KAPITEL H Molekülphysik: Einleitung 1. Bildung

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KAPITEL H
Molekülphysik: Einleitung
Die Molekülphysik beschäftigt sich mit den physikalischen Grundlagen der Chemie. Während die Chemie die fazinierende Vielfalt der Stoffe, die sich aus den etwa 100 Elementen zusammensetzen lassen, zum Thema hat, ist die Physik im allgemeinen mehr an den einfachen
Systemen interessiert, da hier die Mechanismen besser durchschaubar sind. Wir haben daher
häufig zweiatomige Moleküle im Auge, wollen aber den Blick auf mehratomige Moleküle
nicht ganz verlieren.
Abb. 52: Der Übergang von zwei Einzelatomen über das Molekül
zum Atom der vereinigten Kerne
1. Bildung eines Moleküls aus zwei Atomen
Nähert man zwei gleichartige Atome, etwa neutrale Wasserstoffatome, so hat man bei großem Abstand zwei einzelne Atome a und b mit den uns bekannten Zuständen.ϕa und ϕb. Bei
einem Kernabstand Rab, der klein gegenüber dem Bohrschen Radius ist, halten Kernkräfte die
beiden Kerne zusammen. Jetzt umkreisen im klassischen Bild beide Elektronen gemeinsam
den zweifach positiv geladenen Kern. Die Zustände gehen bei r → 0 über in die des Heliumatoms bis auf Abweichungen, die durch das Fehlen der beiden Neutronen hervorgerufen werden (Isotopieeffekt). Im Zwischengebiet hat man das Verhalten einzelner Atome, die durch
den Partner gestört werden, also Zeemann-Aufspaltung, Verbreiterung der Linien usw.. Zusätzlich zu diesem Verhalten, das uns von den Atomen her bekannt ist, oder das wir von den
Eigenschaften der Atome extrapolieren können, kommen einige neuartige Aspekte hinzu.
a) Symmetrie des Kernpotentials
Bei zwei gleichartigen Kernen ist das Kernpotential symmetrisch zum Schwerpunkt. Da
|ψ(r)|2 die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Elektronen angibt, muß bei einem bezüglich r
symmetrischen Potential
|ψ(r)|2 = |ψ(-r)|2
sein. Hierfür gibt es zwei Möglichkeiten: Die Wellenfunktion ist ungerade
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ψu(r) = −ψu(-r)
oder gerade
ψg(r) = ψg(r)
Abb. 53: Bei einem symmetrischen Kernpotential ist die
Wellenfunktion symmetrisch oder antisymmetrisch
Aus Symmetriegründen muß bei der ungeraden Funktion ψu(0) = 0 sein, während bei der geraden Funktion ψg(0) ≠ 0 sein kann. Dies hat zwei Konsequenzen:
α) Bei einsetzender Störung durch den Partner spaltet sich die Wellenfunktion, die zu einem
bestimmten Zustand gehört, in zwei Wellenfunktionen auf, eine gerade und eine ungerade, zu
denen natürlich unterschiedliche Energien gehören. Wie wir später sehen werden, kann man
die Gesamtwellenfunktion des Systems aus beiden Atomen annähern, indem man die der ungestörten Atome addiert bzw. subtrahiert
ψg = ψa + ψb
ψ u = ψ a - ψb
Dieser Vorgang hat sein klassisches Analogon in zwei gekoppelten Pendeln. Durch die Kopplung ergeben sich zwei Normalschwingungen, d.h. Schwingungen, aus denen man alle
Schwingungsformen des Gesamtsystems durch Linearkombination zusammensetzen kann.
β) Da bei der geraden Funktion ψg(0) ≠ 0, hat das Elektron eine gewisse Wahrscheinlichkeit,
sich zwischen den Kernen aufzuhalten und damit die Abstoßung der beiden Kerne abzuschirmen. Die gerade Wellenfunktion führt daher beim Wasserstoff zu einem bindenden Zustand,
die ungerade zu einem nicht bindenden. Die potentielle Energie des H2 Moleküls in Abhängigkeit vom Kernabstand ist in Abb. 54 dargestellt. Im Kapitel I werden wir zeigen, wie man
diese
berechnet. Ohne Quantenmechanik war diese sogenannte homöopolare Bindung, auch kovalente Bindung genannt, völlig unverständlich.
Außer mit der homöopolaren Bindung werden wir uns in Kap. I mit der Hybridisierung befassen, die ebenfalls mit einer Linearkombination von Wellenfunktionen erklärbar ist.
92
Abb. 54: Die potentielle Energie in Abhängigkeit vom Kernabstand bei gerader und ungerader Wellenfunktion
Abb. 55: Die Freiheitsgrade der Rotation und der Vibration im zweiatomigen Molekül
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b) Zusätzliche Freiheitsgrade
Zusätzlich zu den Freiheitsgraden der Elektronen haben Moleküle Freiheitsgrade der
Kernbewegung
α) Rotation
β) Vibration,
die man sich beim zweiatomigen Molekül mit dem Hantelmodell vorstellen kann, wobei bei
der Rotation die Verbindung der Atome in erster Näherung starr, bei der Vibration elastisch
ist. Durch diese zusätzlichen Freiheitsgrade ergibt sich eine wesentliche Verkomplizierung
des Termschemas.
2. Struktur des Energieschemas
a) Größenordnung der beteiligten Energien
Führt man einem Molekül Energie zu (oder gibt es Energie ab), so kann sich die Energie der
Elektronenhülle, der Schwingung oder der Rotation ändern. Dabei können sich diese Energieformen einzeln ändern oder mehrere gleichzeitig. Die Behandlung der Übergänge wird dadurch vereinfacht, daß die zugehörigen Energien sich um jeweils eine bis zwei Größenordnungen unterscheiden, so daß man die Vorgänge als unabhängig voneinander betrachten darf.
Die Situation ist ähnlich wie bei einem Pendel der Eigenfrequenz ω0, das einer Störung - etwa einer periodischen Änderung des Potentials - die mit einer Frequenz ωs<< ω0 verläuft, ausgesetzt ist. Man hat dann über viele Schwingungen praktisch keine Änderung des Potentials,
so daß man die statische Lösung zugrunde legen kann. In der Molekülphysik spricht man
dann von der Born-Oppenheimer Näherung. Im Folgenden werden mit einem groben Modell
Größenordnungen der unterschiedlichen Energien abgeschätzt.
E vib h/ ωvib
=
=
E el
h/ ωel
me
M
α) Elektronenenergie
Nimmt man die kleinste Energie, die aufrund der Heisenbergschen Unschärferelation im Bereich einer Bahn mit Bohrschen Radius a untergebracht werden kann, erhält man:
p 2a = h
p = h/
2a
2
p2
h
/
E ges = 2E kin = m =
≈ 8eV
(1)
e
4ma 2
β) Rotationsenergie
Klassisch ist die Rotationsenergie
94
1 Jω2 = 1 L 2
2
2 J
Für L = h
erhält man
2
2
E rot = h/ = 2h/ 2
2J Ma
2
da J = M  a  , wenn M die Kernmasse.
2
Vergleich mit Gl. (1) zeigt
Abb. 56: Die Struktur des Termschemas im Molekül
E rot
= 8  m 
E el
M
Für Wasserstoff ist M/m 1840, für schwere Atome entsprechend größer. Die Rotationsenergie
ist also um mindestens einen Faktor 250 kleiner als die elektronische Energie. Sie liegt im
Bereich 10-2 - 10-3 eV. Die Terme werden schon bei Zimmertemperatur bevölkert
Abb. 57: Struktur des Spektrums von Molekülen
(Tzim = 30 m eV).
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γ) Vibrationsenergie
Zur Abschätzung der Vibrationsenergie muß man berücksichtigen, daß die Bindung der Kerne im Molekül durch die Elektronen verursacht wird. Die Bindungsenergie der Kerne ist also
von der gleichen Größenordnung wie die eines Elektrons. Drückt man die entsprechenden kinetischen Energien durch Massen und Frequenzen aus, erhält man
m e a 2 ω2el ≈ Ma 2 ω2vib
Die Vibrationsenergie ist also bei Wasserstoff 1/40 der elektronischen Energie, bei schwereren Atomen entsprechend weniger. Sie liegt im Bereich 0,1 - 1 eV.
b) Das Termschema
Für die gesamte Anregungsenergie des Moleküls gilt also
E = Eel + Evib + Erot
wobei Eel >> Evib >> Erot
Das Termschema besteht also aus elektronischen Zuständen, in deren unmittelbarer Nähe jeweils eine Reihe vibratorischer Zustände liegt, von denen jeder in seiner Nachbarschaft einen
Satz von Rotationsniveaus besitzt (Abb.56)
c) Das Spektrum
Wenn sich nur die Rotationsquantenzahl ändert, hat man reine Rotationsübergänge. Die Wellenlänge liegt im fernen Infraroten ( λ = 0,1 - 1 mm ). Zur Aufnahme des Spektrums benutzt
man die Mikrowellenspektroskopie. Die Energien sind bei Raumtemperatur thermisch
angeregt.
Reine Schwingungsübergänge liegen im Infraroten (λ = 10-3 - 10-1 mm). Man benutzt Infrarotlaser und Infrarotdioden. Die Terme sind normalerweise nicht angeregt. Bevorzugte Techniken sind also Absorptionsspektroskopie.
Elektronische Übergänge führen zu Strahlung im Sichtbaren bis Ultravioletten wie bei
Atomen.
In den seltensten Fällen beobachtet man reine elektronische oder vibratorische Spektren. Statt
dessen finden gleichzeitig Übergänge zwischen den unterschiedlichen Termen statt, d.h. es
ändert sich nicht nur die Elektronenenergie, sondern gleichzeitig die Schwingungs- und Rotationsenergie. In diesem Fall spricht man auch von einem elektronischen Übergang. Man erhält im Spektrum also neben einer elektronischen Linie ein System von vibratorischen Linien,
von denen jede wieder in Rotationslinien aufspaltet. Die Rotationslinien liegen im sichtbaren
Spektralbereich meist so dicht nebeneinander, daß man sie nicht auflöst. Es ergibt sich das
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Bild eines Intensitätsbandes im Spektrum mit einer scharfen Kante und einer Intensität, die
von der Kante aus abnimmt. Ein solches Spektrum nennt man Bandenspektrum Die Struktur
des gesamten Spektrums ist in Abb. 57 dargestellt.
Abb. 58: Geometrische Verhältnisse im H2+-Molekül
97
KAPITEL I
Bindungsenergie
1. Das Wasserstoffion H2+
Das einfachste Molekül ist das H2+ . Es besteht aus zwei Protonen und einem gemeinsamen
Elektron. Im folgenden wird die Bindungsenergie in Abhängigkeit vom Abstand der beiden
Protonen ausgerechnet. Hierzu wird die Schrödingergleichung des Elektrons streng formuliert. Als Lösungsansatz nimmt man eine Linearkombination von Wellenfunktionen im
Grundzustand des Wasserstoffs. Über die Schrödingergleichung lassen sich die Koeffizienten
bestimmen.
a) Der Hamiltonoperator
Die Kerne werden mit a und b bezeichnet. Das Problem für die Einzelatome ist gelöst.
 − h/ 2 ∆ − e 2  ϕ (r ) = E 0 ϕ (r )
a a
a a a
 2m
4πε 0 r a 
2
 h/ 2
 ( )
− ∆− e
ϕ b r b = E 0b ϕ b (r b )
 2m

4πε 0 r b
d.h. ϕa und ϕb sind die uns vom Wasserstoffproblem her bekannten Wellenfunktionen, z.B.
die des Grundzustandes mit
Ea(0) = Eb(0) = E0
Der Hamiltonoperator wird wie üblich aufgestellt, indem die Gesamtenergie des Systems gebildet wird. Hier muß die potentielle Energie des Elektrons bezüglich der beiden Kerne bee2
rücksichtigt werden und die potentielle Energie ∆WKern =
bezüglich der Abstoßung
4πε 0 R ab
der Kerne untereinander. Wir interessieren uns für die Wellenfunktion des Elektrons ψ . Für
diese ist aufgrund der Born-Oppenheimer-Näherung ∆WKern eine Konstante, die wir zunächst
weglassen können, aber am Schluß, wenn es um die Bindungsenergie der Kerne geht, zur Gesamtenergie hinzuzählen müssen. Damit heißt die Schrödingergleichung
2
2
 h/ 2

− ∆− e
− e
ψ = Eψ
 2m
4πε 0 r a 4πε 0 r b 
(2)
Die Bestimmung von E ist das Ziel der Rechnung. Man beachte, daß bei expliziten Angaben
von ra und rb der Kernabstand mit eingeht, so daß E von Rab abhängt.
b) Ansatz
Für ψ wird der Ansatz gemacht
98
ψ = c1 ϕa + c2 ϕb
Dies ist ein häufig verwendeter Ansatz in der Molekülphysik. Man nennt ihn Linearkombination atomarer Orbitale (LCAO).
Durch Einsetzen in die Schrödingergleichung (2) wird hieraus
 − h/ 2 ∆ − e 2 − e 2  c ϕ +  − h/ 2 ∆ − e 2 − e 2  c ϕ = E(c ϕ + c ϕ
1 a
2 b
1 a
2 b)
 2m
 2m
4πε 0 r a 4πε 0 r b 
4πε 0 r b 4πε 0 r a 
Da das Problem der Einzelatome gelöst ist, kann man ersetzen
 − h/ 2 ∆ − e 2  ϕ = E
a
0
 2m
4πε 0 r a 
entsprechend für ϕb. Mit der Abkürzung E0- E = ∆ E ergibt sich dann
2
2




∆E − e
c 1 ϕ a + ∆E − e
c2 ϕb = 0



4πε 0 r b
4πε 0 r a 
(3)
c) Berechnen von c1 und c2
Die Konstanten erhält man durch Multiplikation mit ϕa (bzw. ϕb) und Integration über das
Volumen. Die dabei entstehenden Integrale kürzen wir ab, wobei wir ausnutzen, daß ϕa ,ϕb in
unserem speziellen Beispiel reell sind.
∫ ϕ a ϕ b dV = S
(ϕa und ϕb sind hier nicht orthogonal!)


−e
dr = C
∫ ϕ 2a  4πε
0rb 
2
 −e 2 
∫ ϕ a ϕ b  4πε 0 r a  dr = D
Abb. 59 : Die berechnete Energie im H2+ - Molekül
99
Dieses Integral, das sich als maßgeblich für die Bindung herausstellt, heißt das Austauschintegral. Die damit verbundenen Kräfte sind die Austauschkräfte, wobei man sich vorstellt, es
beschreibt den Austausch des Elektrons zwischen den beiden Kernen. Gl. 3 wird damit
(∆E + C)c 1 + (∆ES + D)c 2 = 0
(4,a)
Durch Vertauschen von 1 und 2 erhält man die entsprechende Gleichung, die durch Multiplikation von Gl. 3 mit ϕb entsteht
Abb. 60: Die geometrischen Verhältnisse im H2 - Molekül
(∆ES + D)c 1 + (∆E + C)c 2 = 0
(4,b)
Auflösung nach c1, c2 ist möglich, wenn die Determinante der Koeffizienten verschwindet:
(∆E+C) 2 − (∆ES+D) 2 = 0
(∆E+C) = ±(∆ES+D)
d) Wellenfunktion
Nach den Koeffizienten aufgelöst, ergeben hiermit die Gleichungen 4 für das + Zeichen
c 2 = −c 1 = c, ψ = c(ϕ a − ϕ b )
für das - Zeichen
c 2 = c 1 = c, ψ = c(ϕ a + ϕ b )
d. h. praktisch die Lösungen, die man bereits durch reine Symmetrieüberlegungen gewinnen
kann. Die Gesamtenergie wird damit
E = E 0 − ∆E = E 0 + D ± C
1±S
Hier muß man noch ∆W Kern zuzählen. Bei großem Abstand muß E gegen Null gehen. Die
Bindungsenergie ist dann
100
2
EB = C ± D + e
1 ± S 4πε 0 R ab
Rechnet man die Integrale aus, so erhält man für die beiden Vorzeichen, die in Abb.59
skizzierte Kurve. Die symmetrische Lösung ergibt den bindenden Zustand. Man beachte, daß
E berechnet wird, ohne daß die Modifizierung der Wellenfunktion durch den zweiten Partner
irgendwie eingeht.
2. Das Wasserstoffmolekül
a) Das Problem
Das neutrale Wasserstoffmolekül besteht aus zwei Protonen und zwei Elektronen (Abb.60).
Wir werden den Rechengang, der nicht schwierig, aber etwas mühselig ist, nicht in allen Einzelheiten durchziehen. Neu gegenüber dem Einelektronenproblem ist, daß wir jetzt die Wellenfunktion so konstruieren müssen, daß sie das Pauliprinzip erfüllt, d.h., daß sie bei Vertauschung der beiden Elektronen das Vorzeichen wechselt.
ψ(1, 2) = −ψ(2, 1)
Hierfür muß die Gesamtwellenfunktion betrachtet werden, einschließlich der Spinfunktion.
b) Hamiltonoperator
Den Hamiltonoperator gewinnen wir wie gewöhnlich, indem wir die Gesamtenergie der beiden Elektronen aufstellen. Dabei sind die Koordinaten des Elektrons 1 (x1 ,y1 ,z1 ), abgekürzt
r1, des Elektrons 2 (x2, y2 , z2), abgekürzt r2.
Bei der Ersetzung des Impulses gehen in den Laplace-Operator nur die Koordinaten des jeweiligen Elektrons ein:
2
2
2
∆1 = ∂ 2 + ∂ 2 + ∂ 2
∂x 1 ∂y 1 ∂z 1
2
2
2
∆2 = ∂ 2 + ∂ 2 + ∂ 2
∂x 2 ∂y 2 ∂z 2
2
2
2
2
2
2
2
2
H = − h/ ∆ 1 − e
− h/ ∆ 2 − e
− e
− e
+ e
+ e
2m
4πε 0 r 1a 2m
4πε 0 r 2b 4πε 0 r 1b 4πε 0 r 2a 4πε 0 r 12 4πε 0 R ab
c) Ansätze
Zur Lösung der Schrödinger Gleichung
Hψ(r 1 , r 2 ) = Eψ(r 1 , r 2 )
101
werden Ansätze gemacht, in denen die Wellenfunktionen der Einzelatome so kombiniert werden, daß das Pauliprinzip für die Gesamtwellenfunktion bezüglich Vertauschung der beiden
Elektronen antisymmetrisch ist. Um die Gestalt dieser Kombinationen zu ermitteln, konstruieren wir uns zunächst die Lösung des Zweiatom-Problems für den Fall, daß sich die Partner
nicht beeinflussen. Die Schrödingergleichung für die Atome a und b mit ihren Elektronen 1
und 2 heißen dann:
H 1 ϕ a (r 1 ) = E 0 ϕ a (r 1 )
H 2 ϕ b (r 2 ) = E 0 ϕ b (r 2 )
wobei H 1 und H 2 die Anteile des Hamiltonoperators sind, die sich nur auf jeweils ein Atom
beziehen:
2
2
H 1 = − h/ ∆ 1 − e
2m
4πε 0 r 1
2
2
H 2 = − h/ ∆ 2 − e
2m
4πε 0 r 2
mit
2
2
2
∆1 = ∂ 2 + ∂ 2 + ∂ 2
∂x 1 ∂y 1 ∂z 1
2
2
2
∆2 = ∂ 2 + ∂ 2 + ∂ 2
∂x 2 ∂y 2 ∂z 2
Diese Gleichungen werden gelöst durch
ψ = ϕ a (r 1 )ϕ b (r 2 )
Um den Einfluß des Spins auf die Symmetrie zu untersuchen, führen wir Spinfunktionen ein,
wobei bedeuten soll:
α (1): Elektron 1 hat Spin nach oben
α (2): Elektron 2 hat Spin nach oben
β (1): Elektron 1 hat Spin nach unten
β (2): Elektron 2 hat Spin nach unten
Ein Ansatz
ϕ a (r 1 )ϕ b (r 2 )α(1)α(2)
erfüllt nicht das Pauliprinzip! Durch Probieren erhält man folgende antisymmetrische Ansätze
ψ u = ϕ a (r 1 )α(1)ϕ b (r 2 )α(2) − ϕ a (r 2 )α(2)ϕ b (r 1 )α(1)
ψ u = α(1)α(2)[ϕ a (r 1 )ϕ b (r 2 ) − ϕ a (r 2 )ϕ b (r 1 ) ]
102
Übersichtlicher schreibt sich diese Funktion als Determinante
ψu =
ϕ a (r 1 )α(1) ϕ a (r 2 )α(2)
ϕ b (r 1 )α(1) ϕ b (r 2 )α(2)
Solche Determinanten heißen Slaterdeterminanten.
Andere Ansätze mit einer symmetrischen Spinfunktion und einer antisymmetrischen Raumfunktion sind
ψ = β(1)β(2)ψ u
ψ = [α(1)β(2) + α(2)β(1)]ψ u
Ein Ansatz mit antisymmetrischer Spinfunktion und symmetrischer Ortsfunktion ist
ψ = [α(1)β(2) − α(2)β(1)][ϕ a (r 1 )ϕ b (r 2 ) + ϕ a (r 2 )ϕ b (r 1 ) ]
Mit diesem Ansatz rechnet man nach der Methode von Heitler und London. Er enthält Produkte ϕ a (r 1 ) ⋅ ϕ b (r 2 ) , d. h. er beschreibt Situationen, in denen Elektron 1 bei Atom a und
Elektron 2 bei Atom b ist (oder umgekehrt), ohne auch Situationen zu enthalten, bei denen
Abb. 61: Die Potentialkurven für die niedrigsten Energien
nach Hund-Mulliken und Bloch für H2
beide Elektronen sich bei einem Atom aufhalten. Um auch Situationen zu berücksichtigen,
bei denen sich beide Elektronen bei einem Kern aufhalten, - man spricht dann von kovalent
ionischer Resonanz - macht man den Ansatz
ψ KIR = ψ HL + cψ ion
mit
ψ ion = ϕ a (r 1 )ϕ a (r 2 ) + ϕ b (r 1 )ϕ b (r 2 )
c muß dann aus der Forderung nach minimaler Energie bestimmt werden.
(ψHL ist der Ansatz nach Heitler und London)
Ein anderer Ansatz geht davon aus, daß man zunächst ein Elektron an beiden Atomen hat und
dann ein zweites Elektron hinzufügt. Dies ist der Ansatz nach Hund-Mulliken-Bloch
103
ψ HMB = [ϕ a (r 1 ) + ϕ b (r 1 )][ϕ a (r 2 ) + ϕ b (r 2 )]
Abb. 62: Besetzung der Schalen im Grundzustand und im ersten angeregten Zustand beim Kohlenstoff
Man kann diese drei Fälle zusammenfassen, wenn man davon ausgeht, daß Elektron 1 mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit sich bei Atom a und Atom b aufhält, d.h. man ersetzt in
dem Ansatz von Heitler und London
ϕ a → ϕ a + dϕ b
ϕ b → ϕ b + dϕ a
und erhält
ψ all = [ϕ a (r 1 ) + dϕ b (r 1 )][ϕ b (r 2 ) + dϕ a (r 2 )] + [ϕ a (r 2 ) + dϕ b (r 2 )][ϕ b (r 1 ) + dϕ a (r 1 )]
wobei die Konstante d durch Variation von E bestimmt werden muß. Setzt man d = 0, erhält
man die Methode nach Heitler und London, für d = 1 die nach Hund-Mulliken-Bloch und für
2d = c die Methode von Heitler und London mit ionischem Anteil. Die Bindungsenergie
1 + d2
Abb. 63: s und p Orbitale
erhält man, indem man aus den verschiedenen Ansätzen denjenigen auswählt, der zu der
kleinsten Energie führt. Ein Ergebnis für die Methode von Hund-Mulliken-Bloch ist in Abb.
61 angegeben.
Abb. 64: Durch Überlagerung von s- und p- Orbitalen verschiebt sich der Ladungsschwerpunkt
104
3. Die Hybridisierung
Unter einem Hybridsystem versteht man allgemein die Kombinierung von zwei Wesen aus
verschiedenen Welten zu einem Gebilde. Unter Hybridisierung in der Theorie der Bindung
versteht man die Überlagerung von s- und p-Wellenfunktionen eines Atoms, das sich in einem Molekülverband befindet, zu einer Wellenfunktion.
a) s- und p Wellenfunktionen
Die Hybridisierung läßt sich am einfachsten am Kohlenstoff erklären, hat hier auch die größte
Bedeutung, da sie die Grundlage der Vielfalt der Bindungsmöglichkeiten in der organischen
Chemie ist.
Kohlenstoff hat im Grundzustand eine vollbesetzte K-Schale (n = 1), eine voll besetzte n = 2,
l = 0 Unterschale und zwei zusätzliche p-Elektronen in der L-Schale (n = 2). Auch im freien
Atom kann eins der 2s - Elektronen zu einem p-Elektron angeregt werden, da die
Energielücke zwischen 2s und 2p Zuständen gering ist. Durch Störungen im Molekülverband
kann es dazu kommen, daß die 4 Elektronen in der L-Schale praktisch gleiche Energie
besitzen.
Abb. 65: Ladungsschwerpunkte bei der tetragonalen Hybridisierung
Von der Störungsrechnung mit Entartung wissen wir, daß dann der Gesamtzustand durch eine
Linearkombination der Wellenfunktionen aller beteiligter Elektronen dargestellt werden kann,
in diesem Fall durch die Überlagerung von s- und p- Wellenfunktionen. Von unserer Theorie
des Wasserstoffatoms wissen wir, daß die s-Funktion unabhängig von der Winkelkoordinate
ist. Man kann sie sich (ohne Normierungsfaktor) von der Form f(r) = e −r/r 0 vorstellen. Im folgenden wird sie graphisch durch eine Kugel symbolisiert, wobei klar sein sollte, daß es keine
scharfe Begrenzung an einer Oberfläche (r = r0) gibt. (Abb. 63 )
Als p-Zustände nehmen wir die in Abb. 63 skizzierten Funktionen
ϕ px ∼ xf(r);, ϕ py ∼ yf(r) und ϕ pz ∼ zf(r).
Diese auf ein kartesisches Koordinatensystem angepaßten Funktionen ergeben sich durch einache Linearkombinationen der früher in Kugelkoordinaten gewonnenen Funktionen.
b) Digonale Hybridisierung (sp)
105
In Abb. 64 ist der Effekt einer Überlagerung von ϕs und ϕpx erläutert.
Man erkennt, daß sich der Ladungsschwerpunkt in Richtung der x-Achse verschiebt.
ψ2 hat dann die in Abb.64b skizzierte Gestalt.
c) Die tetragonale Hybridisierung (sp )
Hier überlagert man ϕs und alle drei ϕp - Funktionen. Durch geschickte Wahl der Vorzeichen
erhält man für die 4 Elektronen in der L-Schale Ladungsschwerpunkte, die vom Mittelpunkt
des Tetraeders aus in Richtung der Tetraederecken verschoben sind.
ψ 1 = 1 (ϕ s + ϕ px + ϕ py + ϕ pz )
2
ψ 2 = 1 (ϕ s + ϕ px − ϕ py − ϕ pz )
2
ψ 3 = 1 (ϕ s − ϕ px + ϕ py − ϕ pz )
2
ψ 4 = 1 (ϕ s − ϕ px − ϕ py + ϕ pz )
2
Abb. 66: Lage der Ladungsschwerpunkte bei der trigonalen
Bindung des Kohlenstoffs
Die Funktionen ψ1 - ψ4 sind orthogonal, wie sich unter Benutzung der Orthogonalität der
Wasserstoff-Funktionen nachrechnen läßt.
Um die Verschiebung der Ladungsschwerpunkte durch die Funktionen ψ1 - ψ4 zu ermitteln,
stellen wir uns vor, daß gemäß Abb. 64 durch die Überlagerung von ϕs und ϕpx eine Ladung
entsteht, die an der Spitze eines Vektors x0 angebracht ist, der in x-Richtung weist, entsprechend für ψpy in y-Richtung und ψpz in z-Richtung.
Abb. 67: σ und π Elektronen im
Ethylen
106
Abb. 65 zeigt, daß die Ladungsschwerpunkte dann auf den Ecken eines Tetraeders liegen.
Man erhält also für ein C-Atom die Grundstruktur des Methan-Moleküls. Die s-Elektronen
der H-Atome bilden dann mit je einem Elektron des C aus einer der 4 Hybridzustände eine
Wasserstoffbrücke, z.B. für die Ecke 1 des Tetraeders erhält man die Wellenfunktion der beiden an der Bindung beteiligten Elektronen durch Linearkombination der zugehörigen Wellenfunktionen
ψ(r) = ψC1 + ψHS
Abb. 68: Dreifachbindung beim Acetylen
wobei für ψC1 die Funktion ψ1 aus den 4 Linearkombinationen einzusetzen ist.
ψ1 = 1/2 (ϕs + ϕpx + ϕpy + ϕpz)
Man erhält also mit dieser Betrachtung tatsächlich ein CH 4-Molekül der beobachteten Gestalt. Um zu zeigen, daß dies die einzige vernünftige Kombination der
Ausgangswellenfunktionen
ist, müßte man alle Kombinationsmöglichkeiten durchgehen. Man wird vermutlich feststellen, daß die Anordnung im Tetraeder die geringste Energie hat.
d) Trigonale oder sp2- Hybridisierung
Hier kombiniert man nur zwei der p-Wellenfunktionen des Kohlenstoffs mit der des s-Elektrons, die dritte bleibt frei und kann zu einer weiteren Bindung beitragen.
ψ1 =
ψ2 =
ψ3 =
1
3
1
3
1
3
ϕs +


ϕs +


ϕs −

2 ϕ px 
3ϕ −
py
2
1ϕ +
py
2
1ϕ 
px 
2

1ϕ 
px 
2

ϕpz bleibt übrig. Die Ladungsschwerpunkte liegen dann auf den Ecken eines gleichseitigen
Dreiecks (s. Abb. 66)
Mit der trigonalen Hybridisierung läßt sich die Doppelbindung beim Ethylen C2H4 erklären.
Von den Funktionen ψ1 - ψ3 sorgt je eine Funktion ψ1 für die eine C-C-Bindung. Die anderen
machen die CH-Brücken
ψ(r) = ψ C1 + cψ H1
107
mit
ψ C1 = ψ 2 aus obiger Tabelle
Die Symmetrieachsen der Wellenfunktionen dieser sogenannten σ - Elektronen liegen in einer Ebene. Die pz-Funktionen stehen mit ihren Achsen senkrecht auf dieser Ebene und sorgen
für eine zusätzliche Bindung. Die zugehörigen Elektronen heißen π-Elektronen. Bei der Dreifachbindung in Acetylen C2H2 wird eine C-C-Bindung und die C-H-Brücken durch σ-Elektronen gebildet, während die beiden übrig bleibenden p-Orbitale zu zwei zusätzlichen C-C-Bindungen führen (Abb. 68).
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