Umgang mit multiresistenten Erregern im Pflegeheim Fachdienst Gesundheit Kreis Ostholstein 1 13.04.2015 Geschichtlicher Überblick 1929 Alexander Flemming entdeckt Penicillin 1940 Produktion von Penicillin 1944 S. aureus mit Penicillin-Resistenz Ende der 50-er ca. 50 % aller S. aureus-Stämme resistent gegen Penicillin 1959 Entdeckung von Methicillin 1961 Erstmaliges Auftreten von MRSA (GB) 1996 in Japan erstmalig Infektion mit MRSA mit verminderter Empfindlichkeit gegenüber Vancomycin 1997 in den USA S. aureus mit verminderter Empfindlichkeit gegenüber Vancomycin 2002 in den USA „vancomycinresistente MRSA“ 2 13.04.2015 Weitere multiresistente Erreger (MRE) ESBL-bildende Keime (meist E. coli und Klebsiellen) Diese Keime (im englischen ESBL = extended spectrum betalaktamase building) bilden ein Enzym welches den Betalaktamasering der darauf aufbauenden Antibiotika "knacken" und damit die Mittel unwirksam machen kann! 3 13.04.2015 Streptokokkus pneumoniae Streptokokkus faecalis Streptokokkus faecium Enterobacter cloacae Pseudomonas aeruginosa Acinetobacter baumanii Stenotrophomonas maltophilia Candidaarten … 4 13.04.2015 Charakteristik multiresistenter Keime gegen herkömmliche Antibiotika resistent rot: Antibiotika ; Bakterienzelle platzt Therapieoptionen deutlich eingeschränkt, weil die zur Verfügung stehenden Medikamente häufig nur eingeschränkt wirksam sind noch wirksame Ausweichmedikamente können erheblich mehr Nebenwirkungen aufweisen 5 13.04.2015 Folge: Gravierende Probleme in der Patientenbehandlung Allein MRSA verursacht ca. 20.000 Infektionen/Jahr im Krankenhaus (Anstieg in den letzten Jahren geringer) Bei anderen multiresistenten Erregern ist eine kontinuierliche Zunahme im stationären Bereich zu beobachten. Im ambulanten Bereich gab es keine Veränderungen innerhalb der Ausbreitung! 6 13.04.2015 Typische Hautflora • Staphylokokken (Koagulase-negativ, z. B. S. epidermidis) • Mikrokokken • Sporenbildner • Corynebakterien • Peptokokken (anaerob) 7 13.04.2015 Warum schadet die natürliche Besiedlung nicht? Die Standortflora lebt mit ihrem Wirt in Symbiose. Sie schützt das Biotop auch in seinem Interesse vor Besiedelung mit aggressiven Konkurrenten. 8 13.04.2015 Natürliche Besiedlung / Kolonisation Betroffene sind Träger eines multiresistenten Keimes, ohne erkrankt zu sein (die resistenten Keime sind Teil der Körperflora geworden) Es sind keine Symptome vorhanden! Für gesunde Menschen besteht kein besonderes Risiko, eine Infektion zu erleiden. Infektionsrisiken bestehen in der Regel vor allem für Personen mit besonderen Risikofaktoren. 9 13.04.2015 Infektion Dringen Bakterien durch die Haut- und Schleimhautbarriere in tiefere Gewebeschichten ein, spricht man von einer Infektion. Es kann sich eine Infektionskrankheit entwickeln. fünf Zeichen einer Infektion: • • • • erhöhte Temperatur oder Fieber Krankheitsgefühl Kopf- und Gliederschmerzen Rötung, Schwellung, Erwärmung, Schmerz einer bestimmten Körperstelle (z.B. Wunde) 10 13.04.2015 Welche Bedeutung haben multiresistente Erreger innerhalb der Körperflora? Sie sind Problemkeime bei nosokomialen Infektionen. Sie werden unter Antibiotikatherapie selektiert. Sie führen zu Komplikationen und verzögern den Krankheitsverlauf. Sie breiten sich horizontal über direkte Kontakte und Kreuzkontamination aus. Die Trägerschaft ist oft unauffällig und bleibt unerkannt. 11 13.04.2015 MRGN - Multiresistente gramnegative Stäbchen Als 3 – MRGN und 4 – MRGN werden multiresistente gramnegative Stäbchen mit Resistenz gegen 3 bzw. 4 aus folgenden 4 Antibiotikagruppen bezeichnet: ergänzend für jeweils auch: Acylureidopenicilline: Piperacillin/Tazobactam(Sulbactam) 3./4. Gen. Cephalosporine: Ceftriaxon Carbapeneme : Ertapenem, Doripenem Fluorchinolone : Levofoxacin, Moxifloxacin 12 13.04.2015 Regeln: Grundsätzlich ist immer die Standardhygiene einzuhalten. Zusätzlich: ist bei allen MRGN im Krankenhaus in Risikobereichen immer eine Isolierung vorzunehmen. sind auch in Normalbereichen 4 – MRGN zu isolieren, bei 3 – MRGN reicht hier die die Standardhygiene. Ein generelles Aufnahmescreening wird aufgrund der aktuellen Datenlage nicht empfohlen. Patientengut, Zuweisungsstruktur und regionale Epidemiologie sollten Basis für eine eigene krankenhausbezogene Richtlinie sein. Für alle MRGN werden aufgrund der aktuellen Datenlage keine Sanierungsmaßnahmen empfohlen. 13 13.04.2015 MRGN in Pflegeheimen In Heimen und anderen Pflegeeinrichtungen gilt die Standardhygiene. Eine individuelle Gefahrenabschätzung ist auch hier immer vorzunehmen. Da aber bereits für MRSA grundsätzlich keine darüber hinausgehenden Maßnahmen empfohlen werden, ist dies auch die Maximalempfehlung für die MRGN, die eine vergleichsweise noch geringere Verbreitungsgefahr aufweisen. 14 13.04.2015 MRGN im ambulanten Bereich Im ambulanten Bereich gelten in der Regel für MRGN keine besonderen Empfehlungen, die über die strikte Einhaltung der Standardhygiene hinausgehen. Auch hier gilt aber, dass in jeder Einrichtung eine Gefahrenabwägung durchzuführen ist. Z.B. Dialysepraxen, Einrichtungen zum ambulanten Operieren, Nachsorge/Aufwachräume von Patienten nach endoskopischen Untersuchungen, hämatologisch-onkologische Praxen sind ggf. stationären Risikobereichen gleich zu setzen mit entsprechender Isolationspflicht. 15 13.04.2015 Beachte! Unumstrittene hygienische Maßnahme ist allein die Händedesinfektion als standardhygienische Indikation, dies allerdings nachhaltig. (Studien ergaben, dass der um ein Prozent gesteigerte Verbrauch alkoholhaltiger Händedesinfektionsmittel die Infektionsinzidenz nach vier Monaten um sieben Prozent sinken ließ.) In allen medizinischen Bereichen ist die wichtigste Maßnahme zur Verhinderung einer Weiterverbreitung die korrekte Händehygiene! 16 13.04.2015 17 13.04.2015 Multiresistenter Pseudomonas aeruginosa Erreger siedelt fakultativ im Respirations- und im Intestinaltrakt. Reservoir in Feuchtbereichen (z. B. Sanitäranlagen). Wundinfektion, Harnwegsinfektion, Bronchitis und Pneumonie, Otitis media und externa, Keratitis, Osteomyelitis uva. Schmier- und Kontaktinfektion. Kreuzkontamination über Hände und verunreinigte Gegenstände. Kittelpflege, Handschuhe, laufende Desinfektion. 18 13.04.2015 ESBL (Extended Spectrum Beta Lactamase Bildner) Enterobacteriacaen (z. B. E. coli, K. pneumoniae / oxytoca) Darmflora, Harnwegsinfekte, Kontamination anderer Körperstellen z. B. bei Bettlägerigen. Schmier- und Kontaktinfektion. Kreuzkontamination über Hände und verunreinigte Gegenstände. Eigene Toilette. Kittelpflege, Handschuhe, laufende Desinfektion. Infektbehandlung. Patienten mit VRE- bzw. ESBL-Nachweis haben diese Bakterien normalerweise im Darm. Eine derartige Darmbesiedlung ist mit Sanierungsmaßnahmen nicht zu beseitigen. Es ist aber beobachtet worden, dass die Eigenschaft der Multiresistenz mit der Zeit verloren gehen kann. 19 13.04.2015 Bakteriologie Keime können unter verschiedenen Umweltbedingungen wachsen, am besten jedoch bei Temperaturen zwischen 30 °C und 37 °C. Eine erhöhte pH-Toleranz und Resistenz gegen Austrocknung und Desinfektionsmittel macht sie vergleichsweise unempfindlich. In eingetrocknetem Blut sind sie bis zu 15 min bei 100 °C überlebensfähig. 20 13.04.2015 Ökologische Aspekte Hohe Tenazität – Zähigkeit auch unter nicht optimalen Bedingungen zu überleben - (Luft, Haut, Schuppen, Kittel) Fähigkeit der Adhäsion („Anhangskraft“) an belebten und unbelebten Oberflächen – Kunststoffmaterialien z.B. Katheter, Implantate Übertragung durch Schmierinfektion, aerogen über Staub und Tröpfcheninfektion Bei MRSA kommen unbekannte Faktoren hinzu, da sie deutlich dominanter sind und größeres Persistenzvermögen aufweisen (Notwendigkeit und Anforderung an die leichte Reinigung und Desinfektion von Flächen, Instrumenten und Wäsche) 21 13.04.2015 MRSA-Epidemiologie Das Auftreten von MRSA ist derzeit noch in erster Linie ein Krankenhaushygienisches Problem. Die Übertragung erfolgt nachweislich zum größten Teil von einem Patienten zum anderen über die Hände des Personals Krankenhausreservoir sind erkannte und unerkannte besiedelte Patienten (hauptsächlich nasal und Rachen) Bakterien bis zu 6 Wochen in unbelebter Umgebung ihrer Wirtsorganismen lebensfähig Ziel ist es beim Auftreten von MRSA die weitere Verbreitung in andere stationäre Bereiche und Einrichtungen zu verhindern! 22 13.04.2015 Hauptursachen für die zunehmende Verbreitung von MRE Durch Antibiotikatherapie und –prophylaxe Selektionsvorteil für MRE Fehlerhafte und inkonsequente Umsetzung hygienischer Grundprinzipien durch mangelnde Kenntnisse oder Zeitdruck Deutliche Zunahme von vorbelasteten Risikopatienten für MRSAInfektionen Zunahme intensivmedizinischer Maßnahmen und von Impantationen synthetischer Materialien Mangelhafte Informationen der Nachfolgeeinrichtungen Mangelndes Bewusstsein der Rolle der Alten- und Pflegeheime als Reservoir von MRSA 23 13.04.2015 MRSA in Alten- und Pflegeheimen und der ambulanten Pflege Irritationen entstehen oft, wenn ein mit MRSA besiedelter und im Krankenhaus isolierter Patient im Heim nicht mehr isoliert werden muss. Gründe für die unterschiedlichen Präventionsmaßnahmen: In der Klinik ist eine Konzentration besonders kranker Patienten vorhanden. Es findet eine besonders intensive Pflege mit häufig hunderten von Handkontakten von Personal zu Patient statt. Ein hoher Anteil der Patienten erhält Antibiotika. Bereits wenn einer dieser drei Faktoren entfällt, wird MRSA seltener übertragen und die Standardhygiene reicht meist aus. 24 13.04.2015 MRE in Alten- und Pflegeheimen und der ambulanten Pflege Die Betreuung von z.B. MRSA-Trägern in Altenheimen wirft neben medizinischen Fragen ethische und juristische Probleme auf. Eine Isolierung ist im Altenheim aus ethischen Gründen schlecht möglich. Laut Böhme (Krankenhausrecht 2000) steht die Würde des Einzelnen und das Recht auf Freiheit in seiner Privatsphäre über dem Gemeinwohl. Eine Gefährdung der Gemeinschaft durch eine Infektion muss juristisch gesehen eine untergeordnete Rolle spielen. Eine Teilnahme von mit MRSA besiedelten Heimbewohnern am Gemeinschaftsleben ist generell wünschenswert. Grundlage ist die Einhaltung der Standardhygiene. Bewohner mit akuten Atemwegsinfektionen sollten möglichst nicht am Gemeinschaftsleben der Einrichtung teilnehmen. 25 13.04.2015 MRE in Alten- und Pflegeheimen und der ambulanten Pflege MRE-positive Bewohner dürfen nicht zusammen wohnen mit: Bewohnern, die vermehrte Eintrittspforten für Keime bieten (chron. Wunden, Decubiti, Ulcera, Katheter, Sonden-, Tracheostomaträger) Bewohnern, die eine besonders geschwächte Abwehrlage aufweisen (Diabetes, Krebs, Dialyse) Trägern anderer multiresistenter Erreger (VRE, ESBL) (Bei mehreren MRSA-Trägern kann eine Zusammenlegung sinnvoll sein.) 26 13.04.2015 Was ist muss der Bewohner beim Verlassen des Zimmers / Teilnahme am Sozialleben beachten? • Einhaltung der Regeln für Händehygiene (Schulung erforderlich) • Infekte der Atemwege / Heuschnupfen: MNS • Nasale Besiedlung: Schulung in Schnupfenhygiene • Wunde, Tracheostoma, PEG-Sonde u.ä.: abdecken • Geschlossene Harnableitungssysteme 27 13.04.2015 !!! Einzelfallentscheidung bei folgenden Bewohnern !!! Hauterkrankungen, z.B. Psoriasis Ausgedehnte Wunden, die nicht abgedeckt werden können Lungenentzündung 28 13.04.2015 Wer betreut MRE-positive Bewohner? Geschultes erfahrenes Personal Nicht unter Antibiotikatherapie Nicht unter abwehrschwächenden Medikamenten Ohne Hauterkrankungen (Häufige symptomatische Carrier: chronische Sinusitis, Dermatitis, Rhinitis) 29 13.04.2015 Therapie, ggf. Dekolonisation -> Hausarzt Eine generelle Dekolonisation ist nicht zu empfehlen (Entscheidung des Arztes) Sanierungshemmende Faktoren: Katheter MRSA-selektionierende Therapie Hautulcus, Haut- und Weichteilinfektion Atopisches Ekzem Wunde (MRSA.infiziert) Nachweis im Magen/Darmtrakt Chronische Sinusitis, Otitis Rekontamination über Familie/Tiere 30 13.04.2015 Aufhebung von speziellen Maßnahmen (MRSA) Frühestens 3 Tage nach Abschluss einer antibiotischen oder antiseptischen Behandlung 3 negative Abstrichserien, 1. Kontrolle (beginnend 3 Tage nach Therapieende) Klinik: an 3 aufeinanderfolgenden Tagen Praxis: 1 Kontrollabstrich 2. Kontrolle zwischen 3. und 6. Monat 3. Kontrolle nach 12 Monaten Kontrollabstrichserien: Beide Nasenvorhöfe Rachen Zugänge, z.B. PEG-Sonde Wunden, z.B. diabetischer Fuß Zusätzlich ggf. Leiste Perineum 31 13.04.2015 Verlegung 1. Rechtzeitige telefonische Information 2. Aktuelle Befunde mitgeben ( Art der Schutzmaßnahmen 3. Aktueller Stand Sanierungsmaßnahmen mitgeben (Übergabebogen) Frische Wäsche Frische Abdeckung (Wunden, Tracheostoma...) MNS bei Besiedlung in Nasen-Rachenraum und respiratorischem Infekt Transportdienste haben eigene Regeln! 32 13.04.2015 Bitte Übergabebogen nutzen (siehe MRE –Arbeitsgruppe Netzwerkseite) 33 13.04.2015 Standardhygiene Bei grippalen Infekt: Distanz, plus gute Händehygiene Lokale Antisepsis und Abdecken von Wunden und anderen Hautläsionen mit dicht sitzendem Pflaster Zusätzlich: sehr sorgfältige Indikationsstellung für jede systemische antibakterielle Therapie (oft entsteht ein Selektionsvorteil für haMRSA – vorwiegende Verbreitung stationäre Versorgung, Personen mit Risikofaktoren, multiple Antibiotikaresistenz) 34 13.04.2015 caMRSA (community acquired MRSA) Ausbreitung in der Bevölkerung unabhängig von Krankenhäusern bei Menschen ohne klassische Risikofaktoren Es können auch junge gesunde Patienten davon betroffen sein. Die Infektion muss nicht mit Verletzungen gekoppelt sein, sondern kann durchaus auf intakter Haut stattfinden. Die besondere Virulenz ist durch ein bestimmtes Gen verursacht, die tiefe Weichteilinfektionen hervorrufen kann die bis zu nekrotisierenden Pneumonien gehen kann. Die Fähigkeit zur Bildung des PVL-Toxins (Panton-ValentineLeukozidin) ist vorhanden: • Zerstörung menschlicher Zellen • eitrige und z.T. einschmelzende Haut- und Weichgewebeinfektionen 35 13.04.2015 Mail vers ende Bild: n 36 13.04.2015 MRSA-Netzwerk Ostholstein Zugangsdaten: kreis-ostholstein.de -> Soziales und Bildung -> Gesundheit und Sport -> Gesundheitsamt -> linke Spalte, etwa Mitte-> MRE-Arbeitsgruppe 37 13.04.2015 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit 38 13.04.2015