Projektwoche Paris HeS 2009 Zeitgeschichtlicher Rahmen © Pädagogische Hochschule des Kantons St.Gallen Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen Inhaltsverzeichnis Zeitgeschichtlicher Rahmen 3 1.1 Die 1930er Jahre 3 1.2 Die „dunklen Jahre“ 1940-1944 9 1.3 Nachschlagewerke und Hilfsmittel 25 1.4 Darstellungen 26 1.4.1 1.4.2 1.5 Gesamtdarstellungen 26 Zu einzelnen Aspekten 26 Zeittafel Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 30 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen Zeitgeschichtlicher Rahmen1 1.1 Die 1930er Jahre Um das „Desaster“ der französischen Armee im Juni 1940 und den nachfolgenden Zusammenbruch der Dritten Republik verstehen zu können, ist es notwendig, einen kurzen Blick auf Frankreichs politische Entwicklung in den 1930er Jahren zu werfen. Nach der Niederlage Deutschlands von 1918 war Frankreich als Garant für den Versailler Vertrag zu dessen Todfeind geworden. Ein früherer oder späterer Waffengang, mit dem Ziel einer gewalttätigen Revision des Vertrags, schien unumgänglich. Dennoch strebte Hitler nach seiner Machtübernahme zunächst scheinbar eine friedliche Einigung mit Frankreich an; dessen Tatenlosigkeit bei den deutschen Aktionen bestärkte ihn in dieser Taktik. Bis 1939 wurden die Etappen auf dem Weg zur europäischen Hegemonialstellung Deutschlands von Frankreich ohne entschlossene Gegenwehr zur Kenntnis genommen. Diese Entwicklung geschah in mehreren Schritten: Im Oktober 1933 trat Deutschland aus dem Völkerbund aus und 1 Diese Einführung kann nur einen skizzenhaften Überblick geben. An vielen Stellen war es deshalb notwendig, dem interessierten Leser Hinweise auf weiterführende Literatur zu geben. Zum chronologischen Ablauf der Ereignisse siehe die Zeittafel im Anhang 1, S. 116-119. Zur einführenden Lektüre für den zu betrachtenden Zeitraum siehe: AZÉMA, JeanPierre/François BÉDARIDA (éds.): La France des années noires. 2 tomes. Paris, 1993; AZEMA, Jean-Pierre: De Munich à la Libération 1938-1944. Paris, 1979; DURAND, Yves: La France dans la deuxième Guerre Mondiale 1939-1945. Paris, 1989; REMOND, René: Notre siècle de 1918 à 1988. Histoire de France. Tome 6. Avec la collaboration de Jean-François Sirinelli. Paris, 1988. S. 269-369; sowie die Tagungsakten zu den beiden Kolloquien „Frankreich und Deutschland im Krieg“: CARLIER, Claude/Stefan MARTENS (éds.): La France et l’Allemagne en guerre. Actes du XXVème colloque franco-allemand organisé par l’Institut Historique Allemand de Paris en coopération avec l’Institut d’Histoire des conflits contemporains, Paris, et le Comité de la République fédérale d‘Allemagne du Comité International d’Histoire de la Deuxième Guerre Mondiale. Wiesbaden, 17 au 19 mars 1988. Paris, 1990; und: MARTENS, Stefan/Maurice VAÏSSE (Hrsg.): Frankreich und Deutschland im Krieg (November 1942 – Herbst 1944): Okkupation, Kollaboration, Résistance: Akten des deutsch-französischen Kolloquiums La France et l’Allemagne en Guerre (novembre 1942 – automne 1944) veranstaltet vom Deutschen Historischen Institut Paris und dem Centre d’Études d’Histoire de la Défense, Vincennes in Zusammenarbeit mit dem Institut für Zeitgeschichte, München und dem Institut d’Histoire du Temps Présent, Paris-Cachan. Paris, 22. und 23. März 1999. Bonn, 2000. Zu Frankreich in den 1930er Jahren siehe z. B.: BERSTEIN, Serge: La France des années trente. Paris, 1988; und: DUROSELLE, Jean-Baptiste: La Décadence 1932-1939. Paris, 1979. Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen schloss im darauffolgenden Jahr mit Polen einen Nichtangriffspakt ab, der das französische Bündnissystem schwer erschütterte.2 Die in Deutschland nun einsetzende militärische Aufrüstung fand in der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht 1935 ihre Entsprechung in der deutschen Innenpolitik. Aussenpolitisch sind ab Mitte der 1930er Jahre dann die Kündigung des Locarno-Vertrags3, die anschliessende Remilitarisierung des Rheinlands 1936 und schliesslich der Anschluss Österreichs 1938 zu nennen. Dass Frankreich die Besetzung des Rheinlands hinnahm, Sanktionsinstruments bedeutete gegen faktisch Deutschland. den Frankreich Verlust stellte des letzten damit seinen Grossmachtstatus selbst in Frage. „Die Schwäche Frankreichs als europäische Vormacht und kontinentale Grossmacht, auch als Garantiemacht der Verträge von 1919 und 1925 war dadurch auffällig enthüllt worden.“4 Spätestens seit 1937 hatte es sich abgezeichnet, dass Frankreich in seiner Aussendiplomatie immer stärker die Anlehnung an die britische Aussenpolitik suchte. Dieses Bestreben muss im Rahmen einer allgemeinen Unsicherheit, wie mit dem erstarkten Deutschland umzugehen sei, der europäischen Staaten ab Mitte der 1930er Jahre gesehen werden. Frankreich versuchte, das nationalsozialistische Deutschland weiterhin durch ein System der „kollektiven Sicherheit“ in Europa zu isolieren. Zu dieser Taktik trug entscheidend die Zurückhaltung der französischen Militärführung bei, die, da sie die deutschen Streitkräfte überschätzte, eine bewaffnete Aktion gegen Deutschland nur mit der Unterstützung Englands als möglich betrachtete. Die Ablehnung einer selbst initiierten Militäraktion gründete einerseits auf der Abneigung der Bevölkerung, die der Opfer des Ersten Weltkrieges eingedenk war, andererseits wirkte die Erinnerung an die Ruhrbesetzung von 1923 nach, bei der die Briten eine ablehnende Haltung eingenommen hatten. Gewichtiger 2 Frankreich seinerseits hatte mit Polen 1921 ein militärisches Bündnis geschlossen, das seine Wirkung durch den deutschpolnischen Pakt von 1934 verlor, wurde doch dadurch der beabsichtigte Klammergriff um Deutschland unmöglich. 3 1925 hatte in Locarno eine Konferenz auf Initiative des damaligen deutschen Aussenministers Gustav Stresemann stattgefunden. Dabei hatte Deutschland die Unverletzlichkeit der Westgrenze garantiert und die Defensivverträge Frankreichs mit Polen und der Tschechoslowakei anerkannt. 4 HILDEBRAND, Klaus: Das Dritte Reich. Oldenbourg Grundriss der Geschichte. Bd. 17. München, 1991. S. 29. Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen noch erschienen aber die innenpolitischen Spannungen in Frankreich, die durch eine starke Pazifismus-Bewegung nicht gerade kleiner wurden. In den Jahren 1938 bis 1940 überwand Frankreich unter der Regierung Daladier die innere Krise und erstarkte im Moment der nahenden militärischen Auseinandersetzung. 5 Trotzdem vergleicht Sebastian Haffner in seiner bildhaften Sprache den Blick, den Frankreich spätestens nach der Besetzung des Rheinlands auf seinen Nachbarn warf, mit dem eines „Kaninchens, das auf die Schlange starrt.“6 Instinktiv spürte Hitler das schleichende Schwachwerden Frankreichs in den 1930er Jahren und bezog es in sein Kalkül mit ein. Eine erste Umsetzung davon sollte der Anschluss Österreichs und die Lösung der Tschechoslowakei-Frage darstellen. Während ersterer 1938 ohne Gegenreaktion Englands und Frankreichs geschehen konnte, sollte letztere die Mächte nach München führen. Die Tatsache, dass das Münchener Abkommen von 1938 den Krieg nicht verhindert, sondern nur hinausgezögert hat, hat dazu beigetragen, dass man es zum Symbol des Rückzugs Englands und Frankreichs gemacht hat.7 Besonders schwerwiegend waren die Folgen des Münchener Abkommens für Frankreich. Mit erschütternder Eindeutigkeit hatte es seine Rolle als Garantiemacht des Bestehenden vor der Weltöffentlichkeit abgegeben. Frankreichs seit Versailles betriebene Bündnispolitik war gescheitert. Die ihm zugedachte Rolle nahm es nicht mehr wahr und verschanzte sich hinter der Schutz verheissenden Maginot-Linie. Die unternommene Anlehnung an die englische „Appeasement-Politik“ hatte zu einer Vertragsverletzung gegenüber der Tschechoslowakei geführt.8 Es erstaunt nicht, dass französische Historiker keine schonenden Worte für die in München vertretene 5 Siehe dazu: HEIMSOETH, Hans-Jürgen: Der Zusammenbruch der Dritten Französischen Republik. Frankreich während der „Drôle de Guerre“ 1939-1940. Bonn, 1990. S. 11 und S. 27-101; und: REMOND, France, S. 223. 6 HAFFNER, Sebastian: Anmerkungen zu Hitler. Frankfurt a. M., 1981. S. 83f. 7 Zum Ablauf, den Folgen und der Wertung der Münchener Konferenz siehe z. B.: CELOVSKY, Boris: Das Münchener Abkommen von 1938. Stuttgart, 1958; und: GRAML, Hermann: Europas Weg in den Krieg. Hitler und die Mächte 1939. München, 1990. S. 107-184. 8 In den Jahren 1935 bis 1939 verfolgte die britische Regierung unter der Führung von Aussenminister Chamberlain eine Politik der Beschwichtigung (engl. „Appeasement“); dabei versuchte sie durch Verhandlungen den Krieg zu vermeiden, da sie Rüstungskosten scheute und massvolle Revisionsforderungen der besiegten Mächte anerkannte. Auf diesem Hintergrund muss auch der Abschluss des deutsch-britischen Flottenabkommens von 1935 gesehen verstanden werden, das ein Flottenverhältnis von 35 zu 100 vorsah. Dieses trug zur Verunsicherung der französischen Einschätzung Englands bei. Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen Haltung Frankreichs finden. So wird der Ablauf der Konferenz mit einem „diplomatischen Blitzkrieg“ verglichen, der Ausgang gar als „diplomatisches Sedan“ für Frankreich bezeichnet, begründet durch diplomatische Feigheit.9 Das Münchener Abkommen muss somit als ein weiteres Glied in der Kette der Ereignisse gesehen werden, die den Rückzug Frankreichs aus Europa seit den frühen 1930er Jahren ankündigten. Es stellte aber nicht nur die französische Aussenpolitik vor der Weltbühne bloss, sondern führte auch zu einer schwerwiegenden Spaltung innerhalb des Landes. Anders als in England, wo der Jubel über die getroffene friedliche Lösung die Zweifler überstimmte, trennte die in München manifestierte und als „Geist von München“ bekannt gewordene uneingeschränkte Friedensbereitschaft die französische Bevölkerung in „munichois“ und „anti-munichois“ auf. Als Hitler am 1. September 1939 Polen angriff, nahmen England und Frankreich, wachgerüttelt durch das Beispiel der „Erledigung der Resttschechei“, ihre Bündnispflicht gegenüber Polen mit der Kriegserklärung an Deutschland vom 3. September 1939 wahr. Aus französischer Sicht verdient die Kriegserklärung besondere Beachtung. Auch wenn sich die Regierung unter Daladier der englischen Erklärung anschloss, so strebte sie nun doch auch aus eigenem Antrieb eine Politik der Härte und Entschlossenheit gegenüber Deutschland an. Die öffentliche Meinung unterstützte sie dabei. Gerade in den Monaten zwischen München und der Kriegserklärung kann ein Erstarken, ein „redressement“, in der französischen Haltung gegenüber Deutschland beobachtet werden. Anders als für den Ersten Weltkrieg konnten jedoch die Ziele des Kriegseintritts der Bevölkerung schwerer sichtbar gemacht werden, fehlte doch das Motiv einer Revanche oder Gebietsbesetzung. So wurde der Krieg von den Franzosen als ein Krieg aus Vernunft und Pflichtbewusstsein empfunden, der einem belastenden Zustand bald ein Ende setzen sollte. „Il faut en finir“ lautete die oft zitierte Losung in der Bevölkerung.10 Die 9 AZÉMA, Jean-Pierre: Munich. In: DERS./François BEDARIDA (éds.): 1938-1948 Les années de tourmente. De Munich à Prague. Dictionnaire critique. Paris, 1995. S. 855-864. Hier: S. 855f. 10 Vgl. dazu Haffners Interpretation (Anmerkungen, S. 84): „Das klang schon fast wie der Ruf nach der Niederlage!“. Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen Soldaten zogen daher ohne Enthusiasmus, ohne Hass, aber auch ohne Defätismus in den Krieg. Entgegen einer häufigen Darstellung ist Frankreich entschlossen in den Krieg eingetreten.11 Was nach der Kriegserklärung Frankreichs an der deutsch-französischen Grenze geschah, ist unter der Bezeichnung „Drôle de Guerre“ in die französische Geschichtsschreibung eingegangen. „Es war ein Krieg ohne Kampf, ohne Feuerlinie, ohne Tote.“12 Das Kriegserlebnis widersprach damit den Erwartungen der Soldaten. Für die französische Passivität sind drei Gründe zu nennen.13 Die französischen Militärstrategen erwarteten eine Kriegführung im Stile des Ersten Weltkrieges. Dabei kam der Infanterie eine Schlüsselstellung zu, wie eine Analyse der vom französischen Generalstab durchgeführten Manöver vor dem Krieg bestätigt. Die Bewegungslosigkeit an der Front stimmte mit der auf die Maginot-Linie gestützten Defensivstrategie überein. Ebenso lässt sich erkennen, dass die französische Seite nicht nur in strategischer Hinsicht, sondern auch durch die Erinnerung an die immensen Menschenopfer aus dem Ersten Weltkrieg zurückhaltend handelte – es musste unter allen Umständen das „kostbare französische Blut“ geschont werden. Im Glauben, zu spät mit der Aufrüstung begonnen zu haben, und in einer, wie sich erst später gezeigt hat, unbegründeten Überschätzung der deutschen militärischen Mittel wurde jeder Offensivkrieg von der französischen Führung abgelehnt. Unterstützt wurde diese Einschätzung der Lage von der Überzeugung, die Zeit laufe für die Alliierten und eine Wirtschaftsblockade würde deren Position stärken. „Nous vaincrons parce que nous sommes les plus forts“, so lautete die durch die französischen Propaganda verbreitete Meinung. Ein weiterer Grund für das passive Verhalten waren die zwischen England und Frankreich bestehenden Zwistigkeiten bezüglich des Vorgehens. So fehlte eine einheitliche Linie zwischen den Bündnispartnern, die für ein gemeinsames Losschlagen gegen Deutschland so 11 BEDARIDA, François: Drôle de guerre. In: AZEMA, Jean-Pierre/DERS. (éds.): 1938-1948 Les années de tourmente. De Munich à Prague. Dictionnaire critique. Paris, 1995. S. 31-41. Hier: S. 33. 12 Ebd., S. 31. 13 AZEMA/BEDARIDA, Années noires, t. 1, S. 43-48. Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen wichtig gewesen wäre. Wie sich später im Westfeldzug zeigen sollte, enthielt die englisch-französische Strategie zwei grundlegende Fehler: Sie überliess dem Gegner die Initiative zur Aktion, und sie basierte auf der Annahme von dessen Passivität. Wie entwickelte sich aber Frankreichs Innenpolitik während des Sitzkrieges und wie wirkte sich die stehende Front auf die mobilisierten Soldaten und die Bevölkerung aus? Die Untersuchung dieses Zusammenhangs ist wichtig, da er von der Forschung neben anderen als entscheidende Ursache für den raschen Zusammenbruch Frankreichs während des Westfeldzuges betrachtet wird. Die innenpolitische Landschaft Frankreichs während des Sitzkrieges ist von einem eigentlichen „Zerfall der Republik“ gekennzeichnet.14 Um diesen zu erklären, sind drei Faktoren zu betrachten. Daladier hatte eine Regierung aufgebaut, die zu wenige zum Krieg entschlossene Politiker enthielt. Er selbst war zwischen Entschlussfreudigkeit und Laxismus hin- und hergerissen. War der vor München so weit verbreitete Pazifismus auch geschwunden, so fand er doch in Kreisen um die Minister Pierre Laval und Georges Bonnet Anhänger, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Zusätzlich beinhaltete er nun aber einen Hang zum Defätismus. Wohl Depression“.15 Als nicht grundlos dritter spricht zersetzender Burrin Faktor von muss einer die „pazifistischen Haltung der Kommunistischen Partei Frankreichs erwähnt werden. Unterstützte sie bis anhin die Bereitschaft der Regierung zu einem militärischen Vorgehen gegen Deutschland, so vollzog sie nach dem Abschluss des deutsch-russischen Nicht-Angriffspakts vom 23. August 1939 auf Weisung Moskaus eine Kehrtwende und verurteilte den Krieg nun als imperialistisch und ungerecht. Die ausbleibenden Kriegshandlungen bewirkten auch bei den mobilisierten Soldaten zerstörerische Langeweile, ein Einschlafen der Kriegsenergie und eine Lähmung der Verteidigungsbereitschaft. In ihren Augen verlor sich die Bedeutung und Legitimation des Krieges im Laufe der ungenützt 14 15 HEIMSOETH, Zusammenbruch der Dritten Französischen Republik, S. 12. BURRIN, L’heure allemande, S. 44. Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen verstreichenden Zeit. „A quoi bon?“ – diese Fragen stellten sich viele Franzosen, die an der Grenze nach einem imaginären Feind Ausschau hielten. Es entstand der Wunsch nach Normalität und Friede, nach Rückkehr in den Alltag. Neben dem fehlenden Feindkontakt ist die praktizierte Politik des Abwartens als einer der Hauptgründe für die Zersetzung der Wehrmoral anzusehen. Es trifft sicher zu, dass der Sitzkrieg den Willen Frankreichs stark geschwächt und dem zum Handeln bereiten Kriegsgegner eine günstige Ausgangslage für den entscheidenden Schlag geschaffen hat. Heimsoeth beurteilt in seinem Fazit die französische Situation kurz vor dem Westfeldzug so: „Die französische Regierung war zwar imstande, den Krieg zu erklären, aber nicht die Belastungen, die er mit sich brachte, dann auszuhalten.“16 1.2 Die „dunklen Jahre“ 1940-1944 Der taktische Plan des Sichelschnittes und die damit verbundene Zweiteilung des Westfeldzuges wie auch die einzelnen militärischen Aktionen des Frankreichfeldzuges sind von der Forschung eingehend untersucht worden.17 Hier sind die Betrachtungen den Folgen gewidmet, die sich aus der militärischen Niederlage für Frankreich ergeben haben. Die brutale Zerschlagung der französischen Armee bedeutete für das ganze Land eine Katastrophe. Der militärische Zusammenbruch hatte auch für die Bevölkerung verheerende Folgen. Die deutlichste war ihr Exodus in der ersten Junihälfte 1940 aus den nördlichen Gebieten in Richtung Süden. Der „Auszug“ hat die kollektive Erinnerung an das „Debakel“ geprägt und in den Augen der Militärführung auch die Bitte um einen Waffenstillstand legitimiert. Von seiner eigenen Geschichte ermattet, hatte Frankreich dem an Kriegsbereitschaft und Kampffähigkeit weit überlegenen Gegner nichts entgegenzuhalten. 18 Sowohl der 16 HEIMSOETH, Zusammenbruch der Dritten Französischen Republik, S. 364. Eine ausführliche Darstellung des Westfeldzuges aus der Sicht nicht-französischer Historiker ist unlängst erschienen: VAÏSSE, Maurice (dir.): Mai-Juin 1940. Défaite française, victoire allemande, sous l’œil des historiens étrangers. Paris, 2000. Siehe auch: FRIESER, Karl-Heinz: Blitzkrieg-Legende: der Westfeldzug 1940. München, 1995. 18 Die Niederlage, die in der französischen Geschichtsschreibung mit einem „débâcle“ oder auch „désastre“ verglichen wird, hat zu einer Fülle von Interpretationen Anlass gegeben. In keiner der Gesamtdarstellungen des Zweiten Weltkrieges für Frankreich 17 Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen Gegner als auch alle Verbündeten waren vom Kriegsverlauf sehr überrascht. Bedeutend für die Zukunft des Landes war aber nicht nur der Zusammenbruch der Maginot-Konzeption, sondern auch das Wegfallen einer politisch-ideologischen Mauer, die bis anhin das Land zusammengehalten hatte. Die Frage nach der Schuld an der Niederlage wurde unmittelbar nach 1940 nicht nur heftig diskutiert, sie war auch Gegenstand eines von der Vichy-Regierung angestrengten Prozesses in Riom. Dort wurde im Februar 1942 die Schuld vor allem der Unfähigkeit der politischen Führung angelastet; die militärische Verantwortung, als minimal beurteilt, hatte der beim Beginn der Offensive abgesetzte Generalstabschef Gamelin zu tragen.19 Aus heutiger Sicht wird die Niederlage der anachronistischen französischen Militärstrategie zugeschrieben.20 Es ist aber wichtig darauf hinzuweisen, dass die moderne Forschung jede monokausale Erklärung der Niederlage ablehnt. Insbesondere erscheint eine Begründung der Niederlage durch die vorausgegangene „Drôle de Guerre“ im Sinne eines Schlusses „post hoc, ergo propter hoc“ zu einfach. Die Annahme Hitlers, England wäre nach der Niederlage Frankreichs bereit, in eine Verständigung mit Deutschland einzulenken, erwies sich als falsch. Unter dieser Voraussetzung müssen die Aushandlung und der Abschluss des Waffenstillstandsvertrags mit Frankreich betrachtet werden. Die darin im Vergleich mit anderen besetzten Staaten zum Ausdruck kommende mässigende Grundhaltung ist vor allem so zu deuten, dass das Deutsche Reich gegenüber England seine Bereitschaft zu einer Verständigung weiterhin signalisieren und damit eine Auftrennung des Bündnisses zwischen Frankreich und England erreichen wollte. Neben den politischen und militärischen mussten für Hitler aber vor allem wirtschaftliche und territoriale Ziele durch den Waffenstillstand verfolgt und durchgesetzt werden. Frankreich sollte durch eine Integration in das von fehlt daher das Kapitel, das sich eingehend mit ihr befasst. So z. B.: HOFFMANN, Stanley: Le Trauma de 1940. In: AZÉMA/BÉDARIDA, Années noires, t. 1, S. 131-150; RÉMOND, France, S. 297-301; oder auch: AMOUROUX, Grande Histoire, t. 1, S. 61-89. 19 Siehe dazu: MICHEL, Henri: Le Procès de Riom. Paris, 1979. 20 Siehe dazu: AZÉMA/BÉDARIDA, Années noires, t. 1, S. 103-109. Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen Deutschland beherrschte Europa als kontinentale Wirtschaftsmacht zwar langfristig ausgeschaltet, seine Rohstoffe und Produktionskraft für die deutsche Kriegsindustrie aber sollten kurzfristig eingesetzt werden. Auf französischer Seite stand seit dem Rücktritt der Regierung Reynaud vom 16. Juni 1940 Marschall Philippe Pétain an der Spitze. 21 Dieser war am 16. Mai 1940 vom Ministerpräsidenten Paul Reynaud als Vizepräsident des Ministerrats in die Regierung aufgenommen worden. Als das „Debakel“ Frankreichs deutlich wurde, trat Pétain die Nachfolge Reynauds an und erfragte die deutschen Waffenstillstandsbedingungen. Noch am selben Abend richtete er in einer Radioansprache den berühmt gewordenen Aufruf an die französischen Truppen, die Kampfhandlungen zu unterbrechen: „C’est le cœur serré que je vous dis aujourd’hui: il faut cesser le combat.“22 Für die deutsche Seite entsprach der greise französische Staatschef dem idealen Verhandlungspartner: Er stellte den Vertreter und Verteidiger eines angestammten, von Traditionalisten dominierten Systems dar, das eine Eingliederung in das „Neue Europa“ suchte.23 Die deutsche Seite beabsichtigte ein „Niederhalten“ Frankreichs, das mit Pétain möglich schien. Die Taktik Hitlers lief darauf hinaus, Pétain im Glauben zu wiegen, er handle selbständig und diene den Interessen Frankreichs. Daher war es die erklärte Absicht Hitlers, in Pétain eine legale und von der französischen Bevölkerung akzeptierte Person als Ansprechpartner für Deutschland zu haben und zu erhalten. Durch das Prestige und die einigende Kraft des Siegers von Verdun sollte der vom Besatzer auszuübende Druck gemildert und die Bevölkerung empfänglicher dafür gemacht werden. Die Anwendung und Umsetzung des deutschen Besatzungssystems durch ein 21 Über Pétain als Person und Militär und seinen Einfluss auf die französische Politik (vor allem im Zusammenhang mit der französischen Kollaboration) siehe: DURAND, Yves: Le nouvel ordre européen nazi: La collaboration dans l‘Europe allemande 1938-1949. Bruxelles, 1990. S. 38-63; und: AMOUROUX, Grande Histoire, t. 2, S. 447-523. Zu Pétains Leben siehe die Biographie von: FERRO, Marc: Pétain. Paris, 1987. 22 Zitiert nach: ARON, Raymond: Chroniques de guerre. La France libre 1940-1945. Paris, 1945. S. 29. 23 Zu Pétain und dessen Rolle während der Waffenstillstandsverhandlungen siehe auch: UMBREIT, Hans: Auf dem Weg zur Kontinentalherrschaft. In: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Bd. 5/1. Kriegsverwaltung, Wirtschaft und personelle Ressourcen 1939-1941. Hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt. Stuttgart, 1988. S. 3-345. Hier: S. 338-342. Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen anerkanntes Machtorgan erlaubte bei geringsten Kosten eine optimale Ausbeutung des Landes. Ebenso ergab sich aus diesem Umstand heraus eine gewisse Sicherheit für die Besatzungsmacht: Der Widerstand im besetzten Gebiet wurde durch die Aufforderung der Regierung an die Bewohner, sich passiv zu verhalten, zumindest am Anfang der Besatzung weitgehend gebrochen. Welche Absichten verfolgte die französische Regierung mit ihrer Bitte um einen Waffenstillstand? Es ist dazu notwendig, Pétains Einschätzung der militärischen Niederlage und der damit verbundenen Folgen für Frankreich zu kennen. Aus der Haltung des 84jährigen Marschalls sprachen die Erfahrung des DeutschFranzösischen Krieges von 1871 und des Ersten Weltkrieges. Aus Pétains Rollenverständnis der Armee heraus (die Armee war die „heilige Arche“ der Nation) wuchs bei ihm die Überzeugung, dass mit der militärischen Niederlage auch der Krieg für Frankreich definitiv verloren war. Diese fatale Fehleinschätzung der Art, Bedeutung und Dauer des Krieges liess Pétain nach einem schnellen Friedensschluss streben. Er sah so eher die Möglichkeit gegeben, die Rolle Frankreichs bei der zu erwartenden „Neuen Ordnung Europas“ mitbestimmen zu können – eine zumindest kleine Eigenständigkeit sollte auf diese Weise dabei bewahrt werden. Durch ein partnerschaftliches Verhandeln mit Deutschland sollte die Sieger-Verlierer-Situation günstig beeinflusst werden. Die meisten dieser Erwartungen und Hoffnungen erwiesen sich spätestens bei Abschluss des Waffenstillstandes und der anschliessenden Besetzung Frankreichs als Illusion und führen in der modernen französischen Geschichtsschreibung zur Verurteilung der Politik Pétains: „Im Glauben, die Interessen Frankreichs zu bewahren, hat Pétain die französische Souveränität und seine Einheit auf schimpfliche Weise kompromittiert. In der Tat hat er den Interessen der Nazis besser gedient, als es eine faschistische Regierung hätte tun können.“24 24 DURAND, Nouvel Ordre, S. 63. Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen Auf dem Hintergrund dieser unterschiedlichen Erwartungshaltungen begannen die Waffenstillstandsverhandlungen. Am Abend des 22. Juni 1940 lag der nach zahlreich unternommenen Rücksprachen beider Regierungen ausgehandelte Waffenstillstandsvertrag reif zur Unterschrift vor.25 Die für die Zukunft Frankreichs wichtigen Artikel betrafen die Errichtung der „Demarkationslinie“ (Art. 2), die künftige Zusammenarbeit der deutschen Militär- und der französischen Zivilverwaltung (Art. 3), die Regelungen für die französischen Kampfverbände (Art. 4-10), insbesondere der Flotte, die Unterhaltszahlungen an die deutschen Truppen (Art. 18) und die Auslieferung deutscher Kriegsgefangener und internierter Personen (Art. 19). Der Vertrag wurde am 22. Juni von den beiden Delegationsführern unterzeichnet und trat am 25. Juni in Kraft.26 Mit dem Inkrafttreten des Waffenstillstandes wurde das kontinentale Frankreich durch eine „Demarkationslinie“ in eine besetzte und unbesetzte Zone aufgeteilt. Die Errichtung dieser Linie war die einschneidendste und für die französische Bevölkerung schwerwiegendste Folge der deutschen Besatzung. Flächenmässig teilte die Linie das Gebiet zu einem Drittel der unbesetzten, zu zwei Dritteln der besetzten Zone zu. Die Bewachung der Linie, zu der auch eine strenge Personenkontrolle gehörte, oblag allein der deutschen Truppe. Bezüglich ihrer Funktion und ihrem Erpressungswert kam die Linie einem „Knebel“ gleich, mit dem die Besatzer die französische Regierung beliebig unter Druck setzen konnten.27 Neben dieser Trennung kam es zu weiteren bedeutenden Veränderungen in der Geographie Kontinentalfrankreichs: Eine „Nord-Ost-Linie“, auch „Grüne“ oder „Führerlinie“ genannt, diente im Nordosten Frankreichs der Einrichtung eines Sperrgebiets („zone interdite“) für die französische Bevölkerung. Das für die Industrie so wichtige Departement Nord wurde dem Militärbefehlshaber in Nordfrankreich und 25 Zum detaillierten Ablauf der Verhandlungen siehe: BÖHME, Hermann: Der deutsch-französische Waffenstillstand im Zweiten Weltkrieg. Bd. 1. Entstehung und Grundlagen des Waffenstillstandes von 1940. Stuttgart, 1966. S. 48-68. 26 Gemäss einer Klausel im Vertrag wurde dieser erst gültig, nachdem die französische Regierung auch einen entsprechenden Waffenstillstand mit Italien ausgehandelt hatte; dies geschah am 24. Juni in Rom. Der vollständige Wortlaut des deutschfranzösischen Vertrages findet sich im Anhang 2, S. 120-121. 27 Siehe dazu die ausschliesslich der „Demarkationslinie“ gewidmete Darstellung von: ALARY, Erich: La ligne de démarcation 1940-1944. Paris, 1995. Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen Belgien unterstellt, ebenso das für die Kriegsführung gegen England strategisch wichtige Departement Pas de Calais.28 Die beiden Departemente Haut- und BasRhin sowie Moselle wurden von Pétain als unvermeidbarer Minimalpreis für den Waffenstillstandsvertrag angesehen. Obwohl im Vertrag nicht explizit auf die Zuordnung der Departemente eingegangen wurde, musste die französische Seite ein Übergehen dieser Gebiete an das deutsche Reich annehmen. In der Tat wurden diese dann auch in das deutsche Territorium durch eine de facto-Annexion eingegliedert, und die „Germanisierung“ des Gebiets setzte sofort ein.29 Der Waffenstillstandsvertrag stellte ein militärisches Abkommen dar. Die Waffenstillstandskommission war als rechtliche Verbindung beider Länder vorgesehen, ohne dass aber diplomatische Beziehungen auf dieser Ebene eingegangen wurden.30 Zu Beginn der Besatzung unterstand die Militärverwaltung einem „Chef der Militärverwaltung“, anschliessend einem „Militärbefehlshaber in Frankreich“. Als Form der Verwaltung war eine Aufsichtsverwaltung vorgesehen, die sich in „parasitärer“ Form über den französischen Behördenapparat legen sollte. Die Organisation und Umsetzung der Verwaltung wurde durch einen aufwändigen Kommando- und einen Verwaltungsstab wahrgenommen. Das zu verwaltende Gebiet wurde vom Militärbefehlshaber in 4 grössere Abschnitte aufgeteilt. Diesen Bezirken waren wiederum je ein Verwaltungs- und ein Kommandostab zugeteilt, deren Aufbau im wesentlichen den entsprechenden Stäben des Militärbefehlshabers entsprach. Auf den Feld- und ihnen unterstellten Kreiskommandanturen lag der eigentliche Schwerpunkt der deutschen Verwaltungsarbeit. Die Kommandanten übten hier die Aufsicht über die französische Verwaltung aus und amteten auch als 28 Der Verlauf der genannten Linien ebenso wie die Grösse der abgetrennten Gebiete kann der Karte im Anhang 3, S. 122, entnommen werden. 29 Zur Errichtung der deutschen Herrschaft in diesen Gebieten und der damit verbundenen Vertreibung von Bevölkerungsteilen siehe auch die Darstellungen von: AMOUROUX, Grande Histoire, t. 2, S. 549-560; und: JÄCKEL, Eberhard: Frankreich in Hitlers Europa. Die deutsche Frankreichpolitik im Zweiten Weltkrieg. Stuttgart, 1966. S. 75-84. 30 Die Kommission hatte unter dem Vorsitzenden, General der Infanterie Carl-Heinrich von Stülpnagel, vom Sommer 1940 bis Anfang 1941 Sitz in Wiesbaden genommen. Von französischer Seite wurde als Befehlsempfänger und Verbindung zur französischen Regierung eine Delegation unter General Huntziger nach Wiesbaden abgestellt. Auch in Paris wurde von der Vichy-Regierung eine französische Generaldelegation eingesetzt, die den zähen Austausch von Regierungskontakten mit Deutschland erleichtern sollte. BÖHME, Waffenstillstand, S. 235. Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen Gerichtsherren für die stationierten deutschen Truppen und die ansässige Zivilbevölkerung.31 durchzusetzen, Sie das übernahmen, französische um die zentralistische militärische Vorbild. Territorialhoheit Den eigentlichen Besatzungstruppen kam aufgrund ihrer zahlenmässig schwachen Präsenz und der sich daraus ergebenden kleinen Kampfkraft nur eine geringe Bedeutung zu. Die Interessen des Reichs setzte der Militärbefehlshaber in Frankreich durch, indem er die zur Verwaltung erforderlichen Massnahmen veranlasste und diesen Bemühungen widersprechende verhinderte. Dazu gehörten neben vielen anderen die Einrichtung und Kontrolle der erwähnten „Demarkationslinie“ und der Sperrzone wie auch die Aufgliederung des unterstellten Gebietes in Verwaltungsbezirke, Kreis- und Ortskommandanturen und deren Aufsicht. Die Durchsetzung der bedeutenden wirtschaftlichen Interessen übernahm die eigens dazu eingesetzte Abteilung Wirtschaft des Verwaltungsstabes. Die dem Militärbefehlshaber zur Verfügung stehenden Einflussmittel waren verschiedene Kontrollorgane, ein Informationsdienst, Genehmigungsvorbehalt und nicht zuletzt die Personalpolitik. Aus der Vielzahl der an ihn übertragenen Aufträge lässt sich die Bedeutung, aber auch die kaum zu erfüllende Aufgabe des Militärbefehlshabers erahnen. Seine Funktion war deshalb eine schwierige und undankbare Aufgabe: „Für den Militärbefehlshaber ergab sich (dabei) die Notwendigkeit, der französischen Regierung gegenüber die Verantwortung für Massnahmen übernehmen zu müssen, die er selbst ablehnte oder bekämpfte. Die Militärverwaltung konnte ebenfalls nicht verhindern, dass zahlreiche Reichsbehörden und private Vereinigungen selbständig im besetzten Frankreich arbeiteten und mit den Landesbehörden oder mit nichtstaatlichen Stellen Abreden trafen, die ihren eigenen Absichten zuwiderliefen.“32 31 Zur Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit in der besetzten Zone siehe: UMBREIT, Kontinentalherrschaft, S. 175-183. UMBREIT, Hans: Der Militärbefehlshaber in Frankreich 1940-44. Wehrwissenschaftliche Forschungen. Abteilung Militärgeschichtliche Studien. Bd. 7. Hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Freiburg. Boppard, 1968, S. 16. Umbreit (ebd., S. 84) vergleicht den Ansturm von Vertretungen verschiedener Stellen aus Berlin mit einer „Invasion offizieller Touristen“. Böhme (Waffenstillstand, S. 167) spricht von einem „bunten Mosaik“ an militärischen und nichtmilitärischen Fachstellen in Paris und der besetzten Zone. Zu den Aufgaben des Militärbefehlshabers in Frankreich gehörte auch die Widerstandsbekämpfung. Siehe dazu: MEYER, Ahlrich: Die deutsche Besatzung in Frankreich 1940-1944. Widerstandsbekämpfung und Judenverfolgung. Darmstadt, 2000. 32 Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen Auf deutscher Seite stellten die Wirtschaftsfragen und -verhandlungen das Hauptinteresse dar. Hier erwies sich die Delegation als unnachgiebig und nützte ihre momentane Überlegenheit als Sieger gegenüber einem geschlagenen Gegner rücksichtslos aus.33 In der Tat scheuten sich die Deutschen nicht, ihre Position auszuspielen, was sich u. a. in der bedingungslosen Einforderung der Unterhaltszahlungen für ihre Truppe und der Lebensmittelrationierung für die französische Bevölkerung zeigte: „Nicht Partner, sondern Lieferanten sollten die Franzosen für die deutschen Kriegsanstrengungen im Osten sein.“34 Die wirtschaftliche Ausnützung der besetzten Zone scheint sogar so weit über die Waffenstillstandsbedingungen hinausgegangen zu sein, dass der Militärbefehlshaber in einem Brief an den Chef des Wehrmachtführungsstabes Jodl im September 1940 offen bekundete, dass „man einer Kuh, die Milch geben soll, Futter geben muss.“35 Für die breite Masse der Franzosen war die Besatzung vor allem eine Periode der Entbehrungen und Einschränkungen.36 Für den Betrachter dieser Zeit, der diesen Alltag nicht selbst erlebt hat, ist es schwierig, die weitreichenden Eingriffe der Besatzung auf das tägliche Leben nachzuvollziehen. Das zur Verfügung stehende Zahlenmaterial ist nur bedingt aussagekräftig und der heutige Lebensstandard zu unterschiedlich im Vergleich. Die Rationierung von Gebrauchswaren wurde zwischen Sommer 1940 und Frühling 1941 fortlaufend erweitert. Sie betraf nicht nur Nahrungsmittel, Tabak oder Wein, sondern auch Kleidung, Schuhe und Heizmaterial. Was die Nahrungsmittel betrifft, wurde fast alles rationiert: Brot, Teigwaren, Zucker im August 1940; Butter, Käse, Fleisch, Kaffee, Eier und Früchte im Juli 1941, später auch Milch, Wein und Kartoffeln. Um diese Produkte kaufen zu können, wurden von den französischen Behörden persönliche, der Einstufung nach Alter und Arbeit entsprechende Rationierungsmarken an die Bevölkerung abgegeben. Jeden Monat 33 Eine ausführliche Beschreibung der Tätigkeit des Militärbefehlshabers auf wirtschaftlichem Gebiet liefert: UMBREIT, Militärbefehlshaber, S. 264-294. 34 KNIPPING, Franz: Die deutsche Frankreichpolitik 1940-1942. In: CARLIER/MARTENS, La France et L’Allemagne en guerre, S. 250. 35 Zitiert nach: JÄCKEL, Frankreich, S. 95. 36 Siehe dazu die Darstellung von: VEILLON, Dominique: Vivre et survivre en France 1939-1947. Paris, 1995. Zum Alltag in Paris siehe insbesondere: MICHEL, Paris allemand, S. 209-252. Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen wurden dann von den für die Versorgung verantwortlichen Dienststellen die Mengen, die den Marken entsprachen, festgelegt. Die Annahme, die ländlichen Gegenden seien unter der Besatzung ein Paradies gewesen, ist falsch. Sicher war die Landbevölkerung im Vergleich zu den Stadtbewohnern im Vorteil und musste nicht Hunger leiden. Aber auch sie war gezwungen, auf Importprodukte wie Kaffee oder industriell hergestellte Güter zu verzichten. Aufgrund der immer kleiner werdenden Nahrungsmittelrationen entwickelte sich bald ein reger Güteraustausch zwischen Stadt und Land, der die reguläre Abgabe von Nahrungsmitteln in der Stadt ergänzte. Es erstaunt kaum, dass bald ein blühender Schwarzmarkt entstand. Als eigentlicher Untergrundhandel wurde er bald von Einzelpersonen in kleinem Massstab betrieben, bald von Organisationen in grossem Rahmen aufgezogen. Die Regierungsbildung in Vichy37 zu Beginn Juli 1940 war geprägt von der drückenden Last der Niederlage. Der Angriff von Mers el-Kebir38 fügte dieser ohnehin schon aufgeladenen Atmosphäre noch eine antibritische Komponente hinzu. Am 10. Juli 1940 stellte Pierre Laval als stellvertretender Ministerpräsident die Verfassungsreform der Nationalversammlung vor. Im grossen Theatersaal des Kasinos von Vichy wurde jene Verfassung von 569 der 672 anwesenden Abgeordneten angenommen, die „der Regierung der Republik, unter der Verantwortung und Federführung des Herrn Marschall Pétain, unbeschränkte Vollmachten [gab], mit dem Ziel, durch einen oder mehrere Erlasse die neue Verfassung des „Etat français“ zu verkünden.“39 Wenn die neue Verfassung auch „die Rechte von Arbeit, Familie und Vaterland garantieren“ sollte, so liessen die Erklärungen Lavals unwillkürlich auch an einen vierten Begriff denken, der im Programm der zukünftigen Regierung gut seinen Platz gefunden hätte: an den 37 Die Ausführungen zur Vichy-Regierung gehen auf folgende Darstellungen zurück: ARON, Robert: Histoire de Vichy 19401944. Paris, 1954; AZEMA, Jean-Pierre: Le Régime de Vichy et les Français. Paris, 1992; BARUCH, Marc Olivier: Das VichyRegime. Frankreich 1940-1944. Aus dem Französischen übersetzt von Birgit Martens-Schöne. Für die deutsche Ausgabe bearbeitet von Stefan Martens. Stuttgart, 1999; und: PAXTON, Robert O.: La France de Vichy 1940-1944. Préface de Stanley Hoffmann. Traduit de l’anglais par Claude Betrand. Paris, 1972. 38 Um ein Übergehen der französischen Flotte an Deutschland zu verhindern, bombardierte die englische Royal Navy am 3. Juli die im Hafen von Mers el-Kebir (Algerien) vor Anker liegende Flotte. Dabei kamen 1147 französische Offiziere und Matrosen um. 39 Zitiert nach: BARUCH, Vichy-Regime, S. 34. Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen Begriff der Autorität. Das wurde schon am folgenden Tag klar, als Marschall Pétain durch „konstitutionelle Akte“ seine eigenen Machtbefugnisse festlegte. Es waren die eines Diktators. Mit einem einzigen Satz – „Wir, Philippe Pétain, Marschall von Frankreich, erklären laut Verfassungsgesetz vom 10. Juli 1940, dass wir die Funktion des Staatschefs des „Etat français“ ausüben“ wurde der neue französische Staat gegründet.40 Das Ende der Republik vollzog sich nicht nur faktisch, indem ihr unauffälliger Präsident, Albert Lebrun, zurücktrat, sondern auch in symbolischer Hinsicht: Das Porträt des Marschalls Pétain ersetzte das der „Marianne“ auf den Briefmarken ebenso wie an den Wänden der Klassenzimmer. Innerhalb weniger Wochen erreichte diese Personifizierung der Macht ihren Höhepunkt, und die Franzosen wurden dazu aufgefordert, denjenigen zu verehren, der „seine Person geopfert hatte“ für das Volk, das „die Rückkehr zu nationaler Eintracht, die Aussöhnung in Gleichheit, die Sicherung der Ordnung, die Garantie eines wirksamen Schutzes“ erwartete.41 Bereits am 25. Juni 1940, als er über den Rundfunk die Bedingungen des Waffenstillstandes verkündet hatte, hatte Pétain Frankreich zu einer „intellektuellen und moralischen Erneuerung“ aufgefordert. Frankreich zu erneuern, schloss für das Regime die Notwendigkeit ein, gegen das „Anti-Frankreich“ zu kämpfen, das bereits in der Vorkriegszeit von den Gruppierungen der äussersten Rechten angeprangert worden war. Es machte sich nun die Entschlossenheit eines Maurras zu eigen, gegen die „états confédérés“, unter ihnen „der Jude, der Freimaurer, das Ausländerpack“ zu kämpfen.42 Unter den allerersten Massnahmen des „Etat français“ gab es daher viele, die den zwanghaften Willen verrieten, Frankreich wieder den Franzosen zurückzugeben.43 Die Ablehnung des Anderen wurde besonders deutlich, 40 Zitiert nach: Ebd., S. 33f. Zitiert nach: Ebd., S. 34. 42 Ebd. 43 In seiner ideologischen Ausrichtung orientierte sich das Vichy-Regime stark an der „Action Française“ von Charles Maurras (1868-1952). Dieser vertrat die Meinung, dass Demokratie zu Dekadenz führe. Die durch die Demokratie geschwächte Republik konnte den Primat des nationalen Interesses nicht durchsetzen. Indem er die Errungenschaften der Französischen Revolution vollständig ablehnte, verfocht er einen „integralen Nationalismus“, d.h. das Modell einer erblichen, katholischen, antidemokratischen und -parlamentarischen Monarchie, um die Einheit der Nation zu gewährleisten. Um diese Idee politisch 41 Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen als das Gesetz vom 3. Oktober 1940, das „Judenstatut“, bekannt gegeben wurde. 44 Zwar hatten die deutschen Behörden bereits am 27. September in der besetzten Zone antijüdische Massnahmen ergriffen, doch man weiss heute mit Sicherheit, dass sie keine vergleichbaren Massnahmen in der freien Zone verlangt hatten. Die entscheidenden Gründe für dieses Gesetz waren daher allein die Suche nach einem Sündenbock sowie vor allem der Antisemitismus der Machtelite in Vichy. Dieses Gesetz war nur das erste in einer Reihe von mehr als zwanzig Bestimmungen, die, gestützt auf das im März 1941 gegründete Generalkommissariat für Judenfragen, alles daran setzten, die Juden aus dem ökonomischen und sozialen Leben des Landes zu verdrängen. Die „Nationale Revolution“ konnte nun den eigentlichen Teil des Programms, nämlich den Aufbau der nationalen Gemeinschaft, in Angriff nehmen. Diese war, wie es die Devise des neuen Staates ankündigte, zugleich die Gemeinschaft der Arbeit, der Familie und des Vaterlandes und sollte in einer autoritären Regierungsform ihren Ausdruck finden. Wie Pétain in seiner programmatischen Rede vom 11. Oktober 1940 erklärte, konnte sich die französische Gemeinschaft nur durch und in der Arbeit erneuern, deren Organisation einen festen Rahmen erhalten sollte. Als ein Regime, das den Wert des Bodens in den Vordergrund stellte, als ein militärisches Regime, als ein Regime, das hauptsächlich von der Rechten und der extremen Rechten getragen wurde, kannte Vichy die Welt der Arbeiter kaum und schätzte sie auch nicht sehr, weil es sie mit dem Kommunismus und mit den Streiks vom Sommer 1936 assoziierte. Es lehnte den Klassenkampf ab, der als eine ausländische Doktrin dargestellt wurde, der zu Ungehorsam auffordere und Konflikte auslöse, stellte sich durchzusetzen, übernahm er um 1900 die noch junge nationalistische Bewegung „Action française“ und verwandelte deren Parteizeitung in eine einflussreiche gleichnamige Tageszeitung, die sich an ein nationalistisch und antisemitisch gesinntes Publikum richtete. Nach der Niederlage von 1940 begrüsste die „Action française“ die Machtübernahme von Pétain als „göttliches Geschenk“ und unterstützte das Vichy-Regime unerschütterlich. Aus: JULLIARD, Jacques/Michel WINOCK (éds.): Dictionnaire des intellectuels français. Paris, 1996. S. 39-40 und 773; und: BERSTEIN, Gisèle/Serge BERSTEIN: Dictionnaire historique de la France contemporaine. Tome 1: 1870-1945. Paris, 1995. S. 3-5. 44 Darin wurde aufgrund der Vorfahren festgelegt, wer als Jude galt. Das erste Judenstatut verbot den Juden, öffentliche Ämter (z. B. in der Verwaltung) zu bekleiden. Ein zweites Judenstatut vom 2. Juni 1941 schloss sie dann von der Finanz- und Handelswelt aus. Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen aber gleichzeitig auch gegen den egoistischen und sterilen reinen Kapitalismus, der nur auf Profit bedacht sei. Da das Regime überzeugt war, dass die eigentliche Ursache für die französische Niederlage in der Schwäche des Staates lag, wollte es ihn von Grund auf neu gestalten. Vichy legte von Anfang an besonderen und nachdrücklichen Wert darauf, Ausmass und Inhalt seiner Souveränität über das gesamte nationale Territorium hervorzuheben, und glaubte, durch die Staatskollaboration dem Würgegriff zu entkommen, in dem es die Bedingungen des Waffenstillstandes hielten.45 Um die Grundlagen einer solchen Aussenpolitik zu schaffen, begab sich Pétain am 24. Oktober 1940 zu einem Treffen mit Hitler nach Montoire. Dabei ging es auf französischer Seite um die Konkretisierung und Weiterplanung der Zusammenarbeit mit Deutschland. Die Unterrichtung der Bevölkerung über die Resultate geschah in der berühmt gewordenen Rede Pétains vom 30. Oktober 1940, in der er die Ziele der Aussenpolitik Vichy-Frankreichs so darstellte: „C’est librement que je me suis rendu à l’invitation du Führer. Je n’ai subi, de sa part, aucun Diktat, aucune pression. Une collaboration a été envisagée entre nos deux pays. J’en ai accepté le principe. Les modalités en seront discutées ultérieurement […] C’est dans l’honneur et pour maintenir l’unité française, une unité de dix siècles, dans le cadre d’une activité constructrice du nouvel ordre européen, que j’entre aujourd’hui dans la voie de la collaboration […] Cette politique est la mienne. Les ministres ne sont que responsables devant moi. C’est moi seul que l’histoire jugera. Je vous ai tenu jusqu’ici le langage d’un père: je vous tiens aujourd’hui la langage du chef.“46 Pétain beabsichtigte also durch die Bereitschaft zur „collaboration“ die Einheit Frankreichs zu wahren und diese in ein „Neues Europa“ mit einzubringen. Als Gegenleistung erhoffte er sich Fortschritte in der Kriegsgefangenenfrage, Erleichterungen unter der deutschen Verwaltung der besetzten Zone, namentlich für 45 46 Zur Kollaboration Frankreichs mit Deutschland siehe den Exkurs „Staatskollaboration“ im Anhang 5, S. 124-126. Aus der Rede Pétains vom 30. Oktober 1940. Zitiert nach: DURAND, France, S. 47f. Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen die Handhabung der „Demarkationslinie“ und für die Entrichtung der Unterhaltszahlungen an die deutsche Truppe sowie eine Verbesserung der Versorgungslage des Landes. Er war entschlossen, um jeden Preis auf französischem Boden zu bleiben, und es blieb bis zum Schluss die Zwangsvorstellung von Vichy, die Souveränität über das gesamte nationale Territorium zu bewahren. Das ist einer der Schlüssel, um den Entwicklungsprozess zu verstehen, der vom Kompromiss über die Kompromittierung schliesslich in die vollständige Unterwerfung des französischen Staates unter seinen nationalsozialistischen Bezwinger führte. Auf deutscher Seite ging es Hitler in Montoire darum, die französische Beteiligung an einem Krieg gegen England oder zumindest die Beibehaltung des Status Quo zu erreichen. Ein zweites Ziel war die Schliessung des nur ungenügend abgesicherten Zugangs nach Europa über Nordafrika und den Mittelmeerraum. Mit Frankreichs Unterstützung in seinen Kolonialbesitzungen an der nordafrikanischen Küste sollte nun die „Hintertür Europas“47 geschlossen werden. Der November 1942 wird allgemein als der Zeitpunkt angesehen, in dem Hitler die Initiative in Westeuropa als Folge der Alliierten-Landung in Nordafrika verloren hat.48 Diese hatte eine umso grössere Wirkung, als sie zeitlich mit der Einkreisung von 22 deutschen, italienischen und rumänischen Divisionen in Stalingrad zusammenfiel. Die Einkesselung leitete die erste deutsche Niederlage an der russischen Front ein, die am 31. Januar 1943 durch die Kapitulation von Feldmarschall Paulus und der 6. Armee Tatsache wurde. Aus der Sicht Vichys war der Vorstoss der Alliierten in Nordafrika katastrophal. Am 11. November besetzten die Deutschen die vormals unbesetzte Zone im Süden Frankreichs und entwaffneten die kleine, Vichy zugestandene Waffenstillstandsarmee. Als die deutschen Truppen die in Toulon stationierte französische Flotte übernehmen wollten, versenkte sich 47 JÄCKEL, Frankreich, S. 107. Zur Darstellung dieses Kapitels dient der Aufsatz von: PAXTON, Robert O.: La coupure décisive pour Vichy (novembre 1942). L’État français vassalisé. In: AZEMA/BEDARIDA, Années noires, t. 2, S. 7-29. 48 Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen diese am 26. November selbst. Damit waren dem Vichy-Regime zwei seiner wesentlichen Legitimierungsmotive genommen: Weder konnte es noch länger wenigstens einem Teil der französischen Bevölkerung die direkte Besatzung ersparen noch war es ihm möglich, eine französische Armee zu befehligen, welche die Verteidigung der kolonialen Besitzungen garantiert hätte. Wenn auch die Alltagsbedingungen der Franzosen durch die veränderte Lage in Europa noch schlechter wurden, so verfehlten die Ereignisse ihre Wirkung auf die französische Bevölkerung nicht: Eine deutsche Niederlage war mindestens denkbar geworden.49 In ihrem Ursprung ist die französische Widerstandsbewegung gegen die Besatzungsmacht auf einzelne Gruppierungen zurückzuführen, die den Waffenstillstand vom Juni 1940 nicht anerkannten und entschlossen waren, den Kampf gegen Deutschland von aussen fortzusetzen.50 Sie entstand damit aus einem spontanen patriotischen Motiv heraus und verfolgte als politisches Ziel ursprünglich die Vertreibung der Deutschen aus Frankreich. Als erster Akt der RésistanceBewegung kann der Aufruf von General Charles de Gaulle am britischen Sender BBC vom 18. Juni 1940 an die Franzosen angesehen werden.51 Sehr unterschiedlich mutet dagegen der Widerstand in Frankreich selbst an. Ab 1940 kamen gegen die Besatzungsmacht nur vereinzelte Sabotageakte vor. Die Haupttätigkeiten der „Résistance“ bestanden in der Publikation von Flugblättern und Untergrundzeitungen, in der Organisation von geheimen Demarkationslinienübertritten von gesuchten und verfolgten Personen aus der Nordin die Südzone und in der Informationsbeschaffung für die Alliierten über die Bewegungen des Besatzers. Der Eintritt von Mitgliedern der kommunistischen Partei in die Widerstandsbewegung, der nach dem Angriff Deutschlands auf Russland ab 49 Zu den Folgen der Novemberereignisse auf die öffentliche Meinung siehe: AZÉMA/BÉDARIDA, Années noires, t. 2, S. 23-26. 50 Für die Darstellung der „Résistance“ wurden diese Aufsätze verwendet: VEILLON, Dominique/Olivier WIEVIORKA: La Résistance. In: AZEMA/BEDARIDA, Années noires, t. 2, S. 65-90; und: AZEMA, Jean-Pierre: Des Résistances à la Résistance. In: DERS./BÉDARIDA, Années noires, t. 2, S. 241-270. 51 Darin forderte er die Militärs, Ingenieure und Arbeiter von Waffenfabriken auf, nach England zu kommen, um von dort aus den Kampf fortzusetzen. Die Ansprache beendete de Gaulle mit folgenden Worten: „Quoi qu’il arrive, la flamme de la résistance française ne doit pas s‘éteindre et ne s’éteindra pas.“ Zitiert nach: COINTET, Michèle/Jean-Paul COINTET: Dictionnaire historique de la France sous l’Occupation. Paris, 2000. S. 337. Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen Juni 1941 erfolgte, veränderte den Charakter der „Résistance“ grundlegend. Die seit dem Verbot des „Parti communiste français“ 1939 durch die französische Regierung im Untergrund erfahrenen Kämpfer verlagerten die Aktivität auf einen eigentlichen Guerilla-Krieg, der durch überraschende, kurze Angriffe (Attentate und Sabotageakte) und einen raschen Rückzug gekennzeichnet war.52 In diesem bedeutend aktiveren, bewaffneten Widerstand wurde zu Beginn unabhängig von der durch de Gaulle geführten Bewegung der „France Libre“ gekämpft. Im Januar 1943 geschah dann aber ein erster Schritt zur Vereinigung der drei grossen Widerstandsgruppen im Süden. Zusammen bildeten sie die „Mouvements unis de Résistance“ (MUR), an deren Spitze ein Koordinationskomitee unter der Führung von Jean Moulin53 stand. Dieses Komitee hatte in dem von General de Gaulle Ende Juli 1943 in Algier gebildeten Kabinett sein politisches Pendant. Mit der Landung der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944 veränderte sich die militärische Situation in Frankreich in entscheidender Weise. Im Sommer 1944 begann für Frankreich eines seiner dunkelsten Kapitel, denn sowohl die Vichytreue Miliz als auch die Deutschen gingen, da sie sich in grösster Bedrängnis befanden, gegen die „Résistance“ vor. Die etwa drei Monate, die von der Landung bis zur Befreiung von Paris vergingen, nahmen so die Formen eines Bürgerkrieges an. Auch die Zivilbevölkerung wurde nicht verschont; stellvertretend für die verübten Gräueltaten steht der Name Oradour-sur-Glane.54 Diese Gewalt machte die Idee eines friedlichen Übergangs vom Vichy-Regime zu einer Regierung unter General de Gaulle in einem befreiten Frankreich zu einer 52 Siehe dazu: DELACOR, Regina M.: Attentate und Repressionen. Ausgewählte Dokumente zur zyklischen Eskalation des NSTerrors im besetzten Frankreich 1941-1942. Vorwort von Henry Rousso. Stuttgart, 2000. 53 Jean Moulin (1899-1943) begann seine politische Karriere 1936 in der Regierung des „Front populaire“, wo er sich vehement gegen den Totalitarismus einsetzte. Im November 1940 nahm Moulin erste Kontakte mit verschiedenen Widerstandsbewegungen in der unbesetzten Zone auf und präsentierte sich ein Jahr später dem Chef der „France libre“, General de Gaulle, um von ihm Mittel für den Widerstand in der Südzone zu erbitten. Nach seiner Fallschirmlandung zu Beginn 1942 gelang es Moulin, die Widerstandsbewegungen zu vereinigen. Im Juni 1943 wurde er in der Nähe von Lyon verhaftet. Nachdem er unter der Folter keine Namen genannt hatte, starb er einen Monat später während seiner Verlegung nach Deutschland zwischen Metz und Frankfurt an den Folgen seiner Verletzungen. 54 Dort wurden am 10. Juni 1944 von Soldaten der SS-Panzer-Division „Das Reich“ in einer Scheune und in der Kirche des Dorfes 642 Männer, Frauen und Kinder erschossen oder bei lebendigem Leib verbrannt. Die Einheit war auf ihrem Rückzug wiederholt Angriffsziel von Attentaten französischer Widerstandsgruppen gewesen. Durch die Vergeltungsmassnahme gegenüber der Zivilbevölkerung sollten die Maquiskämpfer entmutigt werden, weitere Angriffe zu unternehmen. Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen Illusion. Ende Juli 1944 gelang es den alliierten Truppen nach zwei Monaten harter Kämpfe in der Normandie, die deutsche Front im Westen zu durchbrechen und rasch bis nach Le Mans und Orléans vorzustossen. Eine zweite Landung der Alliierten im August an der Mittelmeerküste führte zur Befreiung von Marseille und Toulon im August, von Lyon zu Beginn September. Am 12. September trafen die Soldaten, die an der Ärmelkanal- und an der Mittelmeerküste französischen Boden betreten hatten, in Dijon zusammen. Bei der Befreiung von Paris haben die Kräfte der „Résistance“ eine bedeutende Rolle gespielt. Der Vormarsch der in der Normandie gelandeten alliierten Streitkräfte sah eine Umgehung von Paris im Norden und Süden vor, um nicht in einen frontalen Angriff mit den deutschen Truppen verwickelt zu werden. Bereits Mitte Juli war aber die Ungeduld in verschiedenen Kreisen der Résistance-Führung stark angestiegen und auch auf Teile der Bevölkerung von Paris übergegangen. Es kam in verschiedenen Quartieren und in der Vorstadt zu Demonstrationen gegen den Besatzer. Dieser hatte den Auftrag, den Rückzug der eigenen Truppen aus der Normandie zu ermöglichen und deshalb die Verkehrswege und Flussübergänge zu sichern.55 Mitte August traten die Eisenbahn- und Postbeamten in den Streik, dann auch die Polizei. Am 19. August erging vom Führungsstab der „Résistance“ der Aufruf zum „Aufstand“.56 Es kam in der Folge zu blutigen Scharmützeln zwischen den von der Westfront zurückgedrängten deutschen Einheiten und den Widerstandsgruppen. Da vorwiegend französische Untergrundkämpfer die Befreiung von Paris vorantrieben, wird diese bis heute trotz ihrer zeitlichen Nähe zur Landung der Alliierten von der französischen Bevölkerung als eine eigenständige und vom Vorrücken der Alliierten unabhängige Phase betrachtet. Um die Widerstandskämpfer zu unterstützen, schickten die Alliierten Panzerverbände unter Marschall Philippe Leclerc nach Paris, denen es vereint gelang, die deutschen Truppe am 25. August 55 Zum Rückzug der Deutschen aus Frankreich siehe: LUDEWIG, Joachim: Der deutsche Rückzug aus Frankreich 1944. Freiburg, 1995. 56 Siehe dazu: LEVISSE-TOUZE, Christine (dir.): Paris 1944: Les enjeux de la Libération. Paris, 1994. Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen zur Kapitulation zu zwingen. Am selben Tag erreichte de Gaulle die Hauptstadt. In allen Teilen des Landes wurde die „Libération“ wie ein Fest gefeiert, den Soldaten und Widerstandskämpfern wurde ein euphorischer Empfang bereitet: ein Ausdruck der immensen Freude nach vier langen Jahren der Angst und der Unterdrückung. Auf diesem Hintergrund sind die drei zu untersuchenden Tagebücher zu analysieren: In ihnen spiegeln sich die grossen und kleinen Geschehnisse, die Erwartungen, Reaktionen, Gedanken, Gefühle und Werthaltungen der drei Schriftsteller. Zuerst ist deshalb nachfolgend ein Blick auf das Leben und Werk der drei Tagebuchautoren zu werfen. 1.3 Nachschlagewerke und Hilfsmittel BERSTEIN, Gisèle/Serge BERSTEIN: Dictionnaire historique de la France contemporaine. Tome 1: 1870-1945. Paris, 1995. BOURIN, André/Jean ROUSSELOT: Dictionnaire de la littérature française contemporaine. Paris, 1966. BOURNAZEL, Eric/Germaine VIVIEN/Max GOUNELLE: Les grandes dates de l’histoire de France. Evénements politiques, faits économiques et sociaux, civilisation. Avec la collaboration de Pierre Flandin-Bléty. Paris, 1987. S. 227-232. COINTET, Michèle/Jean-Paul COINTET: Dictionnaire historique de la France sous l’Occupation. Paris, 2000. COSTON, Henry (dir.): Dictionnaire de la politique française. Paris, 1967. HILLGRUBER, Andreas/Gerhard HÜMMELCHEN: Chronik des Zweiten Weltkrieges. Kalendarium militärischer und politischer Ereignisse 1939-1945. Düsseldorf, 1978. JULLIARD, Jacques/Michel W INOCK (éds.): Dictionnaire des intellectuels français. Paris, 1996. MAITRON, Jean (dir.): Dictionnaire biographique du mouvement ouvrier français. Paris, 1964-1977. NATH, Imbert: Dictionnaire national des contemporains. Paris, 1936. SOBOUL, Albert: Dictionnaire historique de la Révolution Française. Paris, 1989. TEMERSON, Henri: Biographies des principales personnalités françaises décédées au cours de l‘année. 6 tomes. Paris, 1957-1968. Who’s who in France. Dictionnaire biographique des principales personnalités Françaises et Etrangers notables résidant en France. Publié par Jacques Laffite et Stephen Taylor. Paris, depuis 1953. Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen 1.4 Darstellungen 1.4.1 Gesamtdarstellungen AMOUROUX, Henri: La Grande Histoire des Français sous (et après) l’occupation. 10 tomes. Paris, 1976-1993. DERS.: La vie des Français sous l’occupation. Paris, 1961. AZEMA, Jean-Pierre/François BEDARIDA (éds.): La France des années noires. 2 tomes. Paris, 1993. (Im November 2000 auch als zweibändige französische Taschenbuchausgabe erschienen.) AZEMA, Jean-Pierre: De Munich à la Libération 1938-1944. Paris, 1979. BERSTEIN, Serge/Pierre MILZA: Histoire de la France au XXe siècle 1930-1945. Paris, 1991. BURRIN, Philippe: La France à l’heure allemande 1940-1944. Paris, 1995. DURAND, Yves: La France dans la deuxième Guerre Mondiale 1939-1945. Paris, 1989. HILDEBRAND, Klaus: Das Dritte Reich. Oldenbourg Grundriss der Geschichte. Bd. 17. München, 1991. JÄCKEL, Eberhard: Frankreich in Hitlers Europa. Die deutsche Frankreichpolitik im Zweiten Weltkrieg. Stuttgart, 1966. REMOND, René: Notre siècle de 1918 à 1988. Histoire de France. Tome 6. Avec la collaboration de Jean-François Sirinelli. Paris, 1988. 1.4.2 Zu einzelnen Aspekten ALARY, Eric: La ligne de démarcation 1940-1944. Paris, 1995. ARON, Raymond: Chroniques de guerre. La France libre 1940-1945. Paris, 1945. ARON, Robert: Histoire de Vichy 1940-1944. Paris, 1954. AZEMA, Jean-Pierre: Le Régime de Vichy et les Français. Paris, 1992. DERS.: Munich. In: DERS./François BEDARIDA (éds.): 1938-1948 Les années de tourmente. De Munich à Prague. Dictionnaire critique. Paris, 1995. S. 855-864. AZEMA, Jean-Pierre: Des Résistances à la Résistance. In: DERS./François BEDARIDA (éds.): La France des années noires. Tome 2. Paris, 1993. S. 241-270. BALVET, Marie: Itinéraire d'un intellectuel vers le fascisme: Drieu la Rochelle. 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Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen 1.5 Zeit Zeittafel57 Frankreich Regierung Deutschland Bevölkerung 1935-1938 1935 13.1 Plebiszit des Saarlands; Übertritt zu Deutschland 16.3 Wiedereinführung allgemeinen der Wehrpflicht; Aufhebung der militärischen Bestimmungen des Versailler Vertrags 7.6 Kabinett Pierre Laval 1936 Januar 7.3 Kabinett Albert Sarraut Einmarsch deutscher Truppen in das durch den Versailler Vertrag entmilitarisierte Rheinland 26.3-4.4 Wahlsieg des „Front populaire“ unter Léon Blum 4.6 20.6 Volksfront-Kabinett unter Blum Einführung der bezahlten Ferien 22.6 Einführung der 40-Stunden-Woche 1937 21.6 Rücktritt der Regierung Blum und Einsetzung der Regierung unter Chautemps 57 Erstellt nach: BERSTEIN, Serge/Pierre MILZA: Histoire de la France au XXe siècle 1930-1945. Paris, 1991. S. 384-390; Durand, France, S. 173-185; HILDEBRAND, Das Dritte Reich, S. 300-310; und: BOURNAZEL, Eric/Germaine VIVIEN/Max GOUNELLE: Les grandes dates de l’histoire de France. Evénements politiques, faits économiques et sociaux, civilisation. Avec la collaboration de Pierre Flandin-Bléty. Paris, 1987. S. 227-232. Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen 5.11 Hitlers Ansprache vor den Oberbefehlshabern der drei Wehrmachtteile und dem Reichsaussenminister über seine aussenpolitischen Ziele („Hossbach-Niederschrift“) 1938 12.3 Einmarsch deutscher Truppen in Österreich 13.3-8.4 Zweite Regierung Blum 10.4 Kabinett unter Edouard Daladier 24.4 Konrad Henleins Sudetendeutsche fordert Partei Autonomie für die sudetendeutschen Gebiete der Tschechoslowakei 20.5 Mobilmachung der Tschechoslowakei („Wochenendkrise“) 15.9/22.- Unterredungen des britischen 24.9 Premierministers Neville Chamberlain in Berchtesgaden über die „Sudetenkrise“ 29.9 Münchener zwischen Neville Konferenz Hitler, Mussolini, Chamberlain Daladier und beschliesst unter anderem die Abtretung der sudetendeutschen Gebiete an das Deutsche Reich 1.10 Beginn des deutscher Einmarsches Truppen in die sudetendeutschen Gebiete 21.10 Erste Weisung Hitlers 6.12 „Erledigung der Resttschechei“ Unterzeichnung der Nichtangriffserklärung in Paris Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 zur deutsch-französischen Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen 1939 15.3 Einmarsch der Truppen deutschen in die Tschechoslowakei („Griff nach Prag“) 16.3 Bildung des Reichsprotektorats Böhmen und Mähren 21.3 Hitler fordert von Polen die Rückgabe Danzigs 31.3 Britische und französische Garantieerklärung für die Unabhängigkeit Polens 1.9 Beginn des deutschen Angriffs auf Polen 3.9 Grossbritannien und Frankreich dem erklären Deutschen Reich den Krieg 6.10 Hitlers „Friedensappell“ an die Westmächte 30.11 Alle Vollmachten bei der Regierung Daladier 1940 29.2 Einführung der Nahrungsmittelkarten 20.3 Demission von Daladier 22.3 Paul Reynaud neuer Ministerpräsident 10.5 Deutscher Belgien, Angriff die gegen Niederlande, Luxemburg und Frankreich 19.5 Beginn des Exodus aus den Frankreichs Eintritt Pétains in die Regierung, Weygand Oberster Militärbefehlshaber Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 nordöstlichen Gebieten Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen 5.6 Beginn der „Schlacht um Frankreich“ 14.6 Paris „offene Stadt“ – Einmarsch der deutschen Wehrmacht 16.6 Demission von Reynaud, 1. Kabinett unter Pétain, Weygand Kriegsminister, de Gaulle geht nach London Aufruf Pétains: „Il faut cesser le combat“ 17.6 Französische Anfrage um Waffenstillstandsbedingungen 22.6 25.6 Unterzeichnung des Waffenstillstandes zwischen Deutschland und Frankreich in Compiègne Inkrafttreten des Waffenstillstandes 1.7 Sitznahme der Regierung in 10.7 Vichy Übergabe der Vollmachten an Pétain als „Chef de l'Etat Français“ Bekanntgabe der ersten vier „Actes constitutionnels“ 11.-12.7 24.7 17.9 Annexion von Elsass-Lothringen an das Reich Rationierung von Lebensmitteln 27.9 Judenverordnung durch die deutsche Besatzung in der besetzten Zone eingeführt 3.10 Einführung einer analogen Verordnung für die unbesetzte Zone durch die Vichy-Regierung Reden Pétains zur „Révolution Nationale“: „Travail, Famille, 8.-11.10 Patrie“ 24.10 Treffen Hitlers mit Pétain und Laval in Montoire 30.10 Rede Pétains mit der Aufforderung an die Bevölkerung zur „collaboration“ 1.11 Otto von Stülpnagel Militärbefehlshaber in Frankreich 13.12 Festnahme und Hausarrest Lavals 1941 24.1 Gründung „Rassemblement des national populaire“ (R.N.P.); politischer Ursprung der Kollaboration 29.3 Einsetzung von Xavier Vallat als Commissaire aux Questions juives (am 6.5.42 durch Darquier de Pellepoix ersetzt) Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen „V(ictory)“ – Kampagne April 27.-28.5 Pariser Protokolle 2.6 22.6 Zweites Judenstatut Angriff auf die Sowjetunion Bildung 11.7 der „Légion des Volontaires Français“ (L.V.F.) gegen den Bolschewismus 29.8 Erste Geiselerschiessungen durch die deutsche Wehrmacht 11.12 Kriegserklärung Deutschlands an die USA 1942 19.2 Prozess von Riom gegen die Verantwortlichen der Niederlage: Gamelin, Daladier und Blum. Abbruch am 11.5 27.3 Abfahrt des ersten Konvois mit „rassischen Deportierten“ 18.4 Rückkehr Lavals Regierung; ausgestattet in die mit allen Vollmachten 29.5 Obligatorisches Tragen des Judensterns in der besetzten Zone 15.-16.7 Judenrazzia durch die französische Polizei (Vélodrôme d’Hiver) 4.9 Einführung des „Service du Travail Obligatoire“ (S. T. O.) 11.11 Deutscher Einmarsch in das bislang unbesetzte französische Gebiet als Reaktion auf die Landung der Alliierten in Nordafrika am 7.-8.11. 27.11 Selbstversenkung der französischen Flotte in Toulon 1943 30.1 Schaffung der „Milice“, Freiwilligenergänzungskorps der Polizei gegen die „Résistance“ 16.2 Vichy liefert Blum, Daladier, Mandel, Reynaud und Gamelin an Deutschland aus Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen 1. Versammlung des „Conseil 27.5 national de (C.N.R.); la de Résistance“ Gaulle als einziger Präsident am 2.10. gewählt Septembe Häufung von Demonstrationen r und Sabotageakten gegen die 18.12 Besatzungsmacht Einverständnis Pétains mit der deutschen Kontrolle seiner Amtsführung 1944 27.1 Ausweitung des Aktionsgebiets der „Milice“ in beide Zonen 28.4 Verurteilung des Terrorismus durch Pétain Bildung der „Forces françaises 1.6 intérieures“ (F.F.I.) 3.6 De Gaulle Präsident des „Gouvernement provisoire de la République française“ (G.P.R.F.) 6.6 Alliierte Invasion in Nordwestfrankreich 10.6 Zerstörung des französischen Dorfes Oradour-sur-Glane und Tötung seiner Einwohner als Vergeltung für Gräueltaten französischer Partisanen 12.7 Letzte Versammlung der Vichy-Regierung 18.8 Ende der Vichy-Regierung 19.-25.8 Aufstand in Paris 25.8 8.-9.9 10.9 De Gaulle in Paris Pétain, Laval und De Brinon in Sigmaringen Aufhebung der Vichy-Gesetzgebung 15.9 Schaffung Not- Gerichtshöfen Bestimmung der neuen Konsultativ-Versammlung 12.10 28.12 Schaffung von Zivilkammern 1945 27.4-13.5 30.4 von Munizipalwahlen Hitler begeht Selbstmord Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Projektwoche Paris: Zeitgeschichtlicher Rahmen 7.-9.5 Unterzeichnung der deutschen Kapitulation in Reims und Berlin-Karlshorst; Waffenruhe in Europa 23.7-14.8 Prozess gegen Pétain 4.-9.10 Prozess gegen Laval (Todesurteil) 21.10 Wahlen zur Nationalversammlung; Ablehnung der Verfassung der III. Republik 13.11 Reto Hunkeler, Herbstsemester 2009 Wahl de Gaulles zum Regierungschef