Crefeld_Zwangsbehandlungx

Werbung
Slide 1

Zwangseinweisung
und
Zwangsbehandlung
Zum Umgang mit den Rechten
psychisch beeinträchtigter Menschen


Slide 2

Exklusion wegen psychischer
Beeinträchtigung




Menschen mit unberechenbar
erscheinenden, als Ausdruck einer Störung
des Verstandes oder der Gefühle
interpretierten Verhaltensweisen
sind stets in besonderem Maße von
Ausgrenzung/Exklusion bedroht.
Früher sperrte man sie in Ställe ein oder
vertrieb sie aus der Stadt.


Slide 3

Exklusion durch Entmündigung








Seitdem es Anstalten für Menschen mit
deviantem Verhalten gibt,
wurden diese Menschen faktisch ihrer
Bürgerrechte beraubt, indem man sie einsperrte
und entmündigte.
Begründet wurde dies mit Fürsorge.
Doch die Betroffenen erlebten dies nicht als
Fürsorge, sondern als Zwang.
Dieses alte Denken ist heute noch verbreitet.


Slide 4

Schutz der Freiheitsrechte





Das Grundgesetz hat hier neue Normen gesetzt.
Grundsätzlich bedürfen Eingriffe in persönliche
Freiheitsrechte einschließlich des Rechts auf
„körperliche Unversehrtheit“
einer gesetzlichen Regelung
und einer richterlichen Entscheidung.
Der Begriff „körperliche Unversehrtheit“ umfasst
juristisch auch psychische Traumen.


Slide 5

Zwang kann dem Schutz eines wegen
seiner Beeinträchtigung schutzbedürftigen
Menschen dienen


Menschen, deren Realitätsbezug bzw. deren
Ich-Funktionen z. B. aufgrund einer Psychose
oder einer Demenz erheblich beeinträchtigt
sind, bedürfen ich-stützender, ich-ergänzender
oder ich-ersetzender Hilfen.
Solche Hilfen können mit Eingriffen in
Grundrechte einhergehen.

Wolf Crefeld

5


Slide 6

Freiheitsentziehung






Freiheitsentziehung ist ein Eingriff in das
Grundrecht einer Person auf körperliche
Bewegungsfreiheit.
Eine Freiheitsentziehung ohne eine gesetzlich
geregelte Legitimation ist eine strafbare
Handlung.
Eine Freiheitsentziehung zur Abwehr erheblicher
Gefahren kann bei einer Person ohne Fähigkeit
zu eigenverantwortlicher freien Entscheidung
über das Unterbringungsrecht legitimiert
werden.

Wolf Crefeld

6


Slide 7

Unterbringungsrecht der Länder


Psychisch-Kranken-Gesetze der meisten
Bundesländer:
Zwangseinweisung zur Abwendung einer
erheblichen Selbstgefährdung oder einer
erheblichen Gefährdung der Rechtsgüter
anderer in Zusammenhang mit einer
behandlungsbedürftigen psychischen
Störung.


Slide 8

Unterbringung durch den Betreuer


Eine Unterbringung des Betreuten durch den
Betreuer… ist nur zulässig, solange sie zum
Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil
aufgrund einer psychischen Krankheit oder…
Behinderung… die Gefahr besteht, dass er
sich selbst tötet oder erheblichen
gesundheitlichen Schaden zufügt…
Wolf Crefeld

8


Slide 9

Betreuung ist nicht Dienstleistung für die Einrichtung.
Sie ist qualifizierte Unterstützung zur Vertretung der
Rechte und Interessen des Menschen mit schwerer
psychische Beeinträchtigung.
Betreuer wenden Zwang nur an, wenn erhebliche
Gefahren für den Klienten anders nicht abzuwenden.


Slide 10

Strafrechtliche Maßregeln




Unterbringung in einer Klinik des
Massregelvollzugs durch eine Strafkammer:
Voraussetzung: Nach Begehen von
Straftaten bei krankheitsbedingt
verminderter oder fehlender
Schuldfähigkeit und der Gefahr, dass
wegen dieses „Zustands“ erneute
Straftaten begangen werden.


Slide 11

Rechte setzen sich nicht von
selbst durch




Rechtsnormen und Rechtswirklichkeit gehen oft
auseinander, wenn sie Personen mit geringem
sozialen Durchsetzungsvermögen betreffen.
In unserer Gesellschaft und auch bei manchen
Professionellen trifft man immer noch auf das
alte Denken, dass Menschen mit intellektuellen
oder emotionalen Beeinträchtigungen vermittels
entmündigender Maßnahmen und
Zwangsanwendung auszugrenzen sind.


Slide 12

Der einfachste Weg




Die Anwendung von Zwang stellt oft den
einfachsten Weg zur Bewältigung eines sozialen
Konflikts oder psychosozialen Problems dar.
Denn sie erfordert nicht selten


weniger Zeit und Arbeitskraft,



weniger Risikobereitschaft,



weniger emotionalen Einsatz und Kreativität,



weniger berufliche Problemlösekompetenz.

Wolf Crefeld

12


Slide 13

Gefahren des Missbrauchs von Zwang
Die Möglichkeit der therapeutischen Verschleierung von
Zwang lässt ihn als etwas Alltägliches und
Selbstverständliches erscheinen. Die Gefahr des
ausufernden Gebrauchs ergibt sich besonders auch





bei Unterausstattung der Einrichtungen,
bei Helfern mit zu wenig fachlichen Erfahrungen,
Verfahrensalternativen zu finden,
aus einer paternalistischen Einstellung der Helfer,
sie wüssten am besten, was für ihre Patienten /
Klienten gut sei.

Wolf Crefeld

13


Slide 14

Wenn Zwang als zulässig gilt


Die Gefahr ungerechtfertigter
Zwangsanwendung besteht insbesondere




Wolf Crefeld

wenn die betroffenen Personen sich in einer
Situation besonderer Abhängigkeit und
Wehrlosigkeit befinden,
wenn Gewalt therapeutisch verschleiert
werden kann.
14


Slide 15

Therapeutische Verschleierung
von Macht






Psychiatrische und heilpädagogische Tätigkeit
beinhaltet besondere Möglichkeiten
therapeutisch/pflegerisch verschleierter
Machtwahrnehmung.
Sie bedarf deshalb regelhaft besonderer
Selbstreflexion und qualifizierter Supervision.

Darüber hinaus ist politische, rechtliche und
persönlich Anteil nehmende Kontrolle von außen
unabdingbar.

Wolf Crefeld

15


Slide 16

Wie kommt es zu einer
Unterbringung?










Psychopathologische Befunde haben dabei meist nur eine geringe
Bedeutung
Eine Unterbringung ist als das
Ergebnis eines komplexen sozialen Prozesses zu verstehen.
Dieser wird von zahlreichen, bisher wenig untersuchten
Einflussfaktoren ausgelöst und in seinem Ablauf beeinflusst.
Am Anfang kann ein Konflikt oder eine scheinbar nicht zu
bewältigende Überlastungssituation stehen. Manchmal ist die
Unterbringung eine eher zufällig eintretende Wende in einer
endlosen Geschichte.
Nicht selten stellt die Unterbringung eine Routinemaßnahme dar,
wenn der Situation Merkmale einer Ordnungsstörung zugeschrieben
werden.

Wolf Crefeld

16


Slide 17

Der zu einer Unterbringung führende
soziale Prozess hängt ab von








der betroffenen Personen,
deren sozialem Umfeld,
der örtlichen Infrastruktur medizinischer
und sozialer Dienste,
der Justiz und der Ordnungsbehörde,
den für die Unterbringung zuständigen
Kliniken.

Wolf Crefeld

17


Slide 18

Faktoren auf Seiten der betroffenen
Person:









Schlechte Erfahrungen mit der psychiatrischen Klinik,

Mangelnde soziale Kompetenz, um zur Bewältigung von
Krisen und Konflikten beizutragen.
Ich-Funktionsdefizite, Selbstpflegedefizite infolge
gestörten Realitätsbezugs,

Träger des Stigmas „Psychisch Kranker“ oder „Geistig
Behinderter,
Es fehlt ihr ein unterstützendes soziales Netzwerk.

Wolf Crefeld

18


Slide 19

Faktoren im sozialen Umfeld







Überlastung der Angehörigen und Partner,
Geringe Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit
eines sozialen Netzwerks,

Einstellung des gesellschaftlichen Kontextes
gegenüber störenden oder stigmatisierten
Personen,
Einstellung von Ärzten und Sozialarbeitern und
den Zwang legitimierenden Behördenmitarbeiter.

Wolf Crefeld

19


Slide 20

Faktoren auf Seiten der
ambulanten Dienste








Verfügbarkeit zur Krisenhilfe befähigter ambulanter
Dienste,
Präsenz eines qualifizierten Krisendienst auch außerhalb
gängiger Arbeitszeiten,
Aufgabengerechte Ausstattung, Organisation und
Arbeitsweise der ambulanten Dienste,
Fachliche Qualifikation und aufgabenspezifische
Erfahrungen der Mitarbeiter zur Bewältigung von Krisen
und sozialen Konflikten, um nicht die Probleme in
Richtung Klinik verlagern zu müssen.

Wolf Crefeld

20


Slide 21

Im ambulanten Bereich fehlen
kompetente Krisendienste, die
wirksam helfen und nicht nur die

Probleme mittels
Unterbringungsattesten in Kliniken

verlagern.


Slide 22

Psychiatrische Kassenärzte tragen wenig
zur Hilfe bei akutem Krisen bei


Slide 23

Faktoren seitens der Justiz und der
Ordnungsbehörden










Örtliche Verfahrensorganisation zur Realisierung einer
Unterbringung,
Felderfahrung der Richter und Verwaltungsbeamten bei
der Anwendung des Unterbringungsrechts,
Verfügbarkeit einer qualifizierten psychosozialen
Beratung für die mitwirkenden Behörden,
persönliche Einstellung gegenüber Aufgaben der
Rechtsfürsorge
Unterschiedliche Interpretation der im Unterbringungsrecht vorherrschenden unbestimmten Rechtsbegriffe.

Wolf Crefeld

23


Slide 24

Im Ländervergleich schwankt die Quote
der Unterbringungen erheblich


Slide 25

Ebenso differiert im kommunalen
Vergleich die Unterbringungsquote
erheblich


Slide 26

Ebenso divergiert der Anteil
Suchtkranker erheblich


Slide 27

Oder der Anteil der nach PsychKG
untergebrachten Frauen


Slide 28

Die Statistik zeigt: Zwangseinweisungen
als ein Feld unbestimmter Rechtsbegriffe
unterliegen einer sehr unterschiedlichen
Anwendungspraxis. Deshalb:

Das Unterbringungsverfahren als
Instrument der Justiz ist für sich allein
kein hinreichend wirksamer Schutz
höchstpersönlicher Rechte.


Slide 29

Faktoren auf Seiten der
psychiatrischen Klinik


Engagement und Kompetenz der Klinikleitung,



Absicherungsbedürfnisse der Klinikärzte,







Befähigung der Mitarbeiter, schwierige
Beziehungen zu gestalten und Konflikte zu
bewältigen,
Integration der Klinikarbeit in ihr örtliches Umfeld
mit dessen Vielfalt an Ressourcen,
Praktizierte Maßnahmen zur Selbst- und
Fremdkontrolle zum Schutz der Patientenrechte.

Wolf Crefeld

29


Slide 30

Manche psychiatrische Klinik muss
hinsichtlich der Qualität ihrer

Arbeit auf ihre Patienten
überzeugender wirken


Slide 31

Behandeln
durch
Autorität?

Wolf Crefeld

31


Slide 32

Oder Behandeln über Dialog?
Wolf Crefeld

32


Slide 33

Behandeln durch Verhandeln

Wolf Crefeld

33


Slide 34

Was kann schützen?


Betroffenen- und
Angehörigenorganisationen



Engagierte und kompetente
Leitungspersonen in den Einrichtungen



Vorsorgeverfügungen,
Behandlungsvereinbarungen



Unabhängige Beschwerdestellen



Betroffenen- und Angehörigenbeiräte



Advokatorische Unterstützung



Kontrolle der Einrichtungen durch
Besuchskommissionen


Slide 35

Betroffenen- und
Angehörigenorganisationen




Den Interessen der Bewohner /
Patienten Geltung verschaffen.

Darstellung der Subjektseite des
Geschehens sensibilisiert für die
Interessen und Rechte der einzelnen
Bewohner / Patienten.


Slide 36

Benutzer- und
zielorientierte Leitungen


Kompetentes Leitungsmanagement



Fachaufsicht, Fortbildung und
Supervision der Mitarbeiter



Kritik für weitere Qualifizierung nutzen



Dokumentationspflicht



Bewohner / Patienten über Rechte
informieren.


Slide 37

Behandlungsvereinbarungen
und Vorsorgeverfügungen
In der Behandlungsvereinbarung werden
im Gespräch zwischen allen an einer
zukünftigen Behandlung Beteiligten
Modalitäten einer künftigen Aufnahme
und Behandlung in der Klinik
ausgehandelt, schriftlich festgehalten
und von den Beteiligten unterschrieben.
Wolf Crefeld

37


Slide 38

Unabhängige
Beschwerdestellen






Beschwerden und Problemen
nachgehen,
Gesetzgeber und Verwaltungen
beraten,
Präsentsein in der Institution und
deren Schwachstellen kennen.


Slide 39

Advokatorische
Unterstützung über
Vertretungsberechtigte


Rechtliche Betreuer



Verfahrenspfleger



Patientenanwaltschaft in Österreich


Slide 40

Kontrolle der
Einrichtungen durch
Besuchskommissionen



Ihre Basis sind insbesondere das
Heimgesetz und die PsychischKranken-Gesetze mancher Länder.


Slide 41

Engagement lohnt sich:
Was kompetentes Engagement erreichen kann

Wolf Crefeld

41


Slide 42

Bürgerschaftliches Engagement für
die Rechte psychisch Behinderter




Menschen mit intellektuellen oder emotionalen
Beeinträchtigungen werden stets ganz besonders
der Gefahr unrechtmäßiger Eingriffe in ihre
höchstpersönlichen Rechte ausgesetzt sein.

Deshalb ist es eine ständige Aufgabe
sozialpolitischen und bürgerschaftlichen
Engagements, deren Recht auf Selbstbestimmung
und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu
stärken.


Slide 43

Ich danke Ihnen für Ihr
Interesse


Diese und weitere Daten zur Anwendungspraxis des
Unterbringungsrechts sind nachlesbar in einer Studie im Auftrag des
Gesundheitsministeriums NRW und herunterladbar von der Website
des Betreuungsgerichtstags:

http://www.bgtev.de/fileadmin/Mediendatenbank/Themen/Unterbringung/Crefeld_Anwendungspraxis_Unterbring
ungsrecht_FESA05.pdf


Diese Datenerhebung wird seither fortgesetzt vom Landeszentrum
Gesundheit NRW in Bielefeld:
http://www.lzg.gc.nrw.de


Herunterladen