Bei Trommelfellruptur: Abwarten!

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MEDIZIN
Medical Tribune · 49. Jahrgang · Nr. 19 · 9. Mai 2014
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Bei Trommelfellruptur: Abwarten!
Hohe Spontanheilungsrate rechtfertigt Zurückhaltung
 Jahrestagung Westdeutscher HNO-Ärzte
HAGEN – Steril abdecken, mit Antibiotika pudern, tamponieren – die
Ratschläge zur Therapie traumatischer Trommelfellrupturen sind
mannigfaltig. Doch der HNO-Experte rät: Einfach erst mal abwarten
und kontrollieren!
Traumatische Trommelfellrupturen
können auf direktem Wege, etwa
durch Stichverletzungen, Fremdkörper oder ätzende Flüssigkeiten,
entstehen. Indirekten Rupturen
liegen plötzliche Luftdruckschwankungen, z.B. bei Schlägen aufs Ohr
oder Explosionen, zugrunde, erklärte Dr. Dr. Jürgen Abrams, HNOund Zahnarzt aus Hamm. Direkte
Perforationen führen zu Schallleitungsschwerhörigkeit, indirekte zu
Innenohrschwerhörigkeit.
Auf Gelatineschwamm und
Antibiotikapuder verzichten
Am häufigsten betreffen Rupturen
den unteren Quadranten, radiäre
Risse überwiegen. Fast nie ist die
Pars flaccida betroffen, vermutlich
wegen ihrer hohen Elastizität. Die
Spontanheilungsraten liegen zwischen 70 und 90 %. Primär kommt
es zu einem Wundverschluss durch
Plattenepithel und erst später zur
Regeneration der dreilagigen Trommelfellstruktur. Kleine stichförmige
Inzisionen heilen innerhalb von ein
bis zwei Wochen, größere Defekte
evtl. erst nach einem Monat.
Bei kleinen Läsionen herrscht
weitgehend Übereinstimmung darin, einfach abzuwarten. Bei größeren Rupturen dagegen besteht derzeit eher eine Tendenz zum aktiven
Vorgehen, berichtete der Kollege.
Dazu gibt es eine Fülle verschiedener
Empfehlungen – wie Antibiotikapuder, steriler Verschluss, Wundtoilette,
Silikonfolie, Gehörgangstamponade
oder Gelatineschwamm – und nur
wenig Einigkeit unter den Experten.
Dr. Abrams und sein Team entschlossen sich daher, bei Betroffenen, die in den Jahren 2012 und
2013 in die Praxis kamen, den Spontanverlauf zu beobachten.
34 Patienten zwischen 13 und 59
Jahren wurden vorstellig, häufigster
Auslöser der Ruptur war ein Schlag
aufs Ohr, im Wesentlichen lagen ge-
ringe bis mittelgradige Perforationen
vor. Die Probanden bekamen weder
Antibiotika noch Ohrentropfen, es
erfolgte auch keine sterile Abdeckung. Sie erhielten lediglich einige Tipps zum richtigen Verhalten,
vor allem den Rat, sich vor Wasser
im Ohr zu schützen und nicht im
Gehörgang zu manipulieren. 28 Patienten konnten abschließend untersucht werden, bei allen war das
Trommelfell ohne Komplikationen
oder Otorrhö vollständig verheilt.
Die mittlere Schallleitungskompo-
nente hatte sich von initial 11,3 Dezibel auf 2 Dezibel reduziert.
Aufgrund dieser Erfahrungen
schlug Dr. Abrams folgende Strategie vor: Alle Patienten mit traumatischer Trommelfellruptur sollten
einem HNO-Arzt vorgestellt werden,
der Gehörgang und Trommelfell inspiziert (Ausdehnung der Perforation? Fraktur?) und eine Audiometrie
durchführt – danach aber abwartet
(„watchfull neglect“). Dafür ist
durchaus ein Zeitraum bis zu drei
Monaten erlaubt.
Gut aufgehoben.
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2
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Typische frische traumatische Trommelfellruptur im
unteren Quadranten (1), ohne Intervention ist der
Riss drei Wochen später schon fast verheilt (2).
Ohrentropfen sind kontraindiziert: Das meist enthaltene Kortison
verzögert die Heilung und mit Antibiotika versetzte Tropfen können
ototoxisch wirken, zumal sie durch
die meist reizlose Paukenschleimhaut ungehindert ins Innenohr
gelangen. Abdeckungen oder Ausrichtungen des Trommelfells bessern
den Heilungserfolg nicht nachweislich und sind daher verzichtbar. Zur
ersten Kontrolluntersuchung riet der
Experte nach vier Wochen, Perforationen der Grade I und II (s. Kasten)
sollten dann schon verschlossen sein.
Cholesteatom tritt
nur selten auf
Eine primäre Operation sollte man
nur bei Schwindel oder ausgeprägtem
Innenohrabfall erwägen (Dislokation
der Gehörknöchelchen, Perilymphfistel?). Dann ist auch ein CT zum
Frakturausschluss indiziert. Jeder
Eingriff ist primär schmerzhaft und
erfordert meist eine Narkose, erin-
Einteilung der
Perforationsgrade:
Grad I: ≤ 25 %
Grad II: 25–50 % oder multiple
Perforationen über
zwei Quadranten
Grad III: 50–75 % oder multiple
Perforationen über
drei Quadranten
Grad IV: 75–100 %
nerte Dr. Abrams. Zudem drohen
Sekundärschäden wie Verletzungen
von Chorda tympani und Gehörknöchelchen sowie Verwachsungen.
Ein posttraumatisches Cholesteatom
tritt in etwa 2,6 % der Fälle auf, eine
Häufigkeit, die laut Dr. Abrams kein
aktives Vorgehen rechtfertigt.
Dr. Anja Braunwarth
Jahrestagung der Vereinigung Westdeutscher Hals-Nasen-Ohren-Ärzte von 1897
Quelle Abb.: Dr. Dr. Jürgen Abrams, Überregionale HNO-Gemeinschaftspraxis Hamm
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 Aus der Fachliteratur
MANCHESTER – Neben klassischen
Kompressionsverbänden werden
auch entsprechende Strümpfe eingesetzt, um die Abheilung venöser
Ulzera zu unterstützen. Doch wie
steht es mit Wirkung und Tragekomfort? Eine britische Studie
förderte Erstaunliches zutage.
Vierlagige Kompressionsverbände
gelten bisher als Goldstandard in
der Therapie venöser Beinulzera.
Sie liefern einen Kompressionsdruck
von 40 mmHg am Knöchel, der zum
Knie hin abnimmt. Als Nachteil der
Verbände fällt ins Gewicht, dass sie
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korrekt angelegt werden müssen und
durch ihr Volumen die Beinmobilität und das Tragen von Schuhen
einschränken können. Als komfortable Alternative gelten KompressiLassen sich gefährliche Ausbrüche künftig mit Tabletten eindämmen?
onsstrümpfe, die der Patient selbst
 Aus der Fachliteratur
in Langen nutzten dazu ein Frett- dem Virus folgenlos. In Deutschland anziehen kann. Dadurch werden
LANGEN – Ein neuentwickelter chen-Modell. Die Nagetiere wurden kommt es aufgrund von Impflücken Kosten für medizinisches Personal
Hemmstoff für das Masernvirus mit dem Hundestaupe-Virus, einem nach wie vor häufig zu Masernaus- gespart und – so die Theorie – die
kann künftig möglicherweise engen Verwandten des Masernvirus, brüchen. Allein im 2013 wurden Patienten durch ihre erhöhte SelbstAusbrüche eindämmen, indem es infiziert, was für sie ohne Behand- 1775 Fälle gemeldet – der Hemm- ständigkeit zufriedener.
die Umgebung der Infizierten vor lung normalerweise tödlich ist. Die stoff könnte in solchen Fällen dabei
In einer offenen, randomisierten
Ansteckung schützt.
Forscher verabreichten den Frett- helfen, eine weitere Ausbreitung zu Studie bei britischen Hausärzten
chen ab dem dritten Tag nach der unterbinden. Die Notwendigkeit und Gemeindeschwestern verglich
In Tierversuchen ließ sich bereits Infektion den Hemmstoff und siehe einer flächendeckenden Impfung man nun die Effektivität der Komzeigen, dass die oral verabreichte da, sie überlebten. Außerdem entwi- ersetzt er natürlich nicht.
rft pressionsverbände und -strümpfe
Substanz die Viruslast senkt. Wissen- ckelten sie ein Immunschutz, d.h. sie Stefanie A. Krumm et al.,
über einen Zeitraum von maximal
schaftler des Paul-Ehrlich-Instituts tolerierten eine weitere Infektion mit Sci Transl Med 2014, online first
einem Jahr. An der Untersuchung
Wirkstoff gegen Masern entdeckt
nahmen 457 Patienten mit einem
Ulcus cruris teil. Ein Knöchel-ArmIndex von mindestens 0,8 garantierte eine ausreichende arterielle
Versorgung für die beabsichtigte
Kompressionstherapie.
Beim primären Endpunkt, der
Zeit bis zur Abheilung des Geschwürs, schnitten mit einer Zeitspanne von knapp 100 Tagen beide
Kompressionsverfahren vergleichbar ab. Auch beim Prozentsatz von
Patienten mit Ulkusheilung (rund
70 %) zeigte sich kein Unterschied
zwischen den Gruppen.
Doppeltes Beinkleid
schlecht für die Compliance
Überraschend war aber eine andere Beobachtung: Deutlich mehr
Strumpfträger als Verbandpatienten
wechselten ihren Behandlungsmodus und schieden aus der Studie aus
(38 % vs. 27 %). Die in der Studie
eingesetzten zweilagigen Strümpfe
seien zu unbequem, lautete der als
am wichtigsten genannte Grund –
möglicherweise war der Druck von
40 mmHg für viele Patienten zu
hoch. Insgesamt erwies sich die Behandlung mit Kompressionsstrümpfen aber als kostengünstiger und die
Rezidivrate war geringer.
bk
Rebecca I. Ashby et al.,
Lancet 2014; 383: 871-879
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