Infektionskrankheiten Leptospirose Ansteckungsgefahr durch Trinken eines erregerverseuchten Wassers – Infektionskrankheiten – Nicht nur eine Erkrankung des Hundes Text: Prof. Dr. Katrin Hartmann Die Leptospirose (früher auch „Stuttgarter Hundeseuche“ genannt) ist bei über 150 Säugetierarten als Infektionskrankheit bekannt. Auch Menschen können sich infizieren. Erreger der Leptospirose sind dünne, bewegliche, fadenförmige Bakterien (Leptospiren), die sich selbst aktiv im Körper ausbreiten können. Es gibt über 260 verschiedene Subtypen des Erregers (Leptospira (L.) interrogans). Bedeutung für Hunde Leptospiren sind in der Hundepopulation weit verbreitet. Die Bedeutung dieser Infektionskrankheit beim Hund wird in der Praxis wahrscheinlich unterschätzt, da viele Krankheitsfälle nicht als Leptospirose erkannt werden. 10 bis 50 Prozent der erkrankten Hunde sterben an den Folgen einer Infektion. Hunde können sich durch direkten Kontakt mit erregerhaltigem Urin infizierter Artgenossen anstecken. Die Übertragung kann auch bei der Paarung, über die Gebärmutter bei trächtigen Hündinnen, durch Bisse und durch Verzehr von infiziertem Gewebe erfolgen (z. B. beim Fressen infizierter Kleinnager). Auch verseuchte Erde, Futtermittel und Schlafstellen sind mögliche Infektionsquellen („indirekte“ Übertragung). Am häufigsten stecken sich Hunde beim Baden in stehendem oder langsam fließendem, warmen Gewässer an. Da die Erreger bei Temperaturen unter 0°C nicht überleben, kann es vor allem in der Sommer- und warmen Herbstzeit vorkommen, dass feuchte Böden oder Oberflächengewässer, wie beispielsweise Wasserpfützen oder auch Teiche, wochen- bis monatelang mit den Erregern verseucht sind. Nager (wie beispielsweise Mäuse und Ratten) spielen als Reservoir eine wichtige Rolle bei der Verbreitung und Erhaltung der Leptospiren. Hunde, die sich von der Krankheit erholt haben und nicht ausreichend mit Antibiotika therapiert wurden, und infizierte Hunde, die keine deutlichen Krankheitsanzeichen entwickelt haben und bei denen die Infektion somit unentdeckt blieb, können die Erreger über Monate bis hin zu mehreren Jahren immer wieder über den Urin ausscheiden. So können diese Hunde immer wieder die Umgebung kontaminieren. Bedeutung für Katzen Leptospirose kommt bei Katzen nur selten vor. Katzen gehen selten ins Wasser, daher stecken sie sich eher durch Fressen infizierter Nagetiere an. Wenn sie sich infizieren, besitzen Katzen gegenüber Infektionen mit Leptospiren eine hohe Widerstandsfähigkeit. ▶ Infektionskrankheiten Infektionen bei Katzen verlaufen daher fast immer ohne erkennbare Krankheitsanzeichen, und Katzen scheiden den Erreger nur über kurze Zeit aus. Macht eine Infektion ein Tier aber dennoch krank, ähnelt das Krankheitsbild dem der Leptospirose von Hunden. Da bei Katzen auch nur mit einer kurzen Ausscheidung über den Urin zu rechnen ist, stellt eine infizierte Katze ein vergleichbar geringes Infektionsrisiko für den Menschen dar. Eine Impfung von Katzen gegen Leptospirose ist, im Gegensatz zu Hunden, wegen des seltenen Auftretens nicht sinnvoll. Bedeutung für Menschen Leptospiren gelangen über den Urin infizierter Säugetiere (z. B. Hunde, Ratten, Mäuse) in die Umwelt und können auch auf den Menschen übertragen werden. Dies kann über direkten Kontakt mit infizierten Tieren geschehen, z. B. nachdem ein Hund seinen Genitalbereich und danach die Hand des Besitzers ableckt. Durch kleine Hautverletzungen oder über die Schleimhaut kann der Mensch sich mit dem Erreger anstecken. Die direkte Übertragung vom Hund auf den Menschen ist jedoch sehr selten, viel häufiger findet eine Infektion des Menschen, wie beim Hund, über den Kontakt mit verseuchtem Wasser statt. Die meisten Leptospirose-Fälle beim Menschen treten daher in feucht-warmen Gebieten der Erde auf, vor allem bei Menschen, die viel mit Wasser zu tun haben (berufs- oder freizeitbedingt oder nach Überschwemmungen). Bei manchen LeptospiroseAusbrüchen werden gleichzeitige Ansteckungen von Menschen und Hunden beobachtet. In Deutschland erkranken Menschen sehr selten an Leptospirose (weniger als einer von einer Million Menschen pro Jahr). Bei mehr als einem Drittel der in Deutschland auftretenden LeptospiroseFälle konnte ein direkter und enger Kontakt zu Tieren (meist Ratten und Hunde) nachgewiesen werden. Tierärzte und Studierende Ansteckungsgefahr für Katzen durch Fressen infizierter Nagetiere der Tiermedizin haben daher ein höheres Risiko. Wegen der Klimaveränderung und auch wegen der Zunahme der Krankheitsfälle beim Hund ist die Leptospirose in Deutschland aber eine wieder zunehmende Krankheit. Krankheitsentstehung Eine Erkrankung kann bei Hunden in jedem Alter vorkommen. Junge Hunde bis zu einem halben Jahr erkranken jedoch meist am schwersten. Bereits am ersten Tag nach Ansteckung vermehren sich die Leptospiren im Blut und dringen dann in viele Organe ein. Dazu gehören vor allem die Nieren und die Leber, aber auch die Milz, das zentrale Nervensystem, die Augen und der Geschlechtstrakt. Die Vermehrung der Erreger führt zu einer Entzündung im Körper und schädigt betroffene Organe. Der Schweregrad der Symptome ist abhängig vom Alter und der Immunabwehr des Hundes. Auch Umwelteinflüsse, eine jeweilige Variation des Erregers mit unterschiedlich krankmachendem Potential und die Menge an aufgenommenen Bakterien spielen eine Rolle in der Entwicklung und Schwere von Krankheitsanzeichen. Wenn sich eine schwerwiegende Erkrankung entwickelt hat, treten Anzeichen einer Leber-, Nieren- und Lungenerkankung sowie Störungen des Blutgerinnungssystems auf. Die ersten Krankheitsanzeichen sind allerdings oft sehr unspezifisch. Die meisten Hunde werden mit Fieber, Mattigkeit, Appetitlosigkeit, Erbrechen, Durchfällen, Gelbfärbung der Schleimhäute oder mit vermehrtem Durst und vermehrtem Harnabsatz vorgestellt. Auch Husten und Atemnot sind möglich. In Blutuntersuchungen können Hinweise auf eine Entzündungsreaktion des Körpers zu finden sein. Des Weiteren können Störungen der Blutgerinnung, Nierenwert- und Gallefarbstofferhöhungen sowie eine erhöhte Leberenzymaktivität in Laboruntersuchungen auffallen. Auch der Elektrolythaushalt des Körpers kann gestört sein. Anhand von klinischen Symptomen und Laborwertveränderungen kann nur eine Verdachtsdiagnose gestellt werden, die dann mit speziellen diagnostischen Labortests bestätigt werden muss. Diagnose Leptospirose kann auf verschiedene Weise diagnostiziert werden. Zum einen kann eine Untersuchung auf das Vorliegen von Antikörpern gegen den Erreger erfolgen („indirekte“ Nachweismethode), zum anderen besteht die Möglichkeit, den Erreger selbst (oder dessen Erbmaterial) nachzuweisen („direkte“ Nachweismethode). Die am häufigsten verwendete Methode ist die Untersuchung auf Antikörper (z. B. mit dem sogenannten „Mikroagglutinationstest“). Das Vorhandensein von Antikörpern lässt jedoch nicht direkt auf das Vorliegen der Krankheit schließen, Infektionskrankheiten da Antikörper auch in Folge von Impfungen oder auch nach unerkannten, zurückliegenden Infektionen länger im Körper nachweisbar sein können. Zeichnung von Leptospiren Weil in der ersten Krankheitswoche der Antiköpertest, vor allem bei jungen Hunden (unter 6 Monaten), oftmals negativ verläuft, sollte im Abstand von ein bis zwei Wochen eine zweite Blutprobe untersucht werden. Leptospiren können auch mittels spezieller Mikroskopietechniken („Dunkelfeldmikroskopie“) in frischem Urin oder in Gewebeschnitten im Lichtmikroskop sichtbar gemacht werden. Die Erreger können auch angezüchtet oder ihre Erbinformationen in einer speziellen Vervielfältigungsmethode („PCR“) nachgewiesen werden. Diese direkten Methoden sind jedoch nur im Falle eines positiven Ergebnisses beweisend. Vorbeugende Maßnahmen Die Erregerausscheidung in Wildtier-Reservoiren zu kontrollieren ist unmöglich. Deshalb ist es notwendig, Hunde gegen Leptospirose zu impfen. In Europa sind seit langem inaktivierte Impfstoffe mit zwei verschiedenen Erregertypen (L. icterohaemorrhagiae, L. canicola) auf dem Markt. Der Einsatz dieser Impfstoffe konnte zwar das Vorkommen von Leptospirose reduzieren, die Impfung schützt aber nur gegen die beiden o. g. beinhalteten Erregergruppen und damit nicht vor den Erregern, die heute am häufigsten eine Krankheit beim Hund verursachen. Erfreulicherweise kommen aber in Deutschland in 2012 zwei neue Impfstoffe gegen Leptopsirose auf den Markt, die neben den bisherigen Erregertypen Schutz gegen ein oder sogar zwei neue Erregertypen bieten sollen. Diese zwei weiteren Erregertypen werden bei erkrankten Hunden in Deutschland sehr häufig isoliert. Grundimmunisierung Diese Impfungen sind also wesentlich sinnvoller als die „alte“ Impfung, da sie vor weitaus mehr Infektionen schützen. Die Impfung ist vor allem bei Hunden unbedingt erforderlich, die Kontakt zu Nagern oder Gewässer (Pfützen, Seen, Flüsse) haben. Es ist wichtig, dass bei Umsteigen auf die neuen Impfstoffe eine erneute vollständige sogenannte „Grundimmunisierung“ durchgeführt wird. Diese umfasst zwei aufeinanderfolgende Impfungen im Abstand von drei bis vier Wochen und nach einem Jahr und muss anschließend ebenfalls jährlich aufgefrischt werden. Therapie Da es sich bei der Leptospirose um eine Infektionskrankheit handelt, die auf den Mensch übertragen werden und auch beim Menschen schwere und zum Teil tödliche Verläufe haben kann, müssen infizierte und erkrankte Hunde immer behandelt werden. Eine sofortige Therapie mit Antibiotika ist dringend notwendig, um die bestehende Verbreitung des Erregers im Körper und damit die Ausscheidung des Erregers schnellstmöglich zu beenden. Es gibt bei der Behandlung einer Leptospirose zwei Behandlungsphasen mit Antibiotika. In der ersten Phase wird versucht, die Vermehrung der Erreger aufzuhalten. Dadurch soll das Risiko tödlich verlaufender Komplikationen, wie Leber- oder Nierenversagen, reduziert werden. Die dafür empfohlenen Antibiotika stoppen die Ausscheidung und damit die Übertragung der Erreger innerhalb der ersten 24 Stunden nach Beginn der Therapie. Allerdings schaffen sie es weder, die Erreger vollständig aus den Nieren zu entfernen, noch den Trägerstatus zu beenden oder eine Dauerausscheidung zu verhindern. In der zweiten Behandlungsphase wird ein anderes Antibiotikum angewandt, das aber erst zum Einsatz kommen darf, wenn das Tier nicht mehr erbricht und keine erhöhten Leberenzymaktivitäten im Blut mehr nachweisbar sind. Dieses zweite Antibiotikum ist unbedingt notwendig, damit die Tiere nicht zu Dauerausscheidern werden. 50 bis 80 Prozent der Hunde mit einer Leptospirose überleben mit entsprechender intensiver Behandlung. Wichtig ist eine schnelle und intensive Therapie mit stationärem Klinikaufenthalt. Haben die Hunde schwere Nierenschäden, müssen sie an eine Klinik mit Dialysemöglichkeit überwiesen werden (z. B. an die Medizinische Kleintierklinik der LMU in München). Bei intensiver Therapie können auch schwer erkrankte Hunde überleben. Ansteckungsgefahr durch Kontakt mit dem Urin infizierter Tiere