Erfolgsfaktor Konzentration

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03.01.08, 06:38
Lernen
Erfolgsfaktor Konzentration
Statt sich zu konzentrieren, zappen viele Schüler während des Unterrichts durchs
Gedankenprogramm. Forscher und Lernexperten geben Tipps, wie Kinder aufmerksamer
lernen.
Von FOCUS-SCHULE-Autorin Petra Thorbrietz
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Konzentration ist keine Frage der Intelligenz, sondern der Übung
Viele Kinder haben nicht nur dann Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, wenn der
Sauerstoff im Klassenzimmer knapp und der Schultag zu lang wird. Sie können nicht bei
einem Thema ausharren und zappen wie beim Fernsehen von einem „Gedankenprogramm“
zum nächsten. Sie haben Mühe, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, lassen sich
ständig ablenken. In der Schule äußert sich das in Nervosität, Stuhlkippeln, Stören. Ruhigere
Naturen gleiten in eine Welt der Träume ab, kritzeln vor sich hin, statt die geforderten
Aufgaben zu lösen.
Bei einem langweiligen Meeting Männchen aufs Papier zu malen oder den Blick aus dem
Fenster schweifen zu lassen – das ist ein Verhalten, welches auch Erwachsenen nicht
unbekannt ist, die in der Regel ganz genau wissen, was sie tun müssen, um eine wichtige
Aufgabe konzentriert zu lösen. Kindern dagegen fällt es schwer zu erkennen, wann es
notwendig ist, auch bei einem Lehrer aufzupassen, der kein Talent als Entertainer hat. Sie sind
noch auf der Suche nach der für sie geeigneten Konzentrationstechnik – ein langwieriger,
wegen unzähliger Ablenkungsmöglichkeiten äußerst mühsamer Prozess. Die einfache,
ungeduldig ausgesprochene Aufforderung der Eltern „Jetzt konzentrier dich doch mal!“ ist
daher in etwa so sinnvoll, wie wenn man einen Ausländer, der kein Wort Deutsch spricht,
bittet: „Jetzt sprich doch endlich mal wie wir!“
Die Aufmerksamkeit gezielt auf etwas zu lenken und dann auch dranzubleiben ist keine Frage
der Intelligenz. Man kann – und muss – das lernen. Konzentration ist wie einen Scheinwerfer,
der sein Licht immer gerade dorthin wirft, wo es gebraucht wird. Die restliche Welt ist dabei
latent immer vorhanden. Sie wird nur vorübergehend ausgeblendet. Im nächsten Moment
kann der Kegel bereits einen ganz anderen Ort treffen. Der Ulmer Psychiater und
Lernforscher Manfred Spitzer hält diese eingeschränkte Aufmerksamkeit für einen wichtigen
Überlebensmechanismus der Evolution. Er verdeutlicht das an einem Beispiel aus der
Steinzeit: „Ein Mann sitzt am Feuer“, sagt er, „und achtet darauf, dass es am Lodern bleibt.
Wenn er sich aber zu sehr auf die Flammen konzentriert, kommt der Säbelzahntiger, und aus
ist es!“ Sich im richtigen Moment ablenken zu lassen ist also genauso wichtig wie sich im
richtigen Moment zu konzentrieren.
Motivation statt Prämien
dpa
Die Bildergalerie zeigt, welche Störfaktoren die Aufmerksamkeit erschweren
Die Mühe des Lernens braucht Anerkennung. „Wenn wir es nicht schaffen, die Schule so zu
gestalten, dass Kinder gern dorthin gehen, nützen uns die tollsten Konzentrationstrainings
nichts!“, sagt Gerald Hüther, Professor für Neurobiologie an der Universitätsklinik Göttingen.
„Wir brauchen Pädagogen, die Kinder motivieren können.“ Erfolgserlebnisse können im
besten Fall sogar dazu führen, dass das Gehirn körpereigene Opioide ausschüttet – etwa wenn
ein Kind sich selbst übertrifft und zum ersten Mal ohne Hilfe ein Mathe-Problem löst. Ehrgeiz
und Wille führen deshalb zu besseren Leistungen als Anreize von außen wie etwa Prämien.
Gute Laune motiviert
Für den Hirnforscher Martin Korte ist „Abwechslung“ das entscheidende Stichwort für
erfolgreiche Konzentration: Bei Vokabeln zum Beispiel bedeutet das, ständig neue
Vermittlungswege zu suchen, auch wenn es immer um denselben Wortschatz geht – mal
lesen, mal einen Film in Originalsprache ansehen, mal etwas nacherzählen.
Ein anderer Weg, die Aufmerksamkeit zu verbessern, führt über ungewöhnliche
Kombinationen von Tätigkeiten. Mit rhythmischen Tanzschritten Verben zu konjugieren hilft
weiter. Das zeigen Erfahrungen an Schulen, die Bewegung in ihre Didaktik einbauen. Das
Prinzip funktioniert auch umgekehrt: „Wir können mit mentalem Training bestimmte
Bewegungen optimieren – die Konzentration beim Tennisaufschlag etwa“, erklärt HansDieter Herrmann, Psycho-Coach im WM-Team der deutschen Fußballnationalmannschaft.
Beim Training wurden die Fußballer mit anheizender Musik auf Trab gebracht. Kein Wunder,
dass der ewige Streit zwischen Eltern und Kindern, ob Musik beim Arbeiten stört, nicht
eindeutig beizulegen ist. Studien zeigen, dass einfache Tätigkeiten mit Musik leichter erledigt
werden. Bei anspruchsvolleren Aufgaben jedoch stört sie, weil sie Energie in andere
Hirnregionen abzieht.
Leichter lernen mit Tokio Hotel
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Mit Charthits prägen sich Vokabeln schneller ein
Das Kurzzeitgedächtnis ist begrenzt. Erwachsene können sich im Schnitt nicht mehr als
sieben Ziffern in der richtigen Reihenfolge merken, ein Kind höchstens fünf, eines mit einer
Aufmerksamkeitsstörung vielleicht nur drei. Aber selbst dieses Minimum erfordert eine
spezielle Wachheit. Diese wird von einem Verbund von Nervenzellen erzeugt, dem
„retikulären Aufmerksamkeitssystem (RAS)“. Es funktioniert wie ein Art Glocke: Der
Botenstoff Noradrenalin, den es bei Bedarf ausschüttet, lässt den Blutdruck steigen und
beschleunigt den Puls.
Langfristig speichern wir nur, was uns wirklich interessiert – meist Informationen, mit denen
wir positive Gefühle verbinden. Denn erst Emotionen sorgen dafür, dass weitere Botenstoffe
wie Dopamin und Acetylcholin die Botschaften in das Langzeitgedächtnis schleusen. Das
erklärt, warum Vokabeln, die in einem Number-one-Hit vorkommen, rascher im Gedächtnis
hängen bleiben als andere. Und wieso die Texte der Magdeburger Gruppe Tokio Hotel bei
Schülern im Ausland wieder das Interesse an deutschem Sprachunterricht geweckt haben.
Schwerer fällt es dem Gedächtnis, Vokabeln zu speichern, die keinen Bezug zum Alltag
haben, oder wenig anschauliche Physikformeln. Um sie trotzdem zu lernen, müssen sie über
längere Zeit im Gedächtnis wachgehalten werden, zum Beispiel durch ständiges Wiederholen.
Und selbst wenn sie dann im Langzeitgedächtnis landen, bedeutet das noch lange nicht, dass
sie auf Anhieb wieder abrufbar sind. Deshalb ist Lernen immer mit Arbeit verbunden – es
bedeutet wiederholen, wiederholen, wiederholen. Nur wenn bestimmte Denkpfade immer
wieder aktiviert werden, besteht die Chance, dass Informationen tiefer ins Gehirn wandern
und dort automatisch abrufbar werden – ähnlich dem Fahrradfahren, das man, wenn man es
einmal richtig gelernt hat, ohne Nachdenken beherrscht.
Das Netzwerk im Gehirn
Weil das Wechselspiel von Aufmerksamkeit und Konzentration so komplex ist, existiert keine
bestimmte Stelle im Kopf, in der diese Fähigkeiten fest verortet sind. Stattdessen baut sich
Konzentration als Netzwerk von An- und Entspannung, Wahrnehmung und Erinnerung auf.
Die erste Aufmerksamkeitsschwelle, die es zu überwinden gilt, ist unser Kurzzeitgedächtnis.
Aus den Millionen Eindrücken, die ununterbrochen über unsere Sinnesorgane an das Gehirn
weitergeleitet werden, sortiert es den größten Teil aus und lässt ihn erst gar nicht ins
Bewusstsein dringen. Informationen werden nur so lange gespeichert, wie wir sie benötigen.
Deshalb können wir uns bei einer Zugreise eine Sitzplatznummer merken, während wir das
richtige Abteil suchen. Sobald wir am reservierten Platz sitzen, vergessen wir sie sofort
wieder.
Aufmerksamkeit und Konzentration entstehen in einem Netzwerk verschiedener Hirnareale,
beginnend mit dem Thalamus, der alle Sinnesinformationen verarbeitet, und unterstützt vom
präfrontalen Cortex und dem hinteren Aufmerksamkeitssystem. Der Botenstoff Dopamin wird
tief im Innern des Gehirns produziert und hilft dabei, die selektive Aufmerksamkeit auf
bestimmte Tätigkeiten zu richten und andere Sinnesinformationen auszublenden. Der
Botenstoff Noradrenalin reguliert die generelle Wachheit.
„Konzentration ist harte Arbeit“
FOCUS-SCHULE
Martin Korte ist Hirnforscher an der TU Braunschweig
Im FOCUS-SCHULE-Interview erklärt Forscher Martin Korte, wie die
Konzentrationsfähigkeit gesteigert wird und wie es gelingt, Schüler auch für ungeliebte
Fächer zu motivieren.
FOCUS-SCHULE: Was kann man tun, damit Kinder sich besser konzentrieren?
Martin Korte: Konzentration ist nicht isoliert erlernbar, man kann sie nur üben – im
Zusammenhang mit Tätigkeiten, für die sie gerade notwendig ist. Was wir begreifen wollen,
das muss einfach einen bestimmten Weg im Gehirn mehrfach durchlaufen: Wir müssen
Vokabeln und Formeln wiederholen, das Gedächtnis trainieren. Konzentration ist harte
Arbeit.
FOCUS-SCHULE: Was hilft konkret?
Korte: Das Einzige ist Lesen. Das hilft dem Gehirn in vieler Hinsicht, sich zu entwickeln.
Kinder, die früh zu lesen beginnen, können sich länger konzentrieren.
FOCUS-SCHULE: Und wenn ein Kind in einem Fach einfach nicht zum Lernen zu
motivieren ist und sich gar nicht konzentrieren will?
Korte: Dann hilft eine Belohnung, zum Beispiel für 20 Minuten Rechnen 20 Minuten
Computerspielen. Wenn es das geschafft hat, wird es gelobt. Beim nächsten Mal erhöht man
auf 30 Minuten. Es kommt darauf an, den Ehrgeiz zu wecken. Nichts motiviert so wie der
innere Antrieb, etwas verstehen zu wollen.
FOCUS-SCHULE: Ein Beispiel aus der Praxis?
Korte: Ich habe während meines Studiums oft Nachhilfe gegeben. Wenn es mir gelang, bei
Schülern, denen man anfangs kaum etwas zugetraut hätte, Ehrgeiz zu wecken, war ich sie
bald als Kunden los.
FOCUS-SCHULE:Wie hängen Motivation und Konzentrationsfähigkeit aus Sicht des
Hirnforschers zusammen?
Korte: Motivation setzt unser körpereigenes Belohnungssystem in Gang und bringt uns dazu,
dass wir uns der Anstrengung des Lernens aussetzen. Wenn der Wille da ist und ausreichend
Übung hinzukommt, setzt sich schließlich eine anhaltende Erfolgsspirale in Gang. Das ist
wichtig, denn unsere Kinder werden ihr Leben lang immer wieder neu lernen müssen. Wenn
es uns nicht rechtzeitig gelingt, sie dazu zu motivieren, werden sie scheitern.
Buchtipp
Lernexperte und Hirnforscher Martin Korte ist wissenschaftlicher Berater für den neu
erschienen FOCUS-SCHULE-Ratgeber „Konzentration – Wie Eltern ihr Kind unterstützen
können“.
Übungen für eine bessere Konzentration
Visualisierung fördern
Sich Bilder im Geist auszumalen und Fantasiereisen zu unternehmen entspannt Kopf und
Körper. Lassen Sie Ihr Kind in Gedanken einen Ort aufsuchen, an dem es sich wohlfühlt, und
diesen detailgenau beschreiben – laut oder still für sich. Oder: Das Kind schließt die Augen
und schreibt in Gedanken etwas auf, zum Beispiel Regeln, auf die man beim Fahrrad-fahren
achten muss.
Konzentrationshelfer Zeichenspiele: Zahlen mit einer Linie zu einer Figur verbinden, den
Ausweg aus einem Labyrinth suchen, Mandalas ausmalen (symmetrische Figuren, die im
Buddhismus der Meditation dienen).
Motorik ankurbeln
Das Gehirn entwickelt sich nach der Geburt vor allem durch Bewegung, wenn Kinder ihre
Umwelt erkunden. Ein Leben lang hat sie positiven Einfluss auf das Denken.
Empfehlenswert: Koordinationsspiele wie Gummitwist, Kästchenhüpfen, Basketball, aber
auch ruhigere Spiele wie Mikado oder Jenga.
Diese Übung aktiviert Kopf und Körper: Lassen Sie Ihr Kind die Hände falten. Fragen Sie, ob
der rechte oder der linke Daumen oben liegt. Dann soll es seine Hände für einen Moment
flach und steif aneinanderlegen. Danach neu falten – aber so, dass nun der andere Daumen
oben liegt!
Lesen, schreiben, reden
Schrift ist Ordnung – mit einzelnen Buchstaben, Regeln und Inhalten. Kinder, die schlecht
schreiben, bleiben desorientiert. Beim Diktatschreiben übt man konzentriertes Hören. Das
trainiert gleichzeitig das visuelle Gedächtnis. Mit der Hand zu schreiben wirkt intensiver als
mit einer Tastatur.
Lassen Sie Ihr Kind Geschichten erzählen oder nacherzählen. Sie können Handlungen
erfinden, die von Familienmitgliedern weitergesponnen werden. Oder lassen Sie Ihre Kinder
Gedichte lernen – zum Beispiel nach Rap-Musik. Jedes Gespräch, jede Diskussion über ein
beliebiges Thema trainiert.
Spielend lernen
Spielen ist der natürlichste Weg für ein Kind, neue Dinge zu entdecken und zu lernen. Bei der
Arbeit mit dem Baukasten oder einem Puppenspiel entspannen sich Kinder, die sonst nur
zappelig sind. Und sie haben Erfolgserlebnisse, die sie herausfordern, Neues zu versuchen.
„Memory“ und das Zahlenkombinationsspiel „Sudoku“ oder auch das Buchstabenspiel
„Scrabble“ fördern besonders die Konzentration. Puzzles zu legen erfordert Geduld und
Präzision. Alle diese Spiele gibt es in unterschiedlichen Schweregraden für jede Altersstufe.
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