HINTERGRUNDINFORMATIONEN FÜR DIE MEDIEN IMMUNSYSTEM UND AUTOIMMUNE ERKRANKUNGEN Der Feind in unserem Körper Autoimmunerkrankungen – wenn der Körper sich selbst angreift Als Schutzschild wehrt unser Immunsystem Eindringlinge wie Bakterien oder Viren ab. Richtet es sich jedoch gegen körpereigenes Gewebe, sind die Folgen fatal: Es kommt zu Autoimmunerkrankungen wie dem entzündlichen Rheuma oder zur Multiplen Sklerose. Unser Immunsystem entscheidet darüber, ob wir gesund bleiben oder krank werden. Ist es intakt und leistungsfähig, aktiviert dieses Abwehrsystem bei einem Viren- oder Bakterienangriff die verschiedenen Immunzellen, um die Bedrohung schnell und effektiv zu beseitigen. Nach überstandener Krankheit fährt der Körper die Immunantwort zurück und die Abwehrzellen verschwinden fast komplett aus dem Blutkreislauf. In manchen Fällen aber geraten die Zellen unseres Immunsystems außer Kontrolle. Sie wenden sich gegen den eigenen Körper und beginnen, gesundes Gewebe zu zerstören. Die Folge sind Autoimmunerkrankungen, an denen in Deutschland bereits rund vier Millionen Menschen leiden, zum Teil mit schweren und lebensbedrohlichen Komplikationen. In der Regel sind diese Erkrankungen unheilbar. Solche Autoimmunerkrankungen betreffen etwa fünf Prozent der Menschen in den Industrieländern; inzwischen sind mehr als 80 dieser „Autoaggressionskrankheiten“ bekannt.1 Die rheumatoide Arthritis gehört ebenso dazu wie die Multiple Sklerose, die Eine Medieninformation von ocd group Mainz, Germany -1www.rheumachec.com Schuppenflechte (im Fachjargon Psoriasis genannt) oder der „jugendliche“ Typ-1Diabetes. Auch bei der Arteriosklerose laufen, wie aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, Autoimmunprozesse ab.2 ► Was sind Autoimmunerkrankungen? Aus ungeklärten Gründen nimmt die Häufigkeit autoimmuner Erkrankungen weltweit zu. In den Industriestaaten stehen sie nach Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen bereits an der dritten Stelle der häufigsten Erkrankungen. Bei Große Gruppe von Krankheiten, die durch ein überaktives Immunsystem gekennzeichnet ist. Bei einer autoimmunen Erkrankung ist das Immunsystem nicht mehr in der Lage, zwischen körpereigenen und körperfremden Strukturen zu unterscheiden. Der Körper greift dann sein eigenes Gewebe mit Hilfe von Immunzellen und Autoantikörpern an, was zu Entzündungen und Funktionsstörungen der betroffenen Organe führt (daher auto, griechisch: selbst). Es werden organspezifische Autoimmunerkrankungen, bei denen nur ein oder wenige Organe betroffen sind (z.B. die Bauchspeicheldrüse beim Typ-1-Diabetes, der „jugendlichen“ Form des Diabetes mellitus) von den so genannten Systemerkrankungen unterschieden (z.B. Kollagenosen), bei denen der gesamte Körper betroffen ist. Frauen gehören Autoimmunerkrankungen zu den zehn häufigsten Todesursachen.3 Prinzipiell können Autoimmunerkrankungen jedes Organ des menschlichen Körpers betreffen, auch das zentrale Nervensystem oder das Herz. Dem entsprechend variieren die Symptome dieser Erkrankungen sehr stark, je nachdem, welche Organe oder Körperstrukturen von der Körperabwehr angegriffen werden, und abhängig davon, wie weit die jeweilige Erkrankung fortgeschritten ist. Allen Autoimmunerkrankungen gemein aber ist die fatale Fehlsteuerung des Immunsystems, das nicht mehr Sebastian Kaulitzki, Fotolia zwischen einem krankmachenden Eindringling und dem eigenen Gewebe unterscheiden kann. Der Körper wird sich selbst zum Feind. Die Gelenke unter Beschuss So kommt es bei der rheumatoiden Arthritis, dem „echten“ Typisch für Gelenkrheuma: Schwellungen Fingergelenken. das „echte“ Schmerzen und in den Rheuma, an dem in Deutschland rund 800.000 Menschen leiden (Europa: bis zu 7 Millionen Betroffene)4 5, fälschlicherweise zur Aktivierung der so genannten T-Zellen. Diese Abwehrzellen greifen zunächst die Gelenkinnenhäute, die Synovialmembranen, an. Meist beginnt die rheumatoide Arthritis schleichend mit Schwellungen, Schmerzen und Problemen beim Bewegen der kleinen und mittleren Fingergelenke, aber auch mit Eine Medieninformation von ocd group Mainz, Germany -2www.rheumachec.com unspezifischen Symptomen wie rascher Ermüdung sowie allgemeiner Schwäche. Wird die Krankheit nicht aufgehalten, droht die komplette Zerstörung des Gelenks. In Schüben schreitet sie dann unaufhaltsam weiter fort, immer mehr Gelenke werden befallen. Doch nicht nur Knochen, Knorpel und Gelenke Sebastian Kaulitzki, Fotolia sind betroffen: Im Verlauf der Erkrankung können auch Herz, Lunge, Nervengewebe befallen werden, schließlich wird der gesamte Körper in Mitleidenschaft gezogen. Am Ende stehen Invalidität und Pflegebedürftigkeit. Die Erkrankten können sich kaum mehr selbst Rheuma geht auch aufs Herz: Eine rheumatoide Arthritis erhöht das Risiko für einen Herz-infarkt oder einen Schlaganfall. versorgen und sind permanent auf fremde Hilfe angewiesen. Beteiligt an der Entzündungsreaktion sind eine ganze Reihe von Abwehrzellen und Botenstoffen, wobei den so genannten T-Zellen eine besondere Rolle zukommt. Denn sie sind es, die am Beginn der Erkrankung irrtümlich aktiviert werden und die Entzündungskaskade in Gang bringen. Über sie erfolgt die Aktivierung weiterer Entzündungszellen wie Monozyten, B-Zellen oder Makrophagen. Sebastian Kaulitzki, Fotolia In der Folge werden Antikörper gebildet, zusätzlich kommt es zur Ausschüttung von Entzündungsbotenstoffen wie Interleukin-1 und Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-alpha), die über die Freisetzung knorpelzerstörender Enzyme (Elastase und andere Proteasen) und weiterer Signalstoffe die Bei den autoimmunen Erkrankungen spielen so genannte Autoantikörper eine zentrale Rolle. Entzündung weiter verstärken. Wie bei der rheumatoiden Arthritis liegen auch die Ursachen der Multiplen Sklerose, einer anderen Autoimmunkrankheit, weitgehend im Dunkeln. Weltweit sind schätzungsweise 2,5 Millionen Menschen von der Multiplen Sklerose (MS) betroffen, in Deutschland leben nach aktuellen Hochrechnungen etwa 122.000 MS-Kranke. Jahr für Jahr werden in Deutschland rund 2.500 Fälle neu diagnostiziert, wobei Frauen fast doppelt so häufig erkranken wie Männer.6 Eine Medieninformation von ocd group Mainz, Germany -3www.rheumachec.com Bei MS sind es die Nervenzellen und ihre Ummantelung, die durch den Angriff selbstzerstörerischer T-Zellen massiv geschädigt und schließlich vernichtet werden.7 8 Als Folge der zunehmenden Zerstörung können die Nervenzellen die elektrischen Impulse immer schlechter weiterleiten. Es kommt zu Bewegungs-, Sprach- und Konzentrationsstörungen, Mark Poprocki, Fotolia zu Taubheitsgefühlen und Lähmungen. Die MS-Erkrankung beginnt meist im frühen Erwachsenenalter zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Die Betroffenen spüren zu Beginn häufig ein Kribbeln in Armen und Beinen, sie Auch ein Diabetes kann Folge fehlgeleiteten Immunsystems sein. eines stolpern vermehrt oder bekommen Schwierigkeiten beim Sehen. Auch hier verläuft die Erkrankung schubweise. In schweren Fällen leiden die Patienten später unter gravierenden Behinderungen, manche sind dann auf einen Rollstuhl angewiesen. Bei der Multiplen Sklerose scheinen die autoreaktiven T-Zellen besonders aggressiv zu sein, denn sie attackieren gleich mehrere verschiedene Strukturen auf den Nervenzellen. Das konnte eine internationale Forschergruppe kürzlich zeigen.9 Und noch etwas fanden die Forscher heraus: Anders als bisher angenommen muss es auch bei der Multiplen Sklerose zur Interaktion zwischen autoaggressiver T-Zelle und einer entsprechenden Antikörper produzierenden B-Zelle kommen. Erst das entstehende Heer an BZellen löst dann mit seinen Antikörperattacken die volle Krankheit aus.10 ► Der Horror autotoxicus: Historisch gesehen geht die Bezeichnung Autoimmunerkrankung auf den deutschen Nobelpreisträger Paul Ehrlich zurück. Er war es, der Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Begriff des Horror autotoxicus, der Furcht vor der Selbstzerstörung, erstmals beschrieb, dass sich die Immunabwehr des Körpers normalerweise nur gegen körperfremde Strukturen richtet und körpereigenes Gewebe nicht angreift. Paul Ehrlich hatte einer Ziege das Blut eines Schafes injiziert. In der Folge traten im Blut der Ziege Antikörper auf, die die roten Blutkörperchen des Schafs auflösten. Das gleiche beobachtete Paul Ehrlich, wenn er anstelle des Schafsbluts das Blut einer anderen Ziege injizierte. Spritzte er dem Tier aber eigenes Blut in die Adern, blieb diese Reaktion aus und die Blutkörperchen wurden nicht zerstört. Beim Typ-1-Diabetes, der „jugendlichen Zuckerkrankheit“, bildet der Körper Antikörper gegen körpereigene Strukturen. Diese Antikörper sind gegen die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse gerichtet, die so genannten Inselzellen. Eine Medieninformation von ocd group Mainz, Germany -4www.rheumachec.com Im westlichen Europa sind etwa 0,3 Prozent der Bevölkerung von einem Typ-1-Diabetes betroffen. Werden diese Personen nicht richtig behandelt, kann es zur Erblindung kommen, zu Durchblutungsstörungen der Nieren bis hin zum Nierenversagen. Eine weitere Komplikation ist der „diabetische Fuß“. Das sind durch Durchblutungsstörungen hervorgerufene, schlecht heilende Wunden und Geschwüre an den Füßen, die eine Amputation erforderlich machen können. Neben dem persönlichen Leid der Patienten sind die volkswirtschaftlichen Kosten, die durch autoimmune Erkrankungen für Behandlung, Rehabilitation und Frühverrentung entstehen, immens. Chronische entzündlich-rheumatische Erkrankungen, an der Spitze die rheumatoide Arthritis (RA), gehören zu den teuersten Krankheiten der gesamten Medizin. Allein für Deutschland werden die Kosten, die für die Versorgung der RAPatienten aufgewendet werden müssen, auf 20 bis 25 Milliarden Euro geschätzt. Ein Blick in die Statistik zeigt, dass RA-Patienten Gesundheitsleistungen deutlich öfter in Anspruch nehmen als andere. Sie besuchen mindestens doppelt so häufig den Allgemeinmediziner und haben dreimal so viele Termine beim Facharzt.11 Die direkten Ausgaben für Arztbesuche, Medikamente, Krankenhausaufenthalte und Rehabilitation machen dabei nur ein Drittel der gesamten Krankheitskosten aus; zwei Drittel entstehen noch immer durch Krankheitstage und Erwerbsunfähigkeit als Folge der Erkrankung. In der EU sind die entzündlichen Erkrankungen des Bewegungsapparates, wie die rheumatoide Arthritis, Ursache Nummer 1 für Frühpensionierungen, Invaliditätsrente und Arbeitsplatzverlust.12 Die sozialen und ökonomischen Folgen für den Einzelnen sind schon in den ersten Krankheitsjahren drastisch. Innerhalb von nicht einmal sieben Jahren sind bis zu 40 Prozent der Patienten nicht mehr in der Lage ihren Beruf auszuüben.13 Laut WHO steigt diese Zahl mit Fortschreiten der rheumatoiden Arthritis deutlich an: Zehn Jahre nach Ausbruch der Krankheit sind fast 60 Prozent der RA-Patienten nicht mehr berufstätig.14 Ursache unbekannt So vielfältig wie die Krankheitsbilder der verschiedenen Autoimmunerkrankungen sind, so unterschiedlich sind auch deren Ursachen. Über die grundlegenden Mechanismen der verschiedenen Krankheiten weiß man heute noch relativ wenig. Im Zentrum der Eine Medieninformation von ocd group Mainz, Germany -5www.rheumachec.com Krankheitsprozesse stehen aber stets die Autoantikörper, die von den B-Zellen gebildet werden, und die T-Zellen, die Immunreaktionen über verschiedene Botenstoffe vermitteln. Antikörper sind große Eiweißmoleküle unseres Körpers, deren Aufgabe es ist, Viren, Bakterien und andere Angreifer schnell zu erkennen und effektiv abzuwehren. Sie sind es, die unseren Körper „immun“ gegen diese Krankheitserreger machen. Bei autoimmunen Erkrankungen können sich diese Antikörper jedoch gegen körpereigenes Gewebe richten. Man spricht dann von Autoantikörpern (griech. auto = selbst, eigen). Dabei liegen Nutzen und Schaden nahe beieinander. Denn vielfach werden diese Antikörper auch für die Diagnostik der verschiedenen Autoimmunerkrankung genutzt. So auch bei der rheumatoiden Arthritis. Hier ist der Nachweis so genannter ACPAs – ACPA steht für Antikörper gegen citrullinierte Proteinund Peptidantigene – mittlerweile ein Standardverfahren in der Rheumadiagnostik. 15 16 Mit Hilfe der ACPAs lässt sich ► Das Immunsystem – ein Glossar: Autoimmunerkrankung sind Erkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise den eigenen Körper angreift. Autoantikörper: Durch eine Fehlsteuerung erkennt das Immunsystem körpereigene Strukturen als „fremd" und versucht, sie durch Antikörper zu eliminieren. Diese Antikörper nennt man Autoantikörper (von auto, griechisch: selbst). B-Zellen oder B-Lymphozyten sind spezielle Abwehrzellen unseres Körpers. Sie reifen im Knochenmark heran und können als so genannte Plasmazellen Antikörper produzieren. Makrophagen: Die „Fresszellen“ unseres Körpers. Sie beseitigen Zelltrümmer und zerlegen diese. Indem sie diese Fragmente an ihrer Zelloberfläche präsentieren, aktivieren sie die anderen Immunzellen des Körpers. Monozyten beseitigen zum Beispiel Bakterien. Proteasen wie die Elastase sind Eiweiß spaltende Enzyme. Sie können zur Gelenkzerstörung beitragen, unter anderem bei der rheumatoiden Arthritis. TNF-alpha, Tumornekrosefaktor-alpha: Neben Interleukin-1 einer der wichtigsten Entzündungsbotenstoffe unseres Körpers. Fördert die Freisetzung etlicher weiterer Signalstoffe. T-Zellen: Eigentlich T-Lymphozyten. Diese Zellen reifen im Thymus unseres Körpers heran, daher ihr Name. Sie erkennen Antigene, die ihnen von anderen Zellen des Immunsystems präsentiert werden. Zytokine wie die Interleukine sind Entzündungsbotenstoffe, die bei Immunreaktionen frei werden. Sie haben oftmals eine entzündungsfördernde Wirkung. der Krankheitsverlauf vorhersagen,17 18 und einige dieser Autoantikörper scheinen sogar ein gutes und objektives Messinstrument für die Krankheitsaktivität und den Therapieerfolg bei rheumatoider Arthritis zu sein.19 20 Sollten sich diese ersten Ergebnisse internationaler Studien bestätigen, wäre das für die Diagnostik und die Therapie der rheumatoiden Arthritis, die als die häufigste Autoimmunerkrankung überhaupt gilt und an der nahezu ein Prozent der Weltbevölkerung erkrankt sind, ein bedeutender Schritt nach vorn. Eine Medieninformation von ocd group Mainz, Germany -6www.rheumachec.com Fest steht, dass bestimmte ACPAs direkt an der Entstehung der rheumatoiden Arthritis beteiligt sind 9 21 , indem sie an Bestandteile der eigenen Gelenkknorpel binden. Das lockt Fresszellen an, die Entzündungsbotenstoffe wie Tumornekrosefaktor-alpha und Interleukine sowie Gelenk zerstörende Enzyme wie Elastase und andere Proteasen freisetzen. Eine Entzündung flammt auf, die der Körper nicht mehr unter Kontrolle bekommt. Die Folge ist fatal: Die Gelenke werden nach und nach zerstört. Genetische Veranlagung Man nimmt heute an, dass bei den Betroffenen eine erbliche Veranlagung für die jeweilige Erkrankung vorliegen muss. Denn etliche moonrun, Fotolia Autoimmunerkrankungen treten familiär gehäuft auf, und innerhalb bestimmter Familien lässt sich auch eine verstärkte Neigung zu Autoimmunerkrankungen nachweisen.22 Bei einigen Autoimmunerkrankungen, etwa bei der Rauchen erhöht bei Rheumatikern die Krankheitsaktivität. rheumatoiden Arthritis23 oder der Multiplen Sklerose24 25, ist die genetische Krankheitskomponente bereits wissenschaftlich nachgewiesen worden. Stets kommen aber bestimmte Umweltfaktoren wie Ernährungsgewohnheiten und Lebensstil zu dieser genetischen Prädisposition hinzu und fördern die Entstehung einer Autoimmunerkrankung. Das heißt: Nicht jeder „erblich Belastete“ erkrankt auch zwangsläufig. Zur Empfindlichkeit muss in der Regel ein Auslöser kommen. So erhöht beispielsweise das Rauchen das Risiko, an rheumatoider Arthritis zu erkranken, wenn in der Familie bereits eine genetische Vorbelastung besteht.26 Zudem brauchen rauchende Rheumapatienten deutlich mehr Medikamente, womit auch das Risiko von Nebenwirkungen steigt.27 Bei einer autoimmunen Erkrankung verliert der Körper die Fähigkeit zur so genannten Immuntoleranz. Die nämlich ermöglicht es dem gesunden Körper, „fremd“ von „selbst“ zu unterscheiden. Ganz offensichtlich werden bei diesen Erkrankungen die autoreaktiven Zellen, die sich immer auch bei Gesunden finden, übermäßig aktiviert. Oder sie entziehen sich der Kontrolle des Immunsystems.28 29 Eine Medieninformation von ocd group Mainz, Germany -7www.rheumachec.com Letztlich, so eine Hypothese der Wissenschaftler, können es Krankheitserreger sein, die das Immunsystem in die Irre leiten. Die eingedrungenen Bakterien und Viren aktivieren das Immunsystem und die autoreaktiven Immunzellen über bestimmte molekulare Strukturen, die Antigene. Ähneln diese Strukturen denen des Körpers zu sehr, kann der Körper „fremd“ und „selbst“ nicht mehr unterscheiden. Dann wird das eigene Gewebe zum Ziel der zerstörerischen Immunantwort. Ein sehr anschauliches Beispiel dafür, wie eine reguläre und angemessene Immunreaktion entgleisen und eine an sich harmlose Infektion für den Körper zur Katastrophe werden kann, ist das rheumatische Fieber. Bei dieser Erkrankung – auch sie ist eine Autoimmunerkrankung – kommt es auf Grund einer bakteriellen Streptokokken*Infektion zunächst zu einer Mandelentzündung mit Halsschmerzen oder zum bekannten Scharlach. Wird die Erkrankung nicht richtig auskuriert, kann es noch Wochen nach der Infektion und lange nach Abklingen der akuten Beschwerden zum gefürchteten rheumatischen Fieber kommen. Aufgrund der Ähnlichkeit mit den bakteriellen Antigenen lenkt die Immunabwehr dann ihren Angriff auf körpereigene Strukturen um.30 Die Folge sind Hautrötungen oder die Entzündung gleich mehrerer Gelenke, eine so genannte Polyarthritis. Infolge dieser autoaggressiven Reaktion gegen den eigenen Körper kann es auch zu gefährlichen Hannes Eichinger, Fotolia Nieren- oder Herzklappenentzündungen mit bleibenden Folgen kommen.31 Dank der Antibiotika ist das rheumatische Fieber in den Industrieländern heute selten geworden, ist aber in den Schwellen- und Entwicklungsländern nach wie vor häufig zu finden. Doch selbst in ländlichen Regionen einiger Industrienationen ist es auch heute noch immer keine Seltenheit.32 33 Frauen häufiger betroffen Bei den meisten Autoimmunerkrankungen sind Frauen wesentlich häufiger betroffen als Männer. Ein Grund hierfür dürfte die andere hormonelle Ausstattung der Frau sein. Auch Schwankungen im Hormonhaushalt dürften eine Rolle * Streptokokken, eine Bakteriengattung Eine Medieninformation von ocd group Mainz, Germany -8www.rheumachec.com spielen. So kann beispielsweise eine Schwangerschaft eine Autoimmunkrankheit auslösen oder eine bestehende Erkrankung verstärken. Doch auch das Gegenteil ist der Fall. So bessert sich eine rheumatoide Arthritis manchmal durch eine Schwangerschaft, zumindest vorübergehend.34 Einer der Gründe hierfür mag sein, dass das Immunsystem seine Aktivität in der Schwangerschaft generell deutlich drosselt, damit das ungeborene Kind, das ja potentiell „fremd“ ist, nicht Ziel der körpereigenen Abwehr wird. Folgerichtig kehren die Beschwerden einer RA-Erkrankung sechs bis zwölf Wochen nach der Geburt wieder. Solche Beobachtungen sind deutliche Hinweise darauf, dass hormonelle Schwankungen, die körperliche Verfassung oder immunologische Sondersituationen tatsächlich Einfluss auf eine Autoimmunerkrankung nehmen oder ihre Entstehung fördern können. Ebenso vielgestaltig wie die Ursachen, Symptome und Krankheitsbilder der Autoimmunerkrankungen sind auch die Ansätze zu ihrer Therapie. Wobei die aktuellen Therapien derzeit häufig darauf abzielen, das Fortschreiten der Krankheit so weit wie möglich zu verlangsamen und akute Beschwerden zu mildern. Moderne Therapien verwenden künstlich hergestellte Antikörper. Bei vielen der autoimmunen Erkrankungen sind heute die so genannten Immunsuppressiva Stand der Medizin. Hierzu gehören zum Beispiel Methotrexat, das bei rheumatoider Arthritis oder Schuppenflechte eingesetzt wird, oder Kortisonpräparate. Diese Eine Frage der Homone: Eine rheumatoide Arthritis kann sich während einer Schwangerschaft vorübergehend bessern. Medikamente mildern die Folgen der autoaggressiven Attacke auf die körpereigenen Gewebe, indem sie die Aktivität des Immunsystems insgesamt reduzieren. Was unter Umständen dazu führt, dass auch die „guten“ Teile des Immunsystems, mit denen der Körper normalerweise Viren, Bakterien oder Krebszellen in Schach hält, unterdrückt werden, der Patient also für die alltäglichen Angriffe der Krankheitserreger anfälliger wird. Gegenstand der modernen Forschung ist daher die Entwicklung zielgerichteter Medikamente und Methoden, die lediglich die überaktiven Teile des erkrankten Eine Medieninformation von ocd group Mainz, Germany -9www.rheumachec.com Sebastian Kaulitzki, Fotolia Neue Therapien geben Hoffnung Immunsystems lahmlegen, die Leistungsfähigkeit unserer Körperabwehr gegenüber Bakterien, Viren & Co. aber unangetastet lassen. Zwar soll die Autoimmunkrankheit zum Stillstand kommen, nicht aber auf Kosten der Schlagkraft und Lernfähigkeit des Immunsystems. Zum Einsatz kommen hierbei maßgeschneiderte Eiweißmoleküle, die so genannten Biologika. Sie greifen ganz gezielt in das Krankheitsgeschehen ein, indem sie an bestimmte körpereigene Strukturen binden und Teile des Immunsystems lahmlegen. So kann etwa der Tumornekrosefaktor-alpha durch künstlich hergestellte Antikörper oder lösliche Rezeptormoleküle so gebunden werden, dass er seine Botschaft nicht mehr an die Immunzellen übermitteln kann. Auf ähnliche Weise lassen sich heute auch verschiedene Interleukine, die Botenstoffe des Immunsystems, unschädlich machen und die fatale Entzündungskaskade damit unterbrechen. Die eigentliche Ursache der Autoimmunerkrankung können aber auch die Biologika noch nicht beseitigen. Das Erreichen dieses Ziels erhofft man sich von ganz neuen Therapieansätzen wie den Stammzelltherapien oder den so genannten ImmuntoleranzTherapien. Diese Verfahren, an denen derzeit intensiv in den Laboren gearbeitet wird, versprechen die Um- und Neuprogrammierung des entgleisten Immunsystems. Sie sollen es ermöglichen, dass eine kurze Phase der medizinischen Behandlung nicht nur die Erkrankung zum Stillstand bringt sondern auch lebenslange Heilung. Das aber ist derzeit (noch) Science-Fiction. Links: www.rheuma-liga.de – Merkblatt 6.12: Schwangerschaft – LinkOut www.dmsg.de – Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft www.autoimmun.org – Deutsche Gesellschaft für Autoimmunerkrankungen www.drfz.de – Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin Für die Redaktionen: Verwendung und Abdruck dieser Medieninformation frei. Bitte schicken Sie uns einen Beleg! Diese Medieninformation wurde mit Bilder der Microstock-Bildagentur Fotolia (www.fotolia.de) illustriert. Sie benötigen weitere Informationen zu diesem Thema? – Bitte nehmen Sie mit uns Kontakt auf: Tobias Stolzenberg (Dipl.-Biol.) Eine Medieninformation von ocd group Mainz, Germany - 10 www.rheumachec.com Dr. Friederike Hammar c/o ORGENTEC Diagnostika GmbH – Public Relations – [email protected] Tel. +49 (0) 6131 / 9258-677, -674 Fax +49 (0) 6131 / 9258-58 Eine Medieninformation von ocd group Mainz, Germany - 11 www.rheumachec.com Referenzen: 1 National Institutes of Health. National Institute of Allergy and Infectious Diseases. Autoimmune Diseases. http://www3.niaid.nih.gov/topics/autoimmune/ 2 Wick G, Knoflach M, Xu Q. Autoimmune and inflammatory mechanisms in atherosclerosis. Annu Rev Immunol. 2004; 22: 362–403. – doi: 10.1146/annurev.immunol.22.012703.104644 – LinkOut abstract 3 Gesellschaft zur Förderung der Immundiagnostik e.V. – www.gfid-ev.de 4 United Nations: 2008 Revision Population Database. http://esa.un.org/unpp/ http://esa.un.org/unpp/ 5 Symons D. et al. 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