Ethik in der Entwicklungszusammenarbeit

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ENTWICKLUNGSETHNOLOGIE
Zeitschrift der Arbeitsgemeinschaft
Entwicklungsethnologie e.V.
Heft 1 + 2, 2013, 20. Jg.
ISSN 0942-4466
Ethik in der Praxis der
Entwicklungszusammenarbeit
Verlag: Politischer Arbeitskreis Schulen e.V., Bonn 2013
1
Inhaltverzeichnis (Stand 30.1.2013)
Vorwort
Staatsekretär Hans-Jürgen Beerfeltz
41
Einführung
Frank Bliss
8
Teil I: Hintergrund und Positionspapier
Der internationale Diskurs um ethische Fragen in ethnologischer und
entwicklungsbezogener Forschung und Projektarbeit auf der Grundlage
ethischer Kodizes
Stefan Neumann/Marco Heinz
Ethische Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft Entwicklungsethnologie
(AGEE): Ein Entwurf
Vorstand der AGEE
160
14
Teil II: Beiträge zur Ethikdiskussion (Plenumsvorträge)
Ethik in der Arbeit des BMZ
Christiane Bögemann-Hagedorn
6
Auf dem Weg zu einer kosmopolitischen Entwicklungs-Ethik
Christoph Antweiler
10
Auf dem Weg zu einer kosmopolitischen Entwicklungs-Ethik
Hans Peter Hahn
18
Von der „ethnologischen“ Ethik zu einer gemeinsamen Ethik in der
Entwicklungszusammenarbeit
Michael Schönhuth
2
Ethical challenges as viewed by the “Nordic” Development Anthropology
Sten Hagberg
18
L’étique et la morale à l’ombre de la coopération au développement
au Burkina Faso
Ludovic O. Kibora
14
The Ethical debate in India - A contribution to the formulation of universal
Ethical Guidelines for people active in the development process
18
Soumendra M. Patnaik
Plädoyer für eine kämpferische Ethik in der
Entwicklungszusammenarbeit
Asfa-Wossen Asserate
1
Keine Seitenzählung sondern Umfang des jeweiligen Abschnitts in Seiten
2
12
Teil III: Beiträge aus den Tagungspanels
Panel I: Committment der Akteure zu den Kernfragen des Ethikpapiers
Ethik aus der Perspektive der Consulting-Wirtschaft
Gerold Dieke
4
Die ethischen Leitlinien der AGEE aus Sicht der GIZ
Anselm Schneider
10
Anmerkungen aus der Sicht einer privaten Stiftung
Peter Hesse
4
Panel II: Ethisch reflektierte und angemessene Verhaltensweisen.
Diskussion der zentralen Forderungen der AGEE
Ethik(leitlinien) im Zeitalter des Risikos
Heidi Armbruster
18
Ethik in der Praxis der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit:
Ethnologische Perspektiven
Sabine Klocke-Daffa
Ethik in der Evaluationspraxis
Michaela Zintl
14
6
Panel III: Grad und Herstellung von Verbindlichkeit ethischer Verpflichtungen
Thesen zur Ethik in der privaten Entwicklungszusammenarbeit
Martin Wilde
8
Initiativen der deutschen Wirtschaft zu ethischen Fragen jenseits des
Kerngeschäfts: Schlaglichter
Michael Rabbow
4
Verbindlichkeit ethischer Verpflichtungen für die Arbeit
entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen
Kurt Bangert
18
Grad und Verbindlichkeit ethischer Verpflichtungen aus Sicht
eines Consulting-Unternehmens
Ulrich Daldrup
6
Teil IV: Externe Beiträge zum Ethik-Arbeitspapier der AGEE
Reiche Länder voller armer Leute. Über Ethik in der
Entwicklungszusammenarbeit
Theodor Rathgeber
8
Teil V: Dokumentation der Tagung
Protokoll
Patricia Rinck
20
3
Tagungsprogramm
6
Fotodokumentation
8
4
Ethik in der Entwicklungszusammenarbeit
Geleitwort von Hans-Jürgen Beerfeltz
Staatssekretär des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (BMZ)
Liebe Leserinnen und Leser, liebe Tagungsteilnehmer,
Was jeder wollen muss, das war der Ausgangspunkt für Kants kategorischen Imperativ
als universelles Prinzip für das Handeln von Menschen: wesentlich gegenüber anderen
Menschen.
Mit heutigen Themen wie Generationengerechtigkeit, Ressourcenschutz und intakter
Umwelt müssen wir viel stärker auch die zeitliche Dimension und die Folgen unseres
Handelns in der Zukunft bedenken. In unserem eigenen Interesse müssen wir dafür
sorgen, dass die Wirkungen unserer Handlung „verträglich sind mit der Permanenz
echten menschlichen Lebens auf Erden“, wie Hans Jonas in seinem ‚Prinzip Vernunft’
Kants Überlegungen weitergeführt hat.
Genau dieser Maxime folgt die deutsche Entwicklungspolitik. Nachhaltigkeit und
Verantwortungsbewusstsein müssen die Grundlage all unseres Handelns sein – nicht
nur institutionell sondern auch individuell. Es ist uns eine ethische Pflicht, im Rahmen
unserer Entwicklungszusammenarbeit Armut und Hunger zu bekämpfen und dabei den
Herausforderungen von Ressourcenknappheit, Erhalt der Umwelt und Klimawandel
gerecht zu werden. Gleichzeitig liegt es in unserem ureigensten Interesse, den
kommenden Generationen durch nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung eine
Zukunft zu bieten! Unsere Entwicklungspolitik ist also geleitet von unseren Werten
und zugleich auch unseren ganz eigenen Interessen.
Entwicklungspolitik ist deshalb immer auch Zukunftspolitik. Eine bessere Zukunft gibt
es nur, wenn wir sie aktiv, auch selbst persönlich, gestalten.
So richtig die Maxime „do no harm“ ist, darf sie nicht zu einer Ethik der sauberen
Hände durch Nichtstun führen. Friedrich Schorlemmer hat damit eine Grundhaltung
beschrieben, nach der man lieber nichts tut, ehe man etwas Falsches anrichtet.
Moralisch ausreichend ist das nicht. Denn moralisches Handeln besteht eben nicht
einfach nur im Unterlassen des Unmoralischen. Schon von Laotse ist der Satz
überliefert, dass man verantwortlich ist nicht nur für das, was man tut, sondern auch
für das, was man nicht tut.
Wir im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
stellen uns dieser Verantwortung. Nicht nur in Deutschland, sondern überall in der
Welt. Deshalb lautet unser Motto: Unternehmen statt Unterlassen.
Dabei verbinden wir unsere Werte mit unseren Interessen: Wir arbeiten für das Recht
jedes Menschen, sein Leben selbstbestimmt und frei von Not zu gestalten. Mangelnde
5
Lebenschancen bedrohen menschliche Freiheit. Mehr Entwicklung bedeutet daher
auch mehr Freiheit. Zugleich stellen wir deutsches Know-how vor und fördern in
wirtschaftlich wachsenden Schwellen- und Entwicklungsländern neue Märkte.
Deutsche Unternehmen im Ausland sind gerade auch in Entwicklungsländern bekannt
dafür, dass sie Sozial- und Umweltstandards einhalten, die oft weit über dem vor Ort
gesetzlich Vorgeschriebenen liegen. So werden deutsche Investitionen in
Entwicklungsländern zum Hebel, um hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen und den
Menschen ein angemessenes und dauerhaftes Einkommen zu bieten – das muss unser
Verständnis von nachhaltiger Armutsbekämpfung sein.
Wirtschaftliche Interessen haben keinen Vorrang vor entwicklungspolitischen Zielen.
Entwicklungspolitik ist aber nicht automatisch gut, wenn sie altruistisch ist. Ebenso
wenig ist sie allein deshalb schlecht, weil Partner damit Interessen verbinden. Ideelle
Luftschlösser lösen sich in der Sekunde auf, in der die staatliche Finanzierung endet.
Wirtschaftlich tragfähig und damit nachhaltig sind entwicklungspolitische Ansätze
nur, wenn sie auch von Interessen getragen werden. Und nur dann findet
Entwicklungszusammenarbeit auch auf Augenhöhe zwischen Partnern statt.
Wenn wir über Ethik und Werte im internationalen Handeln sprechen, brauchen wir
einen Bezugsrahmen, der für alle Beteiligten Gültigkeit hat und auch bei unseren
Partnern Akzeptanz genießt. Die universalen Menschenrechte sind für uns dieses
Leitprinzip. Wenn es zu Zielkonflikten kommt, wenn Menschenrechte bedroht sind,
stellen wir Werte über Interessen.
In allen Regierungsverhandlungen und Gesprächen mit unseren Partnerländern
drängen wir auf die Wahrung der Menschenrechte. Mehr denn je ist dies das zentrale
Kriterium für eine Zusammenarbeit. Darum haben wir die Menschenrechte in unserer
Entwicklungspolitik mit einem bindenden Menschenrechtskonzept verankert, erstmals
in der 50-jährigen Geschichte deutscher Entwicklungspolitik. Zu lange haben zu viele
bei uns gedacht, dass wir mit ein wenig Überredungskunst und Förderung manch
einem Despoten ein schlechtes Gewissen machen könnten. Wir wollen mehr Druck
ausüben! Wir wollen eine neue Balance zwischen Fördern und Fordern!
Mit unserem neuen Antikorruptionskonzept gehen wir den nächsten Schritt. Denn nur
wenn wir konsequent gegen Korruption vorgehen, können wir die Menschen in
unseren Partnerländern mit unserer Entwicklungspolitik erreichen. Und nur durch
Transparenz und Integrität können wir die Menschen in Deutschland für unsere
Entwicklungspolitik begeistern.
Uns geht es um Engagement und um eine respektvolle Partnerschaft, weil wir die
Menschen und ihre Würde in den Vordergrund stellen. Die Menschen in den
Entwicklungsländern sind keine Hilfsempfänger, sie sind die Schlüsselakteure ihrer
eigenen Entwicklung. Unsere Zusammenarbeit macht Partner nicht abhängig, sondern
selbständig. Darum haben wir auch die bilaterale Zusammenarbeit gegenüber der
multilateralen aufgewertet. Denn durch bilaterale Zusammenarbeit entsteht eine
direkte und würdevolle Beziehung zwischen Partnern, die sich zu ihren Werten und
6
ihren Interessen bekennen. Nur so endet die alte Geber-Nehmer-Logik, die uns zu
edlen Spendern macht und die Partner zu Bettlern.
Die Würde jedes einzelnen Menschen zu achten und zu schützen liegt aber nicht nur in
der Verantwortung des Staates, sondern ist auch eine individuelle Verantwortung, ein
neuer Imperativ, der zum aktiven Handeln im eigenen Interesse verpflichtet. Diese
Verantwortung wahrzunehmen ist eine Aufforderung an uns alle und an alle von uns.
Entwicklungspolitik als globale Zukunftspolitik braucht persönliche Begegnung und
Engagement. Sie ist dann wirksam, wenn sie Menschen zum Engagement motiviert
und Potentiale freisetzt, wenn sie Chancen eröffnet und mehr Eigenverantwortung
ermöglicht. Unternehmen, statt unterlassen! Das BMZ unterstützt die Menschen, die
sagen: Lasst mich mal ran, ich kann auch etwas beitragen für eine bessere Welt.
Deshalb haben wir auch gern die Tagung „Ethik in der Entwicklungszusammenarbeit“
der Arbeitsgemeinschaft Entwicklungsethnologie unterstützt. Deshalb haben wir mit
der Service- und Informationsstelle „Engagement Global“ eine zentrale Anlaufstelle
für diejenigen in unserer Gesellschaft gegründet, die sich engagieren wollen. Deshalb
haben wir im Mai 2012 bereits zum zweiten Mal unseren Engagementgipfel
veranstaltet. Und deshalb geben wir Menschen in allen Altersgruppen auch die
Möglichkeit, sich selbst im Ausland zu engagieren: für die jungen Leute gibt es den
Freiwilligendienst „weltwärts“, Erwerbstätige können sich ehrenamtlich als
Entwicklungshelfer engagieren, und wer nach dem Berufsleben noch anpacken will,
kann dies im Senior Experten Service tun.
Der Staat alleine schafft keine Entwicklung. Dafür braucht es alle gesellschaftlichen
Kräfte - bei uns und in den Entwicklungsländern. Zivilgesellschaft, Kirchen und auch
die verantwortlich handelnde Wirtschaft wollen wir als Verbündete. Verbündete, die
sich mit uns für eine gerechtere Welt engagieren. Globale Entwicklung ist unsere
gemeinsame Verantwortung. Gehen wir es an, weil es uns alle angeht!
7
Einführung
„Als in der Ex-Sowjetunion verschiedentlich tätiger Gutachter interessierte mich die
Anfrage der ‚Entwicklungsbank für wirtschaftlichen Aufbau’(EWA) natürlich sehr, in
der Hauptstadt des Landes B. eine umfassende empirische Untersuchung
durchzuführen. Ich war schon verschiedentlich dort gewesen, kannte das Land und
seine politisch-soziale Situation recht gut, und außerdem war die allgemeine
Auftragslage gerade jetzt wenig rosig.
B. ist ein Land, in dem politischer Pluralismus auch nach dem Zusammenbruch der
Sowjetunion keine Rolle spielen konnte und entsprechend Kritiker an Landespolitik
und Staatsführung von den Sicherheitsdiensten drangsaliert werden. Selbst wer nur
die wuchernde Korruption anprangerte, wurde noch kürzlich wegen ‚Herabwürdigung
des nationalen Stolzes’ mit aller Härte verfolgt.
Die geplante Studie sollte allerdings ein politisch zunächst wenig sensibles Feld
umfassen, die Müllentsorgung der Hauptstadt, und die EWA wollte vor allem die
Bereitschaft der Bevölkerung erkunden, für diese neue Leistung Gebühren zu zahlen,
bzw. eruieren, ob sie vom Einkommen her in der Lage sein würde, die geplanten
Gebühren auch wirklich zahlen zu können. Hierfür sollten 1.400 Haushalte, nach dem
Zufallsprinzip ausgesucht, befragt werden.
Der Vertrag kam wenige Tage später zustande und als erstes entwickelte ich einen
Fragebogen mit rund 30 Kernfragen, unter anderem über die Qualität der bisherigen
Müllentsorgung und die Zufriedenheit mit der Eigenfirma der Stadtverwaltung. Ein
doch recht sensibler Fragenkomplex war der nach dem Einkommen aus verschiedenen
Quellen und nach den Familienausgaben der letzten 12 Monate. Auch sollte die
Zufriedenheit mit der heutigen Lebenssituation angesprochen werden sowie die
Möglichkeit, eigene Vorschläge zur Verbesserung städtischer Dienstleistungen zu
machen, gegeben werden.
Mit wenigen Korrekturen wurde der Fragebogen vom Projektmanager der EWA
angenommen. Beim Durchgehen der Änderungen stellte ich jedoch fest, dass an Stelle
des Feldes für die durchlaufende Nummerierung der Fragebögen zwei neue Felder
eingefügt waren, eines für den Namen des Vertreters der zu befragenden Familie und
ein zweites für seine Telefonnummer. Beides entsprach in keiner Weise dem, was
zumindest für westliche Sozialwissenschaftler als ‚state of the art’ gilt, dass nämlich
Befragungen dieser Art absolut anonymisiert werden müssen und allenfalls der
Untersucher selbst über die Nummerierung des Fragebogens und auch nur im
absoluten Einzelfall (z.B. bei einer geplanten Folgebefragung derselben Personen) die
Interviewpartner zurückverfolgen können darf.
Mein Einwand, dass beide Fragen absolut unüblich seien und wegen der sensiblen
Thematik und vor allem vor dem politischen Hintergrund des Untersuchungslandes für
die Betreffenden möglicherweise mit negativen Konsequenzen verbunden sein könnten,
wurde zunächst kategorisch zurückgewiesen. Die beiden Angaben würden benötigt,
8
um bei 10% der Befragten Kontrollanrufe zu tätigen. Dies habe zu erfolgen, um sicher
zu gehen, dass die Befrager/innen auch wirklich ihre Arbeit zuverlässig erledigt (und
die Fragebögen nicht selbst ausgefüllt) hätten“.
Diese Geschichte hat sich 2010 wirklich so zugetragen. Die Auseinandersetzung
zwischen dem auch aus wirtschaftlichen Gründen an dem Auftrag sehr interessierten
Gutachter und der Entwicklungsbank dauerte einige Emailrunden hin und her an, bei
der die Bank auch weiterhin auf der Kontrollmöglichkeit bestand (so hätten sich
andere Consultants gegen diese Vorgaben bisher nicht gewehrt). Kurz bevor der
Vertrag scheiterte, weil der Gutachter auf seiner Position, für die es die genannten
schwerwiegenden Gründe gab, bestand, gab die EWA schließlich nach. Dies aber nicht
aus Einsicht in die ethische Problematik, sondern weil schlichtweg die Zeit davon lief
und nach der Auszahlungsplanung für das betreffende Land ein Ergebnis dringend
benötigt wurde, um das Vorhaben endlich beginnen zu können. Für die Suche nach
einem anderen Gutachterbüro blieb daher keine Zeit mehr.
Zweifelsohne handelt es sich bei dem geschilderten Fall um ein sehr offenkundiges
Beispiel für ethische Dilemmata, hier allerdings sehr einseitig nur aus Sicht des
beauftragten Gutachters, während die beteiligte Entwicklungsbank durch ihre
Forderung keine eigenen Leitlinien oder „safeguards“ verletzt sah. Daher wäre es für
den betroffenen Gutachter (und alle Kollegen und Kolleginnen weltweit, die sich in
einer ähnlichen Situation befinden) wichtig, sich auf universell gültige ethische
Leitlinien im Kontext entwicklungspolitischer Arbeit berufen zu können, die auch im
behandelten Fall für die Auftraggeberin, selbst wenn nicht im juristischen Sinne
bindend, als Handlungsempfehlung hätten herangezogen werden können.
Solche Handlungsempfehlungen gibt es einerseits in Fülle, andererseits sind sie in
vielen Fällen wenig konkret und variieren von Institution zu Institution beträchtlich.
Für die einen geht es zum Beispiel primär um die Korruptionsprävention in der
Außenbeziehung, andere zielen auf die Vermeidung von Korruption im Inneren einer
Organisation, dritte wiederum regeln primär das Zusammenspiel der eigenen
Mitarbeiter, aber nur wenige haben das Miteinander von Menschen generell zum
Gegenstand, wie es für die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) relevant wäre. Eine
gemeinsame Grundlage für ethisch angemessenes Handelns besteht weder auf
internationaler Ebene noch gibt es sie innerhalb der deutschen privaten und
öffentlichen EZ.
An diesem Punkt setzt die in diesem Tagungsbandes aufgegriffen Thematik an: Die im
Juni 2012 in Bonn durchgeführte Tagung „Ethik in der Praxis der
Entwicklungszusammenarbeit“ und damit der im Folgenden präsentierte umfassende
Bericht haben zum Ziel, einen konkreten Beitrag zur Berücksichtigung ethischer
Dilemmata in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit, angefangen von der
Mikroebene des Projektes bis hin zur Interaktion zwischen Verantwortlichen auf der
Regierungsebene, zu leisten und Vorschläge für eine ethisch verantwortliche
Zusammenarbeit mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zu unterbreiten.
9
Erste gemeingültige ethischen Regeln für eine gesamte Disziplin hat sich vermutlich
die Medizin verordnet. Die Physik, obwohl durch die Nuklearforschung besonders
exponiert, hat erst in Folge des tatsächlichen Einsatzes von Kernwaffen begonnen,
über die ethischen Aspekte ihrer Arbeit nachzudenken. Bis heute ist das Ergebnis,
zumindest für die breite Öffentlichkeit, recht unklar.
Im Bereich der Sozialwissenschaften hat dagegen die Anthropologie bzw. die
Ethnologie frühzeitig begonnen, sich mit ethischen Dilemmata zu beschäftigen, die die
Arbeit mit Menschen fremder Kulturen mit sich zu bringen pflegt oder zumindest
beinhalten könnte. Von besonderer Bedeutung wurde im Zuge des Indochinakrieges
und des zunehmenden US-amerikanischen Engagements in Vietnam und seinen
Nachbarländern die Auseinandersetzung um die Frage, ob ethnologisches Wissen auch
militärischen und geheimdienstlichen Zwecken zur Verfügung gestellt werden dürfe.
Die fachinterne Debatte führte einerseits zu einer Zerreißprobe innerhalb der
ethnologischen Fachverbände und zu nahezu unüberbrückbaren Feindschaften
zwischen den an der Debatte beteiligten Fachkollegen/innen, andererseits resultierte
sie in zumindest für die einzelnen Verbände und ihre Mitglieder halbwegs
verbindlichen Leitlinien.
Eine nicht auch nur im entferntsten mit vergleichbarer Schärfe wie in den USA
geführte Diskussion gab es in Deutschland in den 1950er und 1960er Jahren um die
grundsätzliche ethische Frage, ob die während der Nazizeit einerseits missbrauchte,
andererseits aber auch aktiv an kolonialistischen bis rassistisch ausgerichteten
Forschungen beteiligte Ethnologie innerhalb der neuen demokratischen
Bundesrepublik Deutschland überhaupt anwendungsorientiert forschen dürfe. Zu sehr
sahen einige Fachvertreter eine neue Missbrauchsmöglichkeit auch im Rahmen eines
demokratischen Rechtsstaates, weswegen sie aus ethischen Gründen für eine
wertneutrale, rein wissenschaftliche Ethnologie eintraten, die jegliche
Anwendungsorientierung kategorisch abzulehnen habe. Vor dieser grundsätzlichen
Frage verblassten zunächst alle Überlegungen, auch die rein akademisch ausgerichtete
ethnologische Forschung auf ethische Grundprinzipien zu verpflichten.
Eine frühe Gegenposition gegen die Verdammung anwendungsorientierter Forschung,
die bereits lange vor anderen Fachkollegen/innen entwicklungspolitisch argumentierte,
kam von dem Wiener und später Bonner Soziologen und Ethnologen Justin Stagl, der
sich für eine aktive Rolle von Ethnologinnen und Ethnologen in der
Entwicklungszusammenarbeit (EZ) aussprach. In seinem Essay „Völkerkunde und
Entwicklungshilfe“ aus dem Jahre 1970 hieß es unter anderem:
„Ich plädiere daher für die Teilnahme der Ethnologen an den bestehenden
Institutionen der Entwicklungshilfe, mit dem Ziel, diese für die betroffenen
Völker erträglicher zu gestalten. Diese Teilnahme muß trotz der Erkenntnis
erfolgen, dass Entwicklungshilfe vielfach die Fortsetzung des Kolonialismus mit
anderen Mitteln ist. [...] ... aber ich halte es für wichtig, nochmals festzustellen,
daß eine Haltung, die vor diesen Problemen die Augen schließt, um sich nur der
reinen Forschung zu weihen, unvertretbar erscheint. [...] Wollte er [der
Ethnologe] sich in überhaupt nichts einmischen und nur im Stillen hoffen, das
10
‚seinen Völkern’ nichts geschieht, damit er weiterhin an den pittoresken Details
ihrer sozio-kulturellen Organisationen seinen Erkenntnistrieb und sein
ästhetisches Gefühl befriedigen kann, dann müsste er sich aber auch dessen
bewusst sein, dass er sich damit entschieden hat, ‚seine’ Völker in Schönheit
sterben zu lassen“2.
Man kann die Position Stagls durchaus als einen wichtigen, wenn nicht sogar als den
konstituierenden Grundsatzbeitrag im Vorfeld der Gründung der Arbeitsgemeinschaft
Entwicklungsethnologie 1985 innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde
(DGV) verstehen, da wichtige Teile seiner Argumentation in das Grundverständnis der
AGEE eingingen. So wurde die Beteiligung mit ethnologischem Wissen zu Gunsten
der von Entwicklungsvorhaben im positiven wie im negativen Sinn betroffenen
Bevölkerung zum konstituierenden Element der Entwicklungsethnologie in
Deutschland, die fachinternen Anfeindungen mit dem Stagel’schen Argument des
ungerührt Sterben-Lassens der Kulturen (wenn Ethnologen eben nicht eingreifen)
sowie dem Hinweis auf unterlassene Hilfeleistung bei den Totalverweigerern einer
entwicklungspolitischen Engagements durch Ethnologen begegnete.
Allerdings waren sich die in der AGEE engagierten Entwicklungsethnologen/innen
durchaus der Tatsache bewusst, dass nicht jede Teilnahme von Fachvertretern/innen an
EZ-Vorhaben ethisch gerechtfertigt sein kann. Diesebetraf (und betrifft noch heute)
z.B. die Einbringung ethnologischer Fachkenntnisse in die Umsetzung all jener
Entwicklungsvorhaben, die von der Bevölkerung bzw. ihren legitimen Vertretern
selbst abgelehnt werden oder die erhebliche negative Wirkungen auf zumindest einen
Teil der Menschen im Wirkungsbereich der EZ-Maßnahmen haben könnten. Zudem
waren sich die Mitglieder der AGEE bewusst, dass die eigenen Erkenntnisse, wenn
auch potentiell für die Arbeit zugunsten einer armen Bevölkerung nützlich, von den
Auftraggebern zu deren Nachteil missbraucht werden könnten. Ganz besonders
sprachen sich Entwicklungsethnologen von Anbeginn ihrer Selbstorganisation deshalb
gegen eine Beteiligung an geheimdienstlichen und militärischen Aktivitäten aus.
Eine unmittelbare Folge dieser kritischen Position war die frühe Beschäftigung der
AGEE mit ethischen Fragen entwicklungsethnologischen Tätigwerdens, die im Projekt
der Erarbeitung „Ethischer Leitlinien“ für im entwicklungspolitischen Kontext tätige
Ethnologinnen und Ethnologen mündete. Bewusst muss in diesem Zusammenhang von
einem Projekt gesprochen werden, denn die Debatte dauerte rund zehn Jahre mit
immer neuen Ergänzungen und Veränderungen, bis es 2000/2001 endlich zur Vorlage
eines von allgemeinem Konsens getragenen Papieres kam. Die relativ kurz gehaltenen
Kernthesen wurden dabei von einem kleinen Team von Praktikern kommentiert und
mit Beispielen versehen.
Um die eigene Position einerseits einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren,
andererseits von dritter Seite kritisch hinterfragen lassen zu können, wurde 2001 in
Starnberg in Zusammenarbeit mit der Akademie für Staatsbürgerliche Bildung eine
Erstveröffentlichung in KAI – Mitteilungen des Lehrstuhls für Soziologie und Kulturwissenschaft an der
Universität Salzburg Nr. 2, Mai 2070, 1-20. Reprint 1985 in: Ethnologie, Entwicklung und der sozio-kulturelle
Kontext. Beiträge zur Kulturkunde 2, 149-153.
2
11
Tagung mit breiter Beteiligung durchgeführt, an der Vertreterinnen und Vertreter des
BMZ, der staatlichen Durchführungsorganisationen, von entwicklungspolitisch tätigen
Nichtregierungsorganisationen (NRO) sowie aus der Wissenschaft und auch aus in der
EZ tätigen Consultingunternehmen teilnahmen.
Im Ergebnis zeigte sich, dass die Ethischen Leitlinien der AGEE durchaus als
praktikabel angesehen wurden, aber wie allerdings von den Initiatoren durchaus so
gewollt primär auf die praktische Tätigkeit von EZ-Fachleuten in den Partnerländern
ausgerichtet waren. Grundsätzliche Überlegungen zur ethischen Begründung von EZ
sowie ethische Dilemmata, mit denen sich die Akteure in einem verantwortlichen
Ministerium sowie den Managementapparaten der Durchführungsorganisationen (DO)
im Rahmen ihrer politischen und administrativen Aufgaben konfrontiert sehen, blieben
im Papier weitgehend ausgeklammert, auch wenn Fragen der Information der
Bevölkerung über die eigene Agenda und des Informantenschutzes (siehe das
Einstiegsbeispiel) natürlich auch und gerade für die Auftraggeber von Studien von
Relevanz sein sollten.
In der auf die Verabschiedung der Ethischen Leitlinien folgenden Dekade bis zur
Gegenwart kam die Diskussion um ethisches Handeln in der EZ in Deutschland nur
wenig voran. Einerseits wurden die OECD/DAC-Leitlinien zu Evaluationen („Quality
Standards for Development Evaluation“ 2010) verabschiedet und für die deutsche
staatliche EZ entsprechend übernommen und die Deutsche Gesellschaft für Evaluation
(DGEval) legte einen eigenen Kodex über gute Praxis in der Evaluation vor
(„Standards für Evaluation“, Mainz 20084). Auch beschloss der Spitzenverband der
deutschen entwicklungspolitischen NRO VENRO im Dezember 2010 in Berlin ein
Papier „Verhaltenskodex Transparenz, Organisationsführung und Kontrolle“. Aber
eine über einzelne Fachverbände hinaus akzeptierte Vorlage, die zudem spezifisch auf
die Praxis zugeschnitten ist, ließ weiterhin auf sich warten. Auch die Ethischen
Leitlinien der AGEE, wiewohl inhaltlich weiterhin konsensfähig und auf zahlreiche
ethische Dilemmata grundsätzlich anwendbar, konnten aufgrund ihrer engen
Ausrichtungen auf die Entwicklungsethnologie kaum als Modell für die EZ allgemein
betrachtet
werden.
Zudem
fehlten
Verbindlichkeitserklärung
und
Sanktionsmechanismen.
Eine Erweiterung und Anpassung der Ethischen Leitlinien an neuere Entwicklungen
schien notwendig, auch und gerade angesichts der Ausweitung ethnologischer
Beteiligung in den vergangenen Jahren im EZ-Bereich. Aufgrund der immerhin seit
mehr als zwanzig Jahren anhaltenden internen Ethikdebatte und entsprechender
Erfahrungen bei der praktischen Anwendung fühlte sich der Vorstand der AGEE
veranlasst, 2012 die Diskussion über das eigenen Fach hinaus zu tragen. So wurde eine
Tagung konzipiert und mit Unterstützung des BMZ vom 15. bis 16. Juni 2012 in Bonn
durchgeführt, die zum Ziel hatte, das Thema der Ethik in der Praxis der EZ aus den
ethnologischen Fachzirkeln hinauszutragen, unter Berücksichtigung internationaler
Erfahrungen mit einem breiten Fachpublikum zu erörtern und damit einen Beitrag zu
leisten, das Thema nachhaltiger als bisher in der öffentlichen Debatte zu verankern.
12
Zur Vorbereitung der Tagung wurde vom Vorstand der AGEE ein vorläufiges
Positionspapier in deutscher und englischer Sprache erarbeitet und allen Beitragenden
vorab zur Verfügung gestellt. Dieses Positionspapier beinhaltete die bisherigen
Ethischen Leitlinien der AGEE erweitert um die Ergebnisse einer Recherche über
entwicklungsbezogene ethische Kodizes aus einer Vielzahl von internationalen und
nationalen Organisationen sowie Fachverbänden (hier abgedruckt im Teil I des
Tagungsbandes).
Bewusst wurde dabei der Fokus der Überlegungen, wie bei den bisherigen Leitlinien,
auf die Praxis der EZ gelegt, wobei die allgemeine Ethik der
Entwicklungszusammenarbeit zum „Warum EZ leisten?“ ausgeklammert blieb. Auch
wurde auf tiefergehende Überlegungen zu Fragen einer Weltethik (Was haben alle
relevanten ethischen Konzepte gemeinsam?) verzichtet.
Damit konzentrierte sich das Positionspapier wie das Gesamtkonzept der Tagung vom
Juni 2012 auf ethische Grundfragen, die sich aus dem Miteinander von Menschen aus
unterschiedlichen Kulturen bei der strategischen Erarbeitung, Planung,
Implementierung und abschließenden Wirkungsanalyse von entwicklungspolitischen
Vorhaben aller Art ergeben können. Da es um die direkte Interaktion von Menschen
gehen sollte, war damit keinerlei Einschränkung bezüglich der Art der
entwicklungspolitischen Vorhaben verbunden, d.h. die Erörterung ethischer
Dilemmata sollte ebenso für das begrenzte Projekt einer NRO wie für Maßnahmen der
bilateralen Technischen und Finanziellen Zusammenarbeit gültig sein und auch
sektorweite Ansätze bis hin zu Vorhaben im Bereich der Budgethilfe umfassen
können.
Zur Tagung selbst konnte eine Reihe ausgewiesener Fachleute aus der staatlichen und
nichtstaatlichen EZ als Referenten gewonnen werden, darunter einige ausländische
Gäste aus Burkina Faso, Indien und Schweden, die den deutschen Erfahrungshorizont
erweitern konnten. So sei im Vorgriff auf die Details bereits an dieser Stelle vermerkt,
dass sich zum Beispiel in Schweden und anderen nordischen Ländern schon früh ein
sehr viel ungezwungeneres Verhältnis von staatlichem Entwicklungshilfemanagement
und Ethnologie als beratender Wissenschaft herausgebildet hat als in Deutschland und
entsprechend auch ethische Dilemmata offener und vor allem viel selbstverständlicher
als hier erörtert wurden. Allerdings hat sich nach Ansicht von Sten Hagberg (Beitrag
in Teil II) durch die Abkehr Schwedens von der Projektförderung zuletzt der Bedarf an
Fachkräften stark reduziert und auch der Diskurs mit den Partnern sei hierdurch
erheblich reduziert worden und die Distanz der politisch Verantwortlichen zu den
armen Menschen als Zielgruppe der EZ gewachsen.
Wichtig für das Gelingen der Tagung war die Präsenz des NRO- und privaten
Consultingsektors. Letzterer wurde bislang häufig aus ethischen Diskursen
ausgeklammert bzw. bei Gesprächen zwischen EZ-Verantwortlichen und Vertretern
von Ingenieurfirmen ging es bisher oft eher um das beschränkte Thema der
Korruptionsprävention als um die sehr viel breiteren ethischen Fragen der
entwicklungspolitischen Praxis, die sich bei der Implementierung von Projekten und
Programmen sowie Begleitmaßnahmen insgesamt ergeben. Wichtig war dabei die
13
Erkenntnis, dass sich selbst technisch ausgerichtete Consultants hinsichtlich ethischer
Fragen keineswegs ablehnend oder auch nur neutral verhalten müssen, sondern
einerseits bei vielen Firmen bereits relativ strenge und alle Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter verpflichtende ethische Kodizes bestehen, andererseits zumindest einzelne
Consultants sich keine Zurückhaltung auferlegen, bestehende Mißstände im Sinne
ethisch angemessener Verhaltensweise auch als solche zu bezeichnen und offen zu
legen. Hier sei nur auf den Beitrag von Ulrich Daldrup verwiesen (Teil II), aus dem
klar hervorgeht, dass aus ethischer Perspektive als kritisch zu bewertende Situationen
keineswegs ein Kennzeichen allein staatlicher oder multilateraler EZ sind, sondern
auch bei der Arbeit von NRO auftreten können.
NRO gebührt wiederum das Verdienst, in der Vergangenheit besonders häufig auf
ethische Dilemmata hingewiesen zu haben, auch wenn dies möglicherweise ihre
Kooperation mit staatlichen Stellen (d.h. sowohl den Geldgebern im eigenen Land wie
auch den Regierungen in den Partnerländern, die in der Regel die
Arbeitsgenehmigungen erteilen) hätte gefährden können. Auch haben in den letzten
Jahren NRO in Deutschland eine Reihe von Initiativen insbesondere zur
Korruptionsbekämpfung ergriffen (so Transparency International). Hinzuweisen ist
ferner noch einmal auf den VENRO-Verhaltenskodex zu Transparenz,
Organisationsführung und Kontrolle, der für alle Mitgliedsorganisationen verbindlich
ist, auch wenn er sich nur auf die Arbeit der NRO in Deutschland bezieht.
Allen unterschiedlichen Gruppen von Tagungsteilnehmern - insbesondere auch zu
nennen sind in diesem Zusammenhang die Kollegen und Kolleginnen aus der
akademischen (Entwicklungs)Ethnologie, den Politikwissenschaften (vertreten u.a.
durch das Institut für Entwicklung und Frieden, INEF, der Universität Duisburg) und
den Entwicklungsorganisationen - zu verdanken ist die umfassende und qualifizierte
Kommentierung des zur Tagung vorgelegten Diskussionspapiers der AGEE. Neben
den konstruktiven, durchaus auch kritischen Anmerkungen ist hierbei vor allem die
Fülle von Empfehlungen festzuhalten, die für die weitere Ausformulierung hin zu
einem Positionspapier von großem Wert waren. Das in Kapitel I im Anschluss an die
Analyse internationaler Konzepte präsentierte Ergebnispapier verdankt seine heutige
Form vor allem diesen Kritiken und Anregungen.
Die abgedruckte Version stellt noch nicht ein abschließendes Positionspapier auf Basis
eines Beschlusses der AGEE-Mitgliederversammlung dar, sondern zunächst nur einen
Entwurf, der in den nächsten Monaten den Mitgliedern zur weiteren Kommentierung
und zur abschließenden Beschlussfassung vorlegt werden soll. Trotzdem sind die
Organisationen der Fachtagung und die Redakteure des Entwurfs der Ansicht, dass das
Positionspapier einen Stand erreicht hat, der es erlaubt, ihn nunmehr einer breiteren
Fachöffentlichkeit vorzustellen und als inhaltliche Grundlage für eigene Diskurse um
ethische Leitlinien zu empfehlen. Das Interesse im BMZ und in den
Durchführungsorganisationen an der Thematik zeigt, dass bereite heute ein Konsens
darüber besteht, dass ethische Dilemmata auch in diesen Institutionen stärker
thematisiert und zumindest mittelfristig Überlegungen hinsichtlich eigener ethischer
Kodizes angestellt werden sollten.
14
Wenn die AGEE-Initiative dazu beiträgt, dass sich in nicht allzu ferner Zeit
entwicklungspolitisch engagierte Fachleute in Deutschland auf einen einheitlichen
Kodex, zumindest aber auf bei allen Beteiligten akzeptierte ethische Grundprinzipien
berufen können, so wäre dies eine erhebliche Bestätigung der bisherigen Arbeit der
AGEE. In diesem Fall würde nicht nur der im Beispiel beschriebene Streit um eine
Anonymisierung von Informantinnen und Informanten aller Art ein für alle Mal
beendet, sondern auch Grundprinzipien wie Empathie, Offenheit, Partizipation und
über allem eine Betonung des Menschenrechtsgedankens in der EZ könnten nachhaltig
verankert werden.
Zuletzt sei an dieser Stelle allen Beteiligten der Tagung für ihre Mitwirkung herzlich
gedankt. Mitwirkung bedeutet dabei u.a. die Vorbereitung, für die Dr. Marco Heinz
maßgeblich mit verantwortlich zeichnet. Ferner ist die Erstellung der umfassenden
Analyse ethischer Kodizes zu erwähnen, die von Marco Heinz und Stefan Neumann
durchgeführt wurde. Die Arbeitsvorlage zur Tagung entstand ebenfalls unter
Beteiligung beider genannter Kollegen, darüber hinaus kamen fruchtbare Ideen von
Prof. Dr. Michael Schönhuth, der auch als Mit-Moderator der Tagung wirkte.
Hinsichtlich der Moderation geht der Dank an Prof. Dr. Christoph Antweiler von der
Universität Bonn und an Prof. Dr. Tobias Debiel, der als Direktor des INEF mit
seinem Institut auch als Mitveranstalter gewonnen werden konnte, sowie an Frau
Patricia Rinck, die das in Teil III dieses Bandes abgedruckte Protokoll erstellt hat.
Besonderer Dank geht an alle Vortragenden, und zwar nicht allein für ihre Vorträge
oder Beteiligungen an den Panels. Für den Herausgeber besonders wichtig war, dass
ihre schriftlichen Ausarbeitungen fast ganz ohne Mahnung, spätestens aber nach
Vereinbarung einer Nachfrist nahezu druckfertig eingereicht wurden, so dass der Band
in seiner Grundstruktur bereits ein halbes Jahr nach der Tagung vorliegen konnte.
Schließlich geht der Dank des Herausgebers und der Veranstalter an das BMZ und
seinen Forschungsbeauftragen Peter Krahl für die Schaffung der finanziellen
Voraussetzungen für die Tagung sowie an den Staatssekretär des Ministeriums, HansJürgen Beerfeltz, der mit seinem Geleitwort für den Tagungsband nicht nur das
Interesse des BMZ an der Ethikthematik deutlich gemacht, sondern auch im Gespräch
mit Vertretern der AGEE sein persönliches Interesse an einer Fortsetzung des Dialogs
über ethische Fragen in der entwicklungspolitischen Praxis zum Ausdruck gebracht
hat.
Bonn, im März 2013
Frank Bliss
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