Gutes Hören ist Lebensqualität Sendung vom 18.08.2011 service: gesundheit Hessischer Rundfunk 60142 Frankfurt Tel.: 069 / 155-36 30 Fax: 069 / 155-20 37 donnerstags 18.50 bis 19.15 Uhr Sendung vom 18.08.2011 Moderation: Anne Brüning Gäste im Studio: Michael Wink Facharzt f. Hals- Nasen- Ohrenheilkunde Robert-Koch-Str. 7 63263 Neu-Isenburg Tel.: 06102 / 343 43 Fax: 06102 / 733 792 Internet: www.hnopraxis-wink.de/ Tanja Di Mauro Akustikerin Frankfurter Straße 46 63263 Neu-Isenburg Tel.: 06102 / 834 545 Internet: www.hoersinn.com Themen der Sendung Topthema: Gutes Hören ist Lebensqualität Filmbeitrag: Ich verstehe Sie nicht - Schwerhörigkeit Unser Gehör – ein empfindliches Wunderwerk Schwerhörigkeit Topthema: Gutes Hören ist Lebensqualität Richtig hören - heißt verstehen können und ist ein wichtiges Stück Lebensqualität! Nicht nur Ältere, auch zunehmend junge Menschen werden über kurz oder lang ein Hörgerät benötigen. Ältere Menschen neigen dazu, Schwerhörigkeit als normale Alterserscheinung hinzunehmen. In vielen Fällen werden Hörprobleme zu spät erkannt, behandelt und versorgt. Aber frühzeitiges Erkennen und Behandeln ist wichtig, damit man das Hören und Verstehen nicht verlernt. Seite 1 von 16 Gutes Hören ist Lebensqualität Sendung vom 18.08.2011 Filmbeitrag: Ich verstehe Sie nicht! – Schwerhörigkeit Seit acht Jahren hat Hilde L. Probleme mit dem Hören. Zuerst beim Zuhören und Verstehen in geselliger Runde. Da verstand sie manche Bemerkung nicht, musste dann immer wieder nachfragen. Doch Hilde L. unternahm nichts, auch weil ihr Mann ja noch viel schlechter hörte als sie. Der hatte zwar zwei Hörgeräte, aber die lagen ja immer nur in der Schublade. Eine gute Ausrede für sie, nichts zu tun. Zudem wollte sie selbst auf keinen Fall ein Hörgerät tragen. Im Herbst 2004 fasste sie sich schließlich doch ein Herz und ging zum Hals-, Nasen- Ohrenarzt Michael Wink. Der Hörtest zeigt erschreckendes: Hilde L. hört wirklich schlechter. Er empfiehlt, die Ohren noch einmal in einem halben Jahr zu kontrollieren und dann zu entscheiden, welche Maßnahmen getroffen werden müssen. Doch aus sechs Monaten werden sechs Jahre. Und so langsam lässt sie nun auch ihr „gutes“ linkes Ohr im Stich, auch auf dem hört sie immer schlechter. Nach sechs Jahren endlich geht sie wieder zu ihrem HNO-Arzt Michael Wink - allerdings mit sehr gemischten Gefühlen. Sechs Jahre nach der ersten Untersuchung ist Hilde L. wieder in der HNO-Praxis von Michael Wink. Wieder wird ein Hörtest gemacht, und der bringt eine schockierende Erkenntnis: ihr Gehör ist deutlich schlechter geworden, mittlerweile stuft Michael Wink ihren Hörverlust als mittel bis hochgradig ein. Auf dem rechten Ohr hört sie nur noch knapp 25 Prozent dessen, was ein gesunder hören kann. Und links auch nur noch 40 Prozent – Michael Wink rät zu Hörgeräten. Hilde L. ist erschrocken, weil sie nun sogar zwei Hörgeräte braucht. Und ihr HNO-Arzt rät zum sofortigen Handeln, weil es dem Hörzentrum im Gehirn sonst immer schwerer fällt, sich an das Hören mit den Hörgeräten anzupassen. Und Schwerhörigkeit kann sogar gefährlich werden, Hilde L. hat das im Straßenverkehr sogar selbst erlebt: weil sie ein herannahendes Auto nicht gehört hatte, wurde sie beinahe angefahren. Die Qual der Wahl – das richtige Hörgerät Hilde L. lässt sich von der Hörgeräteakustikerin Tanja Di Mauro beraten. Die fragt nach Hobbys und Vorlieben, eben nach den Alltagssituationen, in denen gutes Hören so wichtig ist. Zusammen suchen die beiden ein Hörgerät aus und bestellen es zum Testen – nach einer Woche werden die Hörgeräte dann genau angepasst. Am meisten gefällt es Hilde L., dass die Hörgeräte so klein und kaum sichtbar sind. Der erste Schritt ist getan: nun probiert sie die Hörgeräte im Alltag aus. Doch zu Hause fallen die ersten Geräte beim Praxistest durch, vor allem, weil die Stimme ihres Mannes völlig anders und verzerrt klingt. Die Mittsiebzigerin entschließt sich, noch andere Hörgeräte auszuprobieren. Seit einer Woche trägt Hilde L. Hörgeräte der Mittelklasse, aber so richtig glücklich ist sie damit bisher nicht. Sie hört zu viele Außengeräusche, die Stimme ihres Mannes und auch ihre eigene klingen komisch verzerrt. Das ist nicht ungewöhnlich, denn sie war dem Hören ja länger entwöhnt und nun nimmt sie wieder alle Geräusche um sich herum wahr. Hörgeräteakustikerin Tanja Di Mauro ändert die Feinabstimmung für die Sprache, und versucht, die Stimmen weicher zu machen. Zum direkten Vergleich passt sie Hilde L. auch Seite 2 von 16 Gutes Hören ist Lebensqualität Sendung vom 18.08.2011 noch zwei andere Geräte an: ein Krankenkassen–Modell und ein sogenanntes High End Hörgerät. Seite 3 von 16 Gutes Hören ist Lebensqualität Sendung vom 18.08.2011 Hilde L. testet folgende Geräte: 1. Ein Kassengerät mit 10 Euro Zuzahlung pro Gerät 2. Ein Mittelklasse-Hörgerät mit 1.100 Euro Zuzahlung pro Gerät 3. Ein High Endgerät mit 1.800,- Euro Zuzahlung pro Gerät. Zuerst testet Hilde L. das Kassengerät in drei typischen, aber anspruchsvollen HörSituationen: im Straßenverkehr, beim Musik hören zu Hause und im Café mit vielen Menschen. Ihr Fazit zum Kassengerät: Es gefällt ihr nicht, vor allem, weil sie ihre eigenen Kaugeräusche überdeutlich hört und ihre eigene Stimme verzerrt klingt. Im Gespräch bietet dieses Gerät zudem zu wenig Unterscheidungen, wer wann spricht, ist deshalb oft schwer zu verfolgen. Zudem muss sie diese Geräte selber laut und leise stellen und sie sind ziemlich groß und damit für alle anderen sichtbar. Nun das Mittelklasse Modell, wieder geprüft in den oben beschriebenen anspruchsvollen Hörsituationen. Ihr Fazit zum Mittelklasse Modell: Die Musik klingt ganz gut, aber wieder stört sie, wie die Stimme ihres Mannes und ihre eigene klingt. Diese Geräte sind automatische Systeme, die sich auf die verschiedenen Situationen anpassen, eine Richtwirkung und eine einfache Geräuschreduzierung haben. Der Preis für Mittelklasse Modelle liegt zwischen 1.100 bis 1.600 Euro pro Ohr, dabei zahlt die Kasse etwa 800 Euro Zuzahlung für beide Geräte, die Mehrkosten von etwa 1.400 bis 2.400 Euro müssen die Betroffenen selbst zahlen. Wichtig! Die Zuzahlung der gesetzlichen Krankenkassen ist unterschiedlich hoch, in der Regel ist es ca. 400 Euro pro Gerät. Zum Schluss das teure High End Gerät, wieder in den typischen Hörsituationen: Ihr Fazit dazu: Diese Geräte spürt sie kaum, die Hintergrundgeräusche sind am besten gefiltert: am Wichtigsten aber: hier versteht sie am besten die eigene und die Stimme ihres Mannes. High End Geräte besitzen eine Kommunikation zwischen den beiden Hörgeräte-Systemen, sie verfügen über eine Situationserkennung, unterscheiden also eigenständig, ob man sich gerade auf einer Straße befindet oder in einem Café sitzt. Die Regulation geschieht entweder automatisch oder kann per Hand eingestellt werden, die Geräte können bis zu fünf Geräusche regulieren, besitzen eine Rückkopplungsunterdrückung, wodurch sie seltener pfeifen. Einige besitzen zudem eine Bluetooth Anbindung für TV und Handy, und sie sind auch für Musik- und Theaterliebhaber geeignet, da sich verschiedene Programme hierfür einstellen lassen. Die Kosten für High-End Geräte liegen zwischen 1.800 bis 3.000 Euro pro Ohr. Auch hier zahlt die Kasse etwa 800 Euro dazu, das aber kann je nach Krankenkasse variieren, der Akustiker weiß meist, wie viel die Kasse übernimmt. Mit zusätzlichen Kosten von bis zu 5.200 Euro muss man also rechnen. Nicht zuletzt wegen des Preises nimmt sich Hilde L. lange Zeit zum testen. Drei Wochen testet sie das Mittelklasse und das High End Gerät – und entschließt sich schließlich für die teure Variante – also die High End Geräte. Seite 4 von 16 Gutes Hören ist Lebensqualität Sendung vom 18.08.2011 Die neue Generation von Hörgeräten Die neue Generation der Hörgeräte ist so klein wie eine „Kontaktlinse“ und sitzt tief im Ohr. Diese winzig kleinen Hörsysteme nutzen die Schallübertragung der Ohrmuschel, erzeugen so einen sehr natürlichen Klang insbesondere auch der eigenen Stimme, weil durch den tiefen Sitz der sogenannte Verschlusseffekt, wie bei herkömmlichen Hörgeräten, vermieden wird. Die Linse wird für das Ohr genau gefertigt, dadurch ergibt sich ein sehr komfortabler Sitz. Nach der ersten Eingewöhnung fühlen die meisten Benutzer nicht mehr, dass sie ein Hörgerät im Ohr haben, genauso wie das gegenüber nicht mehr sieht, dass man ein Hörgerät trägt. Die Linse erfordert während des Betriebes im Ohr keine Einstellung, sie ist selbstlernend, kann aber mit einem Handy oder mobilen Haustelefon bei besonderem Bedarf (z. B. bei einer Feier) lauter oder leiser gestellt werden. Nur vor dem Schlafen gehen muss man die Linse heraus nehmen. Aber nicht jedes Ohr ist dafür geeignet. Der Gehörgang muss z. B. einigermaßen gerade sein und man darf nicht übermäßig Ohrenschmalz produzieren. Ein weiterer Nachteil: die Batterie hält nur 5-7 Tage. Die Kosten belaufen sich auf ca. 3.000 Euro pro Hörgerät, davon übernimmt die Krankenkasse ca. 300-450 Euro. Zubehör um den Alltag zu erleichtern Kopfhörerset für das Fernsehen Diese speziellen Kopfhörer können den Fernsehton verstärken indem sie die Sprache anheben und die Nebengeräusche reduzieren. Der Preis für das Kopfhörerset liegt bei ca. 250 Euro. Lichtsignalanlagen Das Klingeln an der Tür bzw. Telefon wird durch Lichtblitzte signalisiert. Die Lichtsignalanlagen haben ungefähr die Größe eines älteren Handy-Modells. Der Preis liegt zwischen 400 und 600 Euro und wird in besonderen Fällen von der Krankenkasse übernommen. Experten im Beitrag: Michael Wink Facharzt f. Hals- Nasen- Ohrenheilkunde Robert-Koch-Str. 7 63263 Neu-Isenburg Tel.: 06102 / 343 43 Fax: 06102 / 733 792 Internet: www.hnopraxis-wink.de/ Tanja Di Mauro Akustikerin Frankfurter Straße 46 63263 Neu-Isenburg Tel.: 06102 / 834 545 Seite 5 von 16 Gutes Hören ist Lebensqualität Sendung vom 18.08.2011 Internet: www.hoersinn.com Autorin: Corinna Sachs Seite 6 von 16 Gutes Hören ist Lebensqualität Sendung vom 18.08.2011 Unser Gehör – ein empfindliches Wunderwerk Jeder Laut, jeder Ton wird von unserem Gehör über viele Schaltstellen in einen Nervenimpuls umgewandelt, der dann über die Hörbahnen im Großhirn und Stammhirn an die verarbeitenden Hirnzentren weiter geleitet wird. Insgesamt ist unser Gehör ein sehr komplexes und gleichzeitig hochpräzises Organsystem, dessen Aufbau und Wirkungsweise die Wissenschaft bis heute noch nicht bis ins Detail erklären kann. Zudem ist das Gehör unser aktivstes Sinnesorgan, denn während wir unsere Augen schließen können, bleiben unsere Ohren stets offen. Sie ermüden nicht und nehmen jedes akustische Signal wahr auch während wir schlafen! Akustische Reize warnen uns vor herannahenden Gefahren, oft lange bevor wir sie dann tatsächlich auch mit unseren Augen sehen können. Unser Gehör ermöglicht es, mit unseren Mitmenschen in Kontakt zu treten, er ist die Basis des menschlichen Miteinanders und sozialen Lebens. Perfektes Zusammenspiel – Aufbau und Funktion des Gehörs Zunächst trifft der Schall auf unsere Ohrmuschel. Die dient als Schalltrichter, die jeden Ton auffängt und über den etwa zwei Zentimeter langen äußeren Gehörgang zum Trommelfell schickt. Da wir zwei Ohren besitzen, empfängt jedes Ohr den Impuls ein wenig anders, was es uns ermöglicht, die Richtung, aus der der Ton kommt, zu bestimmen. Vom Trommelfell, einer hauchdünnen, nur ein Zehntel Millimeter dicken Membran, werden die Schallschwingungen dann an den ersten der drei Gehörknöchelchen im luftgefüllten Mittelohr weiter gegeben. Wegen ihrer Form werden die Gehörknöchelchen „Hammer, Amboss und Steigbügel“ genannt. Die Luft im Mittelohr muss immer neu an die äußeren Druckverhältnisse angeglichen werden, der Luft- und Druckausgleich geschieht über die Ohrtrompete. Sie ist ein etwa drei bis vier Zentimeter langer Kanal und verbindet das Mittelohr mit dem Nasen-Rachen-Raum. Druck auf den Ohren Wie wichtig dieser Druckausgleich ist, hat wohl jeder schon mal beim Fliegen oder beim Überqueren eines Alpenpasses gespürt. Oberhalb und unterhalb der Meereshöhe ändert sich der Luftdruck. Weil es dabei eine Differenz zwischen dem äußeren Umgebungsdruck und dem Luftdruck im Mittelohr gibt, spüren wir einen Druck auf den Ohren. Sobald wir dann Schlucken oder Kauen, öffnet sich die Ohrtrompete, Luft strömt ins Mittelohr und es herrschen wieder gleiche Druckverhältnisse. Bei einer Erkältung aber kann die Schleimhaut der Ohrtrompete angeschwollen und deshalb verschlossen sein. Der Druckausgleich funktioniert nicht. Besonders gefährlich ist das beim Fliegen oder Tauchen. Denn wenn sich der äußere Luftdruck immer weiter verändert, das Mittelohr sich aber nicht anpassen kann, kann es sogar zum Zerreißen des Trommelfells, zu einem so genannten Barotrauma, kommen. Die Gehörknöchelchen haben die Aufgabe, die Schallschwingungen zu verstärken und an eine rundliche Öffnung, das so genannte „ovale Fenster“ weiter zu leiten. Genau hier beginnt das Innenohr. Wegen seines Aussehens wird es Labyrinth genannt. Es besteht aus dem Schneckenlabyrinth mit dem eigentlichen Hörorgan und dem Vorhoflabyrinth mit dem Gleichgewichtsorgan. Im Gegensatz zum äußeren Ohr und dem Mittelohr, die beide Luft Seite 7 von 16 Gutes Hören ist Lebensqualität Sendung vom 18.08.2011 enthalten, ist das Innenohr mit einer klaren Lymphflüssigkeit gefüllt. Sie umspült die winzig kleinen Sinneszellen, die als feine Härchen in die Flüssigkeit ragen und auf jede Schwingung in der Flüssigkeit reagieren. Seite 8 von 16 Gutes Hören ist Lebensqualität Sendung vom 18.08.2011 Das eigentliche Hörorgan hat eine Größe von kaum mehr als einem Zentimeter. Durch Windungen der Schnecke ergibt sich aber eine Länge von drei Zentimetern, auf denen sich etwa 25.000 Sinneszellen verteilen. Und jede einzelne Sinneszelle enthält noch einmal 100 Sinneshaare – erst diese Vielzahl ermöglicht unser hochkomplexes und differenziertes Hören. Die Bewegungen der Flüssigkeit führen zu einer Erregung der Sinneszellen, die diese in ein elektrischen Signal umwandeln, das über den Hörnerv dann an das hochkomplexe Hörzentrum im Gehirn weiter geleitet wird. Das Gleichgewichtsorgan besteht aus drei Bogengängen, die ebenfalls mit Lymphflüssigkeit gefüllt sind. Bei Bewegungen des Körpers kommt auch die Lymphflüssigkeit in Bewegung. Diese Schwingungen werden von den Sinneshärchen wahrgenommen und an das Gehirn weitergeleitet. So entsteht die Orientierung über eine Lageposition. Wenn dieses System gestört ist, findet keine Orientierung statt und es kommt zu Schwindel. 14 Millionen Deutsche hören schlecht Nein, Schwerhörigkeit ist leider keine Sache des Alters. Immer häufiger hören schon Kinder und junge Erwachsene schlecht. Doch weil wir das Hören als etwas ganz Selbstverständliches hinnehmen, wird der Hörverlust meist erst spät bemerkt und behandelt. Dass bei Fernseher und Radio die Lautstärke hochgedreht werden muss, der Betroffene im Gespräch öfter mal nachfragt, oder der Klang der geliebten Opernaufnahme plötzlich fad und schlecht erscheint – all dies sind erste Hinweise auf schlechtes Hören. Meist aber bemerken es die Betroffenen selbst erst spät, oft sind es Partner und Nahestehende, die auf die Hörminderung hinweisen. Für die Betroffenen bedeutet die Schwerhörigkeit jedoch einen dramatischen Einschnitt in ihr bisheriges Leben. Bei Gesprächen in Gruppen verstehen sie die anderen oft schlecht, weil unterschiedliche Klangeindrücke durcheinander wirken. Viele ziehen sich dann zurück, vernachlässigen soziale Kontakte, was bis zur Vereinsamung führen kann. Viele Schwerhörige bezeichnen diesen Zustand als „Leben unter einer Glocke“. Besteht die Schwerhörigkeit bereits länger unbehandelt, dann verlernt auch das Hörzentrum im Gehirn, die verschiedenen Höreindrücke zu differenzieren. Wird dann eine Hörhilfe angepasst, muss der Patient erst wieder lernen, mit den „neuen“ Geräuschen umzugehen – vollständig gelingt das dann oft nicht. Deshalb: im Zweifel das eigene Hörvermögen beim Facharzt oder Akustiker testen lassen! Autorin: Eva Maria Siefert Schwerhörigkeit Je nach Ursache und Ort der Schädigung werden zwei Arten von Schwerhörigkeit unterschiedenen, die Schallleitungs- und die Schallempfindungsschwerhörigkeit. Schallleitungsschwerhörigkeit (syn: Mittelohrschwerhörigkeit) Bei dieser Form ist die Schallübertragung im äußeren Ohrbereich oder im Mittelohr gestört. Verursacht durch folgende Erkrankungen: Seite 9 von 16 Gutes Hören ist Lebensqualität Sendung vom 18.08.2011 Ein Ohrenschmalzpfropf (so genanntes Cerumen) verschließt den äußeren Gehörgang vor dem Trommelfell. Die Betroffenen verspüren einen plötzlichen, meist einseitigen Hörverlust, der Arzt findet bereits bei der Inspektion des Gehörganges mit dem Othoskop den Pfropf als Übeltäter. Der lässt sich durch Spülungen des äußeren Gehörganges, ggf. auch unter Zugabe von entsprechenden Lösungsmitteln auflösen und ausspülen. Seite 10 von 16 Gutes Hören ist Lebensqualität Sendung vom 18.08.2011 Als Folge von Verletzungen (z. B. Reinigen des äußeren Gehörganges mit spitzen Gegenständen) oder indirekt durch starke Druckschwankungen (Explosion, Barotrauma) kann das Trommelfell zerreißen. Neben dem plötzlichen Hörverlust zeigt sich oft ein akuter Schwindel, vor allem wenn kaltes Wasser in das Mittelohr eindringt. Je nach Ausmaß der Verletzung muss das Trommelfell rekonstruiert werden, ggf. sogar auch verletzte Gehörknöchelchen (Tympanoplastik). Als Trommelfellersatz wird körpereigenes Gewebe, meist Muskelhaut verwendet, sind die Gehörknöchelchen stark zerstört, können Prothesen aus Keramik oder Titan eingesetzt werden. Im Rahmen einer Erkältung kann es zu einem Tubenkatarrh mit Verschluss der Ohrtrompete kommen. Weil dadurch das Mittelohr nicht mehr belüftet wird, hört der Betroffene auf einem oder beiden Ohren alles wie „durch Watte“. Therapeutisch reicht meist die Gabe von abschwellende Nasentropfen oder Nasensprays. Ähnliche Symptome verursacht auch eine Mittelohrentzündung, die ebenfalls ein- oder beidseitig auftreten kann. Hinzu kommen dann allerdings meist starke Ohrenschmerzen, oft begleitet von einer Schwellung der Lymphknoten hinter dem Ohr und entlang des Halses. Als Komplikation einer Mittelohrentzündung, eines Barotraumas oder als Folge chronischer Entzündungen bei übergroßen Rachenmandeln (vor allem bei Kindern im Vorschulalter) kann sich ein Mittelohrerguss bilden (syn. Paukenerguss). Die Flüssigkeit im Mittelohr behindert die Gehörknöchelchen bei der Schallweiterleitung. Neben der Gabe von Antibiotika bei bakteriell bedingten Entzündungen muss dann meist das Trommelfell eröffnet werden (syn. Paracentese). In die Öffnung wird ein kleines Röhrchen eingesetzt, über das dann die Flüssigkeit ablaufen kann. Chronische Mittelohrentzündungen hinterlassen oft sowohl am Trommelfell als auch im Mittelohr Narben, die zum schlechteren Hören führen. So wie bei anderen Gelenken kann es auch bei den kleinen Gehörknöchelchen zu einer Art Arthrose kommen. Die Ursachen dieser so genannten „Otosklerose“ sind noch nicht ausreichend geklärt. Neben einer erblichen Komponente werden Virusinfektionen (z. B. Masern) und Hormoneinflüsse (Schwangerschaft, Menopause, Einnahme von Verhütungsmitteln wie der Pille) diskutiert. Mit Medikamenten kann die Erkrankung bisher nicht gebessert werden, die Therapie der Wahl besteht in einer Operation. Schallempfindungsschwerhörigkeit (syn: Innenohrschwerhörigkeit) Durch einen Schaden im Innenohr oder am Hörnerv zum Gehirn kann die Schallwahrnehmung gestört sein. Neben einer genetisch bedingten oder einer angeborenen oder in der frühen Kindheit erworbenen Schwerhörigkeit (beispielsweise als Folge einer Infektion im Mutterleib oder im frühen Kindesalter) kommen folgende Erkrankungen als Ursache in Frage: Am häufigsten wird die Schwerhörigkeit durch ein akutes Schalltrauma verursacht, so genannte Lärmschwerhörigkeit Hörsturz – plötzlich auftretender Hörverlust, bei vier von fünf Betroffenen mit begleitenden Ohrgeräuschen (Tinnitus). Ein Drittel klagt zudem über Schwindel und ein Druckgefühl im Ohr. Wieso es zum Hörsturz kommt, ist bis heute ungeklärt, oder chronisches Seite 11 von 16 Gutes Hören ist Lebensqualität Sendung vom 18.08.2011 diskutiert wird eine akute Durchblutungsstörung ebenso wie eine akute Stressbelastung, Rauchen und hohe Blutfettwerte gelten als Risikofaktoren. Da keine Ursache bekannt ist, gibt es bislang auch keine zielgerichtete Therapie. Allerdings heilt die Erkrankung in über der Hälfte der Fälle spontan wieder aus. Seite 12 von 16 Gutes Hören ist Lebensqualität Sendung vom 18.08.2011 Altersschwerhörigkeit: Die Zellalterung wird durch Stoffwechselstörungen besonders als Folge von chronischer Lärmbelastung begünstigt. Akute Infektionen wie z. B. Hirnhautentzündungen durch unterschiedliche Erreger, Gürtelrose am Ohr, Mumps, Syphilis, Toxoplasmose, Borreliose, Masern, Scharlach, Typhus, Fleckfieber, Brucellose. Vergiftungen, beispielsweise durch Medikamente, die den Hörnerv schädigen. Bekannt ist diese Nebenwirkung bei bestimmten Antibiotika (s.g. Aminiglykoside), die vor allem im Krankenhaus bei lebensgefährlichen Infektionen eingesetzt werden, bei hochdosierter Therapie von Entwässerungsmitteln (Diuretika), bei örtlichen Betäubungsmitteln und bestimmten Arzneimitteln, die im Rahmen einer Chemotherapie bei einer Krebserkrankung eingesetzt werden. Menière-Krankheit (syn. Morbus Menière). Dabei handelt es sich um eine Erkrankung des Innenohres, bei der die Betroffenen über das anfallsweise Auftreten von schweren Drehschwindelattacken mit teilweise heftiger Übelkeit, einseitigem Hörverlust und Ohrensausen (Tinnitus) klagen. Allerdings sind die Beschwerden häufig nicht so stark ausgeprägt, weshalb die Erkrankung oft übersehen und die Diagnose zu spät gestellt wird. Auch hier ist die Krankheitsursache noch nicht hinreichend geklärt, vermutet wird ein Stau im Lymphsystem des Innenohres. Behandelt wird symptomatisch. Neben Mittel gegen die Übelkeit scheint ein den Botenstoff Histamin blockierendes Medikament gute Erfolge zu zeigen, kontrollierte Wirksamkeitsstudien fehlen jedoch bislang. Oftmals führt auch das Einsetzen eines Paukenröhrchens ins Trommelfell zum Erfolg, in manchen Fällen lässt sich die Erkrankung nur durch eine Operation bessern, bei der der Gleichgewichtsnerv dauerhaft ausgeschaltet wird. Als seltenere Ursachen sind Schädel-Hirn-Verletzungen, Schädelbrüche, Tumore, Vergiftungen durch Arbeitsstoffe wie bspw. Benzolverbindungen, Blei, Fluor, Kohlenmonoxid, Quecksilber, Schwefelkohlenstoff. Autorin: Eva Maria Siefert Seite 13 von 16 Gutes Hören ist Lebensqualität Sendung vom 18.08.2011 Kontaktadressen und Internetlinks: Deutsche Gesellschaft der Hörgeschädigten - Deutscher Berufsverband der Hals-NasenSelbsthilfe und Fachverbände e.V. Ohrenärzte e. V. Paradeplatz 3 Bundesgeschäftsstelle 24768 Rendsburg Haart 221 Tel.: 04331 / 589 750 24539 Neumünster Fax: 04331 / 589 751 Tel.: 04321 / 972 5-0 E-Mail: [email protected] Fax: 04321 / 972 5-41 Internet: www.deutsche-gesellschaft.de/ E-Mail: [email protected] Internet: w3.hno-aerzte.de/ Deutscher Schwerhörigenbund e. V. (DSB) Unabhängige Patientenberatung Deutschland – Beratungsstelle Gießen Bundesverband der Schwerhörigen und Ertaubten Liebigstraße 15 Breite Str. 3 35390 Gießen 13187 Berlin Tel.: 0641 / 301 33 45 Tel.: 030 / 475 411 14 Fax: 0641 / 301 94 29 Fax: 030 / 475 411 16 E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] Kostenfreies, bundesweites Internet: www.schwerhoerigen-netz.de/ Beratungstelefon: 0800 0 11 77 22 (Mo-Fr 10-18 Uhr) Internet: www.unabhaengigepatientenberatung.de/ Internetlinks: www.initiative-hoeren.de/ Internetangebot der Initiative Hören e.V., eines interessenübergreifenden Zusammenschlusses von Fachverbänden des Gesundheits-, Kultur- und Medienbereichs. Nach eigener Aussage ist das Sensibilisieren der Bevölkerung für alle Aspekte des Hörens das primäre Ziel der Initiative. www.praevention-online.de/ Unabhängiges und vom Bildungsministerium für Bildung und Forschung unterstützte Portal für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz, Umweltschutz und Qualität, enthält viele Tipps zum Thema Lärmbelastung am Arbeitsplatz. www.laermorama.ch/ Interaktive, modular aufgebaute Plattform der Fachstelle Lärmschutz im Schweizer Kanton Zürich. Wirklich hörenswert sind die Hörbeispiele bei normalem Gehör und einem Hörverlust von 35 Prozent. Seite 14 von 16 Gutes Hören ist Lebensqualität Sendung vom 18.08.2011 Buchtipps: Ulla Schultens-Kaltheuner Ich bin schwerhörig - und das ist auch gut so! Verlagshaus Mainz, Aachen; 1. Aufl. 2009 ISBN-10: 3810700495 ISBN-13: 978-3810700490 Preis 14,80 € Karl-Friedrich Hamann, Kathrin Hamann Schwerhörigkeit und Hörgeräte: 111 Fragen und Antworten Zuckschwerdt-Verlag 2005 ISBN-10: 3886038866 ISBN-13: 978-3886038862 Preis 13,80 € Gerhard M. Wissler Wenn die Ohren müde werden - Selbstsicher und aktiv leben mit Hörschwäche Kösel-Verlag 2008 ISBN-10: 3466345138 ISBN-13: 978-3466345137 Preis 15,95 € Elke Brüser Wieder besser hören Stiftung Warentest 2005 ISBN-10: 3937880143 ISBN-13: 978-3937880143 Preis: 12,90 € service:gesundheit –Bücher Wege aus der Blasenschwäche Anne Freimann Schlütersche Verlag ISBN 978-3-89993-537-0 Preis: 11,90 € Schwindel – So kommt die Welt wieder ins Gleichgewicht Anne Freimann Schlütersche Verlag ISBN 978-3-89993-544-8 Preis: 11,90 € Diabetes - Gut leben mit Typ-2-Diabetes Anne Freimann Schlütersche Verlag 2008 ISBN-13: 978-3-8993-543-1 Preis: 12,90 € Unsere Themen der nächsten Wochen: 25.08.2011 01.09.2011 08.09.2011 15.09.2011 – – – – Bandscheibenvorfall – Wenn der Stoßdämpfer verrutscht Tipps für die Gesundheit – Parkinson Tipps für die Gesundheit – Leistenbruch Tipps für die Gesundheit - Narkose Weitere Infos gibt es auch auf unserer Homepage unter: http://servicegesundheit.hronline.de/ Wichtig: Noch mehr Informationen zu Ihren Gesundheitsthemen gibt es in "einfach gesund"! Donnerstags von 21:45 – 22:30 Uhr im hr-fernsehen. Seite 15 von 16 Gutes Hören ist Lebensqualität Sendung vom 18.08.2011 Unseren Newsletter abonnieren? Wollen Sie wöchentlich über die Themen unserer Sendung informiert werden? Dann nutzen Sie unseren Newsletter-Service und melden Sie sich an unter: http://www.hr-online.de/website/fernsehen/sendungen/index.jsp?rubrik=27336 Seite 16 von 16