sperrschicht, die Werte „Nf (Tm , ∆Tj inK)” sind die berechneten Zyklen mit der Gleichung 2.9 und die Spalte „Anzahl Zyklen im Test” sind die gezählten Temperaturzyklen. Durch das Verhältnis der Zyklen im Test zu den berechneten Zyklen ergibt sich der Lebensdauerverbrauch. Mit der Annahme der linearen Akkumulation des Lebensdauerverbrauchs ergibt sich, dass während des Lastwechseltests etwa 96% der gesamten berechneten Lebensdauer verbraucht wurde. Dieses Ergebnis zeigt, dass die erreichte Lebensdauer des Moduls sehr gut mit der Vorhersage des gewählten Lebensdauermodells übereinstimmt. Auch für die Lebensdauer bei passiven Zyklen liefert der Vergleich zwischen dem Testergebnis und dem Lebensdauermodell eine gute Übereinstimmung. Für den gemessenen Temperaturhub an der Grundplatte des StandardModuls von 121K ergibt sich mit Gleichung 2.8 eine Lebensdauer von 2330 Zyklen. Im Test wurden etwa 12% mehr Zyklen erreicht. Die Lebensdauer der neuen Systemlötung mit vertikalen Mikrostrukturen kann mit Hilfe der Ultraschallaufnahme in Abbildung 4.37 abgeschätzt werden. In diesem Bild lässt sich die Länge des Risses in der Systemlötung bestimmen. Mit der Annahme, dass sich der Riss linear mit der Anzahl der Temperaturzyklen ausbreitet [92], lässt sich die Zyklenzahl bis zum Ausfall abschätzen. Das Lebensdauerende wird erreicht, wenn die delaminierte Fläche gleich der des Leistungsmoduls in Abbildung 4.33 ist. Die Lebensdauer dieser Verbindung lässt sich hiermit auf 6500 Zyklen abschätzen. Damit ist die Zuverlässigkeit dieser Verbindungstechnologie um den Faktor 2,5 höher als die des Standard-Moduls. Vergleicht man dieses Ergebnis 136 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests Verlauf der Rth-Anteile des CAUER-Ersatzschaltbildes 0,08 r1 (Chip-Al2O3) 0,07 0,06 r3 (Grundplatte- Kühlwasser) Rth in K/W 0,05 0,04 r2 (Al2O3-Grundplatte) 0,03 0,02 0,01 0 0 1000 2000 3000 4000 passive Zyklen 5000 6000 7000 Abbildung 4.38: Verlauf der CAUER-Widerstände des Prüflings mit PinFin-Grundplatte und Niedertemperaturverbindungstechnik mit der ermittelten Anforderung an die Temperaturwechselfestigkeit für Leistungsmodule in Abbildung 2.7, so wäre der Einsatz der neuartigen Lötung mit vertikalen Mikrostrukturen bei hoher Kühlmitteltemperatur im Hybridfahrzeug kritisch. Gefordert werden bei 120K Temperaturhub an der Grundplatte etwa 10.000 bis 20.000 Zyklen. Bezüglich der Lastwechselfestigkeit (aktive Zyklen) für den Prüfling mit der neuartigen Systemlötung (mit vertikale Mikrostrukturen) wurde eine ähnliche Abschätzung des Lebensdauerverbrauchs durchgeführt, wie für das Standard-Modul in Tabelle 4.6. Hier zeigt die Auswertung mit dem Lebensdauermodell (gültig für Standard-Module), dass neue Verbindungstechnologien eine mehr als doppelt so hohe Lastwechselfestigkeit im Vergleich zum Standard-Modul erreichen. Die Lastwechselfestigkeit dieser Verbindungstechnologie war bei rein aktiven Zyklen um den Faktor 100 höher gegenüber der von Standard-Modulen, siehe hierzu Abbildung 4.23. Es ist zu erwarten, dass bei der abgeschätzten Lebensdauer von 6500 Zyklen, bei der die Degradation der Systemverbindung zum Ausfall des Prüflings führen wird, die Lebensdauer der gehärteten Aluminiumbonddrähte und der neuen Chipverbindung (Diffusionslöten) noch nicht erreicht wird. Deshalb wird bei den gewählten Testparametern die Lebensdauer der untersuchten Verbindungstechnologie im Prüfling allein 4.4 Applikationsnahe Lastwechseltests 137 Tabelle 4.5: Abschätzung des Lebensdauerverbrauchs für das StandardModul mit Gleichung 2.9 Tm in K ΔTj in K Nf(ΔTj, Tm) Zyklen im Test 330 340 350 360 370 380 390 400 410 420 430 380 50 50 50 50 50 50 50 50 50 50 50 154 845887 728233 632332 553384 487797 432848 386450 346987 313195 284077 258838 9174 13100 18340 18340 20960 23580 23580 26200 26200 28820 28820 34060 2600 Lebensdauerverbrauch gesamt Lebensdauerverbrauch in % 1,5 2,5 2,9 3,8 4,8 5,4 6,8 7,6 9,2 10,1 13,2 28,3 96,2 von der Lebensdauer der neuartigen Systemverbindung mit vertikalen Mikrostrukturen bestimmt. Das Leistungsmodul mit der Niedertemperaturverbindungstechnik, Diffusionslöten, gehärteten Aluminium-Bonddrähten und verbesserten Chipmetallisierung hat offensichtlich das Potenzial die Anforderungen für den Einsatz in Hybridfahrzeugen bei hoher Kühlmitteltemperatur zu erfüllen. Mit dem erreichten Ergebnis wurde allerdings noch kein vollständiger Nachweis für die Erfüllung der Anforderungen an die passiven Temperaturzyklen geliefert. Mit 6.500 Zyklen beim Temperaturhub des Kühlmittels von 100◦ C wurde etwa ein Drittel der geforderten Zyklen erreicht. Die Anforderung wurde für die Kühlmitteltemperatur von 105◦ bzw. für die maximale Grundplattentemperatur von 125◦ C ermittelt (siehe Kapitel 2.3.2). Der Test wurde aus Zeitgründen nach 6.500 Zyklen abgebrochen, wo noch keine Degradationen in den Verbindungsschichten messbar waren. Es besteht deshalb mit dieser Verbindungstechnologie das Potential die geforderten 20.000 Zyklen zu erreichen. Aus dem Standpunkt heraus, dass die untersuche Aufbau- und Verbindungstechnik mindestens 6.500 Zyklen bei 100K Temperaturhub des Kühlmittels standhält, kann abgeschätzt werden, bei welcher maximaler Kühlmitteltemperatur diese Technologie betrieben werden kann. Die Ab- 138 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests Tabelle 4.6: Abschätzung des Lebensdauerverbrauchs für den Prüfling mit der neuartigen Systemlötung (mit vertikalen Mikrostrukturen), Auswertung mit Gleichung 2.9 Tm in K ΔTj in K Nf(ΔTj, Tm) Zyklen im Test 340 350 360 370 380 390 400 410 420 430 440 380 70 70 70 70 70 70 70 70 70 70 70 173 229951 199669 174740 154030 136679 122028 109567 98896 89702 81732 74786 6158 10800 15120 15120 17280 19440 19440 21600 21600 23760 23760 28080 2160 Lebensdauerverbrauch gesamt Lebensdauerverbrauch in % 4,7 7,6 8,7 11,2 14,2 15,9 19,7 21,8 26,5 29,1 37,5 35,1 232,0 schätzung nach der Vorgehensweise des Kapitels 2.3.2 ergibt, dass das untersuchte Leistungsmodul für die angenommenen Umgebungstemperaturen der Stadt Konstanz die Anforderungen für die maximale Kühlmitteltemperatur von 95◦ C erfüllt. Für die Temperaturen der Zugspitze kann das Leistungsmodul für 80◦ C zugelassen werden. Bezüglich der Lastwechselfestigkeit dieser Verbindungstechnologie, zeigen die Ergebnisse in Abbildung 4.23 eine klare Tauglichkeit für die maximale Sperrschichttemperatur von 200◦ C. Die erreichten Zyklen übertreffen die Anforderungen um mindestens Faktor 10. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass die Lastwechselfestigkeit im Vergleich zu Temperaturwechselfestigkeit bei passiven Zyklen deutlich höhere Anforderungen erfüllen können. Man könnte in der Nähe des Halbleiterchips deshalb höhere Temperaturen als 200◦ C zulassen und die Leistungsdichte des Umrichters steigern. Das kann z.B. für den Einsatz von SiC-Bauelementen sprechen. Diese Bauelemente konnten bisher aufgrund der Lastwechselproblematik noch nicht für diese hohen Temperaturen zugelassen werden. 139 5 Zusammenfassung und Ausblick Die Kühlmitteltemperatur von max. 125◦ C in der Hybridfahrzeuganwendung erfordert neue Aufbau- und Verbindungstechniken für eine maximale Sperrschichttemperatur von 200◦ C. In der vorliegenden Arbeit wurde anfangs mit den bekannten Lebensdauermodellen die Anforderung an die Leistungsmodule bei hohen Temperaturen abgeschätzt. Demnach muss die Zyklenfestigkeit bei passiven Zyklen um den Faktor acht verbessert werden und die Lastwechselfestigkeit erfordert eine vierfache Zuverlässigkeit im Vergleich zu heutigen Leistungsmodulen. Für die Untersuchung der Lastwechselfestigkeit bei hohen Kühlmittel- und Sperrschichttemperaturen wurden neue Prüfstandskonzepte und Messmethoden entwickelt. Eines der neuen Konzepte war der Prüfstand für Lastwechseluntersuchungen unter Umrichterbedingungen. Mit diesem Konzept wurde ein Lastwechseltest durchgeführt. Das Ergebnis unterstützt die Annahme, dass die Lebensdauermodelle, die mit vereinfachten Tests mit Gleichstrombelastung ermittelt werden, eine brauchbare Lebensdauervorhersage liefern. Weitere Ergebnisse der Zuverlässigkeitsuntersuchungen dieser Arbeit basierten auf den Temperatur- und Lastwechseltests mit Gleichstrombelastung. Für diese Testmethode wurde der signifikante Einfluss der Sperrschichttemperaturmessung auf die Bestimmung der Lebensdauer gezeigt. Es wurden zwei Quellen für den systematischen Messfehler bei der Messung der Sperrschichttemperatur identifiziert und Methoden für die Korrektur der Fehler behandelt. Anhand der „Wurzel-t-Methode” und mit Untersuchungsergebnissen zur Kalibrierkennlinie konnten die systematischen Messfehler in der Sperrschichttemperaturmessung deutlich reduziert werden. Als weitere Methode für die Durchführung von Lastwechseltests wurde die thermische Impedanzspektroskopie vorgestellt, welche in zwei Teilmethoden unterteilt wurde. Diese erste Methode basiert auf der Analyse der thermischen Impedanzfunktion, die aus dem Feld der Mikroelektronik bekannt ist. Für die Anwendung dieser Methode auf die Leistungsmodule wurde die mathematische Analyse der Impedanzfunktion modifiziert. Der zweite Teil der thermischen Impedanzspektroskopie ist die Aufzeichnung der diskreten CAUER-Teilwiderstände. Besonders hilfreich erweisen sich beide Methoden der thermischen Impedanzspektroskopie bei direkt gekühlten Leistungsmodulen mit der PinFin-Struktur auf der Grundplatte, 140 5 Zusammenfassung und Ausblick bei denen eine zerstörungsfreie Fehleranalyse mit heutigen Ultraschallmikroskopen nicht möglich ist. Die Lastwechseltests mit verbesserten Aufbau- und Verbindungstechnologien zeigten, dass allein die Verbesserung der Bonddrahttechnologie für die Erhöhung der Lastwechselfestigkeit nicht ausreichend ist, da die Lebensdauer der Leistungsmodule unter bestimmten Bedingungen von der Degradation der Chipverbindung bestimmt wird. Der Einsatz der neuen Chipverbindungstechnologie Diffusionslöten zeigt eine signifikant höheren Lastwechselfestigkeit der Leistungsmodule trotz der StandardAluminiumbonddrähte. Prüflinge mit Diffusionslöten und dotierten bzw. gehärteten Aluminium-Bonddrähten zeigten eine um den Faktor 100 höhere Lastwechselfestigkeit im Vergleich zu Standard-Leistungsmodulen. Für die Untersuchung der Zuverlässigkeit der großflächigen Verbindung zwischen DCB-Substrat und Grundplatte (Systemverbindung) wurden applikationsnahe Lastwechseltests durchgeführt, wo Lastwechsel einem passiven Temperaturzyklus überlagert wurden. Mit diesem Test wurden zwei neue Verbindungstechnologien für die Systemverbindung untersucht: Niedertemperaturverbindungstechnik und neuartige Lötung mit vertikalen Mikrostrukturen. Das Ergebnis zeigte, dass die neuartige Lötung zwar eine deutlich höhere Zuverlässigkeit erreicht im Vergleich zu der StandardVerbindungstechnologie, jedoch die gestellten Anforderungen für eine hohe Kühlmitteltemperatur von 125◦ C und eine maximale Sperrschichttemperatur von 200◦ C nach dem heutigen Stand der Forschung nicht erfüllt. Da diese neuartige Lötverbindung sich noch im Entwicklungsstadium befindet, ist eine Steigerung der Zuverlässigkeit noch denkbar. Eine deutlich bessere Zuverlässigkeit zeigte in diesem Test das untersuchte Leistungsmodul mit der Niedertemperaturverbindungstechnik. In diesem Modul wurden gleichzeitig gehärtete Aluminium-Bonddrähte, die verbesserte Chipmetallisierung und das Diffusionslöten untersucht. Der Aufbau des Leistungsmoduls mit diesen Verbindungstechnologien verspricht auf Basis der Untersuchungen in der vorliegenden Arbeit die Anforderungen bei hohen Temperaturen im Hybridfahrzeug zu erfüllen. Für die neuen Verbindungstechnologien können anhand der vorgestellten Ergebnisse der vorliegenden Arbeit noch keine genauen Lebensdauermodelle abgeleitet werden. Hierfür sind weitere Testergebnisse notwendig, die vor allem bei verschiedenen Sperrschichttemperaturen und Temperaturhüben die Lastwechselfestigkeit zeigen. Wichtig sind auch Untersuchungen, wie sich die Parameter wie Zykluszeit, Stromstärke pro Bondfuß und Chipdicke bei dieser neuen Verbindungstechnologie auf die Lastwechselfestigkeit auswirken. Mit diesen Ergebnissen können die neuen Parameter der CIPS2008-Gleichung ermittelt werden und die Gültigkeit dieser Gleichung für neue Verbindungstechnologien systematisch überprüft werden. 141 Lebensdauerbestimmende Fehlermechanismen bei verschiedenen Testbedingungen können mit der Vorgehensweise ebenfalls ermittelt werden. Es wurde bei der Anwendung der „Wurzel-t-Methode” gezeigt, dass der gep messene Gradient dT /d (t) im ersten Zeitabschnitt des Abkühlvorgangs der Sperrschicht ein Indikator dafür ist, welche Wärmeflussdichte das Leistungsmodul bei entsprechenden Belastungsparametern erfährt und wie sich die Temperaturverteilung über der Chipfläche einstellt. Sowohl Wärmeflussdichte als auch Temperaturverteilung im Chip beeinflussen wesentlich das Ausfallverhalten des Leistungsmoduls und werden in der CIPS2008-Gleichung nur indirekt mit dem Gleichungsparameter „Strom pro Bondfuß” berücksichtigt. Ein neues Lebensdauermodell, welches als Parameter Temperaturhub der Sperrschicht, mittlere Sperrschichttemperatur,pEinschaltzeit, Verlustleistungsdichte und zusätzlich den Gradienten dT /d (t) enthält, wird vermutlich die Lebensdauer der Leistungsmodule genauer und zuverlässiger beschreiben. Der letzte Parameter kann physikalisch mit Hilfe der thermischen Impedanz und Verlustleistung im Chip beschrieben werden. Diese Parameter können auf die physikalischen Zusammenhänge von Coffin-Manson-Gesetz, Arrhenius-Gleichung, Relaxationsprozesse bzw. Kriechvorgänge, Kühlrandbedingungen und Temperaturverteilung im Leistungsmodul zurückgeführt werden. Der Einfluss dieser Parameter auf die Lastwechselfestigkeit kann mit Hilfe von Testreihen für beliebige Aufbau- und Verbindungstechnologien ermittelt werden. Für eine reale Anwendung der Leistungselektronik wäre so ein physikalisch basiertes Lebensdauermodell genauer und zuverlässiger. Weiterführende Forschungen in diese Richtung sind notwendig. Ein hilfreiches Werkzeug für eine reale Applikation oder für lange Feldversuche der Leistungselektronik wäre die thermische Impedanzspektroskopie. Mit dieser Messmethode können die Degradationsprozesse im Kühlpfad des Leistungsmoduls unter realen Bedingungen beobachtet werden. Für die Integration dieser Messmethode in das Fahrzeug oder in ein Diagnosegerät sind weitere Forschungsarbeiten notwendig. Interessant für die weiteren Forschungen sind Tests unter Umrichterbedingungen bei gleichzeitig kombinierten Temperaturzyklen (passiv und aktiv). Hierfür können in dieser Arbeit vorgestellte Prüfstandskonzepte verwendet werden. Insgesamt zeigen die Ergebnisse dieser Arbeit, dass sich die Lastwechselfestigkeit der Leistungsmodule mit untersuchten Verbindungstechnologien wesentlich verbessern lässt. Die Messmethoden für die Tests wurden im Vergleich zum Stand der Technik verbessert. Die Ergebnisse dieser Arbeit sind aus Sicht einer Hybridfahrzeuganwendung, wobei Erkenntnisse auf andere Anwendungen ausgeweitet werden können. 142 5 Zusammenfassung und Ausblick 143 A Anhang A.1 Analytische Berechnung der Kalibrierkennlinie Die Berechnung der Kalibrierkennlinie erfordert folgende Größen des Leistungsbauelements: Sperrspannung bzw. die Durchbruchspannung bei Raumtemperatur, aktive Chipfläche, Messstrom durch das Bauelement. Als Ergebnis erhält man die Kalibrierkennlinie als Funktion U = f (T ). Das analytische Modell basiert auf den Ergebnissen der Arbeit [65] und wurde modifiziert. Zur Berechnung der Kalibrierkennlinie werden folgende analytische Gleichungen verwendet. q·Upn Ipn = IS · e k·T − 1 k·T · ln Upn (T ) = q (A.1) j +1 js (T ) (A.2) Sperrsättigungsstrom: js (T ) = q · ni (T )2 · Dp (T ) Lp (T ) · ND Temperaturabhängigkeit der Eigenleitdichte [56]: q −WG (T ) ni (T ) = Nc (T ) · NV (T ) · e k·T (A.3) (A.4) Effektive Zustandsdichten [56]: NC (T ) = 3, 22 · 1019 · NV (T ) = 1, 83 · 1019 · T 300 T 300 1,7 1,75 [cm−3 ] (A.5) [cm−3 ] (A.6) 144 A Anhang Temperaturabhängigkeit der Bandlücke im Silizium [98]: WG (T ) = 1, 1557eV − 7, 021 · 10− 4 · T 2 T + 1108 (A.7) Zusammenhang zwischen der Durchbruchspannung und der Dichte der Dotierstoffatome im intrinsischen Bereich für eine NPT-Dimensionierung des Leistungsbauelements [56]: UBD = 1 · 2 b+1 C0 2 b+1 · q · ND ε 1−b 1+b (A.8) Gleichung A.8 nach ND umgestellt: ND = ε 2 · UBD · · q b+1 C0 1+b 2 ! 1−b − b+1 (A.9) Ionisationsraten b und C 0 werden in [88] auf Basis Shields [87] und Fulop [20] mit diesen Gleichungen beschrieben: T C 0 = 2 · 10−28 · e−16,22· 300K b = 5, 8 + 1, 2 · T 300K (A.10) (A.11) Diffusionskonstante der Löcher [58]: Dp (T ) = k·T · µp (T ) q (A.12) Beweglichkeit der Löcher: µp (T ) = µ∞ (T ) + µ0 (T ) − µ∞ (T ) γ(T ) ND 1 + Nref (T ) µ0 (T ) = 469 · 300 T 2,1 cm2 Vs (A.13) (A.14) A.2 Modell zur Simulation von Fehlermechanismen im Kühlpfad µ∞ (T ) = 44 · Nref (T ) = 2, 4 · 10 17 γ(T ) = 0, 7 · 300 T 0,8 cm2 Vs T 300 4,13 T 300 · K 0,26 · 145 (A.15) cm−3 (A.16) (A.17) Diffusionslänge der Löcher [56]: Lp (T ) = q Dp (T ) · τp (T ) (A.18) Trägerlebensdauer der Löcher [56]: τp (T ) = 1 · 10−6 s · T 300 · K 2 (A.19) A.2 Modell zur Simulation von Fehlermechanismen im Kühlpfad Jede Schicht des Kühlpfads im Leistungsmodul wird als ein Pyramidenstumpf beschrieben und damit vereinfacht die Wärmespreizung mit 45◦ berücksichtigt. Für das thermische CAUER-Ersatzschaltbild ist jedes dieser Teile anhand der Materialkonstanten mit zwei thermischen Widerständen und einer thermischen Kapazität mathematisch beschrieben. Die ganze Strecke vom Chip zum Kühlwasser werden diese Teilglieder in Reihe geschaltet. Das Prinzip dieser Simulation ist in Abbildung A.1 erläutert. Für die Berechnung der Teilwiderstände und der Teilkapazitäten werden Formeln A.20 und A.21 verwendet. Die Materialkonstanten sind hierfür in Tabelle A.1 angegeben. Die Abhängigkeit der thermischen Eigenschaften von der Temperatur werden vernachlässigt. Rth,i = l λ·A (A.20) 146 A Anhang 45° ... PV Si (Chip) Cu (DCB) Cu (Kühlkörper) Abbildung A.1: Prinzip der thermischen Simulation Cth,i = Vi · s (A.21) Tabelle A.1: Materialparameter aus [100] Si Lot (Chipverbindung) Cu (DCB) Al2O3 (DCB) Cu (DCB) Lot (Systemverbindung) Cu (Grundplatte) Wärmeleitpaste Cu (Kühlkörper) Wärmeleitfähigkeit λ in W/mmK 1,5E-01 7,0E-02 3,9E-01 2,4E-02 3,9E-01 7,0E-02 3,9E-01 5,9E-04 3,9E-01 Wärmespeicherzahl s in J/(mm³K) 1,65E-03 1,67E-03 3,40E-03 3,03E-03 3,40E-03 1,67E-03 3,40E-03 2,00E-03 3,40E-03 Dicke in mm 0,060 0,100 0,300 0,320 0,300 0,150 3,000 0,025 5,000 147 Literaturverzeichnis [1] Amro, R.: Power cycling capability of advanced packaging and interconnection technologies at high temperature swings, Chemnitz University of Technology, Diss., 2006 [2] Ariduru, C.: Fatigue Life Calculation by Rainflow Cycle Counting Method, Middle East Technical University, Diss., 2004 [3] Bayerer, R. ; Licht, T. ; Herrmann, T. ; Lutz, J. ; Feller, M.: Model for Power Cycling lifetime of IGBT Modules – various factors influencing lifetime. 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