1 Vorlesung Experimentalphysik II am 13.4.1999 6.2 Ströme 6.2.1 Energie und Leistung bewegter Ladungen, Stromstärke Zwei Punkte P1 und P2 liegen in einem elektrischen Feld E, die Spannung zwischen ihnen sei U. Um eine Ladung q von P1 nach P2 zu bewegen, muß die Arbeit W q U aufgebracht werden. Ist die Ladung mit einer Masse m verknüpft und frei beweglich, dann wird sie durch die Kraft F qE beschleunigt und hat schließlich in P2 die Geschwindigkeit v. Ruhte die Ladung beim Start in P1, dann beträgt ihre kinetische Energie in P2 m W q U v 2 2 P1 m, q F qE (P1) P2 E U=(P2)- (P1) (P2) Abbildung 1 Überführung der Ladung q mit Masse m von P1 nach P2 Wird die Ladung in P2 abgebremst, dann wird diese Energie in Form von Wärme frei. Die Leistung P erhält man als Arbeit pro Zeit: P W q.U q U I U t t t 2 Der Quotient Ladung pro Zeit ist die Stromstärke I: Q I Q t Die Einheit der Stromstärke ist: Ampere (A) 1 Ampere:= 1 Coulomb/ 1 Sekunde Ist der Ladungsfluß nicht konstant, also Q Q(t ) , dann variiert die Stromstärke. Der Quotient wird dann durch das Differential ersetzt: I (t ) t Q dQ dt t Das Produkt Spannung mal Stromstärke ist die Leistung P: P I U Deren Einheit ist: Watt (W) 1 Watt := 1 Volt 1 A = 1 J/C 1 C/s=1 J/s Das Produkt Leistung mal Zeit ist, wie in der Mechanik, die Arbeit, Energie: W=Pt Deren ist: Joule (J) Neben der SI Einheit gibt es als weitere, in der Elektrotechnik gebräuchliche gesetzliche Einheit: Kilowattstunde (kWh) 1 Kilowattstunde = 3,6 106 J = 3,6 MJ Anschaulich: Mit 1 kWh Strom können 10 l Wasser um 86 C erwärmt werden. 10 l Wasser mit Anfangstemperatur von 14 C können also mit 1kWh Strom, Preis etwa 0,30 DM, zum Kochen gebracht werden (1kcal entspricht 4,1868kJ, 1 kWh=3,6MJ entspricht 3600/4,1868=859,84 kcal860 kcal). 3 Versuch 1 5 l Wasser werden auf einem Kocher im Betrieb mit 230V, 0,4 A (U*I=920 W) in 30 Minuten von 15 auf ca. 90° erwärmt 6.2.2 Ohmsches Gesetz Bewegen sich die Ladungsträger nicht im Vakuum, sondern in einem Leiter, dann werden sie durch Stöße mit anderen Teilchen wie Atomrümpfen und andere Ladungsträger gebremst. Es wirkt auf sie eine Reibungskraft. Analog zur Stokesschen Reibung in der Mechanik stellt sich bei Kräftegleichheit Reibungskraft=Beschleunigende Kraft eine konstante Geschwindigkeit ein. Mechanische Größe Elektrische Größe Druck p Spannung U Elektrischer Strom I Volumenstrom V Strömungswiderstand R 8 l r4 Elektrischer Widerstand R Viskosität l r2 Spezifischer Widerstand Tabelle 1 Analoge mechanische und elektrische Größen zum Widerstand (Rohr Länge l mit Radius r). Man beachte aber die Unterschiede: Im Rohr führt die laminare Strömung bei Haftung der Flüssigkeitsschicht an der Wand und maximaler Geschwindigkeit in der Rohrachse zum Hagen-Poiseuille Gesetz, das die Zunahme des Widerstands mit 1 / r 4 erklärt. Die Elektronen im Draht bewegen sich dagegen überall im Leiter mit konstanter Geschwindigkeit, deshalb ist der Widerstand umgekehrt proportional zur Fläche des Querschnitts. Im Bild der Mechanik bewirkt der Druck die Beschleunigung und der Volumenstrom V mißt den Massentransport. In der Elektrizitätslehre ist die beschleunigende Kraft q E wegen U=Ed proportional zur Spannung, der Ladungstransport ist durch den Strom gegeben: I Q t 4 Bei gegebener Spannung stellt sich ein konstanter Strom ein, der proportional zur Spannung ist. Diese Beziehung heißt „Ohmsches Gesetz“: U R I Die Proportionalitätskonstante R ist der elektrische Widerstand des Leiters: U R I Seine Einheit ist 1Volt 1Ohm 1 1Ampere Bei Leitern mit konstantem Querschnitt A und der Länge l beschreibt man den Widerstand mit dem spezifischen Widerstand : l R A Der spezifische Widerstand ist eine Materialkonstante, seine Einheit ist m Der Kehrwert des Widerstands heiß Leitwert, seine Einheit ist 1 1Siemens 1S 1 Analog definiert man die Leitfähigkeit eines Materials als dessen spezifischen Leitwert: Die Einheit dazu ist 1 1 . m Material Silber Kupfer Aluminium Eisen Quecksilber Konstantan Porzellan Hartgummi Quarzglas Bernstein Spezifischer Widerstand in m 1,6 10-8 1,7 10-8 2,8 10-8 9,8 10-8 95,8 10-8 50 10-8 5 1012 2 1013 5 1016 >1016 Tabelle 2 Spezifische Widerstände einiger Metalle und Isolatoren bei 18C. 5 Die Gültigkeit des Ohmschen Gesetzes setzt voraus: Homogene Feldstärke Konstante Ladungsträgerdichte Proportionalität von Reibungskraft und Geschwindigkeit Es gibt auch Stromtransport, in denen nicht alle diese Bedingungen erfüllt sind, der also nicht dem Ohmschen Gesetz genügt: In Gasentladungsröhren oder im Elektronen- oder Ionenstrahl im Vakuum und bei Hochfrequenzströmen. Art des Ladungstransports Feldverteilung Leitung nach dem Ohmschen Gesetz Konstante Feldstärke Gasentladung Örtlich variable Feldstärke Vakuumröhren Konstante Feldstärke Hochfrequenzströme Feldstärke im Innern der Leiter = 0 Dichte der Ladungsträger Eigenschaft der Bewegung Konstante Ladungsträgerdichte Alle Elektronen bewegen sich mit gleicher, konstanter Geschwindigkeit, durch Reibung gebremst Örtlich variable Dichte Die Elektronen Durch Glühemission bewegen sich einstellbar reibungsfrei, also beschleunigt Ladungsträger nur außen (Skineffekt) Tabelle 3 Bedingungen für den Ladungstransport nach dem Ohmschen Gesetz und mit Abweichungen davon 6.2.3 Joulesche Wärme Bei Gültigkeit des Ohmschen Gesetzes wird im Material die Arbeit P I U R I 2 U2 R verrichtet. Dadurch erwärmt sich der Leiter. Diese Wärmeleistung nennt man „Joulesche Wärme“. Versuch 2 Modell eines Hitzdrahtamperemeters Der Draht verlängert sich bei Erwärmung. Im Prinzip kann man durch Messen der Verlängerung die Stromstärke bestimmen, denn es gilt P = R I2 . 6 Hitzdraht Das Absenken des Gewichts zeigt die Verlängerung des Drahtes Stromquelle Abbildung 2 Prinzip des Hitzdrahtamperemeters 6.2.4 Spannungsabfall, Spannungsquellen, Innenwiderstände 6.2.4.1 Spannungsabfall und Spannungssteiler Fließt ein Strom I durch einen Widerstand, so wird an den Enden des Widerstands die Spannung U R I gemessen, d. h., die Spannung U fällt über dem Widerstand ab. U R I Abbildung 3..Spannungsabfall U über dem Widerstand R Wird die Spannung entlang eines Widerstandes mit konstantem Querschnitt A abgegriffen, dann entspricht der Widerstand Rx über dem die Spannung Ux abfällt der Länge x über der die Spannung abgegriffen wird. Man erhält so einen Spannungsteiler: 7 Ux x R l I Abbildung 4.. Schema eines Spannungsteilers Im Abstand x wird die Spannung x I A abgegriffen, über dem ganzen Widerstand liegt die Spannung l U RI I A Weil der Strom in allen Teilstücken derselbe ist ergibt die Division beider Gleichungen Ux x U l daraus folgt x Ux U l Durch Wahl des Abgriffs x kann man im Spannungsteiler die Spannung von 0 bis U variieren. U x Rx I Versuch 3 Linearer Spannungsabfall an einem Draht Am Aufbau von 6.2.4.1 wird bei einer Versorgungsspannung von 2 V der lineare Spannungsabfall gezeigt. 6.2.4.2 Spannungsquellen, Innenwiderstände Eine Spannungsquelle zeigt zwischen den Polen Plus und Minus bei stetigem Stromfluß eine Potentialdifferenz, im Unterschied zu statisch aufgeladenen Materialien, bei denen der Stromfluß zur sofortigen Entladung führt. Um den stetigen Strom zu liefern, muß in der Quelle ein Ladungstransport stattfinden. Solche Quellen und ihre Transportmechanismen sind: 8 Spannungsquelle Transportmechanismus Van de Graaff-Generator Mechanisch Dynamo, Wechselstromgenerator Elektromagnetisch Batterie Chemisch Zellpotentiale Biochemisch Photovoltaisch Lichtabsorption erzeugt Raumladungen im Halbleiter Tabelle 4 Spannungsquellen und Transportmechanismen Ist die Quelle unbelastet, dann nennt man die an den Polen ("Klemmen") liegende Spannung aus historischen Gründen "elektromotorische Kraft" (EMK) oder eingeprägte Spannung UEMK. Wird ein Strom entnommen, dann sinkt die Klemmenspannung UK, weil die Quelle Selbst einen inneren Widerstand Ri zeigt, d.h. der Stromtransport in der Quelle ist nicht verlustfrei: U K U EMK Ri I Als "Ersatzschaltung" kann man sich eine ideale Spannungsquelle denken, deren Spannung vom Strom unabhängig ist, aber mit nachgeschaltetem Widerstand Ri.. Der Innenwiderstand ist nicht direkt zugänglich oder beeinflußbar. Ra I Ri UEMK UK Abbildung 5 Klemmenspannung UK und Leerlaufspannung UEMK einer Spannungsquelle 9 Charakteristisch für eine Spannungsquelle ist ihre Leerlaufspannung UEMK und ihr Verhalten bei maximalem Strom, dem Kurzschlußstrom. Messung der Leerlaufspannung Damit der innere Widerstand ohne Einfluß bleibt, muß die Messung von UEMK, stromlos erfolgen. Man benützt dazu eine Kompensationsschaltung mit Hilfe des Spannungsteilers. UEMK Ri I=0 x R l I U Abbildung 6 Kompensationsschaltung zur Messung der Leerlaufspannung UEMK Man schiebt den Abgriff auf R bis zur Stelle x, wo I=0 erreicht ist. Dann ist die zu messende Spannungsquelle stromlos und es gilt U EMK x U l Versuch 4 Messung der Leerlaufspannung an einer 1,5 V Batterie Mit Hilfe der Kompensationsschaltung (Abbildung oben) wird die Leerlaufspannung einer 1,5 V Batterie gemessen. Messung des Innenwiderstands Zur der Messung des Innenwiderstands wird der äußere Widerstand Ra so klein wie möglich gewählt: Man mißt im „Kurzschluß“ den maximal möglichen Strom IKurz. Es gilt dann, weil die Klemmenspannung Null ist: U EMK I Kurz Ri 10 Versuch 5 Messung des Innenwiderstands Ri einer Batterie und eines Akkumulator Ri 4,5 V Ri 12 V U I Ra Abbildung 7 Schaltbild zur Messung des Spannungsabfalls über einer Batterie und einem Akkumulator. Batterie 4,5 V Akkumulator 12 V Strom I [A] 0 1 U EMK =4,5 V U K =3 V U EMK =12 V U K =11,5 V Innenwiderstand R i Tabelle 5 Spannungsabfall über einer Batterie und einem Akkumulator 1,5 0,5 11 Der Innnenwiderstand ergibt sich aus der Messung von Leerlauf- und Klemmenspannung als Funktion des Stroms oder des Außenwiderstands: Formel Anmerkung Die Klemmenspannung UK fällt über dem U k Ra I Außenwiderstand Ra ab Die Leerlaufspannung UEMK fällt über der U EMK ( Ra Ri ) I Summe von Innen- und Außenwiderstand ab. Der Innenwiderstand ergibt sich nach U U K Ri EMK Subtraktion beider Gleichungen als Funktion I des Stroms Bei Elimination des Stroms folgt der U Ri Ra EMK 1 Innenwiderstand als Funktion des UK Außenwiderstands Tabelle 6 Berechnung des Innenwiderstands aus Messung der Leerlauf- und der Klemmenspannung Versuch 6 Messung von Spannung und Strom an einem Bleiakkumulator bei Änderung des Plattenabstands. I a R i Ri(a) Abbildung 8 Bleiakkumulator mit variablem Plattenabstand Bei Änderung des Plattenabstands a ändert sich der innere Widerstand Ri, was an der Abnahme des Kurzschlußstromes erkenntlich ist. Die anliegende Spannung bleibt aber unverändert. Man erkennt auch den Unterschied zwischen der Ladungsspeicherung in der Batterie und im Plattenkondensator: Bei letzterem würde bei Verkleinerung des A 0 Q Plattenabstands die Spannung steigen: Wegen U und C gilt im C d Qd Plattenkondensator U . A 0 12 Anmerkung: Bei Batterien und Akkumulatoren erhöht sich der Innenwiderstand mit abnehmendem Ladezustand und mit der Alterung. Ist der Innenwiderstand hoch, dann kann zwar ohne Belastung die Nennspannung (UEMK) an den Klemmen anliegen, bei Belastung bleibt aber nur die viel geringere Klemmenspannung (U K ) . Deshalb kann der Zustand einer Batterie nur durch Messung der Spannung unter Last beurteilt werden! 6.2.5 Kirchhoffsche Regeln Die Kirchhoffsche Regeln dienen zur Berechnung von Strömen und Spannungen in Schaltungen, die aus mehreren miteinander verknüpften Widerständen und Spannungsquellen bestehen. Man bezeichnet solche Schaltungen auch als Netzwerke, die aus Knoten, den Verzweigungspunkten, und Maschen, den geschlossenen Schleifen, bestehen. Sie liefern, als wichtige Anwendung, die Vorschrift zur Berechnung des Gesamtwiderstands von hintereinander oder parallel geschalteter Widerstände 1. Kirchhoffsche Regel (Knotenregel) Diese Regel formuliert die Kontinuitätsgleichung für Ströme. Es gilt analog zu Flüssigkeiten: In Verzweigungspunkten (Knoten) ist die Summe aller ankommenden Ströme (Vorzeichen +) gleich der Summe der abfließenden (Vorzeichen -): I i 0 i 2. Kirchhoffsche Regel (Maschenregel) Diese Regel formuliert die Wegunabhängigkeit der Potentialdifferenz zwischen zwei Punkten. Sie besagt, daß in einer Schleife eines Netzwerks der Spannungsabfall über den beiden möglichen Verbindungswegen zwischen zwei Punkten gleich ist und der Spannung zwischen diesen Punkten entspricht. Wählt man in der Schleife positives Vorzeichen für Stromfluß in Richtung Uhrzeigersinn (clockwise, cw) und negatives für die Gegenrichtung (counterclockwise, ccw), dann gilt: U i 0 j In dieser allgemeinen Formulierung können auch Spannungsquellen in der Schleife liegen, auch ihr Vorzeichen richtet sich nach Lage der Polung zum Umlaufsinn (Stromfluß technisch von + nach -). Gesamtwiderstand hintereinander-(in Reihe) geschalteter Widerstände R R1 I R2 13 U U Abbildung 9 Reihenschaltung von Widerständen Im Stromkreis fließt der Strom I, nach dem 2. Kirchhoffschen Gesetz gilt: R1 I R2 I U 0 Definiert man einen Gesamtwiderstand R (gestrichelt), über dem U abfällt, U=RI Dann folgt R=R1+R2 Allgemein für hintereinander geschaltete Widerstände: R Ri i Gesamtwiderstand parallel geschalteter Widerstände R I1 A R1 R2 I I2 U Abbildung 10 Parallel geschaltete Widerstände Die Knotenregel liefert, Punkt A angewandt I1+I2-I=0 B 14 Nach der Maschenregel sind die Spannungen zwischen den Punkten A und B gleich, nämlich U. Ersetzt man die Ströme nach dem Ohmschen Gesetz I U R So erhält man U U U 0 R1 R 2 R Nach Division durch U folgt schließlich: 1 1 1 R R1 R 2 allgemein: 1 1 R i Ri Schaltung Hintereinander (in Reihe) Parallel R R1 R 2 1 1 1 R R1 R 2 Schema Gesamtwiderstand Tabelle 7 Zusammenfassung der Kirchoffschen Regeln für hintereinander- und parallelgeschaltete Widerstände Messung von Widerständen mit der Wheatstone-Brücke In der Wheatstone-Brücke wird ein bekannter Widerstand solange variiert, bis ein empfindliches Strommeßgerät anzeigt, daß zwischen den Punkten C und S der Brücke kein Strom fließt: Der durch AC fließende Strom I 0 fließt also auch durch CB, ebenso fließt der Strom I u durch AS auch durch SB. Es ist das Besondere an Brückenschaltungen, daß das Meßinstrument lediglich auf „Null“ abgeglichen werden muß, es also keine hohe absolute Genauigkeit aufweisen muß. Zur Messung eines unbekannten Widerstandes muß auch die Versorgungsspannung der Brücke nicht bekannt sein. 15 Versuch 7 Messung eines unbekannten Widerstands mit der Wheatstone-Brücke. Mit R=100 wird durch Abgleich ein unbekannter Widerstand bestimmt. I0 C R Rx I S A l1 l2 R1 R2 Iu B U Abbildung 11 Wheatstone-Brücke Formel R I 0 R1 I u Anmerkung Nach der Maschenregel sind die Spannungen über zwei Maschen zu den gleichen Punkten gleich: Spannungen über den Punkten AC R x I 0 R2 I u Spannungen über den Punkten BC. R R 1 R x R2 l R A R l1 Rx l 2 l Rx 2 R l1 Folgt nach Division beider Gleichungen. Der Widerstand eines Drahtes ist zu dessen Länge proportional. (Spezifischer Widerstand , Querschnitt A) Der unbekannte Widerstand R x ist eine Funktion der Längen l1 , l 2 und des bekannten Widerstands R Tabelle 8 Berechnung eines unbekannten Widerstandes mit der Wheatestoneschen Brücke.