MEDIZIN Medical Tribune · 49. Jahrgang · Nr. 19 · 9. Mai 2014 23 Bei Trommelfellruptur: Abwarten! Hohe Spontanheilungsrate rechtfertigt Zurückhaltung Jahrestagung Westdeutscher HNO-Ärzte HAGEN – Steril abdecken, mit Antibiotika pudern, tamponieren – die Ratschläge zur Therapie traumatischer Trommelfellrupturen sind mannigfaltig. Doch der HNO-Experte rät: Einfach erst mal abwarten und kontrollieren! Traumatische Trommelfellrupturen können auf direktem Wege, etwa durch Stichverletzungen, Fremdkörper oder ätzende Flüssigkeiten, entstehen. Indirekten Rupturen liegen plötzliche Luftdruckschwankungen, z.B. bei Schlägen aufs Ohr oder Explosionen, zugrunde, erklärte Dr. Dr. Jürgen Abrams, HNOund Zahnarzt aus Hamm. Direkte Perforationen führen zu Schallleitungsschwerhörigkeit, indirekte zu Innenohrschwerhörigkeit. Auf Gelatineschwamm und Antibiotikapuder verzichten Am häufigsten betreffen Rupturen den unteren Quadranten, radiäre Risse überwiegen. Fast nie ist die Pars flaccida betroffen, vermutlich wegen ihrer hohen Elastizität. Die Spontanheilungsraten liegen zwischen 70 und 90 %. Primär kommt es zu einem Wundverschluss durch Plattenepithel und erst später zur Regeneration der dreilagigen Trommelfellstruktur. Kleine stichförmige Inzisionen heilen innerhalb von ein bis zwei Wochen, größere Defekte evtl. erst nach einem Monat. Bei kleinen Läsionen herrscht weitgehend Übereinstimmung darin, einfach abzuwarten. Bei größeren Rupturen dagegen besteht derzeit eher eine Tendenz zum aktiven Vorgehen, berichtete der Kollege. Dazu gibt es eine Fülle verschiedener Empfehlungen – wie Antibiotikapuder, steriler Verschluss, Wundtoilette, Silikonfolie, Gehörgangstamponade oder Gelatineschwamm – und nur wenig Einigkeit unter den Experten. Dr. Abrams und sein Team entschlossen sich daher, bei Betroffenen, die in den Jahren 2012 und 2013 in die Praxis kamen, den Spontanverlauf zu beobachten. 34 Patienten zwischen 13 und 59 Jahren wurden vorstellig, häufigster Auslöser der Ruptur war ein Schlag aufs Ohr, im Wesentlichen lagen ge- ringe bis mittelgradige Perforationen vor. Die Probanden bekamen weder Antibiotika noch Ohrentropfen, es erfolgte auch keine sterile Abdeckung. Sie erhielten lediglich einige Tipps zum richtigen Verhalten, vor allem den Rat, sich vor Wasser im Ohr zu schützen und nicht im Gehörgang zu manipulieren. 28 Patienten konnten abschließend untersucht werden, bei allen war das Trommelfell ohne Komplikationen oder Otorrhö vollständig verheilt. Die mittlere Schallleitungskompo- nente hatte sich von initial 11,3 Dezibel auf 2 Dezibel reduziert. Aufgrund dieser Erfahrungen schlug Dr. Abrams folgende Strategie vor: Alle Patienten mit traumatischer Trommelfellruptur sollten einem HNO-Arzt vorgestellt werden, der Gehörgang und Trommelfell inspiziert (Ausdehnung der Perforation? Fraktur?) und eine Audiometrie durchführt – danach aber abwartet („watchfull neglect“). Dafür ist durchaus ein Zeitraum bis zu drei Monaten erlaubt. Gut aufgehoben. Sicherheit beim Blutzuckermessen mit Accu-Chek Aviva – dank 150 Sicherheitschecks 2 1 Typische frische traumatische Trommelfellruptur im unteren Quadranten (1), ohne Intervention ist der Riss drei Wochen später schon fast verheilt (2). Ohrentropfen sind kontraindiziert: Das meist enthaltene Kortison verzögert die Heilung und mit Antibiotika versetzte Tropfen können ototoxisch wirken, zumal sie durch die meist reizlose Paukenschleimhaut ungehindert ins Innenohr gelangen. Abdeckungen oder Ausrichtungen des Trommelfells bessern den Heilungserfolg nicht nachweislich und sind daher verzichtbar. Zur ersten Kontrolluntersuchung riet der Experte nach vier Wochen, Perforationen der Grade I und II (s. Kasten) sollten dann schon verschlossen sein. Cholesteatom tritt nur selten auf Eine primäre Operation sollte man nur bei Schwindel oder ausgeprägtem Innenohrabfall erwägen (Dislokation der Gehörknöchelchen, Perilymphfistel?). Dann ist auch ein CT zum Frakturausschluss indiziert. Jeder Eingriff ist primär schmerzhaft und erfordert meist eine Narkose, erin- Einteilung der Perforationsgrade: Grad I: ≤ 25 % Grad II: 25–50 % oder multiple Perforationen über zwei Quadranten Grad III: 50–75 % oder multiple Perforationen über drei Quadranten Grad IV: 75–100 % nerte Dr. Abrams. Zudem drohen Sekundärschäden wie Verletzungen von Chorda tympani und Gehörknöchelchen sowie Verwachsungen. Ein posttraumatisches Cholesteatom tritt in etwa 2,6 % der Fälle auf, eine Häufigkeit, die laut Dr. Abrams kein aktives Vorgehen rechtfertigt. Dr. Anja Braunwarth Jahrestagung der Vereinigung Westdeutscher Hals-Nasen-Ohren-Ärzte von 1897 Quelle Abb.: Dr. Dr. Jürgen Abrams, Überregionale HNO-Gemeinschaftspraxis Hamm Kompressions-Verband effektiver als Strumpf? Praxisstudie untersuchte Effekt auf Ulkusheilung Entdecken Sie die Vielfalt an Stickern auf www.accu-chek.de/fan-kollektion Entdecken Sie die Vielfalt an Stickern auf www.accu-chek.de/mydesign ierte h als limit Jetzt auc ktion Fan-Kolle Aus der Fachliteratur MANCHESTER – Neben klassischen Kompressionsverbänden werden auch entsprechende Strümpfe eingesetzt, um die Abheilung venöser Ulzera zu unterstützen. Doch wie steht es mit Wirkung und Tragekomfort? Eine britische Studie förderte Erstaunliches zutage. Vierlagige Kompressionsverbände gelten bisher als Goldstandard in der Therapie venöser Beinulzera. Sie liefern einen Kompressionsdruck von 40 mmHg am Knöchel, der zum Knie hin abnimmt. Als Nachteil der Verbände fällt ins Gewicht, dass sie 40082-18 AC Aviva Produkt_Fan_112x195.indd 1 25.04.14 12:34 korrekt angelegt werden müssen und durch ihr Volumen die Beinmobilität und das Tragen von Schuhen einschränken können. Als komfortable Alternative gelten KompressiLassen sich gefährliche Ausbrüche künftig mit Tabletten eindämmen? onsstrümpfe, die der Patient selbst Aus der Fachliteratur in Langen nutzten dazu ein Frett- dem Virus folgenlos. In Deutschland anziehen kann. Dadurch werden LANGEN – Ein neuentwickelter chen-Modell. Die Nagetiere wurden kommt es aufgrund von Impflücken Kosten für medizinisches Personal Hemmstoff für das Masernvirus mit dem Hundestaupe-Virus, einem nach wie vor häufig zu Masernaus- gespart und – so die Theorie – die kann künftig möglicherweise engen Verwandten des Masernvirus, brüchen. Allein im 2013 wurden Patienten durch ihre erhöhte SelbstAusbrüche eindämmen, indem es infiziert, was für sie ohne Behand- 1775 Fälle gemeldet – der Hemm- ständigkeit zufriedener. die Umgebung der Infizierten vor lung normalerweise tödlich ist. Die stoff könnte in solchen Fällen dabei In einer offenen, randomisierten Ansteckung schützt. Forscher verabreichten den Frett- helfen, eine weitere Ausbreitung zu Studie bei britischen Hausärzten chen ab dem dritten Tag nach der unterbinden. Die Notwendigkeit und Gemeindeschwestern verglich In Tierversuchen ließ sich bereits Infektion den Hemmstoff und siehe einer flächendeckenden Impfung man nun die Effektivität der Komzeigen, dass die oral verabreichte da, sie überlebten. Außerdem entwi- ersetzt er natürlich nicht. rft pressionsverbände und -strümpfe Substanz die Viruslast senkt. Wissen- ckelten sie ein Immunschutz, d.h. sie Stefanie A. Krumm et al., über einen Zeitraum von maximal schaftler des Paul-Ehrlich-Instituts tolerierten eine weitere Infektion mit Sci Transl Med 2014, online first einem Jahr. An der Untersuchung Wirkstoff gegen Masern entdeckt nahmen 457 Patienten mit einem Ulcus cruris teil. Ein Knöchel-ArmIndex von mindestens 0,8 garantierte eine ausreichende arterielle Versorgung für die beabsichtigte Kompressionstherapie. Beim primären Endpunkt, der Zeit bis zur Abheilung des Geschwürs, schnitten mit einer Zeitspanne von knapp 100 Tagen beide Kompressionsverfahren vergleichbar ab. Auch beim Prozentsatz von Patienten mit Ulkusheilung (rund 70 %) zeigte sich kein Unterschied zwischen den Gruppen. Doppeltes Beinkleid schlecht für die Compliance Überraschend war aber eine andere Beobachtung: Deutlich mehr Strumpfträger als Verbandpatienten wechselten ihren Behandlungsmodus und schieden aus der Studie aus (38 % vs. 27 %). Die in der Studie eingesetzten zweilagigen Strümpfe seien zu unbequem, lautete der als am wichtigsten genannte Grund – möglicherweise war der Druck von 40 mmHg für viele Patienten zu hoch. Insgesamt erwies sich die Behandlung mit Kompressionsstrümpfen aber als kostengünstiger und die Rezidivrate war geringer. bk Rebecca I. Ashby et al., Lancet 2014; 383: 871-879