Berufsgrundbildung Elektrotechnik Mathematische Grundlagen Winkelfunktionen des rechtwinkligen Dreiecks 3.0 Winkelfunktionen des rechtwinkligen Dreiecks Um mit dem Quadrieren bzw. Wurzelziehen im Zusammenhang mit den Äquivalenzumformungen vertraut zu werden, haben wir im Abschnitt 2.2 für die Reihenschaltung eines ohmschen und induktiven Widerstandes (Spule) die Formel Z2 R2 XL 2 angesetzt. Für die Reihenschaltung von zwei ohmschen Widerständen ist uns hingegen die Formel R = R1 + R2 aus den Grundlagen der Elektrotechnik bekannt. Der offensichtlich erhebliche Unterschied ist in dem Phänomen der sogenannten "Phasenverschiebung" zwischen Strom und Spannung, das von Wechselstromwiderständen (Spule bzw. Kondensator) verursacht wird, begründet. Zur anschaulichen Darstellung dieser Zusammenhänge bedient sich man sich des Hilfsmittels der grafischen Darstellung in Form entsprechender rechtwinkliger Dreiecke. Wie schon erwähnt, kann aber Wechselstromtechnik 1 nicht Thema der Berufsgrundbildung sein. Unsere Aufgabe ist es, dich durch die Auseinandersetzung mit dem rechtwinkligen Dreieck und den damit verbundenen Winkelfunktionen auf den Gebrauch dieses Hilfsmittels vorzubereiten. Wenn ich dich nun ersuche diese Formel grafisch darzustellen, wirst du in Erinnerung an den pythagoräischen Lehrsatz ein rechtwinkliges Dreieck mit der Hypothenuse Z und den Katheten R und XL zeichnen. Z = Scheinwiderwiderstand in R = ohmscher Widerstand in XL = induktiver Widerstand (Blindwiderstand) in Z XL . R XL Ersatzschaltbild einer Spule R 1 Bei einer Spule handelt es sich natürlich um einen Bauteil. Wir unterscheiden zwischen dem ohmschen Widerstand (Widerstand des Wicklungsdrahtes) und dem induktiven Widerstand. Rechnerisch gesehen stellen wir uns die "Kombination" dieser Widerstände als Reihenschaltung vor. (vgl. Ersatzschaltbild einer Spule) 42 Neben den drei Größen Z, R und XL wird in diesem Zusammenhang der sogenannte "Phasenverschiebungswinkel" von Interesse sein. Zu diesem Zweck muß zwischen den Seiten und dem Winkel eine Beziehung hergestellt werden. Mit den "allgemeinbildenden Methoden" war es dir bisher möglich, bei zwei bekannten Seiten die Länge der dritten Seite eines rechtwinkligen Dreiecks zu berechnen. Mit den Winkelfunktionen werden wir uns eine Methode erarbeiten, um aus einem bekannten Winkel und der Länge einer Seite die Längen der zwei anderen Seiten zu ermitteln. Bezüglich der Berechnungsmethoden zum rechtwinkligen Dreieck hatten bekanntlich die Griechen (Pythagoras) die Nase vorn. Die "Dreiecksvermessung" bezeichneten sie als Trigonometrie. Aus dem Geometrieunterricht der Hauptschule ist dir bekannt, dass zwei Dreiecke mit gleichen Winkeln als ähnliche Dreiecke bezeichnet werden. c2 a2 a1 c1 b1 b2 Bildet man in beiden Dreiecken das Verhältnis von je 2 entsprechenden Seiten, so zeigt sich, dass diese Verhältnisse – unabhängig von der Länge der Seiten – stets gleich groß sind. a1 a 2 b1 b 2 a1 a2 c1 c 2 b1 b 2 c1 c 2 z.B. a 1 3,7 0,5 b1 7,4 a2 6,4 0,5 b2 12,8 Ein neues Seitenverhältnis entsteht erst dann, wenn der Winkel verändert wird. Durch die Veränderung eines spitzen Winkels () ändert sich natürlich auch der zweite spitze Winkel, da die Winkelsumme aus beiden immer 90° beträgt. Der rechte Winkel von 90° verändert sich ja nicht, und die Winkelsumme im Dreieck beträgt 180°. Die Größe der Seitenverhältnisse an rechtwinkligen Dreiecken sind von der Größe der spitzen Winkel abhängig, sie sind also eine Funktion der spitzen Winkel und wir nennen sie deshalb Winkelfunktionen. Damit eine jeweils eindeutige Schreibweise entsteht, bezeichnen wir die Katheten nach ihrer Lage zu dem Winkel, für den das Seitenverhältnis aufgestellt wird. Die Katheten b1 bzw. b2 liegen dem Winkel an und werden deshalb als Ankatheten bezeichnet. Die Katheten a1 bzw. a2 liegen dem Winkel gegenüber und wir bezeichnen sie kurz als Gegenkatheten. 43 Um ein rechtwinkliges Dreieck vollständig bestimmen zu können sind drei verschiedene Verhältnisse erforderlich: Verhältnis 1: a1 a2 c1 c2 handelt es sich um die Verhältnisse Bei Gegenkathete Hypothenuse Für dieses Seitenverhältnis gibt es einen eigenen Namen – es wird mit Sinus bezeichnet. a Das Seitenverhältnis 1 bezeichnen wir als den Sinus des betreffenden Winkels . c1 a1 Gegenkath . a bzw. sin bzw. sin sin c1 Hypoth. c Verhältnis 2: b1 b2 c1 c2 handelt es sich um die Verhältnisse Bei Ankathete Hypothenuse e Für dieses Seitenverhältnis gibt es ebenfalls einen eigenen Namen – es wird mit Cosinus bezeichnet. b Das Seitenverhältnis 1 bezeichnen wir als den Cosinus des betreffenden Winkels . c1 b1 Ankathete b bzw. cos bzw. cos cos c1 Hypothen . c Verhältnis 3: a1 a2 b1 b2 handelt es sich um die Verhältnisse Bei Gegenkathete Ankathete Dieses Seitenverhältnis wird schließlich als Tangens bezeichnet. a Das Seitenverhätnis 1 bezeichnen wir als Tangens des betreffenden Winkels . b1 Gegenkath . a1 a bzw. tan bzw. tan tan b1 Ankath. b 44 Da die Seitenverhältnisse von den Längen der Seiten eines rechtwinkligen Dreiecks unabhängig sind, besitzt der Sinus, Cosinus und Tangens für jedes beliebige rechtwinklige Dreieck mit einem bestimmten Winkel denselben Wert. Als der Taschenrechner noch kein alltägliches Hilfsmittel war, musste man diese Werte mühsam in Winkelfunktionstabellen nachlesen. Du bist in der glücklichen Lage in deinen Taschenrechner den Winkelwert 30 (für 30° ) einzugeben und anschließend die Taste SIN (für Sinus) zu betätigen. Für den Sinus des Winkels von 30° erhältst du den Wert 0,5. Da es sich um eine Verhältniszahl handelt, besitzt dieser Wert natürlich keine Einheit. Zum besseren Verständnis für die von deinem Taschenrechner gelieferten Werte, wollen wir sie uns jetzt sozusagen grafisch veranschaulichen. Zu diesem Zweck bedienen wir uns eines kleinen "Tricks" und zeichnen einen Kreis, von dem wir - unabhängig von seiner tatsächlichen Größe - festsetzen, dass der Radius 1 beträgt. Zur besonderen Kennzeichnung tragen wir den Radius als Pfeil ein. Einen Kreis mit dem Radius 1 (ohne Einheit) bezeichnen wir als Einheitskreis. Wähle zur übersichtlichen Darstellung einen Kreis mit dem Radius von 5 cm. Diesen Zeiger mit dem Radius 1 setzen wir nun entgegen dem Uhrzeigersinn in Bewegung und stoppen ihn, wenn er mit der horizontalen Achse einen Winkel von 30° einnimmt. 45 sin cos = 30° Es ist dadurch ein rechtwinkliges Dreieck entstanden, welches den Zeiger als Hypothenuse hat. Die punktierte Linie bildet die Gegenkathete, die strichlierte Linie die Ankathete. Gegenkath . für die Hypothenuse 1 einsetzen, so Hypoth. ist in unserem Einheitskreis der Sinus gleich der Länge der punktierten Linie. Wenn wir im Verhältnis sin Ankath. für die Hypothenuse 1 einsetzen, so Hypoth. ist in unserem Einheitskreis der Cosinus gleich der Länge der strichlierten Linie. Wenn wir im Verhältnis cos Die Werte, die dein Taschenrechner anzeigt, sind also die Zahlen für ein rechtwinkliges Dreieck mit der Hypothenuse 1. Für den Sinus des Winkels = 30° erhalten wir den Wert 0,5. Gegenkath . Hypoth. können wir durch Äquivalenzumformung die tatsächliche Sinuslänge ermitteln. Aus dem Verhältnis Mit sin Gegenkath. = sin . Hypoth. erhalten wir eine Länge von 2,5 cm. 46 (Gegenkath. = 0,5 . 5) Hast du den Einheitskreis mit einem Radius von 5 cm gezeichnet, so kannst du zur Rechenungskontrolle diese Länge natürlich auch nachmessen. Bei = 30° besteht zwischen Gegenkathete und Hypothenuse ein Verhältnis von 1:2. Für den Cosinus des Winkels = 30° zeigt der Taschrechner den Wert 0,866. Ankath. Hypoth. können wir durch Äquivalenzumformung die tatsächliche Cosinuslänge ermitteln. Aus dem Verhältnis cos Mit Ankath. = cos . Hypoth. (Ankath. = 0,866 . 5) erhalten wir eine Länge von 4,3 cm. Wir bewegen den Zeiger nun um weitere 30°, stoppen ihn also bei 60° sin cos = 60° Der Sinus von = 60° beträgt 0,866 und der Cosinus von = 60° hat den Wert 0,5. Wir stellen nun fest, dass mit zunehmendem Winkel die Werte für den Sinus zunehmen und die Werte für den Cosinus abnehmen. Bewegen wir den Zeiger auf einen Winkel von 90° weiter, so "verwandelt" sich das Dreieck in eine Linie. Für diese Zeigerstellung besitzt der Cosinus einen Wert 0 und der Sinus - ident mit dem Zeiger - den maximalen Wert 1. 47 = 90° Bewegen wir den Zeiger in seine Ausgangslage zurück, so stellen wir den umgekehrten Vorgang fest: Der sozusagen "theoretische" Wert von Sinus wird 0, der von Cosinus 1. = 0° 48 Um auch den Tangens, das Verhältnis von Gegenkathete zu Ankathete grafisch darzustellen, kehren wir noch einmal zur Abblidung mit dem Winkel von = 30° zurück. cot sin tan cos Die strichpunktierte Linie stellt die Länge des Tangens für = 30° dar. Gegenkath. die soeben rechnerisch Ankath. und grafisch ermittelten Werte einsetzen, so erhalten für den Tangens von : Wenn wir in der Verhältnisgleichung tan tan 2,5 4,33 tan 0,577 Wenn du diesen Wert in deinen Taschenrechner eingibst, anschließend die Taste 2nd (second-function) und dann die Taste TAN (für Tangens) betätigst, so erhältst du unter Berücksichtigung der Rechenungenauigkeit des Wertes für die Ankathete einen Winkelwert von 30°. Da der Tangens keine Länge des rechtwinkligen Dreiecks darstellt, besitzt er in unserer Rechenpraxis nur Bedeutung zur Ermittlung des entsprechenden Dreieckwinkels. Bewegen wir den Zeiger gegen = 0° nimmt der Wert von tan ebenfalls den Wert 0 an. Mit der entgegengesetzten Bewegung in Richtung = 90° nimmt der Wert von Tangens zu und geht bei 90° schließlich "gegen unendlich". Zeiger- und Tangenslinie haben erst im "Unendlichen" einen Schnittpunkt, wenn es war ist, dass der Weltraum "gekrümmt" ist, was uns beim Rechnen aber egal sein kann. Nur der Vollständigkeit halber wurde auch der Cotangens - als Kehrwert des Tangens - eingezeichnet. 49