harmonia mundi magazin X/2007 TITEL Akademie für Alte Musik Berlin 2&3 G. F. HÄNDEL (1685-1759) Solomon (Oratorium in drei Akten) Sarah Connolly, Alt – Susan Gritton & Carolyn Sampson, Sopran – Mark Padmore, Tenor – David Wilson-Johnson, Baß – RIAS Kammerchor – Akademie für Alte Musik Berlin, Leitung: Daniel Reuss HMC 901949.0 (P02) 794881848423 LOGOS BR / HR / MDR / NDR Antonio VIVALDI (1678-1741) Doppelkonzert für zwei Oboen d-moll RV 535, Doppelkonzert für zwei Violoncelli g-moll RV 531, Doppelkonzert für zwei Violinen a-moll RV 522, Violinkonzert E-Dur RV 265, Concerti grossi g-moll RV 156 & F-Dur RV 574 Akademie für Alte Musik Berlin HMC 901975 (T01) 794881848225 LOGOS BR / HR / MDR / NDR Ein Vierteljahrhundert, vergangen wie im Flug Als sich 1982 Mitglieder verschiedener Ostberliner Orchester und Musikstudenten zu einem neuen Orchester für Alte Musik zusammenschlossen, dem ersten Orchester der historischen Aufführungspraxis in der DDR, war nicht abzusehen, daß es sich im Laufe seiner Geschichte zu einem Ensemble mit einem erstklassigen internationalen Ruf entwickeln würde. Inzwischen behauptet sich die Akademie für Alte Musik Berlin weltweit als erstrangiger Klangkörper für Musik des Barocks und der Klassik auf Originalinstrumenten. Schon in den 70er Jahren hatten sich einige Gründungsmitglieder gelegentlich getroffen und Versuche mit historischen Interpretationsansätzen unternommen, doch jetzt wurde es ernst. Man wählte den Namen Akademie für Alte Musik Berlin; hiermit wurde einerseits der demokratische Ansatz einer gemeinsamen Arbeit ohne Dirigenten oder Leiter betont (dafür wurde die Truppe anfänglich von offiziellen Stellen argwöhnisch beäugt), zum anderen ergab sich auch eine willkommene Verbindung zu den Privatkonzerten in Berliner Salons des 18. Jahrhunderts, die unter dem Namen Akademie stattfanden. Obwohl der sozialistische Alltag in der DDR durchtränkt von der SED-Doktrin war, mußte diese Realität indessen nicht zum Gefühl eines ständigen Drucks führen. Stephan Mai, Konzertmeister der Akademie für Alte Musik, sagte in einem Interview: „Meine Freunde und ich haben uns über alles amüsiert, was sozialistisch war.“ Allerdings hatte diese weltanschauliche Dauerberieselung die Folge, daß sich ein gesundes Mißtrauen gegen jede Form von Ideologie entwickelte. Von der Idee einer wissenschaftlichen Wiederbelebung „originaler“ Musizierweisen hält man im Orchester folglich wenig, die Musiker sind sich über ihre Zielsetzung im klaren, als Menschen der Gegenwart Musik vergangener Zeiten in möglichst stilgerechten Interpretationen, jedoch fern von dogmatischen musikwissenschaftlichen Ansätzen zu einem Erlebnis für heutige Hörer zu machen. Bei allem Bemühen um Perfektion spielt die Lust am Musizieren eine entscheidende Rolle. Sorgfältig vorbereitete Interpretationen und eine spontane Musizierfreude vereinen sich zu prägenden Elementen ihrer Arbeit und teilen sich dem Publikum ihrer Konzerte und den Hörern ihrer CDs in mitreißender Weise mit. Schnell eroberte sich die Akademie für Alte Musik Berlin ein begeistertes und beständiges Publikum. Seit 1984 gestaltete das Ensemble turnusmäßig seine eigene Konzertreihe im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt. Nach und nach wurden Kontakte zum westlichen Kollegenkreis der Alte-MusikSzene möglich, und mit Öffnung der Grenzen und der deutschen Wiedervereinigung internationalisierte sich das Wirkungs- und Erfahrungsfeld. Es begann die Zusammenarbeit mit dem RIAS Kammerchor; überdies war das Orchester unter der Leitung von René Jacobs regelmäßiger Gast an der Berliner Staatsoper Unter den Linden sowie bei den Innsbrucker Festwochen. In den letzten Jahren haben sich die internationalen Verpflichtungen des Orchesters mehr und mehr erweitert. Neben regelmäßigen Konzerten in den musikalischen Zentren Europas wie Wien, Paris, Brüssel und Madrid führten sie Tourneen bislang auch in fast alle europäischen Länder (unter anderem in Skandinavien), in den Nahen Osten, nach Japan und in die USA. Die CD-Einspielungen des Ensembles erscheinen seit 1995 exklusiv bei harmonia mundi. Das Repertoire des Ensembles umfaßt die Musik vom Hochbarock bis zur Schubert-Zeit, die Bach-Söhne und Berliner Komponisten des 18. Jahrhunderts spielen eine besondere Rolle. Der Fixstern bei der Arbeit der Akademie für Alte Musik ist allerdings Johann Sebastian Bach, seine Musik macht immer noch den Löwenanteil in der Diskographie des Orchesters aus. Doch auch Georg Philipp Telemann nimmt einen bedeutenden Platz im Repertoire ein, was 2006 in der Verleihung des Telemann-Preises der Stadt Magdeburg gewürdigt wurde. Natürlich fehlt auch Händel nicht, ebenso wenig Keiser, in dessen Hamburger Opernorchester Händel als junger Mann seine ersten Erfahrungen in der Opernmusik machte. Scarlatti, Haydn, Boccherini und Rossini runden die Diskographie der Akademie für Alte Musik Berlin zu einem umfassenden Kaleidoskop der Musik vom 17. bis ins 19. Jahrhundert ab. Die Zusammenarbeit mit der Choreographin Sasha Waltz und ihrer Tänzergruppe bedeutete für die Akademie für Alte Musik den Aufbruch in das 21. Jahrhundert. Ihr gemeinsames Projekt 4 Elemente – 4 Jahreszeiten, ein „choreographisches Konzert“, übersetzte musikalische Strukturen in räumliche Bewegung und schuf so eine neue Aufführungsform jenseits des traditionellen Konzertbetriebs. Im 2006 neueröffneten Radialsystem V hat die Kooperation der beiden Ensembles für die Zukunft ihr Heim gefunden. 4 J. S. BACH (1685-1750) Das Wohltemperierte Clavier (Buch I, BWV 846-869) Richard Egarr, Cembalo HMU 907431.2 (P02) 093046743123 LOGOS MDR / NDR Der praktische Theoretiker Johann Sebastian Bach war ein Abkömmling einer alten Musikerdynastie, die Kirchenmusiker ebenso hervorgebracht hatte wie Stadtpfeifer. Neben Einfallsreichtum und Anpassungsfähigkeit an verschiedenartige Aufführungssituationen war für beide Berufsgruppen ein hohes Maß an Organisationsfähigkeit erforderlich: Als Komponisten, Solisten, Ensembleleiter und Impresarios mußten sie Multitalente sein. Bach selbst folgte beiden familiären Vorbildern. Er begann seine Laufbahn als Geiger im Weimarer Hoforchester sowie als Kirchenmusiker in der thüringischen Provinz, wirkte danach als Kapellmeister und hatte schließlich in Leipzig die Stelle als Kantor der Thomasschule und als Musikdirektor inne. In diesen Positionen vereinigten sich die Aufgaben des Leiters des geistlichen wie des weltlichen Musiklebens einer der führenden Städte Deutschlands. Die Organisation der sonntäglichen Gottesdienstmusik in den beiden Leipziger Hauptkirchen St. Thomas und St. Nikolai brachte nicht nur viel Kompositionsarbeit mit sich: Die Kantaten mußten mit den Schülern der Thomasschule einstudiert werden, die Instrumentalisten mußten beschafft und bei alle dem tausend kleine und große Probleme disziplinarischer und organisatorischer Natur überwunden werden. Daneben gab es noch Aufgaben als Mitglied des Lehrkörpers der Thomasschule, denen Bach möglichst aus dem Weg zu gehen versuchte – das glückte allerdings nicht immer. Überdies stand Bach noch einer großen Familie vor, und er nahm seine Aufgaben als Vater seiner zahlreichen Kinderschar sehr ernst. Das bedeutete in erster Linie, daß er die Söhne durch eine solide musikalische Ausbildung auf das familiäre Metier des Musikerberufs vorbereitete. Hierbei erwies er eine überaus glückliche Hand, denn vier Söhne wurden bedeutende Komponisten: Wilhelm Friedemann (der „Hallenser Bach“), Carl Philipp Emanuel (der „Berliner“ bzw. „Hamburger Bach“), Christoph Friedrich (der „Bückeburger Bach“) und Johann Christian (der „Mailänder“ bzw. „Londoner Bach“). Wie ein großer Teil der systematischen Werksammlungen Johann Sebastian Bachs ist auch das Wohltemperierte Clavier im Zusammenhang mit dem Unterricht seiner Söhne entstanden. Bach selbst fertigte von den durch alle Tonarten komponierten Präludien und Fugen eine Reinschrift an, über deren Titel in voller Seite ein Ornament prangt, das von der Nachwelt als ungelenke Verzierung angesehen wurde. Jüngste Forschungen haben indessen erwiesen, daß es sich bei dieser „Verzierung“ um eine wissenschaftlich einwandfreie Skizzierung der „wohltemperierten“ Stimmung handelt, die zu Bachs Lebzeiten entwickelt wurde und erstmals in der abendländischen Musikgeschichte ermöglichte, Musik auf einem Tasteninstrument in allen 24 Dur- und Moll-Tonarten zu spielen, ohne das Instrument für weitauseinanderliegende Tonarten umzustimmen. Bach schrieb keine Abhandlungen über diese musiktheoretische Hauptfrage seiner Zeit, er löste diese Frage und kleidete seine Antwort in Musik. Und für die Freunde der Bilderrätsel verpackte er seine Lösung in diesem Fall noch in einen wohldurchdachten Schnörkel auf dem Titelblatt. mit Richard Egarr bereits erschienen: J. S. BACH Goldberg-Variationen & 14 Goldberg-Kanons HMU 907425.6 (P02) 093046742522 LOGO KLASSIK.COM "Man kann Egarr zu diesen Einspielungen nur gratulieren." KLASSIK.COM "Das 'cantable' und doch immer artikulierte Spiel Egarrs machen die CDs zum Erlebnis." ÖSTERREICHISCHE MUSIKZEITSCHRIFT 5 Franz SCHUBERT (1797-1828) Sonaten für Violine und Klavier D-Dur D 384, a-moll D 385, g-moll D 408, A-Dur D 574 Andrew Manze, Violine & Richard Egarr, Fortepiano HMU 907445 (T01) 093046744526 LOGOS BR / MDR / NDR / KLASSIK.COM Notfalls auch ohne Beethoven „Ich schreibe jeden Vormittag einige Stunden. Wenn ich ein Stück fertig habe, fange ich ein anderes an.“ soll Franz Schubert einem Frager geantwortet haben, der ihn auf seine bemerkenswerte Produktivität angesprochen hatte. Tatsächlich ähnelt er in der scheinbaren Mühelosigkeit seines Schaffensprozesses Mozart: Die Manuskripte beider Komponisten sehen häufig wie Reinschriften aus, während beispielsweise Beethovens Niederschriften mit zahlreichen Verbesserungen und Überschreibungen von der Mühsal zeugen, die ihm die kompositorische Arbeit bereitete. Das Ringen um den richtigen musikalischen Ausdruck für eine Idee, das Ersinnen komplizierter harmonischer Abläufe, die sich in Beethovens Noten so deutlich zeigt, hat natürlich auch Mozart und Schubert beschäftigt. Bei Mozart geschah diese Arbeit offensichtlich vor der Niederschrift im Kopf und bedeutete für ihn eine große Anspannung, die er oft nur mit ablenkenden Tätigkeiten wie Billardspielen oder Kutschfahrten in den Prater aushalten konnte. Schubert löste Kompositionsprobleme praktisch und arbeitete an manchen Stücken nur so lange, bis sein Problem gelöst war, die Probekomposition zur Seite gelegt werden und die Lösung in das Werk eingearbeitet werden konnte, das er als Komposition vollenden wollte. Der bemerkenswerte Anteil von Fragmenten an Schuberts Œuvre erklärt sich zweifellos in hohem Maße aus dieser arbeitstechnischen Methode, wenn es auch Fragmente von hoher künstlerischer Qualität gibt, deren Fertigstellung aktuellen Notwendigkeiten weichen mußte und denen sich Schubert später wieder widmen wollte. Das zeigt die Schaffensbiographie manches abgeschlossenen Werkes, das in Phasen entstanden ist – der frühe Tod des Komponisten ist also auch ein Grund für die vielen Fragmente in seiner musikalischen Hinterlassenschaft. Die drei Violinsonaten dieser Einspielung sind in den Jahren 1816/17 entstanden; der knapp 20jährige Schubert nimmt deutlich Mozart als Vorbild und beschreitet von diesem Ausgangspunkt Wege eines eigenen Ausdrucks und gelegentlich durchaus kühner Harmonien. In dieser geglückten Synthese von Modell und eigener Kreativität liegt vielleicht auch eine gewisse Kritik an Ludwig van Beethoven verborgen, den Schubert als den größten lebenden Komponisten seiner Zeit verehrte. Beethoven war seit 1815, verbittert über seine forschreitende Ertaubung und die ungehemmt reaktionäre Restaurationspolitik der Metternich-Epoche, als Komponist nahezu verstummt. Wollte nun Schubert durch diese eindeutig nicht am Vorbild Beethovens ausgerichteten Kompositionen den Meister reizen, wieder ins Licht der Öffentlichkeit zu treten – oder wollte er ihm zeigen, daß es notfalls auch ohne ihn gehen würde? mit Andrew Manze und Richard Egarr bereits erschienen: W. A. MOZART Violinsonaten 1781: KV 376, 377, 380 & 403 HMU 807380 (U01) 093046738068 LOGO SACD LOGOS MDR / KLASSIK.COM "Das phantasievolle, eloquente, immer aufs Ganze gehende Spiel der beiden führt auch bei Mozart zu ganz neuen Hörerfahrungen." CONCERTO "Das Dream-Team Manze-Egarr glänzt hier wieder und brilliert, schafft Maßstäbe." TOCCATA 6 Weihnachtsgeschenke in Luxusausstattung Jedes Jahr zu Weihnachten bereitet harmonia mundi einen Gabentisch, der für jeden Musikfreund (und jeden Geldbeutel) eine reichhaltige Auswahl bietet. Einen besonderen Platz in diesem Festtagsangebot nehmen die exquisit ausgestatteten Buch-CDs ein. Im festen Einband präsentieren sich große Aufnahmen des harmonia mundi-Katalogs mit zahlreichen Abbildungen und zusätzlichen Texten versehen als Augen- und Ohrenschmaus. Von Bachs Weihnachtsoratorium und der h-mollMesse bis hin zu Piazzollas Bandoneonkonzert spiegeln diese Luxuseditionen das ganze Spektrum der Aufnahmetätigkeit von harmonia mundi wider. Die Veröffentlichungen dieses Jahres bereichern den kleinen Luxuskatalog der Buch-CDs beträchtlich: Das Ensemble Clément Janequin entführt sein Publikum mit Liedern der Renaissance ins Reich der Gaumenfreuden dieser lebensfrohen Epoche, das Buch bietet darüber hinaus eine Auswahl von Kochrezepten der Zeit in Originaltext und Übersetzung, so daß der Musikfreund mit etwas kulinarischem Geschick dem Ohrenschmaus noch das Tafelvergnügen hinzufügen kann. Mit dem zweiten CD-Buch laden Meistercellist Roel Dieltiens und sein Ensemble Explorations mit Cellokonzerten Vivaldis in die Lagunenstadt Venedig ein, deren zauberhafter Welt der 'prete rosso' wie kein zweiter ein musikalisches Denkmal gesetzt hat. LES PLAISIRS DU PALAIS Trink- und Eßlieder der Renaissance Ensemble Clément Janequin, Leitung: Dominique Visse HML 5908224- (L02) 794881819027 Antonio VIVALDI (1678-1741) 14 Cellokonzerte (RV 400, 401, 405, 407, 408, 411, 415, 417, 419, 420, 421, 423, 544 & 561) Roel Dieltiens, Violoncello und Violoncello piccolo – Ensemble Explorations HML 5908235- (L02) 794881848928 Antonio VIVALDI (1678-1741) Gitarrenkonzerte D-Dur RV 93, C-Dur RV 425 & G-Dur RV 532, Triosonaten C-Dur RV 82 & h-moll RV 85 Silvius Leopold WEISS (1686-1750) Sonata A-Dur Katona Twins, Gitarre – Carducci String Quartet CCS 23707 (T01) 723385237075 LOGO SACD Lagunenzauber In etwa 550 Konzerten hat Antonio Vivaldi sich unsterblich gemacht; dabei wirkte der 'prete rosso' als einer der führenden Musiker seiner Zeit: Ganz Europa lauschte neugierig seinen Werken. Er führte als Musikmeister des venezianischen Ospedale della Pietà die junge Gattung des Instrumentalkonzerts auf eine neue Höhe. In Amsterdam erschienen seine Werke im Druck, in Dresden wirkte sein Geigenschüler Pisendel und verschaffte seinem Lehrer ein begeistertes Publikum. Selbst Johann Sebastian Bach studierte die Musik des venezianischen Kollegen ausgiebig und machte sie zur fruchtbaren Inspirationsquelle für eigene Kompositionen. Besonders Vivaldis Kompositionen für Laute und Orchester stechen unter seiner Produktion hervor: Mit der ihm typischen unerschöpflichen musikalischen Phantasie eröffnete er dem Instrument, das bisher in der Kammermusik und als Generalbaßinstrument vielfältigen Einsatz gefunden hatte, neue Entfaltungsmöglichkeiten. Auf seiner jüngsten CD präsentiert das weltweit gefeierte Gitarrenduo Katona Twins Lautenkompositionen von Antonio Vivaldi gemeinsam mit dem Carducci Steichquartett in eigenen Bearbeitungen, die den bestechenden Charme dieser Werke einem heutigen Publikum nahebringen. 7 Antonio VIVALDI (1678-1741) Atenaide (Dramma per musica in drei Akten) Sandrine Piau, Sopran – Vivica Genaux, Guillemette Laurens & Romina Basso, Mezzosopran – Natalie Stutzmann, Alt – Paul Agnew & Stefano Ferrari, Tenor – Modo Antiquo, Leitung: Francesco Maria Sardelli OPS 30-438 (M03) 709861304387 LOGOS HR / MDR Vivaldi als Retter in der Not Mit der Uraufführung von Atenaide am 9. Dezember 1728 erklang im renommierten Florentiner Teatro della Pergola zum dritten Mal ein Werk des 'prete rosso'. Erstmalig war im Juni 1718 zur Eröffnung des Opernhauses ein Werk von Vivaldi hier über die Bühne gegangen, doch die persönlichen Verhältnisse zwischen dem venezianischen Komponisten und dem exzentrischen Impresario, Marchese Luigi degli Albizzi, standen nicht zum besten. Demzufolge wurde der Erfolgskomponist Vivaldi immer nur dann an das Florentiner Haus eingeladen, wenn der Impresario in der Klemme war. So mußte das Publikum in Florenz acht Jahre lang warten, bis Albizzi sich ein weiteres Mal der Hilfe des berühmtesten der venezianischen Komponisten versicherte. Die Rechnung ging auf und die Aufführung von Ipermestra zum Karneval 1727/28 wurde ein voller Erfolg. Ein Jahr später plante Impresario Albizzi einen Wettstreit der Opernstile auf seiner Bühne. Die neuen Opern aus Neapel fanden in Florenz ein begeistertes Publikum, Vivaldi indes huldigte diesem neuen Stil in keiner Weise, seine venezianische Tradition war ihm lieb und teuer. Atenaide wurde ausersehen, gegen Catone in Utica des neapolitanischen Erfolgskomponisten Leonardo Vinci anzutreten. Wiederum ein Coup: Das Publikum strömte so zahlreich zur Pergola, daß vor dem Theater eine Barriere aufgestellt werden mußte, um die Fußgänger vor den zahlreichen Kutschen und Karossen zu schützen. Trotz einer hervorragenden Besetzung war Atenaide in Florenz kein spontaner Erfolg beschieden, so daß man die Hoffnungen auf Catone in Utica setzte, die finanziellen Verluste von Atenaide wieder wettzumachen. War es eine Intrige oder schlicht ein zufälliges Fiasko? Vivaldi jedenfalls glaubte an sein Werk und fertigte eine Bearbeitung an, die heute zum Turiner Vivaldi-Schatz gehört: Die in der piemontesischen Hauptstadt aufbewahrte Fassung der Oper ist auch Grundlage dieser Premiere des Werkes auf CD. Antonio VIVALDI (1678-1741) Farnace (Auszüge) Adriana Fernández & Cinzia Forte, Sopran – Gloria Banditelli, Mezzosopran – Sara Mingardo & Sonia Prina, Alt – Furio Zanasi & Fulvio Bettini, Bariton – Le Concert des Nations, Leitung: Jordi Savall AVCD 9830 (H01) 7619986098302 kleiner Stopper: mit ALIA VOX-Katalog 2007 Venedig contra Neapel zum zweiten Ein weiteres Beispiel für den Wettbewerb zwischen Vivaldi und dem neapolitanischen Konkurrenten Vinci ist die Oper Farnace, deren Libretto des Textdichters Antonio Maria Lucchini verschiedentlich in Musik gesetzt wurde. Den Anfang machte Leonardo Vinci 1724, drei Jahre später nahm sich Vivaldi des Stoffes an: Farnace ging 1727 im venezianischen Theater S. Angelo über die Bühne, war also ein Heimspiel. Der Erfolg blieb nicht aus, doch geriet die Oper wie fast alle Opern des Barock in den folgenden 250 Jahren in Vergessenheit. Jordi Savall hat das Werk 2001 zu neuem Leben erweckt, der Querschnitt seiner Live-Aufnahme aus dem Teatro de la Zarzuela in Madrid wird hier als neueste Katalog-CD von Alia Vox präsentiert. 8 J. S. BACH (1685-1750) Kantaten Vol. 6: Lobe den Herrn, meine Seele BWV 69a, Geist und Seele BWV 35, Lobe den Herren BWV 137, Du sollt Gott BWV 77, Ihr, die ihr euch BWV 164, Allein zu dir BWV 33 Katherine Fuge & Gillian Keith, Sopran – Nathalie Stutzmann & Robin Tyson, Alt – Christoph Genz, Tenor – Jonathan Brown & Peter Harvey, Baß – The Monteverdi Choir & The English Baroque Soloists, Leitung: John Eliot Gardiner SDG 134 (Q02) 843183013425 J. S. BACH (1685-1750) Kantaten Vol. 16: Tritt auf die Glaubensbahn BWV 152, Das neugeborne Kindelein BWV 122, Gottlob! nun geht das Jahr BWV 28, Singet dem Herrn BWV 190, Motette „Singet dem Herrn“ BWV 225 Katharine Fuge, Gillian Keith & Joanne Lunn, Sopran – Daniel Taylor, Alt – James Gilchrist, Tenor – Peter Harvey, Baß – The Monteverdi Choir & The English Baroque Soloists, Leitung: John Eliot Gardiner SDG 137 (T01) 843183013722 Das Abschlußkonzert der ‘Bach Cantata Pilgrimage’ Manhattan war zauberhaft, nachdem es dort zum ersten Mal seit sieben Jahren ausgiebig geschneit hatte. Es war Silvester, und in der Park Avenue bogen sich die Äste der festlich erleuchteten Bäume unter der Last des Schnees. Bachs großartige doppelchörige Motette Singet dem Herrn BWV 225, die das 59. und abschließende Konzert unserer Pilgerreise eröffnete, spricht von dem schneidenden Wind, der das Gras welken lassen und das Leben auslöschen kann – draußen waren die Temperaturen auf minus zehn Grad gefallen. … Die Stimmung in der bis zum letzten Platz gefüllten Kirche St. Bartholomew war einzigartig, das Publikum hingerissen und glücklicherweise ohne störende Huster. Chor und Orchester wirkten fragil und euphorisch in einer merkwürdigen Mischung, so als hätte die riesige Anstrengung, zur letzten Station der Reise zu gelangen, alle aufgestauten Gefühle an die Oberfläche gebracht. Die Spannung löste sich, als die munteren und fröhlichen äußeren Abschnitte von Singet dem Herrn gesungen wurden, in denen deutlich zum Ausdruck kommt, daß das Lied ‘neu’ ist. Das Engagement, die Freude und Begeisterung und das Gemeinschaftsgefühl zwischen Sängern und Instrumentalisten waren deutlich zu spüren, der Höhepunkt eines Unternehmens, das sich über ein ganzes Jahr erstreckt, neue Freundschaften hervorgebracht und durch gemeinsame Erlebnisse gefestigt hatte. John Eliot Gardiner J. S. BACH (1685-1750) Kantaten „Ich habe genug“ BWV 82 & „Mein Herze schwimmt in Blut“ BWV 199, Orchestersuite Nr. 2 h-moll BWV 1067 Johannette Zomer, Sopran – Ensemble Florilegium CCS 23807 (T01) 723385238072 LOGO SACD LOGOS HR / MDR / NDR Allzu große Kunst 1737 verfaßte Johann Adolph Scheibe, ein ehemaliger Schüler Johann Sebastian Bachs, jetzt aber glühender Anhänger der modernen Aufklärung, eine Kritik, in der er mit seinem Lehrer hart ins Gericht ging: Durch ein „schwülstiges und verworrenes Wesen“ entzöge Bach seinen Stücken das Natürliche und verdunkle ihre Schönheit durch „allzu große Kunst“. Bach mußte sich natürlich aufs tiefste gekränkt fühlen und gab bei Johann Abraham Birnbaum, der an der Leipziger Universität Vorlesungen in Jura, Philosophie und Rhetorik hielt, eine Erwiderung in Auftrag. Diese fiel sehr würdig aus, konnte indes nicht verdecken, daß sich die Gewichte in der Musik inzwischen zum „galanten Stil“ verschoben hatten. Die Werke der vorliegenden CD zeugen in aller Eindrücklichkeit von Bachs ‘allzu großer Kunst’, sei es in der von ihm selbst herrührenden Sopranversion der hauptsächlich für Baß bekannten Kantate Ich habe genug oder der aus dem Frühwerk stammenden Kantate Mein Herze schwimmt in Blut, die bereits die ganze Tiefe späterer Kompositionen vorwegnimmt. Die zweite Orchestersuite liefert ein eindrucksvolles Beispiel von Bachs Wirken als Konzertveranstalter in Leipzig, ist sie doch für die Auftritte des Collegium Musicum im Zimmermannschen Kaffeehaus entstanden, an denen Scheibe vielleicht selbst mitgewirkt hat. 9 Claudio MONTEVERDI (1567-1643) L’Orfeo (Favola in musica) Anna Simboli & Monica Piccinini, Sopran – Sara Mingardo, Alt – Furio Zanasi, Bariton – Antonio Abete & Sergio Foresti, Baß u. a. – Concerto Italiano, Leitung: Rinaldo Alessandrini OPS 30-439 (T02) 709861304394 LOGOS BR / HR / MDR / NDR Die Geburt der Oper Mit der Uraufführung von Monteverdis L’Orfeo wurde im herzoglichen Palast in Mantua am 24. Februar 1607 die Oper geboren. Vorausgegangen war eine Phase des Experimentierens, die besonders in Florenz einige Bühnenwerke von statischer Dramatik hervorgebracht hatte. Monteverdi blieb es vorbehalten, mit dem Orfeo erstmals eine Geschichte auf die Bühne zu bringen, die in abwechslungsreicher szenischer und musikalischer Dramaturgie mit all ihren emotionalen Facetten ein Spiegel des menschlichen Lebens ist. Seine Fähigkeit, mit musikalischen Mitteln Gefühlszustände auszudrücken, machte Monteverdi zu einem bis heute erfolgreichen Opernkomponisten. Schon die Uraufführung von Orfeo war ein triumphaler Erfolg, der bereits den Ruf „Da capo!“ provozierte, mit denen bis heute Opernfans die Wiederholung großer Auftritte erzwingen. Francesco Gonzaga, ein Sohn des Herzogs von Mantua, berichtete in einem Brief von der Aufführung: „Die Favola wurde mit soviel Freude für alle, die sie hörten, aufgeführt, daß der Fürst, obwohl er sie auch bei den Proben viele Male gehört hatte, anordnete, daß sie noch einmal aufgeführt wird.“ Monteverdis Bühnenerstling war eine lange Entwicklungsgeschichte vorausgegangen, die Anfänge der Gattung liegen bereits in der Renaissance, und die ersten Musikdramen zeigen deutlich den Aufbruch aus der Sphäre des mittelalterlichen Mysterienspiels in eine neue Welt des Theaters. Die Antike war das Leitbild der Epoche, und man machte sich mit großem Ernst auf die Suche nach dem ursprünglichen Theater des alten Griechenland. So entstanden ziemlich steife Dramen mit einer Musik, die zuallererst deklamatorischen Zwecken dienen sollte. Neben diesem eher theoretischen Experimentierfeld hatte die Renaissance noch eine Menge anderer szenischer Musik wie die Madrigalkomödie oder das Intermedium zu bieten. Derartige Stücke dienten allerdings in erster Linie der Unterhaltung und stellten keinen Versuch dar, antike Formen wieder zum Leben zu erwecken. Auf die weitere Geschichte der Oper übte diese weltliche szenische Musik jedoch im Verlauf der weiteren Geschichte einen kräftigen Einfluß aus. Es blieb der ersten Generation des Barocks vorbehalten, die Oper zum Leben zu erwecken. Hierbei kommt Monteverdi eine führende Rolle zu. Leider sind von seinen vielen Bühnenwerke nur drei überliefert: L’Orfeo, Il ritorno d’Ulisse in patria und L’incoronazione di Poppea. Doch allein diese Trilogie läßt Monteverdi für alle Zeiten in die Riege der bedeutendsten Opernkomponisten aufrücken. Von einer weiteren Oper, Arianna, ist nur ein Klagegesang erhalten geblieben, der als Lamento d’Arianna berühmt geworden ist und in seiner Schönheit den Verlust der übrigen Oper desto beklagenswerter macht. „Mehr noch als eine Liebesgeschichte ist L’Orfeo ein grandioses Fest für die Macht der Musik“, sagt Rinaldo Alessandrini. Seine Einspielung des Werkes ist eine Verherrlichung des Gesangs durch den Gesang, in der Wort und Musik sich innig zum Ausdruck des tiefsten menschlichen Gefühls vereinen. mit Rinaldo Alessandrini und Concerto Italiano zuletzt erschienen: Claudio MONTEVERDI Madrigali guerreri ed amorosi (8. Madrigalbuch) OPS 30-435 (M03) 709861304356 LOGOS BR / MDR / NDR "Ein ebenso angenehmes wie mitreißendes Hörerlebnis: fest verankert im ästhetisch Schönen und dennoch ausdrucksstark und zupackend." RONDO "Alessandrini und sein Ensemble bleiben ihrem genuinen Interpretationsduktus treu: einer unmanierierten Stringenz." CONCERTO 10 Joseph HAYDN (1732-1809) Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuz (Originalversion für Orchester) Le Concert des Nations, Leitung: Jordi Savall AVSA 9854 (U01) 7619986398549 LOGO SACD LOGOS BR / MDR / NDR Musik für ein ausgefallenes Ritual Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuz gehören zu den merkwürdigsten Werken der geistlichen Musik, Haydn selbst schilderte seinem Biographen Griesinger die Entstehungsgeschichte der 1786 in Auftrag gegebenen Komposition am Anfang des 19. Jahrhunderts folgendermaßen: „Vor etwa fünfzehn Jahren bat mich ein Domherr aus Cádiz, ein Instrumentalstück über die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze zu komponieren. Damals war es üblich, jedes Jahr in der Kathedrale zu Cádiz während der Fastenzeit ein Oratorium aufzuführen, dessen Wirkung besonders hervorgehoben wurde, indem die Wände, Fenster und Pfeiler der Kirche in schwarz bedeckt wurden; allein eine große Lampe, die in der Mitte hing, brach diese heilige Düsterkeit. Zu Mittag wurden alle Tore geschlossen, und alsbald erklang die Musik. Nach entsprechendem Vorspiel bestieg der Bischof seinen Stuhl, sprach eines der sieben Worte und kommentierte es. Anschließend stieg er wieder herab und stellte sich davor: Diese Zeitspanne wurde von Musik gefüllt. Und so bestieg der Bischof den Stuhl ein zweites, ein drittes Mal und so fort, und das Orchester spielte jedes Mal am Ende der Predigt. In meinem Werke hatte ich diesen Umstand zu berücksichtigen. Die Aufgabe bestand darin, sieben aufeinanderfolgende Adagi zu je etwa zehn Minuten zu schreiben, ohne daß es der Zuhörer eintönig empfände, und es war kein leichtes.“ In sieben langsamen Stücke einen kontinuierlichen musikalischen Spannungsbogen zu entfalten, war in der Tat eine schwierige Aufgabe, doch Haydn löste sie mit solcher Souveränität, daß seine Sieben letzten Worte augenblicklich ungeheuer erfolgreich waren und die Neugier der ganzen musikalischen Welt erweckten. Um die breite Nachfrage zu befriedigen, fertigte der Komponist von dem Orchesterwerk bald eine Version für Streichquartett an, autorisierte die Klavierfassung eines anderen Bearbeiters und ließ 1796 noch eine eigene Bearbeitung als Oratorium folgen. Joseph HAYDN (1732-1809) Streichquartette g-moll op. 20/3, C-Dur op. 74/1, G-Dur op. 76/1 The Amsterdam String Quartet CCS 25907 (T01) 723385259077 LOGO SACD Haydns Streichquartette – Ein roter Faden durch sein Lebenswerk Schon in seiner ersten Anstellung als Kapellmeister eines winzigen Orchesters bei einem Grafen Morzin entwickelte Joseph Haydn als junger Mann von ungefähr 25 Jahren aus den Formen der barocken Triosonate und des frühklassischen Divertimento seine erste Erfindung, auf die er nach modernen Urheberrechtsvorstellungen ein Patent beantragen könnte: das Streichquartett. Zeit seines Lebens ist er dieser Gattung treu geblieben und hat sie zu einer Vollkommenheit entwickelt, der jeder Komponist, der nach Haydn Streichquartette schrieb, seinen Respekt nicht versagen konnte. Das Amsterdam String Quartet spielt auf historischen Instrumenten Musik von den Anfängen der Gattung in den 1760er Jahren bis zum romantischen Repertoire der Mitte des 19. Jahrhunderts. Auf seiner Debüt-CD vereint das Ensemble ein Streichquartett Haydns aus den frühen 1770er Jahren mit zwei Kompositionen des Spätwerks. 11 Anton BRUCKNER (1824-1896) Sinfonie Nr. 3 d-moll (Originalversion 1873) Philharmoniker Hamburg, Leitung: Simone Young OC 624 (Q01) 4260034866249 LOGO SACD mit den Philharmonikern Hamburg unter Simone Young bereits erschienen: Anton BRUCKNER Sinfonie Nr. 2 c-moll (Erste Konzeptversion 1872) OC 614 (Q01) 4260034866140 LOGO SACD „Analytischer als ihr Vorbild Daniel Barenboim, aber auch impulsiver als der unvergessene Günter Wand, erweckt Simone Young den frühen Bruckner zu orchestralem Leben.” KulturSPIEGEL Anton BRUCKNER (1824-1896) Sinfonie Nr. 7 E-Dur Chicago Symphony Orchestra, Leitung: Bernard Haitink CSO 901704 (T01) 810449017046 mit dem Chicago Symphony Orchestra unter Bernard Haitink bereits erschienen: Gustav MAHLER Sinfonie Nr. 3 CSO 901701 (P02) 810449017015 Steiniger Weg zum Olymp Anton Bruckner brauchte einen langen Atem, um als Komponist den Erfolg zu ernten, der ihm der Qualität seiner Werke entsprechend zukam. Er konnte zwar an seiner musikalischen Mission keinen Zweifel empfinden, doch war er als Person ungewandt bis zur Tolpatschigkeit und geriet in der musikalischen Auseinandersetzung der beiden musikalischen Lager der „Wagnerianer“ und „Brahminen“ zwischen alle Fronten. Besonders Kritikerpapst Eduard Hanslick schärfte als eingefleischter Parteigänger von Johannes Brahms seine Feder gegen Bruckner, den uneingeschränkten Bewunderer Richard Wagners. Wagner selbst ließ sich die Verehrung Bruckners halb widerwillig gefallen; als Bruckner in das Schußfeld der Anti-Wagnerianer geriet, nachdem er seine dritte Sinfonie dem Bayreuther Meister zugeeignet hatte, hat dieser sich allerdings nicht für ihn eingesetzt. Unbeirrt setzte Bruckner trotz breiter Ablehnung seinen Weg als Sinfoniker fort, getröstet durch die freundlichere Aufnahme, die der vierten Sinfonie zuteil wurde. Weiterer Trost mag in dem Umstand gelegen haben, daß sein Ruhm als hervorragender Orgelvirtuose ungeschmälert blieb und sein Schüler- und Studentenkreis sich ebenfalls solidarisch um ihn scharte. Den Durchbruch als Sinfoniker brachte die Uraufführung der siebten Sinfonie im Dezember 1884 in Leipzig unter der Leitung des jungen Dirigenten Arthur Nikisch: Eine Viertelstunde dauerte der frenetische Applaus und auch die Kritiken in der Presse entdeckten mit ekstatischem Lob Bruckners Genie, das sie vorher immer so sehr heruntergeschrieben hatten, daß die fünfte und sechste Sinfonie zu diesem Zeitpunkt immer noch ihrer Uraufführung harrten. Jetzt allerdings wandte man sich auch den früheren Sinfonien zu, und der gutmütige Bruckner ließ sich von „Freunden“ dazu überreden, seine früheren Werke durch Revisionen von vermeintlichen Mängeln zu befreien. Simone Young, seit 2005 erfolgreiche Opernintendantin und Generalmusikdirektorin in Hamburg, hält mehr als 100 Jahre nach den Uraufführungen die Zeit für gekommen, die Sinfonien in ihren Urfassungen zu präsentieren, die Bruckner selbst „für spätere Zeiten, und zwar für einen Kreis von Freunden und Kennern“ reserviert hatte. Offensichtlich hatte Bruckner sich dem Urteil seiner wohlmeinenden Freunde nicht angeschlossen, sondern war bereit, alle Voraussetzungen zu erfüllen, die seinen Werken endlich den Weg in die Konzertsäle bahnen könnten. 12 Engelbert HUMERPDINCK (1854-1921) Sämtliche Lieder für Singstimme und Klavier Sibylla Rubens, Sopran – Christine Müller, Mezzosopran – Andreas Weller, Tenor – Thomas Bauer, Bariton – Uta Hielscher & Chia Chou, Klavier OC 807 (M02) 4260034868076 Musik im Schatten eines Erfolgswerks Hänsel und Gretel, neben Mozarts Zauberflöte die weltweit meistgespielte Oper, wurde zum Schicksal Engelbert Humperdincks: Während sein Ruhm nach seinem Tod 1921 rasch verblaßte, setzte seine Erfolgsoper ihren mit der Uraufführung 1893 begonnenen Siegeszug über die Bühnen der Welt fort. Heute verknüpft man mit dem Namen Humperdinck lediglich dieses eine Werk – gelegentliche Produktionen seiner zweiten und ambitionierten Oper Die Königskinder vermögen daran nichts zu ändern. Zusätzlich schmälert das zweifelhafte Attribut eines Wagner-Epigonen seinen Ruhm bei der Nachwelt. Diese Gesamtaufnahme von Humperdincks Œuvre für Singstimme und Klavier tritt an, diese Vorurteile zu bekämpfen. Wohl zeigen die frühen Lieder bis ca. 1890 die große Wagner-Verehrung des Komponisten, der in Köln bei Hiller und in München bei Lachner und Rheinberger studiert hatte. Doch ließ eine verstärkt in den Vordergrund rückende Betonung des Melodischen immer mehr eine Nähe zum Volkslied erkennen und machte die Werke auch in zahlreichen Bearbeitungen für Männerchor, Orchester und Kammerensembles populär. Die vorliegende Einspielung kehrt zu den originalen Kompositionen zurück und basiert auf einer wissenschaftlichen Neuausgabe, die von der Musikwerkstatt Engelbert Humperdinck Siegburg erarbeitet wurde. Luigi NONO (1924-1990) Prometeo (Tragedia dell’ascolto) Diverse Vokalsolisten – Solistenchor Freiburg – ensemble recherche u. a. – Leitung: Peter Hirsch & Kwamé Ryan COL 20605 (T02) 4099702060524 LOGO SACD Grandiose Vereinigung von Philosophie, Literatur und Musik Prometeo ist Luigi Nonos letztes großes Projekt vor seinem Tod 1990. Für das aus neun Teilen bestehende Werk profitierte der Komponist von den Fortschritten der Live-Elektronik, die es ihm erlaubte, von Chor und Orchester erzeugte Klänge buchstäblich durch den Raum zu schicken. So legt sich in der Wahrnehmung allmählich Fragment auf Fragment, während der Hörer eingeladen wird, sich sein eigenes Theater im Kopf zusammenzusetzen. Vier Orchestergruppen, Chor, Sprecher, Sänger und Instrumentalsolisten, zwei Dirigenten – dieser äußerliche Aufwand allein macht jede Aufführung des Prometeo zum Klangereignis. Und von großer Bedeutung ist dabei die exakte Aufteilung der Musik, die mit Hilfe raffinierter Live-Elektronik quasi zeitlos, ohne Anfang und Ende, durch den Raum zieht. Nun ist es erstmals gelungen, die „Wiedergabe der umfassenden Räumlichkeit“ des Prometeo adäquat in dieser exemplarischen Referenzaufnahme für die Nachwelt festzuhalten. Das Team um André Richard und Peter Hirsch, das 1985 bereits die Uraufführung des neuen Prometeo in Mailand zusammen mit Nono (und Claudio Abbado) erarbeitete, schuf mit dieser Doppel-SACD ein kaum wiederholbares Ereignis höchster Interpretations- und Aufnahmekunst. Damit liegt eines der bedeutendsten musikalischen Werke des 20. Jahrhunderts in Referenzqualität vor. 13 Serge PROKOFIEFF (1891-1953) Die Liebe zu den drei Orangen (Oper in einem Prolog und vier Akten) Nadezhda Serdjuk (Prinzessin Clarissa) – Andrey Ilyushnikov (Der Prinz) – Alexey Tanovitsky (König Treff) u. a. – EuropaChorAkademie – Mahler Chamber Orchestra, Leitung: Tugan Sokhiev – Inszenierung: Philippe Calvario (Aufzeichnung vom Festival d'Aix-en-Provence, Juli 2004) BAC 024 (W01) 3760115300248 LOGO DVD Eine ironische Märchenoper Ausnahmezustand im Spielkartenland: Der Thronfolger ist krank, leidet an Hypochondrie, kann nicht lachen. Ein großes Fest wird organisiert, dessen Lustigkeit den Prinzen kurieren soll; alle Mühe bleibt indes vergeblich. Als ungebetener Gast erscheint die Zauberin Fata Morgana, sie stürzt in einem Handgemenge, und ihre Ungeschicklichkeit reizt den Prinzen derart zum Lachen, daß er von seiner Hypochondrie geheilt ist. Erzürnt verhext ihn die Zauberin, sich in drei Orangen zu verlieben und nicht zu ruhen, ehe er sie erobert hat. Die Orangen befinden sich bei einer anderen bösen Zauberin, die jeden tötet, der nach ihnen trachtet. Die Südfrüchte erweisen sich schließlich als Gefängnis für drei schöne Prinzessinnen, der Prinz und die schönste verlieben sich ineinander, überwinden die letzten Hindernisse der Zauberin und gehen einer glücklichen Zukunft entgegen. Nach einer Märchenkomödie des venezianischen Theaterdichters Carlo Gozzi (1720-1806) schrieb Prokofieff die Oper 1919 im amerikanischen Exil. Nach einem Weltkrieg, der die europäische Ordnung erschütterte und in Rußland zu den Umwälzungen der Revolution führte, schrieb Prokofieff diese Märchenoper, die mit alptraumhaften Wirrnissen aufwartet und doch durch die Kraft der Liebe den Weg in eine lichtvolle Zukunft ermöglicht. Kein großes Theater à la Verdi, Wagner oder Puccini, nur „ein amüsantes Werk“, wie der Komponist es selbst formulierte. Friedrich SCHILLER (1759-1805) Kabale und Liebe (Ein Film von Leander Haußmann) Paula Kalenberg (Luise Miller) – August Diehl (Ferdinand) – Götz George (Präsident) – Katja Flint (Lady Milford) – Katharina Thalbach (Frau Miller) – Ignaz Kirchner (Herr Miller) – Detlev Buck (Wurm) THE 62194 (T01) 7000000621949 LOGO DVD Eine unvermeidliche Tragödie und die Hoffnung der Liebe Es geht eben doch: ein deutscher Klassiker liefert den Stoff, ein kongenialer Regisseur findet die richtige Form und ein glänzend aufgelegtes Star-Ensemble spielt mit solcher Leidenschaft, daß Friedrich Schiller seine Freude daran gehabt hätte: Mit seiner Verfilmung von „Kabale und Liebe" beweist Leander Haußmann, daß ein klassisches Theaterdrama das Zeug zu bester Fernsehunterhaltung für alle hat. Gemeinsam mit Boris Naujoks verwandelte er das Bühnenstück in ein rasantes Drehbuch, ohne dabei Schiller untreu zu werden. Zwar gibt es einige Straffungen und Umstellungen bei der Figurenführung und Dramaturgie, aber die Sprache ist echt Schiller und wirkt doch aufregend heutig. Sie ist viel besser verständlich, als Generationen von Schülerinnen und Schülern es vielleicht in Erinnerung haben. … Leander Haußmann verfilmt den Stoff in historischem Ambiente. Sein Gespür für die richtige Besetzung beginnt beim tragischen Liebespaar Luise und Ferdinand. Die entzückende Paula Kalenberg, 18 Jahre jung, und in ihrer Rolle äußerlich die Inkarnation der Unschuld und Reinheit, verführt ihr Publikum gemeinsam mit August Diehl als Ferdinand zu einer Berg- und Talfahrt der Gefühle, an deren Ende nicht nur die unvermeidliche Tragödie steht, sondern auch die Hoffnung, daß allein die Liebe sie zu überwinden vermag, wenn auch nicht im wirklichen Leben. www.3sat.de/theater 14 WANDA LANDOWSKA – Sämtliche europäische Aufnahmen 1928-1940 Werke von Bach, Couperin, Händel, Mozart, Rameau, Scarlatti u. a. Wanda Landowska, Cembalo und Klavier UAR 018 (EH08) 3760138170187 W. A. MOZART (1756-1791) Klavierkonzerte Nr. 11 F-Dur KV 413, Nr. 12 A-Dur KV 414, Nr. 16 D-Dur KV 451 & Nr. 17 G-Dur KV 453 Rudolf Serkin, Klavier – Marlboro Festival Orchestra & Columbia Symphony Orchestra, Leitung: Alexander Schneider & George Szell UAR 020 (I02) 3760138170200 Europäer in Amerika Die aus Warschau gebürtige Cembalistin Wanda Landowska (1879-1959) und der im böhmischen Eger geborene Rudolf Serkin (1903-1991) sind zwei Beispiele dafür, welchen Aderlaß die Nationalsozialisten mit ihrem Rassenwahn der europäischen Kultur zugefügt haben. Von ihrer Wahlheimat Paris aus wurde Wanda Landowska zum Apostel des Cembalos, ihre Aufführung der gesamten Goldberg-Variationen 1933 war eine Pioniertat, niemals zuvor war das Werk in seiner Gesamtheit öffentlich erklungen. Wegen ihrer jüdischen Abstammung mußte sie 1940 aus Europa fliehen und gelangte über Umwege nach Amerika, wo sie eine neue Heimat fand, der sie bis zu ihrem Tod 1959 die Treue hielt. Rudolf Serkin, einer der bedeutendsten Pianisten des 20. Jahrhunderts, emigrierte 1939 von seinem Wohnsitz Berlin in die USA. Gemeinsam mit seinem Schwiegervater, dem Geiger Adolf Busch, schuf er dort in Vermont das Marlboro Festival of Music, das alljährlich bedeutende Musiker aus aller Welt zu musikalischem Austausch auf höchstem Niveau vereint. J. S. BACH (1685-1750) Goldberg-Variationen BWV 988 Zhu Xiao-Mei, Klavier MIR 048 (P01) 3760127220480 OVALER STOPPER: „Zhu Xiao-Mei führt ihre Hörer äußerst gewandt, schnell, klanglich luzide, aber doch zupackend und nicht ohne Formstrenge durch das Werk.“ FONO FORUM Musik als Überlebenshilfe Bereits im Kindesalter erwies sich die in Shanghai geborene Zhu Xiao-Mei als hochbegabte Musikerin, die Kulturrevolution unterbrach allerdings ihre Laufbahn – fünf Jahre lang wurde die Künstlerin in einem Arbeitslager interniert, wo sie nur heimlich Klavier spielen konnte. Im Gefolge des Besuchs Isaac Sterns in China im Jahr 1979 bot sich ihr die Gelegenheit, in die USA auszureisen. Dort nahm sie ihre künstlerische Tätigkeit höchst erfolgreich wieder auf. 1985 übersiedelte sie nach Paris, heute lehrt sie am Conservatoire National Supérieur de Musique und trifft mit Konzerten in der ganzen Welt auf ein begeistertes Publikum. Die 1999 erschienene Aufnahme der Goldberg-Variationen durch Zhu Xiao-Mei begeisterte die Fachkritik in aller Welt. Meis mit ebenso von bestechender Klarheit wie von starker innerer Beteiligung getragene Interpretation der Goldberg-Variationen bezeugt die Kraft dieser Musik, die sich für die Künstlerin offensichtlich als Rettungsanker in Zeiten größter persönlicher Not erwiesen hat. 15 INSTANTS CLASSIQUES – KLASSISCHE MOMENTE Von Albinonis Adagio, Bachs Toccata & Fuge und Vivaldis Vier Jahreszeiten über Beethovens Mondschein-Sonate und das Concierto de Aranjuez von Joaquín Rodrigo bis hin zum Soundtrack des Films Farinelli, selbst schon ein Klassiker: Die Serie INSTANTS CLASSIQUES präsentiert zum günstigen Preis ein Kaleidoskop von Evergreens der klassischen Musik. Tomaso ALBINONI – ADAGIO Italienische Meisterwerke der Barockmusik Rinaldo Alessandrini – Christophe Coin – Pierre Hantaï – Jean-Claude Malgoire – Jordi Savall u. a. AV 5100 (I01) 822186051009 J. S. BACH (1685-1750) Toccata und Fuge d-moll BWV 565 & andere Orgelwerke Michel Chapuis, Orgel AV 5101 (I01) 822186051016 CLAIR DE LUNE Meisterwerke der Klaviermusik von Beethoven, Brahms, Liszt, Schubert & Schumann Grigory Sokolov – Fazil Say – François-Frédéric Guy – Laurent Cabasso u. a. AV 5102 (I01) 822186051023 Georges BIZET (1838-1875) Carmen (Auszüge) Béatrice Uria-Monzon – Christian Papis u. a. – Orchestre National Bordeaux Aquitaine, Leitung: Alain Lombard AV 5103 (I01) 822186051030 Johannes BRAHMS (1833-1897) Ungarische Tänze, Walzer op. 39 Marie-Josèphe Jude & Jean-François Heisser, Klavier vierhändig AV 5104 (I01) 822186051047 Frédéric CHOPIN (1810-1849) Meisterwerke für Klavier Grigory Sokolov, Janusz Olejniczak, Rafael Orozco & Idil Biret AV 5105 (I01) 822186051054 LA GRANDE SARABANDE Orchestrale Meisterwerke von Beethoven, Händel, Haydn, Mozart, Rossini u. a. Kammerorchester Leopoldinum Breslau, Leitung: Karol Teutsch AV 5106 (I01) 822186051061 HOCHZEITSMUSIK Werke von Bach, Händel, Mendelssohn, Schubert u. a. Anne Gastinel – Paul Badura-Skoda – Jean-Claude Malgoire – Christophe Coin u. a. AV 5107 (I01) 822186051078 W. A. MOZART (1756-1791) Requiem KV 626 Iride Martinez, Sopran – Monica Groop, Alt – Steve Davislim, Tenor – Kwangchul Youn, Baß – Chorus Musicus Köln – Das Neue Orchester, Leitung: Christoph Spering AV 5108 (I01) 822186051085 W. A. MOZART (1756-1791) Klavierkonzerte Nr. 9 Es-Dur KV 271 & Nr. 21 C-Dur KV 267 Patrick Cohen, Fortepiano – Ensemble Baroque de Limoges, Leitung: Christophe Coin AV 5109 (I01) 822186051092 G. B. PERGOLESI (1710-1736) • Antonio VIVALDI (1678-1741) Stabat Mater Gemma Bertagnolli, Sopran – Sara Mingardo, Alt – Concerto Italiano, Leitung: Rinaldo Alessandrini AV 5110 (I01) 822186051108 Joaquín RODRIGO (1901-1999) Concierto de Aranjuez, Concierto Serenata, Sones en la Giralda Isabelle Moretti, Harfe – Real Orquesta Sinfónica de Sevilla, Leitung: Edmon Colomer AV 5111 (I01) 822186051115 Antonio VIVALDI (1678-1741) Die vier Jahreszeiten, Streicherkonzerte Europa Galante, Violine und Leitung: Fabio Biondi AV 5112 (I01) 822186051122 FARINELLI Der Soundtrack des Films Ewa Mallas-Godlewska/Derek Lee Ragin – Les Talens Lyriques, Leitung: Christophe Rousset AV 5114 (I01) 822186051146 16 oben Robert SCHUMANN (1810-1856) Sinfonien Nr. 1 B-Dur op. 38 „Frühlingssinfonie“ & Nr. 4 d-moll op. 120 Deutsche Radio Philharmonie, Leitung: Stanislaw Skrowaczewski OC 707 (I01) 4260034867079 kleiner Stopper: mit OEHMS-Katalog 2007 Neue Zeiten für eine alte Partnerschaft Ein internationaler Triumph bei Kritik und Publikum für Stanislaw Skrowaczewskis Saarbrücker Gesamtaufnahme der Beethoven-Sinfonien war die Antwort auf die Frage von Skeptikern, wozu man überhaupt noch eine neue Version des am häufigsten eingespielten Sinfonienzyklus brauche. Vorher schon hatten die Bruckner-Einspielungen der Partnerschaft der Saarbrückener mit dem in Polen geborenen und jetzt in den USA lebenden Dirigenten einen fast legendären Charakter verliehen. Nach dem kürzlich erfolgten Zusammenschluß des Rundfunk-Sinfonieorchesters Saarbücken mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Kaiserslautern zur neuen Deutschen Radio Philharmonie wird die altbewährte Zusammenarbeit mit Stanislaw Skrowaczewski mit der Gesamteinspielung der Sinfonien Robert Schumanns fortgesetzt. Der hier vorgestellte erste Teil vereint zwar mit der 1. und der 4. Sinfonie scheinbar die Eckpunkte von Schumanns sinfonischem Œuvre. Eine erste Version der vierten Sinfonie ist allerdings bereits 1841, nur wenige Monate nach der Komposition der ersten Sinfonie entstanden, während Schumann in einem wahren Schaffensrausch auch erste Skizzen zu seinem Klavierkonzert anfertigte. 17 oben Henryk WIENIAWSKI (1835-1880) Violinkonzert Nr. 2 d-moll Karol SZYMANOWSKI (1882-1937) Violinkonzert Nr. 2 op. 61 Witold LUTOSŁAWSKI (1913-1994) Chain 2 – Dialog für Violine und Orchester Benjamin Schmid, Violine – Wroclaw Philharmonic Orchestra, Leitung: Daniel Raiskin OC 597 (I01) 4260034865976 Polnische Musik aus drei Generationen Von der großen romantischen Konzertliteratur bis zur zeitgenössischen Musik reicht das Spektrum der neuesten Veröffentlichung des Wieners Benjamin Schmid, der nach seinem fulminanten Gewinn des Carl-Flesch-Wettbewerbs 1992 in London inzwischen erfolgreich auf den Konzerpodien der Welt zuhause ist. Gleichzeitig spiegelt diese CD drei Generationen polnischen Musiklebens. Henryk Wieniawskis zweites Violinkonzert zählt zu den Paradepferden der Violinliteratur; Benjamin Schmid weiß der Deutung des prominenten Stücks dennoch eine sehr persönliche Note zu geben, indem er den Schmelz der romantischen Violintradition in unsere Zeit transportiert. Karol Szymanowskis Komposition aus dem Jahr 1932-33, die vielleicht nicht nur zufällig dieselbe Opusnummer wie Beethovens Violinkonzert trägt, dokumentiert den gelungenen Versuch, den urtümlichen Klang folkloristischer osteuropäischer Musik mit den Formen westlicher Kunstmusik der Zwischenkriegsjahre zu verschmelzen. Witold Lutosławskis außergewöhnlich erfolgreiches Konzert Chain 2 aus dem Jahr 1985 ist ein treffendes Beispiel zeitgenössischer Violinmusik, die auch für den in der Moderne weniger erfahrenen Hörer unmittelbar faßbar ist. 16/17 unten Johannes BRAHMS (1833-1897) Klaviertrios B-Dur op. 8 & c-moll op. 101, Sonatensatz c-moll Guarneri Trio Prag PRD 250230 (T01) 794881821921 LOGO SACD Johannes BRAHMS (1833-1897) Die Violinsonaten Nr. 1 G-Dur op. 78, Nr. 2 A-Dur op. 100, Nr. 3 d-moll op. 108 Tedi Papavrami, Violine & Philippe Bianconi, Klavier AECD 0755 (T01) 3760058367551 Johannes BRAHMS (1833-1897) Die Streichsextette Nr. 1 B-Dur op. 18 & Nr. 2 G-Dur op. 36 Talich Quartett – Joseph Klusoň, Viola – Michal Kaňka, Violoncello CALL 9369 (T01) 794881843121 Der letzte Generalist Brahms hielt die musikalische Tradition in hohen Ehren, er akzeptierte sie als musikalischen Wertmaßstab in einer Epoche, als andere bedeutende Zeitgenossen wie Richard Wagner zwar ihre Arbeitsalltage mit dem Spiel eines Präludiums oder einer Fuge aus dem Wohltemperierten Klavier begonnen haben, doch ihr eigenes Schaffen nicht in den Dienst einer Tradition stellen wollten. Die Tradition allein zur Richtschnur der eigenen Schaffenskraft zu machen, führt natürlich in die Sackgasse. Doch mit der Trittsicherheit von in Gebirgsregionen lebenden Huftieren fand Johannes Brahms seinen Weg zwischen starrem Bewahren des Hergebrachten und revolutionärer Zerstörung des Überlieferten, und da dem Menschen die schwindelfreie Instinktsicherheit solcher Huftiere fehlt, ist Brahms dieser sichere Tritt auf seinem schwierigen Weg als besonderes Verdienst anzurechnen. Zumal er miterleben mußte, wie seine Zeitgenossen sich mehr und mehr spezialisierten – Wagner reklamierte klug für seine Bühnenschöpfungen den Begriff des „Gesamtkunstwerks“, um seine genialen musikalischen Fähigkeiten nicht weiter unter Beweis stellen zu müssen, Bruckner exzellierte in der Sinfonik und der Orgelmusik… Brahms hingegen betätigte sich in allen Genres außer dem Musiktheater: Sinfonik, Instrumentalkonzert, geistliche Musik, Lied und Kammermusik. Die vorliegenden drei Veröffentlichungen machen dies in beeindruckender Weise deutlich: Vom frühen Klaviertrio op. 8 bis zu Kompositionen des Spätwerks wie dem dritten Klaviertrio op. 101 und der dritten Violinsonate op. 108 sind sie von einem Gestaltungswillen erfüllt, der einem einzigen musikalischen Kosmos in den verschiedensten Formen Ausdruck zu geben weiß, ohne dabei die jeweiligen Grenzen der musikalischen Besetzung über Gebühr zu strapazieren. Dafür legen besonders die fast orchestralen Streichsextette opp. 18 & 36 ein beredtes Beispiel ab, in einem genialen Kompromiß zwischen kammermusikalischem und sinfonischem Ton hält sich in ihnen auch der Gegensatz zwischen Intimität und Pathos in perfekter seelischer Balance. 18/19 … weitere interessante Neuheiten Flores de Lisboa Portugiesische Lieder, Vilancicos und Romanzen A Corte Musical, Leitung: Rogério Gonçalves K 617195 (T01) 3383510001956 Le Tournoi de Chauvency Ein mittelalterliches Liebesturnier in Lothringen Ensemble Aziman, Leitung: Anne Azéma K 617197 (T01) 3383510001970 J. S. BACH (1685-1750) Goldberg-Variationen BWV 988 Hansjörg Albrecht, Orgel der Stiftskirche Bad Gandersheim OC 625 (Q01) 4260034866256 LOGO SACD Eugène YSAYE (1858-1931) Die Sonaten für Violine solo op. 27 Fanny Clamagirand, Violine YRNS 03 (T01) 3760142231034 Bedřich SMETANA (1824-1884) Streichquartett Nr. 2 d-moll Antonín DVOŘÁK (1841-1904) Streichquartett G-Dur op. 106, Zwei Walzer op. 54 Kocian Quartett PRD 350035 (K01) 794881859023 Paul HINDEMITH (1895-1963) Militärminimax, Streichquartett op. 22, Ouvertüre zum „Fliegenden Holländer“ Kocian Quartett PRD 350036 (K01) 794881859122 -------------------Richard Tauber in Operetta and Shows Operetten- und Filmmusik von Lehár, Novello, Schubert, Tauber CDEA 1911 (F01) 765387191122 Jérôme COMBIER (*1971) Vies silencieuses Ensemble Cairn AECD 0754 (T01) 3760058367544 Morton FELDMAN (1926-1987) For Bunita Marcus, Palais de Mari Sabine Liebner, Klavier OC 594 (I02) 4260034865945 Charles UZOR (*1961) „a chantar m’er de so…“, Shakespeare’s Sonnet 65, „qui ainsi me refait“ Wolfgang Meyer, Klarinette – Carmina Quartett – Gitarrenensemble quasi fantasia NEOS 10714 (T01) 4260063107146 Günter BRUS (*1938) Die gute alte Zeit („Aus dem Leben eines Glaubenichts“) – Lesung & Musik aus dem col legno-Katalog Bernd Jeschek, Lesung COL 70072 (T01) 9120031340058 20 1958-2008: harmonia mundi feiert 50. Geburtstag! Mit einem Auszug von Paris in die Provence begann die Erfolgsgeschichte von harmonia mundi, und aus der kleinen Équipe von vier oder fünf Leuten, die damals ihren Enthusiasmus für historische Orgelmusik zur Grundlage einer Schallplattenfirma machten, ist über fünf Jahrzehnte eine der führenden Klassikmarken der Welt gewachsen. Der Begegnung und späteren Freundschaft von Bernard Coutaz, dem Gründer von harmonia mundi, mit Alfred Deller, dem berühmten Countertenor und Visionär der Wiederbelebung des europäischen Musikerbes, ist die Orientierung des harmonia mundi-Katalogs auf die Musik des Barocks und der Renaissance zu verdanken – ohne es recht zu ahnen, gehörte harmonia mundi damit zu den Vorkämpfern für die Entdeckung der Alten Musik. Historische Musikforschung und eine anfänglich von naiver Entdeckerfreude genährte Neugier, sich die Schätze der europäischen Musikgeschichte mit neuem Elan zu erobern, bildeten die Grundlage einer neuen Musikrichtung, die in den 70er und 80er Jahren einem faszinierten Publikum die Musik vergangener Jahrhunderte als quicklebendige Neuentdeckungen präsentierte, frei von aller Verstaubtheit des Althergekommenen und in der ganzen Frische ihres ursprünglichen Ausdrucks. harmonia mundi hat sich immer als Label von Künstlern verstanden, es gab und gibt langjährige Verbindungen: Alfred Deller blieb der Firma bis zu seinem Tod 1979 verbunden, René Jacobs, Philippe Herreweghe, Andreas Scholl und viele andere sind der Firma seit den Anfängen ihrer Karriere verbunden. Zugleich finden immer neue Talente den Weg zur harmonia mundi-Familie: Isabelle Faust, Alexandre Tharaud und Jean-Guihen Queyras sind Beispiele einer neuen Künstlergeneration, die das Profil von harmonia mundi in den letzten Jahren noch mehr verstärkt haben. Diese Jubiläumsedition mit 30 CDs aus 50 Jahren Firmengeschichte ist also nicht nur ein Rückblick, sie ist auch Ausblick in eine vielversprechende Zukunft! 50 JAHRE HARMONIA MUNDI – 50 MEISTERWERKE FÜR 50 EURO Die Jubiläumsbox 2008 mit 50 vollständigen Werken auf 30 CDs, darunter: Atys (Lully) – King Arthur (Purcell) – Matthäus-Passion (Bach) –Croesus (Keiser) – Stabat Mater (Vivaldi) – Sinfonie Nr. 38 (Mozart) – Petite Messe solennelle (Rossini) – Klaviersonate D 960 (Schubert) Die Mitglieder der harmonia mundi-Künstlerfamilie HMX 2908250- (D10) 794881851225