FÜTTERUNG 250 000 7 Einbußen durch zu viel Sulfat im Wasser? Ein Schweinehalter aus Unterfranken kämpfte sechs Jahre mit extremen Bestandsproblemen. Vieles deutet darauf hin, dass sehr hohe Sulfatgehalte im Tränkewasser die Ursache waren. W as Helga und Jürgen Mayer über sechs Jahre mit ihrer Schweinehaltung erlebten, war ein einziger, nicht enden wollender Alptraum. Das Ehepaar hatte 1998 auf dem frisch erschlossenen Aussiedlungsstandort eine Anlage für 100 Sauen und 500 Mastschweine errichtet. Doch anstatt richtig loslegen zu können, war von Anfang an der Wurm drin. Vom ersten Durchgang an entwickelten sich die Tiere in der Aufzucht und Mast nicht richtig. Die Schweine nahmen kaum zu. Einzelne Tiere magerten stark ab. Vor allem im Flatdeck waren die Verluste sehr hoch. Auch in der Mast war es nicht wesentlich besser. Dort erreichten die Tiere phasenweise nur Tageszunahmen von unter 500 g. Das durchschnittliche Schlachtgewicht lag unter 80 kg. Die Sauen hatten zwar noch halbwegs erträgliche Leistungsergebnisse von 16 bis 18 abgesetzten Ferkeln pro Sau und Jahr. Doch auch hier fiel auf, dass die Tiere viel zu wenig Fleisch hatten. „Kaum eine Schlachtsau erreichte 150 kg Schlachtgewicht“, erinnert sich Jürgen Mayer. Hinzu kam, dass er viel zu häufig Sauen ersetzen musste. Folge: Der Anteil der Jungsauen war überdurchschnittlich hoch. Auffallend war, dass sehr viele Tiere einen extrem wässrigen Durchfall hatten. „Das Futter wurde kaum verdaut“, so Mayer. Der Schweinehalter beobachtete auch, dass viele Tiere Untertemperatur hatten und extrem blass waren. Die an die Untersuchungsämter eingeschickten Tiere wiesen nicht nur einen schlechten Ernährungszustand auf, sondern waren auch „ausgetrocknet“. S26 top agrar 3/2006 Seitdem Jürgen Mayer das Brunnenwasser mit der Aufbereitungsanlage reinigt, hat er seine Bestandsprobleme in den Griff bekommen. Fotos: Dorsch Behandlungen brachten keine Besserung Das Schlimme war, dass alle Empfehlungen und Behandlungen der Hoftierärzte, des Schweinegesundheitsdienstes und der verschiedenen Fütterungsberater, die der Landwirt um Hilfe ersuchte, keine Besserung brachten. Oftmals verschlimmerten die empfohlenen Maßnahmen sogar die Situation noch. Häufig verendeten Tiere, nachdem ihnen die entsprechenden Medikamente oder Impfstoffe verabreicht worden waren. Weil die Bestandsprobleme trotz aller Bemühungen nicht weniger wurden, verwies Mayer immer wieder auf die Qualität das Tränkewassers. Dieses kam aus einem Brunnen, den der Landwirt eigens für die Versorgung seiner Tiere gebohrt hatte. Bei der Analyse des Wassers, die Mayer für die Baugenehmigung vorlegen musste, fiel auf, dass der Sulfatgehalt mit über 1 800 mg pro Liter extrem hoch war. Deutlich überhöht waren auch der Calciumund Magnesium-Gehalt, die Gesamthärte sowie die elektrische Leitfähigkeit (siehe Übersicht). Offenbar war Mayer auf eine Schwefelsole gestoßen. Verwunderlich ist das nicht, da nur zwei Kilometer von seinem Betrieb entfernt Gips abgebaut wird. Das Wasserwirtschaftsamt wies darauf hin, dass das Brunnenwasser nicht für die menschliche Versorgung geeignet sei. Wie ze, über der Wasser nicht mehr als Tränke geeignet ist, bei 3 000 µS/cm. Trotzdem ist der ErParameter Betrieb Mayer Als Tränkeklärungszusammenhang vorher nachher Wasser zwischen den gefundenen (filtriert) ungeeignet1) Inhaltsstoffen in Mayers Sulfat in mg/l > 250 > 1 800 260 Brunnenwasser und den extremen Auswirkungen Calcium in mg/l > 500 > 700 108 in seinem SchweinebeMagnesium in mg/l > 125 141 40 stand nicht ganz eindeuGesamthärte in °dH 136 24 tig. „Hohe Sulfat-AufnahLeitfähigkeit in µS/cm > 3 000 3 520 917 men führen bei Schwei1) Quelle: Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft nen zwar zu massivem Durchfall, doch viele der im vorliegenden Fall beosich die Inhaltsstoffe auf die Tiere aus- bachteten Auswirkungen konnten wir in wirken, sollte Mayer beim Veterinäramt unseren Fütterungsversuchen mit hohen erfragen. Doch der zuständige Amtsvete- Sulfat-Konzentrationen nicht feststellen“, rinär wiegelte offenbar ab. Ihm sei nicht erläutert Professor Josef Kamphues vom bekannt, dass Wasser eine negative Aus- Institut für Tierernährung an der Tierärztwirkung auf die Tiergesundheit hätte, er- lichen Hochschule Hannover. Der Fütterungsexperte hält es aber für innert sich Mayer an dessen Auskunft. Ähnlich erging es Mayer mit den Tier- möglich, dass das Wasser wenig schmackärzten und Beratern. „Keiner ging der haft war und deshalb die Wasser- und die Spur mit dem Wasser konsequent nach Futteraufnahme deutlich zurückgingen. In und machte sich bei den Spezialisten, z. B. Verbindung mit dem andauernden Durchan den tierärztlichen Hochschulen, kun- fall könnte das zu einer stark verminderdig“, ärgert sich der Landwirt. ten Nährstoffaufnahme geführt haben. In eine ähnliche Richtung geht die ErSulfat-Gehalt und Leitfähig- fahrung von Kammerberatern in Nordwonach Wasser mit hokeit waren die Knackpunkte rhein-Westfalen, her Leitfähigkeit (über 1 500 µS/cm) nicht Dabei gibt es mehrere Veröffentli- schmeckt. Die Leitfähigkeit spiegelt den chungen seitens der Beratung, in denen Elektrolyt-Gehalt im Wasser wider. kritische Grenzen für die Inhaltsstoffe von Die Unwirksamkeit einzelner MedikaTränkewasser aufgeführt sind. Darin wird mente könnte mit dem hohen Härtegrad Wasser bereits mit Sulfat-Gehalten über des Wassers zusammenhängen. Bekannt 250 mg pro Liter als „bedenklich“ bzw. ist, dass sehr hartes Wasser die Wirksam„unbrauchbar“ eingestuft. Für die elektri- keit bestimmter Medikamente stark besche Leitfähigkeit liegt die kritische Gren- einträchtigen kann. Übersicht: Der Aufbereiter senkt den Elektrolytgehalt im Wasser Wasseraufbereiter brachte die Wende Weil ein öffentlicher Wasseranschluss alles in allem fast 100 000 E gekostet hätte, reinigt Mayer seit August 2005 sein Wasser mit einer Trinkwasser-Aufbereitungsanlage. Das Gerät arbeitet nach dem Prinzip der Nanofiltration. Dabei wird das Brunnenwasser mit hohem Druck gegen einen Membranfilter gepresst. Ein großer Teil der Elektrolyte, so auch das Sulfat, bleiben im Filter hängen und werden anschließend ausgewaschen (siehe Übersicht). Hilfsorganisationen, wie das Technische Hilfswerk, nutzen diese Technik bereits seit Jahren für die Aufbereitung von Trinkwasser. Seit kurzem bietet die Firma Kärcher diese Technik auch für Privathaushalte und die Landwirtschaft an. Auch wenn es im Stall noch nicht ganz rund läuft, hatte die Reinigung des Wassers durchschlagenden Erfolg. „So gut haben die Schweine in diesem Stall noch nie ausgesehen“, freut sich Meyer. Die Probleme, mit denen er mehr als sechs Jahre gekämpft hat, sind weitgehend verschwunden. Die Mastschweine nehmen gut zu und erreichen durchschnittliche Schlachtgewichte von 95 kg. Allerdings war es höchste Zeit, dass sich das Blatt wendete. Denn das Tränkewasser hätte die Landwirtsfamilie fast in den Ruin getrieben. „Gegenüber normaler Produktion musste ich jedes Jahr Einbußen von 40 000 bis 50 000 E hinnehmen“, schätzt Mayer seinen Schaden. Hätte er nicht noch zusätzliche Einnahmen aus seinem Zuerwerb als Metzger gehabt, hätte er den Hof nicht halten können. Klaus Dorsch top agrar 3/2006 S 27