Gender Relations in Germany Franz Rothenbacher Grundseminar „Sozialstruktur der Bundesrepublik Deutschland“ 2005 1. Basic Concepts and Definitions 2. Methods of Measurement of Gender Inequality 3. Sociological Theory and Gender Inequality 4. Gender Inequality in Different Welfare Dimensions 5. Causes of Gender Inequality 6. Gender Inequality in International Comparison 7. Recent Challenges to Gender Inequality 8. References 1. Basic Concepts and Definitions • Gender inequality oder soziale Ungleichheit zwischen den Geschlechtern • • • Ausprägung verschiedener Variablen nach dem Merkmal Geschlecht Biologische Ungleichheit versus soziale Ungleichheit • Biologische Ungleichheit sind die biologisch fundierten Unterschiede zwischen den Geschlechtern wie Körpergröße, hormonale Ausstattung, Reproduktionsfähigkeit. Soziale Ungleichheit siehe oben. • Eine wichtige, aber offene Frage ist die biologische Fundierung der sozialen Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, wie z.B.: berufliche Segregation und biologische Ausstattung; Präferenzstrukturen (z.B. berufliche) und biologische Unterschiede der Geschlechter Individualistischer versus holistischer oder systemischer Ansatz • Der individualistische oder atomistische Ansatz betrachtet die Gesellschaft als aufgebaut durch Individuen, deren ungleiche Lebenschancen untersucht werden sollen • Der holistische oder systemische Ansatz betrachtet die Gesellschaft oder deren Teile (wie z.B. die Familie) als arbeitsteilige Systeme, für welche die soziale Ungleichheit zwischen Rollenträgern (also auch Männer und Frauen) funktional notwendig und aufeinander bezogen ist. 1. Basic Concepts and Definitions (cont‘d) • • Geschlechtsspezifische Sozialisation versus Vererbungslehre • Die These der geschlechtsspezifischen Sozialisation, welche insbesondere in der feministischen Psychologie formuliert worden ist, behauptet, daß „weibliches“ Verhalten überwiegend anerzogen (im Sozialisationsprozeß erworben) wird. • Als Gegenthese behauptet die Vererbungslehre, daß zwei Drittel auch der geschlechtsspezifischen Verhaltensunterschiede genetisch bedingt sind (Streit um Anlage und Umwelt) (Vertreter: Eysenck). Feminismus • • Die feministische Theorie in der Soziologie betont den Aspekt der Macht, der Herrschaft und Autorität des Mannes über die Frau und sucht nach theoretischen Argumenten, dies zu überwinden. Soziobiologie • Erklärt geschlechtsspezifische Verhaltensunterschiede aus der unterschiedlichen sexuellen Bedürfnisstruktur der Geschlechter. 2. Methods of Measurement of Gender Inequality • • Soziale Ungleichheit zwischen den Geschlechtern in unterschiedlichen Wohlfahrtsdimensionen, wie: • Bildungschancen und Bildungsbeteiligung • Arbeitsmarktbeteiligung und Karrierechancen • Politische Beteiligung • Familienarbeit und Arbeitsteilung in der Familie • Wohlfahrtsstaat und soziale Sicherheit • Gesundheit und Lebenserwartung Quellen: amtliche Statistik und soziale Surveys wie z.B. der Wohlfahrtssurvey 3. Sociological Theory and Gender Inequality Es lassen sich mehrere Theorierichtungen innerhalb der Soziologie unterscheiden, welche versuchen, soziale Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern zu erklären: • Feministische Theorie • Herrschaft und Ausbeutung durch den Mann • Clara Zetkin: „Um die Herrschaft und Macht des männlichen Geschlechts über das weibliche Geschlecht zu brechen, sind Hauptforderungen der bürgerlichen Frauenbewegung: gleiches Recht der Schließung, Gestaltung und Scheidung der Ehe; Verfügungsrecht über die Kinder für Frau und Mann; eine einheitliche sexuelle Moral für beide Geschlechter; freies Verfügungsrecht der Frau über ihr Vermögen, ihr Einkommen, ihren Verdienst; gesicherte Freiheit der Berufsbildung und Berufstätigkeit; gleiches Recht der Bewegungs- und Betätigungsfreiheit der Frauen auf allen Gebieten des sozialen Lebens; volle politische Gleichberechtigung im Staat und in seinen Organen ...“ (Zetkin, Clara: Zur Geschichte der proletarischen Frauenbewegung Deutschlands, Frankfrut a.M. 1979, 146-152). 3. Sociological Theory and Gender Inequality (cont‘d) • Soziobiologie • • Systemtheorie und Theorie der sozialen Arbeitsteilung • • Diese Theorie betont die evolutionsbiologischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern und leitet daraus unterschiedliche Bedürfnisstrukturen ab, welche letztendlich soziales Verhalten steuern (z.B. Albers Erklärung der höheren männlichen Sterblichkeit aus dem höheren Sexualbedürfnis des Mannes u. der sozialen Isolation nichtverheirateter Männer, welche von Männern schwerer als von Frauen ertragen wird (Alber 2005). Faßt die Gesellschaft und seine Subsysteme (z.B. die Familie) als arbeitsteilige Systeme mit unterschiedlichen Rollen auf, welche sich ergänzen. Absolute Gleichheit dysfunktional und utopisch. Theorie der geschlechtsspezifischen Präferenzen • Geschlechtsspezifische Präferenzen (z.B. der Berufswahl) sind teils genetisch bedingt, teils durch Prozesse der geschlechtsspezifischen Sozialisation erworben. 3. Sociological Theory and Gender Inequality (cont‘d) • Theorie der geschlechtsspezifischen Arbeitsmarktsegregation • Die unterschiedlichen Berufe von Männern und Frauen basieren teils auf den geschlechtsspezifisch verschiedenen Präferenzen (siehe oben) • Geschlechtsspezifische Präferenzen beruhen teils auf biologischen Unterschieden (Bergbau versus Büroarbeit) • Die Organisation der Familie (Kinderversorgung außerhalb der Familie) verstärkt die Segregation teils noch (Schweden) • Trotz aller historischen Wandlungstendenzen (Tertiarisierung) hat sich an der Grunddichotomie instrumentelle versus affektive Berufsorientierung nichts Grundsätzliches geändert 4. Gender Inequality in Different Welfare Dimensions Im Folgenden sollen soziale Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern in verschiedenen Wohlfahrtsdimensionen dargestellt werden, wie: Bildung, Erwerbsleben, Einkommen, politische Beteiligung, Familie, Wohlfahrtsstaat und Gesundheit 1. Chancengleichheit und Bildungsbeteiligung • Die Benachteiligung der Mädchen auf den allgemeinbildenden Schulen wurde abgebaut durch Einführung der Schulpflicht und sukzessive Verbesserung der Übergangsraten von Mädchen in weiterführende allgemeinbildende Schulen. • Das Bildungsdefizit der Mädchen hat sich allmählich in einen Bildungsvorsprung verwandelt. • Der Hochschulzugang für Frauen hat sich langsamer entwickelt, doch ist die niedrige Studienquote der Frauen der 1960er Jahre mittlerweile einer Gleichbeteiligung an den Universitäten gewichen (siehe Abbildung 14.1). Das entscheidende Hindernis Heirat und Kinder wurde in der DDR durch Einrichtungen der Kinderbetreuung für Studierende abgebaut. In der BRD ist der entscheidende Mechanismus das Hinausschieben von Heirat und Familiengründung. • Hinsichtlich der Studienwahl bestehen immer noch große geschlechtsspezifische Unterschiede: Divergenz zwischen den humanwissenschaftlichen Fächern und den Technik- und Naturwissenschaften (siehe Abbildung 14.2.). 4. Gender Inequality in Different Welfare Dimensions (cont‘d) 1. Chancengleichheit und Bildungsbeteiligung (fortgesetzt) • Allgemeinbildung und Berufsausbildung stehen in scharfem Kontrast zueinander: • Frauen sind stark überrepräsentiert in Vollzeitschulen typischer Frauenberufe • Frauen haben größere Probleme eine Lehrstelle zu finden, vornehmlich in den typischen Männerberufen • Frauen werden auf wenige Frauenberufe zusammengedrängt (Konzentration) • Frauen werden seltener nach der Lehre übernommen 4. Gender Inequality in Different Welfare Dimensions (cont‘d) 2. Erwerbstätigkeit, Arbeitsmarktsegregation und Karrierechancen Erwerbstätigkeit • Bessere Bildungschancen der Frauen lassen sich nicht ohne Weiteres in Berufschancen umsetzen • Ausdehnung der Frauenerwerbstätigkeit in den letzten Jahrzehnten: In der DDR war fast jede Frau erwerbstätig; ideologische Hintergründe und ökonomische Erfordernisse (Arbeitskräftemangel und zu niedriges Einkommen). Typisch war die Vollzeiterwerbstätigkeit • In der BRD geringere Frauenerwerbsquoten: Arbeitskräftemangel durch Migration ausgeglichen, nicht durch Drängen der Frauen in die Erwerbstätigkeit. In der BRD starkes Gewicht der Teilzeitarbeit, insbesondere für verheiratete Frauen mit Kindern 4. Gender Inequality in Different Welfare Dimensions (cont‘d) 2. Erwerbstätigkeit, Arbeitsmarktsegregation und Karrierechancen Arbeitsmarktsegregation • Es besteht eine hohe geschlechtsspezifische Segregation der Arbeitswelt: typische Männerberufe in Industrie, und Handwerk (sekundärer Sektor); weibliche Berufe herrschen dagegen im Dienstleistungssektor, insbesondere in den öffentlichen Dienstleistungen vor. • Niedriger Status weiblicher Arbeitskräfte im Erwerbsleben: in 2001 2/3 aller westdeutschen Arbeiterinnen waren Un- oder Angelernte • Frauen werden häufiger als Männer unter ihrem Bildungsniveau eingesetzt (Folge der Überproduktion von Zertifikaten, siehe Bildungssystem) • Frauen haben darüber hinaus auch ein höheres Arbeitsplatzrisiko: die weibliche Arbeitslosenquote lag in den 70er und 80er Jahren um 20-30% über der der Männer; dies hat sich aber seit 1995 in sein Gegenteil verkehrt. 4. Gender Inequality in Different Welfare Dimensions (cont‘d) 2. Erwerbstätigkeit, Arbeitsmarktsegregation und Karrierechancen Karrierechancen • Die Karrierechancen der Frauen sind reduziert. „Gesetz der hierarchisch zunehmenden Männerdominanz“, ausgeprägt in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, etc. • In den feminisierten Bereichen (wie Gesundheits- u. Bildungswesen, teilweise Justiz) haben Frauen bessere Karrierechancen (z.B. Pflegedienstleitung, Leiterin von Altenheimen, etc.) • DDR: bessere Aufstiegschancen für Frauen; in der BRD dagegen weniger günstig • Langsame Fortschritte machen die Frauen sukzessive in Bereichen wie Justiz, Universitäten, öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten. Ursachen der Karrierebarrien 1. Geschlechtsspezifische Sozialisation: Persönlichkeitsstrukturen der Männer sind für den „Kampf“ um höhere Positionen adäquater 4. Gender Inequality in Different Welfare Dimensions (cont‘d) 2. Erwerbstätigkeit, Arbeitsmarktsegregation und Karrierechancen (fortgesetzt) Karrierechancen Ursachen der Karrierebarrien 2. 3. Patriarchalische Strukturen der Arbeitswelt: • Frauen sind betrieblicher Risikofaktor, verursachen Kosten (Kinder) durch Freistellung und spätere Weiterbildung • Konkurrenzsituation zwischen Männern und Frauen • Netzwerke zwischen Männern können den Aufstieg von Frauen behindern • Vorbehalte gegenüber der Kompetenz, Leistungs- u. Verantwortungsbereitschaft von Frauen Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in der Familie (siehe Abschnitt Familie) 4. Gender Inequality in Different Welfare Dimensions (cont‘d) 3. Verdienste und Einkommen • Die erzielten Einkommen von Frauen (bei Vollzeiterwerbstätigkeit) sind niedriger als die der Männer. „Westdeutsche Frauen erzielten 2001 als vollbeschäftigte Angestellte nur 71%, Arbeiterinnen nur 74% der Bruttoverdienste ihrer männlichen Kollegen“ (Geißler 2002, 374) (Abbildung 14.3). • Der Einkommensabstand zwischen den Geschlechtern hat sich allerdings in den letzten 50 Jahren verringert Ursachen der Lohnungleichheit 1. Direkte Lohndiskriminierung bei Frauen ohne abgeschlossene Berufsausbildung: bei gleichen eindachen Tätigkeiten war der Lohn geringer als für Männer 2. Wichtiger: Indirekte Benachteiligung durch geschlechtsspezifische Arbeitsmarktsegmentation: Frauen in den Niedriglohnberufen (z.B. Verkäuferin, Friseuse, Krankenschwester), Männer in den Hochlohnberufen (z.B. Facharbeiter in der Automobil- und Chemieindustrie) 3. Fringe benefits (wie übertarifliche Zulagen) seltener. 4. Frauen leisten weniger Überstunden, haben kürzere Wochenarbeitszeiten, erhalten seltener Zulagen (für schwere und Nachtarbeit), etc. 4. Gender Inequality in Different Welfare Dimensions (cont‘d) 3. Verdienste und Einkommen (fortgesetzt) Ursachen der Lohnungleichheit 5. Wichtiger: in der derselben Branche nehmen Frauen tendenziell die niedrigeren Hierarchiestufen ein (z.B. Krankenhaus). Leitungsfunktionen sind männerdominiert. 6. Größere Verdienstchancen der Frauen bei Selbständigkeit, aber nur ¼ aller Selbständigen sind Frauen. 7. Die niedrigeren Einkommen und Verdienste von Frauen führen zu einem erhöhten Armutsrisiko. 4. Gender Inequality in Different Welfare Dimensions (cont‘d) 4. Politische und soziale Partizipation Politische Mobilisierung • Interesse der Frauen an Politik ist geringer als das der Männer • Lektüre von Tageszeitungen geringer als bei Männern • Frauen sind deutlich seltener Partei- und Gewerkschaftsmitglied (Abbildung 14.5) • In der DDR war die politische Mobilisierung der Frauen deutlich größer Mittlere Machtpositionen (Repräsentation in demokratisch gewählten Gremien) • Je höher die Position, umso stärker die Dominanz der Männer • In der DDR stärkere Vertretung der Frauen in mittleren Machtpositionen als in der BRD (Abbildung 14.6.) Politische Eliten • Bundesvorstände von Parteien: stärkere Repräsentanz in der BRD • Bundeskabinett: von der Alibifrau zur Minderheit unter Schröder • Landeskabinette: stärkere Repräsentanz • Vereinzelte Erscheinungen sind: Bundesverfassungsrichterinnen, Parteivorsitzende, Ministerpräsidentinnen, Bundeskanzlerinnen 4. Gender Inequality in Different Welfare Dimensions (cont‘d) 5. Arbeitsteilung in der Familie • Wichtige Ursache für die Ungleichheitsstrukturen in sozialen Subsystemen ist die Ungleichheitsstruktur in der Familie: außerhäusliche Erwerbstätigkeit (Mann) versus Hausarbeit (Frau) • Stärkere Partizipation der Frau außerhalb der Familie verlangt Veränderung der häuslichen Arbeitsteilung • Mehrere Möglichkeiten 1. Rationalisierung der Familienarbeit: Haushaltsmaschinen u. entlastende Institutionen außerhalb der Familie 2. Veränderung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung zu Lasten des Mannes 3. Doppelrolle der Frau: dies bedeutet mehr Belastung 4. Verzicht auf Kinder Ad 1.: Rationalisierung der Familienarbeit • Ausbau des Kinderbetreuungssystems (Kinderkrippen, -gärten, Ganztagsschulen) • DDR: Vollversorgung. BRD: wenige Krippen und Ganztagsschulen; Rechtsanspruch auf Kindergartenplatz. 4. Gender Inequality in Different Welfare Dimensions (cont‘d) 5. Arbeitsteilung in der Familie (fortgesetzt) Ad 2.: Arbeitsteilung in der Familie 6. • Innerfamiliale Arbeitsteilung äußerst resistent gegenüber Änderungen • Frauen machen nach wie vor die eigentliche Hausarbeit und Kinderversorgung, Männer üben eher die instrumentellen Tätigkeiten aus (Reparaturen, Bürokratie, Finanzen, etc.) (Abbildung 14.7). Traditionelle Arbeitsteilung in der Familie als Haupthindernis für außerhäusliche Partizipation der Frau 1. Reaktion: Erwerbsunterbrechung od. Teilzeitarbeit 2. 3 Hindernisse für den beruflichen Aufstieg a) Spitzenpositionen sind 1,5-Personen-Berufe b) Einstieg im richtigen Alter und Am-Ball-Bleiben c) Karriere und Wohnortwechsel 3. Frauen haben niedrigere berufliche Ambitionen 4. Beruflicher Aufstieg erfordert häufig Verzicht auf Familie 4. Gender Inequality in Different Welfare Dimensions (cont‘d) 6. Soziale Sicherheit und Wohlfahrtsstaat Generelle Frage: Verstärkt der Wohlfahrtsstaat Geschlechterungleichheit oder reduziert er sie? • Äquivalenzprinzip: Alterseinkommen stehen in direkter Relation zum Erwerbseinkommen. Da die Einkommen der Frauen geringer sind, sind auch die Renten/Pensionen geringer. • Frauen mit Kindern haben dagegen drastische Nachteile im Rentenrecht wegen des Äquivalenzprinzips, welches die außerhäusliche Erwerbsfähigkeit widerspiegelt. • Ehe- und Familienrecht: In der BRD haben verheiratete Frauen einen deutlichen Wohlfahrtsvorsprung und Sozialschutz vor nichtverheirateten Frauen. Im Falle der Scheidung durch Unterhalt und Versorgungsausgleich, im Falle der Verwitwung durch Hinterbliebenenversorgung. • Im internationalen Vergleich (z.B. verglichen mit UK) sind im deutschen Sozialstaat alleinerziehende Frauen stärker vor Einkommensverlusten und Armut geschützt. • Im Falle einer Scheidung scheinen Männer nach anfänglichen Einkommensverlusten ihren Einkommensvorsprung wieder gewinnen zu können, während Frauen deutlich niedrigere post-Scheidungseinkommenspositionen aufweisen (Andreß 2004). 4. Gender Inequality in Different Welfare Dimensions (cont‘d) 6. Soziale Sicherheit und Wohlfahrtsstaat (fortgesetzt) Generelle Frage: Verstärkt der Wohlfahrtsstaat Geschlechterungleichheit oder reduziert er sie? • Aufgrund der deutlich höheren Lebenserwartung von Frauen sind sie (besonders die verheirateten und verwitweten) die eigentlichen Gewinner des Hauptanteils sozialstaatlicher Transfers: • 2/3 aller Gesundheitsausgaben gehen an die über-65Jährigen • Die große weibliche Altenpopulation bezieht den überwiegenden Anteil aller Renten- und Pensionsleistungen 4. Gender Inequality in Different Welfare Dimensions (cont‘d) 7. Gesundheit und Lebenserwartung • Die Lebenserwartung der Frauen ist deutlich höher als die der Männer • Die Unterschiede in der Lebenserwartung haben sich historisch zugunsten der Frauen und zu Ungunsten der Männer entwickelt („Übersterblichkeit“ der Männer) • Besonders ausgeprägt sind die Unterschiede der ferneren Lebenserwartung in den höheren Altersgruppen • Ursachen für die geschlechtsspezifischen Unterschiede der Lebenserwartung: • Frauen zeigen ein deutlich gesundheitsbewußteres Verhalten, d.h. geringerer Konsum gesundheitsschädigender Substanzen wie Alkohol, Nikotin, Drogen • Die mit Schwangerschaft und Geburt verbundenen Risiken konnten historisch abgebaut werden, wie z.B. der Indikator der Müttersterblichkeit aufweist. • Die berufliche Segregation mit ihren sektorspezifischen Gesundheitsrisiken wirkt sich zugunsten der Frauen aus • Soziale Isolation durch Alleinleben, Scheidung und Verwitwung wirkt sich bei Männern äußerst negativ auf die Lebenserwartung aus (Alber 2005) 5. Causes of Gender Inequality Mögliche Erklärungsansätze: • • Ungleichheit der Machtressourcen zwischen den Geschlechtern 1. Patriarchat des Mannes in Familie und Privatleben. Klassiker: Friedrich Engels, Über den Ursprung der Familie; 2. Unterdrückung der Frau im Kapitalismus („Verschwörungstheorie“). Klassiker: August Bebel, Die Frau und der Sozialismus; Clara Zetkin, .... 3. Sozialistische Doktrin: Aufhebung des doppelten Widerspruches zwischen Arbeit und Kapital und zwischen der Herrschaft des Mannes über die Frau Kapitaltheoretische Argumente 1. Humankapital des Mannes ist größer: bessere Ausbildung, bessere Berufsposition, höheres Einkommen 2. Sozialkapital der Frau größer: größeres Netz sozialer Beziehungen und Unterstützungsnetzwerke 3. Sexualkapital der Frau größer (Alber 2005): größere sexuelle Abhängigkeit des Mannes 5. Causes of Gender Inequality (cont‘d) • Strukturalistische Erklärungen 1. Soziale Ungleichheit zwischen den Geschlechtern sind Effekte der Strukturierung weiterer sozialer Subsysteme; z.B. familiale Arbeitsteilung determiniert die Erwerbsbeteiligung der Frauen 2. Rolle der Frau für die Reproduktion der Gesellschaft und Effekte auf deren Position in der Sozialstruktur (Familie, Arbeitsmarkt, Politik): Reproduktionsfunktion der Frau beeinträchtigt die Partizipation im Arbeitsmarkt, Politik, etc., sofern nicht soziale Institutionen unterstützend eingreifen (z.B. Kinderbetreuungseinrichtungen) 6. Gender Inequality in International Comparison Der internationale Vergleich vermag den Variationsspielraum geschlechtlicher Ungleichheiten verdeutlichen. Dies soll an verschiedenen Wohlfahrtsdimensionen demonstriert werden, wie Bildung, Erwerbsleben, Einkommen, politische Beteiligung, Familie, Wohlfahrtsstaat und Gesundheit • Bildung • • Die Quote der weiblichen Studierenden in Deutschland ist die niedrigste in der EU (1997/98) mit unter 50%. Sie ist am höchsten in den nordischen Ländern mit knapp 60%. Auch die südeuropäischen Länder haben Quoten von über 50%. NL, A u. B haben Quoten von 50%. Erwerbsleben • Die Erwerbsquote der deutschen Frauen befindet sich in einem Mittelfeld. Höhere Erwerbsquoten haben die nordischen Länder, geringere insbesondere die südeuropäischen Länder. 6. Gender Inequality in International Comparison (cont‘d) • Erwerbsleben • Die Erwerbsquote der deutschen Frauen befindet sich in einem Mittelfeld. Höhere Erwerbsquoten haben die nordischen Länder, geringere insbesondere die südeuropäischen Länder. 6. Gender Inequality in International Comparison (cont‘d) • Einkommen • Das Fraueneinkommen in % des Männereinkommens ist in Deutschland mit knapp 80% niedriger als in den nordischen Ländern. In den südeuropäischen Ländern ist diese Quote geringer als in Deutschland. Innerhalb der OECD ist sie in den USA und Japan am geringsten. • Alleinerziehende sind in Deutschland, UK und Irland besonders schlecht gestellt. Die Armutsquote liegt bei knapp 50%. 6. Gender Inequality in International Comparison (cont‘d) • Familie • Die familiale Arbeitsteilung ist in Deutschland ausgesprochen traditionell. • Dagegen ist die Ausstattung mit Haushaltsmaschinen, welche der Frau die Arbeit erleichtern, ausgesprochen überdurchschnittlich. • Die Verfügbarkeit sozialer Institutionen wie Krippen, Kindergärten und Ganztagsschulen ist in Deutschland in einem Mittelfeld. Gute Ausstattung besitzen die nordischen Länder. Eine sehr schlechte dagegen die südeuropäischen Länder. • Eine Konsequenz dieser Konstellation ist die äußerst niedrige Fertilitätsrate (1,3) in der BRD. 6. Gender Inequality in International Comparison (cont‘d) • Wohlfahrtsstaat • Im internationalen Vergleich ist der deutsche Sozialstaat ausgesprochen transferund weniger dienstleistungsorientiert. • Dies bedeutet, daß außerhäusliche Erwerbstätigkeit sich für Frauen mehr lohnt als Familienarbeit • In Kontrast dazu steht das deutsche Institutionengefüge, welches eine hohe Erwerbsquote der deutschen Frauen nicht unterstützt, soweit sie Kinder haben. • Im Vergleich zum UK ist das System der sozialen Sicherheit in D auf Ehe und Familie aufgebaut. Das individualistische Element ist unterentwickelt. So gibt es z.B. keine Grundrente, welche jedermann zusteht, sondern die Sozialleistungen sind abhängig von Erwerbstätigkeit und Beitragsleistungen. Frauen ohne dies sind auf die Versorgung durch den Mann verwiesen. 6. Gender Inequality in International Comparison (cont‘d) • Gesundheit und Lebenserwartung • Der Vorsprung der Lebenserwartung der Frauen ist in Deutschland in einem Mittelfeld. Er ist gering in den nordischen Ländern, dagegen größer in Frankreich und den südeuropäischen Ländern. Surplus mortality of men at age 60 in European countries 1950-1990 Country Males 1950 1960 1970 1980 1990 Austria 2,15 Life expectancy at age 60 3,42 4,02 3,98 4,29 Belgium 2,00 3,17 3,97 4,67 4,88 Czechoslovakia 1,73 2,67 3,60 3,87 4,76 Czech Republic 1,91 3,22 3,86 3,89 5,03 Slovak Republic 0,69 1,81 2,89 3,69 4,62 Denmark 0,77 1,46 3,50 4,50 4,10 Finland 3,04 3,13 3,76 5,10 4,80 France 2,00 3,90 4,60 5,10 5,17 Germany 4,35 West Germany 1,26 -0,31 3,75 4,30 4,44 East Germany 1,71 2,65 3,08 3,41 3,63 Greece 1,78 1,71 1,79 2,46 2,86 Hungary 1,43 1,95 3,00 3,74 4,30 Iceland 1,20 1,80 2,80 3,20 2,90 Ireland 1,43 2,27 3,08 4,35 4,14 Italy 1,47 2,62 3,50 4,38 4,58 Luxembourg 1,70 2,10 3,60 4,60 4,30 The Netherlands 0,80 1,80 3,70 4,80 4,90 Norway 1,06 1,94 3,31 4,19 4,69 Poland 2,60 2,80 3,80 4,60 4,70 Portugal 1,42 2,85 3,10 4,27 4,09 Spain 2,18 2,67 3,23 3,74 4,29 Sweden 0,98 1,73 2,90 3,91 4,11 Switzerland 2,08 2,92 3,65 4,50 4,70 United Kingdom 3,10 3,90 0,60 4,40 4,20 England and Wales Scotland 3,33 3,90 4,60 4,50 4,20 2,50 3,45 4,44 4,30 4,00 Northern Ireland 1,70 2,82 3,91 4,20 4,00 7. Recent Challenges to Gender Inequality Im Folgenden sollen aktuelle Entwicklungen und Problemlagen der sozialen Ungleichheit zwischen den Geschlechtern dargestellt werden: 1. 1990er Jahre: Fortsetzung des Trends der Modernisierung der Geschlechterverhältnisse. Indikatoren: • Zunahme in fast allen referierten Bereichen wie Bildungschancen, Arbeitsmarktintegration im Westen • In den neuen Ländern gegenläufige Entwicklung und Anpassung an die westdeutschen Strukturen (Demodernisierungsprozesse) • Die Arbeitsmarktkrise betrifft Frauen stärker als Männer (prekäre und schlechtbezahlte Arbeitsbedingungen) • Die geschlechtsspezifische Hierarchie in der Arbeitswelt hat sich verschärft • Rückwirkungen auf die Haushalte: Wiederverstärkung der traditionellen Rollenstrukturen, insbes. bei arbeitslosen Frauen • Weiterhin: Demodernisierungsprozesse im Bildungswesen: Rückgang weiblicher Partizipation od. weiblicher Bildungschancen • Im politischen Bereich können ostdeutsche Frauen ihren Vorsprung am besten halten 8. References Alber, Jens (2005), Wer ist das schwache Geschlecht? Zur Sterblichkeit von Männern und Frauen innerhalb und außerhalb der Ehe. Leviathan: Berliner Zeitschrift für Sozialwissenschaft Jg. 33, H. 1, 3-39. Anastasi, Anne (1976), Differentielle Psychologie: Unterschiede im Verhalten von Individuen und Gruppen. 2 Bde. Weinheim und Basel: Beltz. Bd. 1, Vererbung und Umwelt, 62-131. Bd. 2, Geschlechtsunterschiede, 480-537. Andreß, Hans-Jürgen (2004), Wenn aus Liebe rote Zahlen werden: Über die wirtschaftlichen Folgen von Trennung und Scheidung. ISI 31, No. 31, Januar 2004, 1-5. Bebel, August (1974), Die Frau und der Sozialismus. Berlin: Dietz (1. Aufl.: ZürichHottingen: Verl. der Volksbuchh., 1879). Daly, Mary (2000), The Gender Division of Welfare: The Impact of the British and German Welfare States. Cambridge: Cambridge University Press, 209–233. Engels, Friedrich (1974), Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats. Berlin: Dietz (1. Aufl.: Zürich-Hottingen: Verl. der Volksbuchh., 1884). Geißler, Rainer (2002), Die Sozialstruktur Deutschlands: Die gesellschaftliche Entwicklung vor und nach der Vereinigung. 3. grundlegend überarb. Aufl. Opladen: Westdeutscher Verlag, 365–400. Gottschalch, Wilfried, Marina Neumann-Schönwetter und Gunther Soukup (1971), Sozialisationsforschung: Materialien, Probleme, Kritik. Frankfurt a.M.: Fischer (Geschlechtsrollenidentifikation, 121-142. 8. References (cont‘d) Hradil, Stefan (2001), Soziale Ungleichheit in Deutschland. 8. Aufl. Opladen: Leske und Budrich, passim. Hradil, Stefan (2004), Die Sozialstruktur Deutschlands im internationalen Vergleich. Wiesbaden. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 195-236 (passim). Ostner, Ilona (2001), „Frauen“. In: Bernhard Schäfers und Wolfgang Zapf (Hrsg.), Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands. 2. Aufl. Opladen: Leske und Budrich, 210-221. Statistisches Bundesamt, in Zusammenarbeit mit WZB und ZUMA (Hrsg.) (2004), Datenreport 2004: Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung (passim). Therborn, Göran (1995), European Modernity and Beyond: The Trajectory of European Societies 1945-2000. London, Thousand Oaks, New Delhi: Sage, 61-65, 104-111, 289-293. Willms, Angelika (1983), Segregation auf Dauer? Zur Entwicklung des Verhältnisses von Frauenarbeit und Männerarbeit in Deutschland, 1882-1980. In: Müller, Walter, Angelika Willms und Johann Handl, Strukturwandel der Frauenarbeit 1880-1980. Frankfurt a.M.: Campus, 107-181. Zetkin, Clara (1971), Zur Geschichte der proletarischen Frauenbewegung Deutschlands. Frankfurt a.M.: Verl. Roter Stern (1. Aufl. ????).