Dr. med. Hans Wolfgang Gierlichs Hahner Str. 29, 30.9.03 D 52076 Aachen (02408) 5585 Praxis (02408) 5589 privat Fax (02408) 959375 eMail [email protected] Arzt für Innere Medizin Arzt für Psychotherapeutische Medizin Psychoanalytiker DGPT/DGIP Literatur über verzögerten Beginn von Traumatisierungen verzögerte Mitteilungen über Traumatisierungen 1. VERZÖGERTEN BEGINN Traumastörungen gehen weit über PTSD hinaus, sie sind häufig chronisch. Viele Flüchtlinge haben nach den traumatischen Erlebnissen im Herkunftsland ein frühe Phase akuter Traumastörung, andere unterdrücken alle Symptome während der Flucht, um zu überleben. Danach kommt es zu (Pseudo)Stabilisierungen, erst die Abschiebung aktiviert die Störung gesetzmäßig neu. Insofern ist es nicht sinnvoll, die Gesetzmäßigkeiten des Verlaufs der PTSD auf die Flüchtlinge anzuwenden. Bei PTSD kennt ist der verzögerte Beginn als „late onset PTSD“ bekannt. Sowohl in der ICD als auch in DSM IV erwähnt und beschrieben. Siehe Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Fachgesellschaften: Leitlinie PTSD, herausgegeben von G. Flatten et al Schattauer Verlag 2001 http://www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/ll/051-010.htm Siehe Kommentar Gierlichs http://www.asyl.net/Magazin/7_8_2003c.htm Birck, A. (2003). Symptomatik bei kriegs- und folterüberlebenden Flüchtlingen, mit und ohne Psychotherapie. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie. Zitat: „Nach bisherigen Annahmen bildet sich die Symptomatik der PTBS meist innerhalb des ersten Jahres nach dem traumatischen Ereignis, ein verzögerter Beginn wurde zwar beobachtet, gilt aber insgesamt als eher selten (vgl. Maercker 2000, S. 404). Das Vollbild einer PTBS bilde sich beim so genannten verzögerten Beginn erst nach einem subsyndromalen Intervall heraus, oft ausgelöst von der Veränderung von Lebensumständen (a.a.O.). In unserer Untersuchung hat sich die posttraumatische Symptomatik bei knapp der Hälfte der untersuchten Personen erst mehr als ein halbes Jahr nach den letzten traumatischen Ereignissen entwickelt. Relativ häufig wird uns berichtet, die Beschwerden seien erst nach der Flucht hier in Deutschland entstanden. Oftmals ist es überlebenswichtig, für die Flucht noch einigermaßen stabil zu sein. Flüchten stellt erhöhte Anforderungen und ist belastend, eine Erholung oder psychische Stabilisierung ist dabei in der Regel nicht möglich.“ Maercker, A. (2000). Posttraumatische Belastungsstörungen. In M. Linden & M. Hautzinger (Hrsg.), Verhaltenstherapiemanual. 4., überarbeitete und erweiterte Auflage. (S. 403–411). Springer: Berlin. VERZÖGERTE MITTEILUNG: 1 Dieser Punkt bedarf insofern kaum einer Mitteilung, weil auch deutsche Patientinnen und Patienten häufig erst nach Jahren über ihre Erlebnisse sprechen. Alle Patientinnen und Patienten, die als Erwachsene in die Therapie kommen, weil sie als Kinder traumatisiert wurden, z. B. nach Missbrauch, haben Jahre bis Jahrzehnte geschwiegen und verdrängt. Traumatisierte zeigen darüber hinaus: Vermeiden: viele Flüchtlinge vermeiden alle Gedanken an die Traumatisierungen aus Angst vor emotionaler Überwältigung Gedächtnisstörungen Innere Abkapselung des Traumas Scham, Tabus, Schuldgefühle, Angst vor Ausstoßung Häufig wissen sie auch nicht, dass ihre Traumatisierung etwas mit ihrem Bleiberecht zu tun haben könnte, weil sie annehmen, sie würden aus politischen oder gesellschaftlichen Gründen Asyl erhalten. Es gibt in der Literatur Untersuchungen zu diesem Thema vor allem aus den 60er Jahren, als die NS-Opfer nach langem Schweigen zu reden begannen und danach von manchen Psychiatern und Gerichten als Rentenjäger denunziert wurden. Baeyer W. von, Häfner H. Kisker K.: Psychiatrie der Verfolgten, Berlin, Göttingen; Heidelberg, Springer (1964) Venzlaff, U.: Die psychologischen Störungen nach entschädigungspflichtigen Ereignissen. Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York (1958) Baeyer W. von, Häfner, H. und Kisker, K.: Zur Frage des ,symptomfreien Intervalles´ bei erlebnisreaktiven Störungen Verfolgter. In: Paul und Herberg (Hrsg.): Psychische Spätschäden nach politischer Verfolgung, Basel, Karger (1963) Graessner S. und M. Wenk-Ansohn: Die Spuren von Folter, Behandlungszentrum Berlin (2000) (S. 17) Dr. Gierlichs 2