Phoca vitulina

Werbung
Phoca vitulina (LINNAEUS, 1758)
Anhang: II, V
Seehund
FFH-Code: 1365
CHRISTOF HERRMANN, VERÄNDERT NACH ABT (2004)
Beschreibung
Der Seehund ist eine kleine, gedrungene Robbe mit verhältnismäßig großem Kopf und kurzer Schnauze. Die
Färbung ist grau mit kleinen, dunklen, undeutlich abgegrenzten Flecken, am Bauch ist sie etwas heller. Es
besteht ein geringer Geschlechtsdimorphismus: Adulte Männchen sind 150–180 cm lang und 60–130 kg
schwer, adulte Weibchen sind 120–150 cm lang und 50–105 kg schwer.
Areal und Verbreitung
Der Seehund lebt in Küstengewässern der gemäßigten Breiten der gesamten nördlichen Halbkugel mit je
zwei Unterarten im Atlantik und Pazifik sowie einer Unterart in ostkanadischen Süßwasserseen:
•
•
•
•
•
Phoca vitulina vitulina, (Nordost-Atlantischer Seehund), europäische Küsten
Phoca vitulina concolor, Ostküste Nordamerikas vom Arktischen Ozean bis Maine
Phoca vitulina richardsi, Westküste Nordamerikas von Alaska bis Baja California
Phoca vitulina stejnegeri (Kurilenseehund), Küsten Hokkaidōs, der Kurilen und Kamtschatkas
Phoca vitulina mellonae (Ungava-Seehund), Seen im nördlichen Québec, Kanada (einziger im Süßwasser
lebender Seehund)
In Europa ist der Seehund die am weitesten verbreitete Robbenart des Nordatlantiks. Er kommt in der
gesamten Nordsee, im Kattegat, in der südwestlichen Ostsee (Dänemark) sowie mit einer isolierten
Population im Kalmarsund (Schweden) in der zentralen Ostsee vor (HARDER 1996, ORTHMANN 2000). Im Bereich
der dänischen Inseln (Beltsee und Öresund) bestehen Liegeplätze auf Saltholm, Bøgestrømmen, im AnuøFjord, an der Nordwestspitze der Insel Falster sowie unmittelbar gegenüber der deutschen Ostseeküste auf
Vitten/Skrollen und dem Rødsand (zwischen Lolland und Falster, EDRÉN et al. 2004).
In Deutschland kommt der Seehund vor allem an der Nordseeküste (Wattenmeer) und auf Helgoland,
saisonal auch in den Unterläufen der Flüsse (Elbe, Weser, Ems) vor (DEIMER 1987). An der deutschen
Ostseeküste existieren derzeit keine festen Liegeplätze (SCHWARZ et al. 2003). Die gelegentlich hier zu
beobachtenden Seehunde gehören mit großer Sicherheit zur Population der westlichen Ostsee mit ihrem
Verbreitungsschwerpunkt in der Beltsee und im Öresund. Angesichts der geringen Entfernung ist davon
auszugehen, dass die Küstengewässer von Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern Bestandteil
des Nahrungs- und Streifgebiets der Seehunde der Liegeplätze Vitten/Skrollen und Rødsand sind.
Angaben zur Biologie
Fortpflanzung: Die Wurfzeit ist im gesamten Verbreitungsgebiet recht einheitlich im Juni und Juli, beginnt
jedoch z.T. auch schon Ende Mai. Die Dauer beträgt innerhalb geschlossener Populationen nur etwa fünf
Wochen. Als Besonderheit innerhalb der Gattungsgruppe wird das Embryonalfell (Lanugo) bereits intrauterin
abgeworfen, so dass die Jungen voll schwimmfähig zur Welt kommen (REIJNDERS 1992). Dank dieser
Anpassung können sich Seehunde auch auf periodisch überfluteten Landflächen fortpflanzen und sich
dadurch besser der anthropogenen Verfolgung entziehen als andere Robben der gemäßigten Breiten. Die
Säugezeit dauert 4–5 Wochen. Seehundwelpen können nur auf ihren Liegeplätzen außerhalb des Wassers
gesäugt werden (RIEDMANN 1990). Da Ruhe hierfür besonders wichtig ist, ziehen sich Seehundmütter mit
ihren Welpen an von Menschen ungestörte Küstenabschnitte zurück. Störungen haben stark negative Folgen
(DE JONG et al. 1999). Der Aktionsradius der Weibchen ist in der frühen Säuglingszeit eingeschränkt.
Paarungen finden etwa zur Zeit der Entwöhnung statt. Männchen konkurrieren im Wasser um
paarungsstrategisch günstige Standorte und begatten, ebenfalls im Wasser, nach Möglichkeit mehrere
durchziehende Weibchen (serielle Polygamie). Das embryonale Wachstum setzt erst nach einer 2–2,5monatigen Diapause ein (verzögerte Implantation), so dass nach 9-monatiger Entwicklung die Geburt im
folgenden Jahr zur gleichen Jahreszeit stattfindet (REIJNDERS 1992).
Phänologie: Zählungen sind im Sommer am ergiebigsten, in der Ostsee mit Spitzenwerten im August (EDRÉN
et al. 2004). Abgesehen von den Geburten im Juni spiegeln sich hierin vor allem saisonale Unterschiede im
Aktivitätsmuster wider: Bedingt sowohl durch die Fortpflanzung als auch durch den Haarwechsel liegen die
Tiere im Sommer häufiger und länger an Land, während im Herbst und Winter mehr Zeit für die
Nahrungssuche im Meer aufgewendet wird.
1
Populationsbiologie: Die maximal nachgewiesene Lebensdauer im Freiland beträgt 38 Jahre für Weibchen
und 31 Jahre für Männchen (REIJNDERS et al. 1997, ABT 2002). Die Sterblichkeit beträgt im ersten Lebensjahr
30–35 %, bei adulten Weibchen 5 % pro Jahr und bei adulten Männchen 9 % pro Jahr (ABT 2002). Weibchen
werden mit 3–5 Jahren geschlechtsreif, Männchen mit 5–7 Jahren. Die Trächtigkeitsrate adulter Weibchen
liegt bei 90–95 %. Muttertiere haben ein Junges pro Wurf, das Geschlechterverhältnis ist bei der Geburt
annähernd 1:1. Die Pro-Kopf-Geburtenrate hängt unmittelbar mit der Altersstruktur und indirekt mit der
Wachstumsrate der Population zusammen (REIJNDERS 1992). Ehemals bejagte, heute geschützte Populationen
zeigten in den letzten Jahrzehnten jährliche Zuwächse von 10–13 % (TOUGAARD 1989, HEIDE-JØRGENSEN &
HÄRKÖNEN 1988, OLESIUK et al. 1990, ABT 2002). Generell wird der Seehund als k-selektiert eingestuft,
ungeachtet dessen war eine rasche Erholung der meisten Bestände nach dem Massensterben durch die
Virusepidemien von 1988 und 2002 zu beobachten. HARWOOD & HALL (1990) nehmen eine evolutive
Anpassung an derartige, möglicherweise periodisch auftretende Katastrophen an.
Nahrung: In Verbindung mit der ihnen eigenen verhaltensbiologischen und ernährungsökologischen
Flexibilität zählen Seehunde zu den Generalisten unter den Robben, sie besitzen ein breites
Nahrungsspektrum (ORTHMANN 2000). Schwarm- und Plattfische wie Hering (Clupea harengus), Makrele
(Scomber scombrus), Kliesche (Limanda limanda), Flunder (Platichthys flesus) und Scholle (Pleuronectes
platessa), zu einem geringen Anteil auch Dorsch (Gadus morhua) und Aal (Anguilla anguilla), gehören zu den
bevorzugten Beutefischarten (ORTHMANN 2000, DIETZ et al. 2000).
Seehunde nehmen ihre Beute vor allem visuell und taktil wahr. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den
Vibrissen, d.h. den Schnurrhaaren der Tiere zu, mit denen sie in der Lage sind, auch feinste Strömungen im
Wasser aufzuspüren und Wirbelschleppen schwimmender Fische zur Jagd zu nutzen (DEHNHARDT et al. 1998).
Der Gehörsinn des Seehunds ist auch im niederfrequenten Bereich sehr gut ausgeprägt (KASTAK &
SCHUSTERMAN 1998), ein Umstand, den sich z.B. Fischzüchter zu Nutze machen, um Seehunde mit akustischen
Vergrämungsgeräten von ihren Anlagen fernzuhalten (JOHNSTON & WOODLEY 1998).
Feinde/Konkurrenten: Bis zur Unter-Schutz-Stellung in den 1960er und 1970er Jahren war der Jagddruck
durch den Menschen maßgeblich für die Populationsentwicklung. Heute könnte Nahrungskonkurrenz durch
die intensive Fischerei die maximal mögliche Bestandsgröße bestimmen. Genaue Erkenntnisse über die
Konkurrenzsituation und deren Auswirkungen auf beiden Seiten sowie auf die Beutebestände gibt es jedoch
nicht. Unklar ist auch, inwieweit eine Konkurrenz mit der Kegelrobbe (Halichoerus grypus) auftreten kann; die
Nahrungsspektren beider Arten sind jedenfalls ähnlich (REIJNDERS et al. 1997).
Angaben zur Ökologie
Habitate: Felsküsten und Strände mit vorgelagerten Sandbänken oder Watten sowie Flussmündungen sind
die wichtigsten Lebensräume. Essenziell ist das Vorhandensein geeigneter Ruheplätze, die vom Menschen
ungestört und vom tiefen Wasser aus zugänglich sind (REIJNDERS 1992). Die Liegeplätze werden saisonal
unterschiedlich stark genutzt, aber selbst im Winter kehren die Tiere regelmäßig dorthin zurück (SCHWARZ
1997). Nahrungshabitate sind meist relativ flache Seegebiete mit weichem Bodengrund, die bis zu 60 km von
den Ruheplätzen entfernt liegen können (REIJNDERS et al. 1997).
Wanderungen: Nach den vorliegenden Kenntnissen vollführen Seehunde in der Ostsee keine weiten
Wanderungen. Es besteht jedoch ein Austausch zwischen den benachbarten Kolonien im Bereich der
dänischen Inseln (DIETZ et al. 2003). Gelegentlich wandern einzelne Tiere bis in die vorpommerschen
Küstengewässer (SCHWARZ et al. 2003). In den letzten Jahren wurden an der Nord- und Ostküste Rügens auch
einzelne Jungtiere beobachtet.
DIETZ et al. (2003) rüsteten vier Seehunde aus der Kolonie Rødsand (DK) mit Satellitensendern aus. Insgesamt
wurden die Tiere 356 „Seehundstage“ lang per Satellit beobachtet. Dabei stellte sich heraus, dass die
Seehunde sehr ortstreu waren. Das von ihnen genutzte Gebiet hatte eine mittlere Ausdehnung von 237–
709 km² (95 % Kernel Home Range) und – bei Annahme eines kreisförmigen Streifgebietes - einen Radius von
rund 9-15 km. Nur ein einjähriges Tier führte zwischen dem 24.9.2001 und dem 27.2.2002 umfangreichere
Streifzüge in der westlichen Ostsee durch. Doch auch bei diesem Tier war der Aktionsradius 95 % der Zeit auf
nur rund 15 km rund um die Seehundsbank an der Westspitze des Rødsand beschränkt.
Bestandsentwicklung
Der Seehund besiedelt die Ostsee mit drei genetisch differenzierten Populationen (NILSSEN 2007):
• Kattegat
• Südwestliche Ostsee
• Kalmarsund (zentrale Ostsee).
Im Skagerrak, Kattegat, Limfjord und in der südwestlichen Ostsee lebten im Jahr 2005 etwa 10.100 Tiere
(NILSSEN 2007). Der Bestand wurde durch die Staupe-Epidemien 1988 und 2002 stark reduziert, regenerierte
2
sich danach aber sehr schnell wieder und wächst auch gegenwärtig noch.
Der Seehundbestand in der südwestlichen Ostsee (Beltsee und Öresund) nahm von 1988 bis 2000 mit einer
jährlichen Wachstumsrate von 11,2 % zu und betrug im Jahr 2001 etwa 900 Tiere (TEILMANN et al. 2003).
Liegeplätze befinden sich auf den Inseln Falster und Møn sowie Süd-Lolland und im Öresund
(Vitten/Skrollen, Rødsand, Bøgestrømmen, Aunø Fjord, NW Spitze von Falster, Saltholm und auf der
südschwedischen Insel Falsterbo; EDRÉN et al. 2004). Die Kolonie von Vitten/Skrollen wurde wahrscheinlich
neu gegründet und im Jahr 2000 erstmals erfasst (TEILMANN & HEIDE-JØRGENSEN 2001). Die Staupe-Epidemie im
Jahr 2002 führte zu einer zwischenzeitlichen Bestandsabnahme auf ca. 550 Tiere.
An der Küste Mecklenburg-Vorpommerns gibt es keine ständig genutzten Liegeplätze von Seehunden.
Häufigere Beobachtungen gibt es auf der Lieps (Wismar-Bucht; HERRMANN et al. 2007). An der Küste der Insel
Rügen wurden in den letzten Jahren gelegentlich junge Seehunde festgestellt. Die unserer Küste
nächstgelegenen Liegeplätze befinden sich in Dänemark auf dem Rødsand (größter Liegeplatz der
südwestlichen Ostsee, ca. 200 Tiere im August 2002) sowie Vitten/Skrollen (kleiner Liegeplatz, ca. 10
Seehunde im August 2002; TEILMANN et al. 2003). Die Entfernung dieser Sandbänke zu unserer Küste beträgt
nur etwa 50 km. Seehunde, die an den Küsten Mecklenburg-Vorpommerns beobachtet werden, dürften
zumeist von diesen Liegeplätzen stammen.
Eine dritte, isolierte Seehundpopulation in der Ostsee besiedelt den Kalmarsund und die Küsten der Insel
Öland. Diese Population umfasste in den 1970er Jahren nur noch etwa 50 Tiere, ist bis 2006 jedoch wieder
auf 530 Individuen angewachsen. Die jährliche Wachstumsrate liegt bei 7-8 % (NILSSEN 2007).
Gefährdungsursachen
Die Populationen der Nord- und Ostsee wurden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch starke
Bejagung dezimiert (BACH 1999, REIJNDERS 1992). Eine mögliche Gefährdung geht heutzutage vor allem von
Tourismus, Fischerei und Industrie aus:
•
•
•
•
•
•
Habitatverluste durch Küstenschutzmaßnahmen, Bebauung und intensive Störungen,
Störung der Ruhephasen und Jungenaufzucht durch Freizeitaktivitäten, (Bootsverkehr, Surfen),
Verletzung oder Tötung durch Kollision mit Wasserfahrzeugen (VOGEL & V. NORDHEIM 1995),
Verminderung der Nahrungsgrundlage durch Überfischung,
Verletzung oder Ertrinken durch Verfangen in Netzen bzw. Beifang,
gesundheitliche Schädigung durch imitierte Schadstoffe (PCB, CKW, Schwermetalle):
Immunsuppression, Hyperkortisonismus, Missbildungen, Unfruchtbarkeit (REIJNDERS 1986).
In den Jahren 1988 und 2002 führten Staupe-Epidemien zu hohen Verlusten, von denen sich die Bestände
jedoch relativ schnell erholten.
In der Ostsee wird außerdem eine begrenzte Zahl von Seehunden durch Abschuss getötet. Für 2008 wurden
10-15 Abschüsse aus Dänemark und 8 aus Schweden gemeldet, für 2009 20 in Schweden (dänische Meldung
lag nicht vor, HELCOM 2010).
Maßnahmen
Notwendig sind ein verbesserter Schutz der terrestrischen und aquatischen Habitate vor anthropogener
Veränderung (Schadstoffbelastungen und Überfischung). Um eine zukünftige Besiedlung der Küste
Mecklenburg-Vorpommerns zu ermöglichen, müssen geeignete, ungestörte Strandabschnitte verfügbar
sein. Diese bestehen z.B. am Darßer Ort. Die Sandbank Lieps sowie die Inseln Langenwerder und Kieler Ort in
der Wismar-Bucht bieten ebenfalls potentiell geeignete Habitatbedingungen. Da eine Bejagung der
Seehunde weder möglich noch sinnvoll ist, haben HAUPT et al. (2001) vorgeschlagen, den Seehund aus der
Liste der jagdbaren Tierarten zu streichen.
Erfassungsmethoden und Monitoring
In Mecklenburg-Vorpommern werden Robben (Kegelrobben und Seehunde) seit Februar 2007 im Rahmen
eines Monitoringprogrammes durch regelmäßige Beobachtungen in ausgewählten Gebieten erfasst
(HERRMANN et al. 2007, Abb. 1).
Beobachtungen außerhalb des Monitoring-Programms werden, sofern sie dem LUNG oder dem Deutschen
Meeresmuseum mitgeteilt werden, ebenfalls registriert.
Todfunde von Seehunden in gutem Erhaltungszustand werden in Mecklenburg-Vorpommern im Hinblick auf
Gesundheitszustand und Todesursache untersucht (HARDER et al. 2007).
3
Abb. 1: Potentielle Robbenliegeplätze an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns, die regelmäßig auf die
Anwesenheit von Robben kontrolliert werden.
Kenntnisstand und Forschungsbedarf
Offene Fragen betreffen die natürliche Regulierung der Populationsgröße (limitierende Umweltfaktoren,
populationsdynamische Mechanismen), die Epidemiologie und langfristigen Auswirkungen der
Seehundstaupe, die Verbreitung auf See sowie die Konkurrenzsituation mit der Fischerei (aktuelle Daten zur
Nahrungszusammensetzung in regionaler und saisonaler Differenzierung, Wechselwirkungen zwischen
Seehunden, Fischbeständen und Fischerei).
Verbreitungskarte
Quelle: Nationaler Bericht der FFH-Arten,
http://www.bfn.de/0316_bewertung_arten.html
4
Verbreitungsgebiete der Pflanzen- und Tierarten der FFH-Richtlinie
1365 Phoca vitulina (Seehund)
Stand: Oktober 2007
84
88
1
4
4
92
8
8
12
16
20
24
28
32
36
40
56
52
48
44
12
12
16
16
20
20
24
Legende
Range der Art
24
Biogeogr. Region
Flüsse
Deutschland inkl. AWZ
28
28
Bundesländer und AWZ
MTB-Gitter
32
32
1
4
8
12
16
20
24
28
32
36
40
44
48
0
52
50
56
100 km
Bundesweite Vorgaben zum Monitoring und Kriterien für die Bewertung des Erhaltungszustandes
(nach Schnitter et al. 2006)
Phoca vitulina (LINNAEUS, 1758)
Zustand der
Population
Liegeplätze:
Ostsee
Liegeplätze:
Nordsee
Wurfplätze:
Ostsee
Wurfplätze:
Nordsee
Populationsstruktur:
Ost- und Nordsee
Gesundheitszustand:
Ost- und Nordsee
Habitatqualität 01)
Liege- und Wurfplätze:
Ost- und Nordsee
Nahrungshabitat:
Ostsee
Nahrungshabitat:
Nordsee
Beeinträchtigungen
(direkte und indirekte)
Fischerei
Störungen, u.a. durch
Schiffsverkehr, Tourismus,
Jagd, Militär,
Mineralstoffentnahme
A
B
C
(hervorragend)
(gut)
(mittel bis schlecht)
viele regelmäßig genutzte einige regelmäßig genutzte
einzelne und kurzzeitig
entlang der Küste
entlang der Küste
genutzte
(durchgehend von W nach
(Ausbreitungstendenz von
E)
W nach E erkennbar)
viele regelmäßig genutzte einige regelmäßig genutzte
einzelne und kurzzeitig
entlang der gesamten Küste entlang der gesamten Küste
genutzte entlang der
(inkl. Helgoland)
(inkl. Helgoland)
gesamten Küste (inkl.
Helgoland)
viele regelmäßig genutzte einige regelmäßig genutzte
nur einzelne etablierte
entlang der Küste
entlang der Küste
lokale oder nur einzelne
(durchgehend von W nach
(Ausbreitungstendenz von
Wurfnachweise
E)
W nach E erkennbar)
viele regelmäßig genutzte einige regelmäßig genutzte
einige lokale
entlang der gesamten Küste entlang der gesamten Küste
(inkl. Helgoland)
(inkl. Helgoland)
entspricht der natürlichen
entspricht weitgehend der
überwiegend Alttiere
Zusammensetzung (?*)
natürlichen
Zusammensetzung (?*)
keine Krankheiten durch
einzelne Tiere mit
über 25% der Population
Umweltbelastungen
Krankheiten durch
mit Krankheiten durch
Umweltbelastungen
Umweltbelastungen
A
B
C
(hervorragend)
(gut)
(mittel bis schlecht)
störungsfreie Sandbänke
störungsarme Sandbänke
kleine störungsarme
oder Küstenabschnitte
und Strände
Strandabschnitte
viele regelmäßig genutzte
einige regelmäßige
nur sporadisch genutzte,
entlang der Küste
genutzte entlang der Küste,
weite Wanderungen
(durchgehend von W nach z.T. Wanderungen zwischen zwischen Liegeplätzen und
E) in unmittelbarer Nähe
Liegeplätzen und
Nahrungshabitaten
Nahrungshabitaten
und unmittelbar erreichbar
erforderlich
von den Liegeplätzen;
erforderlich;
ungestörte
ungestörte
Wanderkorridore zwischen Wanderkorridore zwischen
den Gebieten und in andere den Gebieten und in andere
Meeresgebiete vorhanden
Meeresgebiete vorhanden
viele regelmäßig genutzte einige regelmäßig genutzte
nur sporadisch genutzte
entlang der gesamten Küste entlang der gesamten Küste entlang der gesamten Küste
(inkl. Helgoland) in
(inkl. Helgoland),
(inkl. Helgoland),
unmittelbarer Nähe und
z.T. Wanderungen zwischen
weite Wanderungen
unmittelbar erreichbar von
Liegeplätzen und
zwischen Liegeplätzen und
den Liegeplätzen;
Nahrungshabitaten
Nahrungshabitaten
erforderlich;
erforderlich
ungestörte
ungestörte
Wanderkorridore zwischen
Wanderkorridore zwischen den Gebieten und in andere
den Gebieten und in andere Meeresgebiete vorhanden
Meeresgebiete vorhanden
A
B
C
(keine bis gering)
(mittel)
(stark)
keine Beeinträchtigungen
nur wenige
häufig und regelmäßig
durch Fischereiaktivitäten
beeinträchtigende
beeinträchtigende
Fischereitechniken in der
Fischereitechniken in der
Nähe der Liegeplätze und in Nähe der Liegeplätze und in
den Nahrungs- und
den Nahrungs- und
Wanderungshabitaten
Wanderungshabitaten
keine innerhalb der
sehr seltene innerhalb der
unregelmäßige innerhalb
Fluchtdistanz
Fluchtdistanz, seltene
der Fluchtdistanz, häufiger
innerhalb der “Zone
innerhalb der “Zone
erhöhter Aufmerksamkeit“
erhöhter Aufmerksamkeit“
6
Umweltbelastungen
keine
geringe
(s. Gesundheitszustand)
nur vernachlässigbare
mittlere
(s. Gesundheitszustand)
Technische Eingriffe
keine
mit Auswirkungen auf das
Raum-Zeit-Muster der Tiere
im Gebiet
Verlärmung im
keine
geringe Intensitäten und
mittlere Intensitäten
Nahrungshabitat
kurzzeitig bzw. selten (?*)
und/oder länger andauernd
bzw. häufiger (?*)
?* - Für eine quantitative Einschätzung dieses Parameters liegen zurzeit noch nicht genügend Ergebnisse aus der
Seehundforschung vor.
Bemerkungen/Erläuterungen: 01)
Da zurzeit an der deutschen Ostseeküste keine Seehundkolonien vorkommen,
konnte die Qualität der Küstenhabitate lediglich in Analogie zu den Vorkommen in Dänemark und Schweden bzw. an
der Nordsee eingeschätzt werden.
Literatur:
ABT, K.F. (2001): Seehund (Phoca vitulina) und Kegelrobbe (Halichoerus grypus). In: FARTMANN, T., DIETZ, R.,
TEILMANN, J., HENRIKSEN, O.D. & LAIDRE, K. (2001): Satellite tracking as a tool to study potential effects of offshore
wind farm on seals at Rødsand, Technical Report. Ministry of the Environment and Energy, Denmark.
ABT, K.F. (2002): Phänologie und Populationsdynamik des Seehundes (Phoca vitulina) im Wattenmeer:
Grundlagen zur Messung von Statusparametern. - Dissertation, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
ABT, K.F. (2004): 11.34 Phoca vitulina (Linnaeus, 1758). In: PETERSEN, B., ELLWANGER, G., BLESS, R., BOYE, P., SCHRÖDER,
E. & SSYMANK, A. (Bearb.): Das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000. Ökologie und Verbreitung von
Arten der FFH-Richtlinie in Deutschland, Band 2: Wirbeltiere. – Schr.-R. Landschaftspfl. u. Natursch., 69/2: 545550.
BACH, L. (1999): Robben in der südlichen Nord- und Ostsee – Bestand, Gefährdung, Schutz. Abh. Naturwiss.
Verein Bremen 44: 909-917.
DIETZ, R., TEILMANN, J. & HENRIKSEN, O.D. (2000): EIA study of offshore windfarm at Rødsand - technical report
about seals. - Ministry of the Environment and Energy, National Environmental Research Institute,
Roskilde/Denmark. 65 S.
DIETZ, R., TEILMANN, J. & HENRIKSEN, O.D. (2003): Movements of seals from Rødsand seal sanctuary monitored by
satellite telemetry. - NERI Technical Report No. 429.
DEHNHARDT G., BLECKMANN, H. & MAUCK, B. (1998): Seal whiskers detect water movements. - Nature 394: 335-236.
DEIMER, P. (1987): Das Buch der Robben. - Verlag Rasch und Röhring, Hamburg, 184 S.
EDRÉN, S.M.C., TEILMANN, J., DIETZ, R., TOUGAARD, J., HARDER, K., TOUGAARD, S. & CARSTENSEN, J. (2004): Aerial surveys,
satellite tracking and video monitoring of seals – Results from the investigation at Nysted and Horns Reef
Offshore Wind Farm. Vortrag, September 2004.
HARDER, K. (1996): Zur Situation der Robbenbestände. In: LOZÁN, J. L., LAMPE, R., MATTHÄUS, W., RACHOR, E.,
RUMOHR, H. & V. WESTERNHAGEN, H. (Hrsg.) Warnsignale aus der Ostsee. Blackwell, Berlin: 236-242.
HARDER, K., SIEBERT, U. & WOLF, P. (2007): Untersuchungen von Meeressäuger-Totfunden an der Küste
Mecklenburg-Vorpommerns zur Ermittlung der Todesursachen. Naturschutzarb. MV 50: 18-29.
HARWOOD, J. & HALL, A. (1990): Mass mortality in marine mammals: its implications for population dynamics
and genetics. - TREE 5: 254–257.
HAUPT, H., BOYE, P. & MARTENS, H. (2001): Vorschläge zur Änderung der Liste jagdbarer Tierarten in Deutschland.
- Natur und Landschaft 76: 332-334.
HEIDE-JØRGENSEN, M.P. & HÄRKÖNEN, T.J. (1988): Rebuilding seal stocks in the Kattegat-Skagerrak. - Mar. Mamm.
Sci. 4: 231–246.
HELCOM (2010): Human induced seal mortality tables 2008 and 2009. Minutes of HELCOM Seal 4/2010,
Annex 2.
HERRMANN, C., HARDER, K. & SCHNICK, H. (2007): Robben an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns: Ergebnisse
des Monitorings vom Februar 2007 bis Mai 2008. Naturschutzarb. in MV 50: 56-69.
JOHNSTON, D. W. & WOODLEY, T.H. (1998): A survey of acoustic harassment device (AHD) use in the Bay of Fundy,
NB, Canada. - Aquatic Mammals 24: 51-61.
KASTAK D. & SCHUSTERMAN, R.J. (1998): Low-frequency amphibious hearing in pinnipeds: Methods,
measurements, noise, and ecology. – J. Acoust. Soc. Am. 103: 2216-2228.
NILSSEN, K. T. (2007): Status of Harbour Seal Stocks in the Baltic and North Atlantic. Vortrag auf der Internat.
Konferenz „Seals and Society“, 16.–18.10.2007, Vaasa, Finnland; www.seal2007vaasa.fi
7
OLESIUK, P.F., BIGG, M.A. & ELLIS, G.M. (1990): Recent trends in the abundance of harbour seals, Phoca vitulina, in
British Columbia. - Can. J. Fish. Aquat. Sci. 47: 992–1003.
ORTHMANN T. (2000): Telemetrische Untersuchungen zur Verbreitung, zum Tauchverhalten und zur
Tauchphysiologie von Seehunden Phoca vitulina vitulina, des Schleswig-Holsteinischen Wattenmeeres. Dissertation, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
REIJNDERS, P.J.H. (1986): Reproductive failure in common seals feeding on fish from polluted coastal waters. Nature 324: 456–457.
REIJNDERS, P.J.H. (1992): Phoca vitulina Linnaeus, 1758 - Seehund. In: Niethammer, J. &. Krapp, F. (Hrsg.):
Handbuch der Säugetiere Europas, Band 6: Meeressäuger, Teil II: Robben. - Aula-Verlag, Wiesbaden: 121–137.
REIJNDERS, P.J.H., VERRIOPOULOS, G. & BRASSEUR, S.M.J.M. (1997): Status of pinnipeds relevant to the European
Union. - DLO Institute for Forestry and Nature Research, Wageningen, NL. IBN Scientific Contributions 8: 1195.
RIEDMAN, M. (1990): The pinnipeds: seals, sea lions, and walrusses. Univ. California Press, Berkeley.
SCHNITTER, P., EICHEN, C., ELLWANGER, G., NEUKIRCHEN, M. & SCHRÖDER, E. (Bearb.) (2006): Empfehlungen für die
Erfassung und Bewertung von Arten als Basis für das Monitoring nach Artikel 11 und 17 der FFH-Richtlinie in
Deutschland. Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (Halle), Sonderheft 2: 290-291.
SCHWARZ, J. (1997): Untersuchungen zum Aktivitätsmuster der Seehunde (Phoca vitulina L.) im schleswigholsteinischen Wattenmeer. Entwicklung eines Korrekturfaktors für die Flugzählergebnisse. Dissertation,
Universität Kiel. 1-132.
SCHWARZ, J., HARDER, K., V. NORDHEIM, H, & DINTER, W. (2003): Wiederansiedlung der Ostseekegelrobbe
(Halichoerus grypus balticus) an der deutschen Ostseeküste. Angewandte Landschaftsökologie 54. 1-206.
TEILMANN, J. & HEIDE-JØRGENSEN, M.P. (2001): Sæler i Østersøen, Kattegatt og Limfjorden 2000. - In: K. LAURSEN
(ed.) Overvågning af fugle, sæler og planter 1999-2000, med resultater fra feltstationerne. Faglig rapport fra
DMU nr. 350: 1-103.
TEILMANN, J., DIETZ, R., CLERMONT EDRÉN, S.M., HENRIKSEN, O.D. & CARSTENSEN, J. (2003): Aerial surveys of seals at
Rødsand seal sanctuary and adjacent haul-out sites. NERI research notes 188: 34 S.;
www.dmu.dk/Udgivelser/Arbejdsrapporter/Nr.+150-199
TOUGAARD, S. (1989): Monitoring harbour seal (Phoca vitulina) in the Danish Wadden Sea. – Helgoländer
Meeresunters. 43: 347-356.
VOGEL, S. & V. NORDHEIM, H. (1995): Gefährdung von Meeressäugetieren durch Schiffsverkehr. Seevögel 16: 82–
86.
Verantwortlicher Bearbeiter im LUNG:
Dipl.-Biologe Christof Herrmann
Tel.: 03843 777210
Email: [email protected]
8
Herunterladen