Opfer(ent)schädigung PatientIn und TherapeutIn im Spannungsfeld von OEG und Therapie 1 Definition eines Traumas nach ICD 10 I Ein Trauma ist ein „belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes (kurz- oder lang anhaltend), die bei fast jedem eine tiefe Verstörung hervorrufen würde.“ Definition eines Traumas nach ICD10 II Ein Trauma wird verursacht durch: Naturereignisse Kampfhandlungen Schwere Unfälle Von Menschen herbeigeführte Katastrophen Miterleben des gewaltsamen Todes anderer Erleben oder Miterleben von Folter, Geiselnahme oder Vergewaltigung Trauma-Definition nach DSM-IV Subjektive Merkmale eines Traumas: Das Erleben intensiver Hilflosigkeit Erleben intensiver Furcht Erleben intensiven Entsetzens Trauma-Definition nach DSM-IV Objektive Merkmale eines Traumas: Bedrohung des eigenen Lebens Gefährdung der eigenen körperlichen Unversehrtheit Schädigung oder tödliche Bedrohung anderer Personen Mögliche Auswirkung traumatischer Erfahrungen Cortex (Denken, Wahrnehmung) Seepferdchen „Alarmgeber und CoolSystem“ Mandelkern (Gefühle/Körper) Dissoziation (Spaltung/Fragmentierung) 6 6 7 Eine aussagekräftige Diagnose ist erst nach vier Wochen möglich bis 48 Std. 8 © Dr. Marion Koll-Krüsmann Verarbeitung Akute BelastungsStörung bis zu 4 Wochen Diagnose Akute BelastungsReaktion ABR Screening Bewältigung Verarbeitung PTBS PTBS chronifiziert bis drei Monate Posttraumatische Belastungsstörung DIAGNOSTIK 9 Traumafolgestörung I 1.Akute Belastungsstörung (F43.0) • Beginn - sofort- innerhalb von Minuten • Dauer- Stunden bis( 2-3) Tage • Symptomatik – “Betäubung“, Bewußtseinseinengung – Desorientierheit – Unruhe, Überaktivität, Fluchtreaktionen – (panische) Angst, vegetative Zeichen 10 Traumafolgestörungen II 2.Anpassungsstörung (F43.2) • Beginn – innerhalb eines Monats • Dauer – meist nicht länger als 6 Monate • Ursache – belastendes Ereignis, entscheidende Lebensveränderung, körperliche Erkrankung, (z.B. Todesfall, Emigration, Flucht) • Symptomatik – Depression, Angst, Unfähigkeit zurechtzukommen 11 Traumafolgestörungen III 3. Andauernde Persönlichkeitsstörung nach Extrembelastung (F62.0) • Beginn – schleichend; evtl. ist eine PTSD vorausgegangen • Dauer – jahre- oder lebenslang (Beispiel Hr. Fpoln. Gefängnis) • Symptomatik – sozialer Rückzug – feindliche misstrauische Haltung der Welt gegenüber – Gefühl der Leere und Hoffnungslosigkeit 12 – Chronisches Bedrohungsgefühl – Entfremdung Trauma-Begleiterkrankungen 1. 2. 3. 4. Akute Belastungsstörung PTSD Dissoziative Störungen Somatsierungsstörungen/somatoforme Schmerzstörung 5. Zwangserkrankungen 6. Angsterkrankung 7. Affektive Störungen/Posttraumatische Depression 8. Substanzmittelabusus 9. Ess-Störung 10. Borderline Persönlichkeitsstörung 11. Andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung 13 Einflussfaktoren auf die posttraumatische Entwicklung Risiko- und Schutzfaktoren Prä Risikofaktoren Schutzfaktoren Alter, Geschlecht, Status Kohärenzsinn (beschreibt Eigenschaften der Weltsicht von Menschen in Hinblick auf Sinnhaftigkeit und Handhabbarkeit) traumatisch Traumatische Erfahrungen Psychische Störungen (vorher) Soziale Ressourcen Stabile Persönlichkeit Peri Verlust der Handlungsfähigkeit traumatisch Lebensbedrohung (während) Schuldgefühle Mangelnde Information Post traumatisch (danach) 14 14 Dissoziation, Verdrängung der Symptome Mangelnde Unterstützung Sinnverlust Aufrechterhaltung eines Handlungsspielraums Schutz Information Umgang mit Symptomen Soziale Unterstützung Informationen über Trauma Ressourcen, posttraumatic growth Dr. Koll-Krüssmann Anerkennung von Traumafolgstörungen (PTSD) Die BG ist Herrin des Verfahrens – Und niemand kann zwei Herr(Inn)en dienen 15 Rechte und Pflichten der BG • Die BG ist Herrin des Verfahrens • Eine Therapie wird vom Sachbearbeiter genehmigt • Schweigepflichtsentbindung (für PsychologInnen) • Regelmäßige Berichtserstattung • Regelmäßige Überprüfung des therapeutischen Fortschrittes • Heilverfahrenskontrolle • Regelmäßige Überprüfung des Gesundheitszustandes auch nach Feststellung der Dauerschädigung (Begutachtung) • Zusammenhangsbegutachtung 16 Rechte und Pflichten von TherapeutInnen • Ziel der Therapie ist die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ggf. auch in einem veränderten beruflichen Umfeld (Unterschied Arbeitsfähigkeit und Berufsfähigkeit) • Größere Freiheiten hinsichtlich der Methodenwahl • Verpflichtung zur regelmäßigen Berichterstattung 17 Rechte und Pflichten der PatientInnen bei Arbeitsunfällen 18 Rechte und Pflichten der PatientInnen bei Arbeitsunfällen • Mitwirkungspflicht • Therapie, inklusive Therapieformen, die außerhalb der Richtlinien der GKV liegen • Verletztengeld (mehr als Krankengeld) bis zu 78 Wochen • Wiedereingliederungshilfe z.B. Fahrstunden, Arbeitshilfsmittel o.ä. • Umschulung möglich • BG-Rente nach Feststellung des Dauerschadens 19 Aufgabe der GutachterInnen • Wird von der BG beauftragt zur Beantwortung einer spezifischen Fragestellung • Darf keine eigenen PatientInnen begutachten • Muss Verlaufsbeobachtungen mitberücksichtigen 20 Aufgabe der GutachterInnen • Der (subjektive) Befundbericht von TherapeutInnen ist kein Gutachten und darf als solches auch nicht gewertet werden • GutachterInnen müssen Stellung nehmen zu Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Glaubhaftigkeit gemäß den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Entstehung und Verlauf der Störung • GutachterInnen müssen die MdE nach Tabellen und Prozenten einordnen und zeitlich zuordnen. 21 Fall I – Alles geht gut (Busfahrer) • • • • • • • Patient kommt rasch Guter und direkter Draht zu der BG Gute Unterstützung durch den Arbeitgeber Hohe Motivation Kein eigener Anspruch auf Schadensausgleich Keine nennenswerte Vorschädigung Braucht keinen Gutachter 22 Lessons Learned • Gutes geht gut • Kommunikation hilft 23 Fall II – Patient will, BG will nicht (Gleisbauer) • Patient kommt schnell • BG zahlt nicht • Streit um PTSD-Anerkennung vorrangig vor der Traumatherapie • Gutachter ist parteiisch gegen den Patienten – Worauf müssen TherapeutInnen beim Verfassen von Berichten achten • Diagnostik von TherapeutInnen ist nicht identisch mit Diagnostik von GutachterInnen • Simulation und Agravation als Problem der Begutachtung 24 Lessons Learned • Es gibt GutachterInnen, vor denen man PatientInnen schützen muss • Simulation und Agravation sind keine speziellen Merkmale einer PTSD • PTSD ist eine Erkrankung, die in 80% der Fälle folgenlos ausheilt; „Rentenbefürchtungen“ der BGs sind oft übertrieben 25 Fall III – Patient will nicht gesund werden, sondern Rente (Laden-Besitzer) • Patienten, die Rente wollen, können nicht gesund werden wollen • Rasche Heilverfahrenskontrolle oder • eine rasche Zusammenhangsbegutachtung ist sinnvoll, wenn an der Therapiemotivation des Patienten Zweifel bestehen. – Das heißt nicht, dass der Patient simuliert 26 Lessons Learned • Den möglichen Widerspruch zwischen dem Wunsch nach Heilung und dem Wunsch nach einer Rentenleistung können TherapeutInnen nicht immer aufheben 27 Fall IV – Patient hat Angst aber keine Traumafolgestörung (Auto fahren) Lessons Learned • Manchmal brauchen PatientInnen Hilfe aber keine traumaspezifische Therapie ( EMDR ) 28 Fall V – Man kann Läuse und Flöhe haben (Fraternitas Saturni) • Autounfall zur Arbeit und desolates Elternhaus – Trennung von Vorschädigung und Akuttrauma – Trennung von Traumatherapie und Psychotherapie 29 Lessons Learned • Es gibt einen Unterschied zwischen Traumatherapie und Psychotherapie 30 Fazit: Was bekommt man anerkannt, wenn man es anerkannt bekommt? • Verletztengeld während der Arbeitsunfähigkeit • Therapie wird bezahlt • Wiedereingliederungshilfe ggf. Umschulung • Ggf. Rente bei Anerkennung von PTSD als Traumafolge (i.R. 20%-30% MdE) 31 EHS Extra Hilfe System – Sex. Mißbrauch 10 000.-€ zur Abhilfe von heute noch andauernden Belastungen der innerfamiliären sex. Ausbeutung 5000.-€ zusätzlich bei Vorliegen einer Schwerbehinderung Antrag - Berlin 32 Kölner Opferhilfemodel – Trauma-Ambulanzen • 1998 wurde das Kölner Opferhilfemodell etabliert (KOM) • Ca 100 Beratungen nach PTSD-Screening (2011) – 75 Personen waren innerhalb von 5h geheilt – Nur 25% der Betroffenen benötigte bis zu 20 oder mehr Stunden 33 Finanzierung des KOM • Zusammenarbeit mit den Versorgungsämtern • 5h zur „Sachverhaltsklärung“ • danach Befundbericht und gegebenenfalls • 10h Therapie als „Akutmaßnahme“ • Falls weitere Behandlung darüber hinaus nötig- besonderer Antrag oder Therapie als GKV-Leistung 34