RiBVerwG Helmut Petz Sommersemester 2013 UMWELT- UND PLANUNGSRECHT Schwerpunktpflichtveranstaltung im Schwerpunktbereich 8 A. EINFÜHRUNG I. GRUNDLAGEN DES UMWELTRECHTS 1. Probleme des Umweltschutzes Umweltschutz: "Schicksalsfrage der Menschheit" (Breuer, 1981) neue Qualität der Umweltprobleme: nicht mehr nur Beeinträchtigung einzelner Umweltmedien, sondern medienübergreifende Beeinträchtigungen und Veränderungen nicht mehr nur singuläre, lokal begrenzte Störfälle, sondern globale Umweltschäden; Akteure und Wirkungen überschreiten nationalstaatlichen Aktionsrahmen (z.B. Ozonschicht; Klimawandel); nicht der Störfall, sondern in erster Linie der „Normalbetrieb“ erzeugt die Umweltprobleme komplexe Wirkungsgefüge (Studie „Global 2000“) => einerseits Abmilderung der Wirkungen schädigender Ereignisse durch kompensatorische Kapazitäten der Natur, => andererseits kaum kalkulierbarer "point of no return" => Moderner Umweltschutz: Übergang von punktueller Schadensabwehr zur integralen Umweltpflege und -vorsorge Umweltprogramm der Bundesregierung 1971: Def. Umweltpolitik:= Gesamtheit aller Maßnahmen, die notwendig sind, 257843880 2 um dem Menschen eine Umwelt zu sichern, die er für seine Gesundheit und ein menschenwürdiges Dasein braucht um Boden, Luft und Wasser, Pflanzen- und Tierwelt vor nachteiligen Wirkungen menschlicher Eingriffe zu schützen und um Schäden oder Nachteile aus menschlichen Eingriffen zu beseitigen Bestandsaufnahme: einerseits wichtige Erfolge (z.B. emissionsarme Autos und Flugzeuge; hervorragende Filteranlagen; Verzicht auf FCKW) andererseits werden Erfolge durch vermehrte Inanspruchnahme von Umweltgütern (z.B. Steigerung von Produktion, Konsum und Verkehr; Wohlstandsteilhabe weiter Teile der Erdbevölkerung) häufig zunichte gemacht aktuelle Herausforderungen: Internationalisierung und Globalisierung des Umweltschutzes (z.B. bei CO2-Ausstoß und Klimaschutz) als Reaktion auf Globalisierung der Akteure und beeinträchtigenden Wirkungen Umweltschutz als Querschnittsaufgabe: Umweltbeeinträchtigungen berühren nahezu alle Lebensbereiche => Verankerung des Umweltschutzes in allen relevanten Bereichen (z.B. Verkehr, Industrie, Bauen; Energieerzeugung; Landwirtschaft) 2. Begriff und Struktur des Umweltrechts Rechtsstaat => staatlicher Umweltschutz verwirklicht sich im Recht; Umweltschutz als rechtliche Querschnittsaufgabe => unweltrechtliche Regelungen nahezu über die gesamte Rechtsordnung verteilt: Einteilung des Umweltrechts öffentliches Umweltrecht D:\257843880.doc 3 Umweltordnungsrecht: Recht der Abwehr von Gefahren und der Vorsorge gegen Risiken im Umweltbereich (historische Wurzeln des Umweltrechts; auch jetzt noch in vielen Bereichen <z.B. Immissionsschutzrecht> dominierend) Umweltplanungsrecht: Bewältigung komplexer Umweltprobleme durch oder im Rahmen von Planung (z.B. Luftreinhaltepläne, § 47 BImSchG; Lärmminderungsplanung, §§ 47a ff. BImSchG; Landschaftsplanung, §§ 8 ff. BNatSchG; aber auch umweltbeeinträchtigende Planung wie Straßen- und Flughafenplanung) Umweltprivatrecht (z.B. §§ 906, 1004 BGB, Umwelthaftungsrecht) Umweltstrafrecht (z.B. §§ 324 bis 330 d StGB) Einteilung des öffentlichen Umweltrechts Umweltrecht i.e.S.: allgemeines Umweltrecht: Umwelt-Verwaltungsverfahrensrecht (vgl. hierzu den allgemeinen Teil des – gescheiterten – UGB) und sonstige allgemeine Regelungen (z.B. UIG, UVPG, UStatG) besonderes Umweltrecht: umweltspezifisches materielles Recht; dient ausschließlich oder hauptsächlich dem Schutz bestimmter Umweltmedien (z.B. Immissionsschutzrecht, Naturschutzrecht, Gewässerschutzrecht, Bodenschutzrecht, Abfallrecht, Atomrecht, Gentechnikrecht) Umweltrecht i.w.S.: problembezogene Querschnittsregelungen; über die gesamte Rechtsordnung verteilt; insbesondere in Gesetzen, die zwar nicht in erster Linie dem Umweltschutz dienen, aber in hohem Maße umweltrelevant sind (z.B. § 1a, § 2 Abs. 4 BauGB; § 9 ROG; FluglG) 3. Verfassungsrechtliche Grundlagen a) Überblick D:\257843880.doc 4 Ertrag des Verfassungsrechts für den Umweltschutz vergleichsweise gering bis zur Schaffung der Staatszielbestimmung Umweltschutz: keine spezifischen Umweltschutzpostulate im GG; auch aus dem Rechtsstaatsprinzip (einschließlich Grundrechte), dem Demokratieprinzip und dem Sozialstaatsprinzip lassen sich keine ummittelbaren Umweltschutzpostulate ableiten; Rechtsstaats- und Demokratieprinzip enthalten aber Rechtfertigungsanforderungen für grundrechtsgebundenes staatliches Handeln: Freiheitsbeschränkungen formell (Vorbehalt des Gesetzes; Kompetenzen) und materiell (Grundrechte) rechtfertigungsbedürftig => freiheitssichernde Wirkung gegenüber dem Staat darüber hinaus gewährleistet die Verfassung einen Handlungsrahmen zum Binnenausgleich der Freiheitsentfaltung in der freien Gesellschaft => Instrumente des Interessenausgleichs (z.B. Vertragsfreiheit) => gesetzliche Schädigungsverbote (z.B. im Strafrecht) und Sekundäransprüche (z.B. im Deliktsrecht nach §§ 823 ff., 1004 BGB) generell: Konsequenzen für den Umweltschutz: b) Umweltbeeinträchtigungen in erster Linie durch Private (z.B. Produktion und Verkehr) => freiheitssichernde Wirkung trifft nicht Kern des Problems Umweltgüter nur teilweise privat zugeordnet => Instrumente des gesellschaftlichen Binnenausgleichs nur eingeschränkt wirksam "verantwortlicher (d.h. in unserem Zusammenhang: umweltschonender) Freiheitsgebrauch" als unmittelbares verfassungsrechtliches Postulat ist unserem Verfassungsverständnis grundsätzlich fremd Grundrechte "materieller Dreh- und Angelpunkt des freiheitlichen Rechtsstaats" aa) Eingriffsabwehr ("Status negativus") Abwehr staatlicher Umweltbelastungen D:\257843880.doc 5 Umweltbeeinträchtigungen unmittelbar durch den Staat (z.B. umweltbelastende Maßnahmen wie Straßenbau oder öffentliche Einrichtungen wie Müllverbrennungsanlagen) Probleme: nur subjektiver Individualrechtsschutz: kein Abwehrrecht ohne Rechtsbeeinträchtigung Relevanzschwelle: unzumutbare individuelle Betroffenheit (z.B. durch Lärmbeeinträchtigungen) muss nachgewiesen werden private Unweltbelastung auf der Grundlage staatlicher Genehmigungen (z.B. Straßen- und Flugverkehr; emittierende Anlagen) Probleme: Zurechenbarkeit: nur bei Fehlverhalten des Staates (grundlegend BVerfGE 53, 30 <59> Mühlheim-Kährlich) o wenn Genehmigung gesetzeswidrig => kann durch Bürger, die hierdurch in subjektiven Rechten betroffen sind, abgewehrt werden o wenn Genehmigung gesetzesgemäß, aber Schutzanforderungen unzureichend <s.u. „staatliche Schutzpflichten“> auch hier nur subjektiver Individualrechtsschutz auch hier Relevanzschwelle Umweltbelastungen ohne staatliche Mitwirkung Probleme: keine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte => kann nur abgewehrt werden, wenn wiederum Fehlverhalten des Staates (z.B. indem verfassungsrechtlich gebotene präventive D:\257843880.doc 6 Prüfung gesetzlich nicht angeordnet <s.u. „staatliche Schutzpflichten“>) auch hier nur subjektiver Individualrechtsschutz auch hier Relevanzschwelle bb) Objektiv-rechtliche Funktion der Grundrechte/staatliche Schutzpflichten Grundrechte sind nicht nur subjektive Abwehrrechte, sondern auch objektivrechtliche Wertentscheidungen der Verfassung (vgl. z.B. Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rn. 76) => staatliche Schutzpflichten Probleme: Verletzung nur, "wenn staatliche Organe gänzlich untätig geblieben oder die getroffenen Maßnahmen evident unzureichend sind" (BVerfGE 79, 174 <201 f.>); weiter Bewertungs- und Handlungsspielraum des Staates => nur wenige Konstellationen im Umweltbereich, in denen sich objektiven Schutzpflichten zu subjektivem Anspruch auf staatliches Handeln verdichten c) Rechtsstaatsprinzip Probleme: Vorbehalt des Gesetzes: erschwert rasche Reaktion auf akute Umweltprobleme Kompetenzen: ursprünglich im Bereich des Umweltrechts stark zersplittert; seit Föderalismusreform I Konzentration der Gesetzgebung beim Bund <s.u.> Vertrauensschutz: Rückwirkungsverbot etc. d) Demokratieprinzip <siehe Vorbehalt des Gesetzes> Zwischenergebnis: Abwehr staatlicher Umweltbeeinträchtigungen: nicht Problemschwerpunkt im Bereich der Umweltbeeinträchtigungen Einforderung umweltschützender Aktivitäten des Staates D:\257843880.doc 7 o staatliche Schutzpflichten verschaffen dem Bürger in der Regel keine subjektive Rechtsposition o umgekehrt freiheitssicherndes Instrumentarium zur Abwehr freiheitsbeeinträchtigender Aktivitäten des Staates verfassungsunmittelbares Korrektiv im Sinne einer Pflicht zum "verantwortlichen Freiheitsgebrauch" nicht vorgesehen D:\257843880.doc 8 e) Staatszielbestimmung Umweltschutz, Art. 20a GG durch Gesetz vom 27.10.1994 (BGBl. I S. 3146) in das GG aufgenommen; in Kraft getreten am 15.11.1994 Rechtsnatur: objektiv-rechtliche Staatszielbestimmung kein subjektiv-öffentliches Recht des Bürgers kein absoluter Vorrang des Umweltschutzes Schutzgut: natürliche Lebensgrundlagen (deshalb ist die Bezeichnung "Staatsziel Umweltschutz", die sich mittlerweile eingebürgert hat, nicht ganz präzise) und Tierwelt auch menschlich gestaltete Umwelt ("Kulturlandschaft") anthropozentrische Konzeption (allerdings nicht im Sinne einer schlichten humanen Nutzenkalkulation) Konzeption der Nachhaltigkeit ("… auch in Verantwortung für die künftigen Generationen …") Relevanz: Rechtfertigung für umweltschützende Aktivitäten des Gesetzgebers (insbesondere im Bereich vorbehaltslos gewährleisteter Grundrechte) Direktive für Verwaltung (etwa bei der Ermessensbetätigung) und Rechtsprechung (etwa bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe) f) Föderale Kompetenzordnung aa) Umweltgesetzgebung: Föderalismusreform I: zwar nicht Einführung eines einheitlichen Kompetenztitels "Recht der Umwelt"; aber jedenfalls deutliche Konzentration der Kompetenzen beim Bund (alle Kernkompetenzen im Bereich des Umweltschutzes in der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes, zumeist als konkurrierende Kompetenz); Erforderlichkeitsklausel im Umweltrecht ganz überwiegend D:\257843880.doc 9 nicht mehr anwendbar, Art. 72 Abs. 2 GG; Abweichungsgesetzgebung der Länder im Bereich der bisherigen Rahmengesetzgebungskompetenz ("kompetitiver Föderalismus") Überblick über Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Umweltrechts: ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes: im Wesentlichen nur Luftverkehrsrecht, Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG, und Atomrecht, Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes: wichtigste Materien: Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG: Recht der Wirtschaft (z.B. EnEG) Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG: Bodenrecht (BauGB) Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG: Lebensmittel- und Tierschutzrecht Art. 74 Abs. 1 Nr. 21GG: Wasserstraßen Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG: Straßenverkehr Art. 74 Abs. 1 Nr. 23 GG: Schienenbahnen Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG: Abfallbeseitigung, Luftverschmutzung und Lärmbekämpfung (KrW-/AbfG; BImSchG) Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG: Naturschutz und Landschaftspflege (BNatSchG) Art. 74 Abs. 1 Nr. 31 GG: Raumordnung (ROG) Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG: Wasserhaushalt (WHG) 3 Grundvarianten: D:\257843880.doc 10 Kernkompetenz des Bundes: Gesetzgebungskompetenz ohne Erforderlichkeitsschranke und ohne Abweichungskompetenz der Länder (z.B. Art. 74 Abs. 1 Nr. 18, 24 GG) Erforderlichkeitskompetenz des Bundes: konkurrierende Gesetzgebungskompetenz mit Erforderlichkeitsschranke (z.B. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11, 20, 22 GG) Abweichungskompetenz: konkurrierende Gesetzgebung des Bundes ohne Erforderlichkeitsschranke, aber mit begrenzter Abweichungskompetenz der Länder (z.B. Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG: abweichende Regelungen über Naturschutz ohne allgemeine Grundsätze; z.B. Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG: abweichende Regelungen über den Wasserhaushalt ohne stoff- oder anlagenbezogene Regelungen; Abgrenzungsprobleme (strittig ist z.B., ob die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung noch zu Grundsätzen des Naturschutzrechts gehört) konkurrierende Gesetzgebung des Bundes ohne Erforderlichkeitsschranke, aber mit unbegrenzter Abweichungskompetenz der Länder (z.B. Art. 74 Abs. 1 Nr. 31 GG) ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder: nur noch bei verhaltensbezogenem Lärm (siehe Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG), im Fischereirecht sowie im - subsidiär anzuwendenden - Polizei- und Sicherheitsrecht Übergangsvorschrift Art. 125b GG (insb. Abs. 1 Satz 2) bb) Umweltverwaltung Vollzugszuständigkeit der Länder in nahezu sämtlichen Bereichen des Umweltrechts: D:\257843880.doc 11 Vollzug der Landesgesetz und nicht gesetzesakzessorischer Verwaltungsvollzug, Art. 30 GG: z.B. BayImSchG Vollzug der Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten der Länder (Landeseigenverwaltung, Art. 83, 84 GG); Bund kann Behördeneinrichtung und Verwaltungsverfahren regeln oder selbst Verwaltungsvorschriften erlassen, Art. 84 Abs. 1 und 2 GG; Regelung bedarf aber nicht mehr der Zustimmung des Bundesrats; dafür Abweichungskompetenz der Länder; Umweltverfahrensrecht fällt unter Art. 84 Abs. 1 Satz 5 und 6 GG und ist deshalb abweichungsfest Vollzug der Bundesgesetze im Auftrag des Bundes (Bundesauftragsverwaltung, Art. 85 GG): z.B. Kernenergieverwaltung, Art. 87c GG Bundeseigene Verwaltung: im Wesentlichen nur Verwaltung der Bundeswasserstraßen, Art. 87 Abs. 1 Satz 1, Art. 89 GG 4. Unionsrechtliche Bezüge des Umweltrechts <wird im Zusammenhang mit den einzelnen Umweltmedien besprochen> 5. Grundprinzipien des Umweltrechts a) Überblick Grundprinzipien des Umweltrechts: auf unterschiedlichen Aktionsebenen (Völkerrecht; Unionsrecht; nationales Recht) herausgebildet; politischer Ursprung (z.B. Umweltprogramm BReg von 1971 sowie Fortschreibung im Umweltbericht BReg von 1976); nach und nach verrechtlicht (erstmals im Staatsvertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, Art. 16; Fortschreibung im Einigungsvertrag, Art. 34 EV); => Rechtsverbindlichkeit nur dort, wo Geltung ausdrücklich gesetzlich normiert; auf verschiedenen Ebenen zum Teil divergierende Inhalte herkömmliche Prinzipientrias: D:\257843880.doc 12 Vorsorgeprinzip: Primärziel, Belastungen und Gefahren für die Umwelt bereits im Vorfeld zu vermeiden Verursacherprinzip: determiniert als Sekundärziel die Verantwortlichkeiten für Umweltbeeinträchtigungen (Adressaten von Umweltschutzmaßnahmen; finanzielle Lastenverteilung; mittelbar auch Präventivfunktion) Kooperationsprinzip: bestimmte Art und Weise der Organisation des Umweltschutzrechts (organisatorische und instrumentelle Umsetzung) unionsrechtliche Ebene (Art. 191 Abs. 2 AEUV): hohes Schutzniveau Prinzip der Vorsorge und Vorbeugung Ursprungsprinzip: Beeinträchtigungen vorrangig am Ursprung bekämpfen Verursacherprinzip angereichert durch weitere Prinzipien, die sich auf internationaler und unionsrechtlicher Ebene durchgesetzt (insb. sog. Querschnittsklausel des Art. 11 AEUV) und Einzug in die nationalen Umweltschutzgesetze gefunden haben Integrationsprinzip: Schutzauftrag für die Umwelt in ihrer Gesamtheit Nachhaltigkeitsprinzip (vgl. Schmidt/Kahl, Umweltrecht, 2006, § 1 Rn. 22; Klöpfer, Umweltschutzrecht, 2008, § 3 Rn 13) Rechtsnatur und Rechtswirkung: Unionsrecht: prägende Wirkung für unionsrechtliche Umwelt-RL, in denen die Unionsebene dem nationalen Gesetzgeber detaillierte inhaltliche Vorgaben für eine prinzipiengeleitete Ausgestaltung des nationalen Rechts machen kann nationales Recht: einheitliche Regelung fehlt D:\257843880.doc 13 => bereichsspezifische Ausprägungen mit unterschiedlichem Regelungsinhalt => Generalisierung Prinzipien aus Vorschriften des besonderen Umweltrechts Funktionen: interpretationsleitende Funktion (z.B. Norm mit Vorsorgecharakter => keine subjektive Rechtsposition; Auslegung von RL der EU) Ausfüllung von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen b) Schutzprinzip Zweck und Inhalt Zweck: Gefahrenabwehr; „vor“-umweltrechtliches Prinzip des Polizeirechts Inhalt: Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und Abwehr konkreter Umweltgefahren => greift nicht erst, wenn Umwelt bereits geschädigt, sondern bereits dann, wenn Schädigung konkret droht; Anknüpfung an polizeirechtlichen Gefahrenbegriff:= Sachlage, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden an Rechtsgütern führen würde; Anforderungen an Wahrscheinlichkeit umso niedriger, je bedeutender die betroffenen Umweltgüter und je größer das Ausmaß der erwarteten Schädigung sind; Konkretisierung über gesetzliche Generalklauseln und technische Regelwerke (BImSchV; TA Lärm, TA Luft) Rechtsnatur und Rechtswirkungen zwingendes Recht drittschützende Wirkung, soweit sich Bürger auf subjektive Rechtspositionen wie insbesondere Recht auf Gesundheit und Leben <Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG> oder Eigentum <Art. 14 GG> berufen kann; insoweit auch Klagebefugnis Einfachrechtliche Verankerung generelle Regelung fehlt; bereichsspezifische Ausprägung D:\257843880.doc 14 als gesetzliche Zielbestimmung, z.B. § 1 BImSchG c) als Betreiberpflicht, z.B. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG Vorsorgeprinzip Zweck und Inhalt wichtigstes Prinzip des Umweltrechts; von der bloß reaktiven Schadensbeseitigung zum präventiven und planenden Umweltschutz (Vermeidung und Verminderung von Umweltbelastungen an der Quelle, Schutz vor Auswirkungen von Umweltbelastungen) heute im Wesentlichen zwei Varianten: Risiko- und Gefahrenvorsorge sicherheitsrechtlicher Aspekt (vgl. auch § 1 Abs. 2 Nr. 2 UGB-RefE) Vorsorge schon im Vorfeld der polizeirechtlichen Gefahrenschwelle o auch entfernte Risiken zeitlich (in die Zukunft weisende Perspektive <“zukünftige Generationen“>; Bsp. Klimaschutz) räumlich (z.B. Ferntransporte von Schadstoffen) o auch Fälle mit geringerer Eintrittwahrscheinlichkeit: Schwelle für Vorsorge ist bereits erreicht, wenn fachliche Anhaltspunkte für schädliche Wirkung bestehen (z.B. Mobilfunk); bloßes Besorgnispotential reicht demgegenüber nicht aus (kein Null-RisikoPrinzip) o auch Umweltbelastungen, die erst im Zusammenwirken mit anderen Belastungen schädlich werden können (kumulative Kausalität) o gegebenenfalls auch Schutz empfindlicher Bevölkerungsgruppen Vorsorgemaßnahmen: D:\257843880.doc 15 o technische Vorkehrungen zur Emissionsvermeidung/-minderung (Gebot der Belastungsminimierung, z.B. nach Stand der Technik, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG); Grenzen: Verhältnismäßigkeit o technische und/oder organisatorische Vorkehrungen für den Fall einer Verwirklichung von Unfall- oder Störfallrisiken (sog. „Dennoch-Störfall“), ggf. auch Abstandserfordernisse (Art. 12 der Seveso-II-RL) o unter Umständen Beweiserleichterungen oder Beweislastumkehr (z.B. im Zivilrecht <vgl. BGHZ 92, 143>; aber auch im VwR denkbar) Ressourcenvorsorge bewirtschaftungsrechtlicher Aspekt; Umweltvorsorge im Sinne einer vorausschauenden Umweltplanung und zukunftsverträglichen Ressourcenbewirtschaftung; Ziel, für zukünftige Nutzungen Freiräume zu erhalten (s. auch Nachhaltigkeitsprinzip) Dogmatische Herleitung "Handeln im Ungewissen" (sog. Ignoranztheorie, vgl. Erbguth/Schlacke, Umweltrecht 2005, § 3 Rn. 4): behördliche Risikoentscheidungen erfordern eine gewisse Sicherheitszone vor der Gefahrenschwelle Rechtsnatur und Rechtswirkungen allgemeine Gesetzesgrundlage für Vorsorgeprinzip fehlt; derzeit (wohl) allein durch Fachgesetze getragen (vgl. aber § 1 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 UGB-RefE) nur objektiv-rechtliches Prinzip; keine drittschützende Wirkung (keine subjektive Rechtsposition des Bürgers, dass jenseits des Schutzprinzips Umweltvorsorge betrieben wird); deshalb auch keine Klagebefugnis Einfachrechtliche Verankerung Vorsorge als allgemeiner Gesetzeszweck: z.B. § 1 BImSchG, § 1a WHG Verpflichtung zur Minimierung denkbarer Schadensrisiken durch Beachtung der nach dem Stand von Wissenschaft und Technik möglichen Vorsorgemaßnahmen: z.B. § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, § 7a WHG D:\257843880.doc 16 Verschlechterungsverbot: insb. § 13 Satz 1 BNatSchG Vorsorge als Planungsdirektive: § 1 Abs. 5, Abs. 6 Nr. 7, § 1a BauGB d) Verursacherprinzip Zweck Umweltprogramm der BReg. 1971: "Jeder, der die Umwelt belastet oder sie schädigt, soll für die Kosten dieser Belastung oder Schädigung aufkommen"; insoweit lediglich Kostenzurechnungsprinzip: Verursacherprinzip bestimmt, wem einzelne Umweltbeeinträchtigungen zuzurechnen sind und wer für die Beseitigung bzw. Verminderung in die Pflicht genommen werden soll general- und spezialpräventive Wirkung (mittelbar verhaltenssteuernd aufgrund der auf einen Schädiger zukommenden finanziellen Belastungen) allerdings rein ökonomische Betrachtung der Umweltgüter; kann effektiven Umweltschutz nicht gewährleisten; Verursacherprinzip deshalb immer auf Ergänzung durch das Vorsorgeprinzip angelegt Inhalt und Rechtswirkungen Verursacherprinzip wird heute allgemein weiter verstanden: nicht bloß ökonomisches Kostenzurechnungsprinzip mit dem Ziel einer Internalisierung der Kosten von Umweltbeeinträchtigungen sondern auch finanzielles und materielles Verantwortungsprinzip, Beeinflussung der Verantwortlichen i.S. einer Nichtverursachung, etwa o durch Zurechnung i.S. der polizeirechtlichen Störerverantwortung o als Zurechnungskriterium für Anreizinstrumenten (s.u.) Maßstab für Zurechnung: erhebliche naturwissenschaftliche Nachweisprobleme bei komplexen Wirkungszusammenhängen (z.B. Waldschaden); deshalb rechtliches Zurechnungsprinzip, das der Gesetzgeber jenseits von Äquivalenz- oder Adäquanztheorie nach D:\257843880.doc 17 Gerechtigkeits-, Billigkeits- oder politischen Zweckmäßigkeitserwägungen ausgestalten kann Einfachrechtliche Verankerung Vermeidungs-, Verminderungs- oder Beseitigungspflichten (z.B. Autos, § 38 BImSchG; Hausmüllbeseitigung) Auferlegung "ersparter" Kosten bei pflichtwidrigem Verhalten Auferlegung der Kosten für Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen (z.B. naturschutzrechtliche Eingriffs- und Ausgleichsregelung in der Bauleitplanung, § 135a BauGB) Belastung mit politisch festgesetzten Knappheitspreisen für die Umweltnutzung (z.B. Emissionshandel) e) Kooperationsprinzip nicht umweltspezifisches, aber doch umwelttypisches Prinzip („Bürgergesellschaft“); Bekenntnis zu gemeinsamer Verantwortung von Staat und Gesellschaft und zur wechselseitigen Abhängigkeit und Beeinflussbarkeit im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat (vgl. auch § 1 Abs. 2 Nr. 4 UGB-RefE) Aufgabenverteilungsprinzip: vom imperativen zum paktierenden Staat (z.B. informelle Absprachen; freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft zur Vermeidung staatlicher Maßnahmen <VerpackungsV; Atomausstieg etc.>) Vorteile: Einbindung privater Verantwortung Erhöhung der gesellschaftlichen Akzeptanz Nachteile: Gefahr inhaltlicher Kompromisse zu Lasten des Gemeinwohls und der Belange des Umweltschutzes D:\257843880.doc 18 Fehlende rechtsstaatliche Sicherungen, insbesondere für betroffene Dritter, wenn Normsetzungen oder behördliche Anordnungen durch Absprachen oder Selbstverpflichtungs-Abkommen ersetzt werden deshalb staatliche Gewährleistungsverantwortung als notwendiges Korrektiv erforderlich, wenn Aufgaben des Umweltschutzes privatisiert werden kooperatives Aufgabenwahrnehmungsprinzip, z.B. Anhörung "beteiligter Kreise" (§ 51 BImSchG), Betroffenenbeteiligung, Verbandsbeteiligung (§§ 63 ff. BNatSchG) Einbringung von Sachverstand; Komplettierung des entscheidungserheblichen (Abwägungs-) Materials Repräsentation von (organisierten) Interessen aber auch: erhöhte Mitwirkungspflichten (z.B. in Form von materiellen oder prozessualen Präklusionswirkungen) f) Integrationsprinzip Zweck: Schutz der Umwelt in ihrer Gesamtheit; gemeinschaftsrechtliche Wurzeln (UVP-RL und IVU-RL) Aspekte des Integrationsprinzips: interne Integration: medienübergreifender Ansatz (z.B. § 5 Abs. 1 Satz 1 BImSchG: "… hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt …") externe Integration: Berücksichtigung der Umweltbelange auch in mittelbar umweltrelevanten Politiken (insb. Querschnittsklausel Art. 6 EGV) gesetzliche Ausprägungen: § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UVPG ("Wechselwirkungen zwischen Umweltgütern") § 75 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwVfG (formelle Konzentrationswirkung) D:\257843880.doc 19 vgl. auch § 42 ff. UGB-RefE (integrierte Vorhabengenehmigung) g) Nachhaltigkeitsprinzip in Staatszielbestimmung des Art. 20a GG nicht ausdrücklich benannt, aber impliziert (Zukunftsverantwortung des Staates "für künftige Generationen"); gesetzliche Ausprägungen: naturschutzrechtliche Eingriffs- und Ausgleichsregelung, §§ 18 ff. BNatSchG Verschlechterungsverbote, § 33 Abs. 5, § 34 Abs. 1 BNatSchG Raumordnung, § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, 3 ROG 5. Instrumente des Umweltrechts a) Überblick historische Entwicklung Entwicklung des Umweltrechts aus dem Polizei- und Ordnungsrecht sowie dem Gewerberecht; Instrumente des Umweltrechts deshalb größtenteils mit den im herkömmlichen Verwaltungsrecht vorfindlichen Handlungsformen identisch; wegen des Querschnittscharakters des Umweltrechts teilweise auch Regelungsgegenstände aus anderen Bereichen des Verwaltungsrechts mit den entsprechenden Instrumenten in das Umweltrecht integriert (z.B. Städtebaurecht mit dem Instrument der Bauleitplanung) einzelne Instrumente mit Rücksicht auf die Grundprinzipien des Umweltrechts aber zum Teil anderes Gewicht; aufgrund der strukturellen Veränderungen im Verhältnis von Staat und Gesellschaft zum Teil auch umweltrechtliche Neuentwicklungen: Vorsorgeprinzip: Verlagerung von den klassischen Instrumenten der Gefahrenabwehr hin zu Planungsinstrumenten Kooperationsprinzip: Instrumente des kooperativen Umweltschutzes und der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Selbststeuerung sowie D:\257843880.doc 20 influenzierende Instrumente (insbesondere Umweltabgaben und informelles Verwaltungshandeln) Einsatz der zum Teil substituierbaren Instrumente durch den Gesetzgeber im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben (insb. Verhältnismäßigkeit) grundsätzlich nach politischen Gesichtspunkten (Effizienz; Akzeptanz etc.) Systematisierung mögliche Systematisierung der Instrumente nach ihrer Wirkungsweise gegenüber dem Adressaten: Staatliche Eigenvornahme (konkretes Verhaltensziel klar; Zielerreichung unmittelbar durch öffentliche Verwaltung) Instrumente direkter Verhaltenssteuerung (konkretes Verhaltensziel klar; zielt auf Verhalten des Bürgers; unbedingter Wille zur Zielerreichung) Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung (konkretes Verhaltensziel klar; zielt auf Verhalten des Bürgers; Zielerreichung wird der privaten Entscheidung überlassen; Einflussnahme auf Motivation des Bürgers) Planungsinstrumente (Generalziele klar; konkret in Betracht kommende Ziele und Maßnahmen unklar und deshalb planungsbedürftig) b) Staatliche Eigenvornahme Kernbereich: Sicherung der Entsorgung, z.B. für Haushaltsabfälle, für Atommüll, (eingeschränkt) für Abwasserbeseitigung; allerdings zunehmend Privatisierung c) Instrumente direkter Verhaltenssteuerung Durch Instrumente direkter Verhaltenssteuerung wird dem Adressaten ein bestimmtes Verhalten abverlangt, das gegebenenfalls mit den Mitteln des Verwaltungszwangs auch zwangsweise durchgesetzt werden kann, und dessen Nichtbeachtung ggf. Sanktionen zur Folge hat aa) Gesetzliche Instrumente: Gebote und Verbote D:\257843880.doc 21 Gebote und Verbote in einer Vielzahl umweltrechtlicher Regelungen, die zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichten: Unterlassungspflichten: Verbot bestimmter umweltgefährdender Tätigkeiten, ggf. auch durch Festlegung von Umweltstandards (Bau- und Betriebsnormen <z.B. StVZO>; Immissionsnormen <z.B. TA Lärm>; Produktnormen) Leistungspflichten: Bsp.: Pflege-, Erhaltungs- und Bewirtschaftungspflichten, §§ 1a, 28 WHG; Kennzeichnungs- und Verpackungspflichten, §§ 13 ff. ChemG; Wiederherstellungs- und Ausgleichspflichten, § 19 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG, § 11 Satz 2 BWaldG; Pflicht zur Bestellung eines Betriebsbeauftragten, §§ 21a ff. WHG; §§ 53 ff. BImSchG Duldungspflichten, z.B. Betretungsrechte, § 19 Abs. 2 AtG, § 21 WHG bb) Administrative Instrumente (1) (Präventive) Instrumente der Eröffnungskontrolle (a) Formen Anzeigepflichten genehmigungsersetzend (etwa bei privilegierten, ausnahmsweise erlaubnisfreien Umweltbelastungen, z.B. § 17a WHG) oder genehmigungsergänzend (etwa bei Veränderungen genehmigungspflichtiger Anlagen, § 15 BImSchG) präventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt Bsp. Baugenehmigung; immissionsschutzrechtliche Genehmigung, §§ 4 ff. BImSchG; abfallrechtliche Transportgenehmigung, § 49 KrW-/AbfG; gentechnische Genehmigungen, § 16 Abs. 1 und 2 GenTG repressive Verbote mit Befreiungsvorbehalt D:\257843880.doc 22 Bsp. baurechtliche Befreiung, § 31 Abs. 2 BauGB; wasserrechtliche Erlaubnis (§ 7 WHG) und Bewilligung (§ 8 WHG); Rodungs- und Umwandlungsgenehmigung, § 9 BWaldG; naturschutzrechtliche Befreiung, § 67 BNatSchG (b) Entscheidungsverfahren Verfahrensgestaltung grundsätzlich entsprechend dem Gewicht der den Verfahrensgegenstand bildenden Umweltbelastungen; umweltrechtliches Standardverfahren ist das förmliche Genehmigungsverfahren förmliches Genehmigungsverfahren in den meisten Umweltgesetzen das Regel- oder sogar das ausschließliche Genehmigungsverfahren; insbesondere dann, wenn Verwaltungsentscheidung materiell "schwach programmiert" ist, umfangreiche und schwierige Sachverhalte zu ermitteln und typischerweise die Rechte und Interessen vieler berührt sind (Stichwort: "Richtigkeitsgewähr und Grundrechtsschutz durch Verfahren") Verfahren richtet sich in aller Regel nach den Verfahrensvorschriften der entsprechenden Fachgesetze; Anwendung der §§ 63 ff. VfVfG setzt eine ausdrückliche Anordnung durch Rechtsvorschrift voraus, § 63 Abs. 1 VwVfG (deshalb keine subsidiäre, allenfalls analoge Anwendung, str.) Verfahrensablauf: ähnelt demjenigen des Planfeststellungsverfahrens (s.u.) Verfahrensabschluss: Genehmigungsentscheidung, § 69 VwVfG (VA) Genehmigungswirkungen: Gestattungs-, formelle Konzentrations- und privatrechtliche Gestaltungswirkung (wie insbesondere im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, §§ 10 ff. BImSchG <s.u.>) Sonderfall: „vereinfachtes“ Genehmigungsverfahren § 10 Satz 1 VwVfG (vgl. § 19 BImSchG i.V.m. 4. BImSchV: vereinfachtes Genehmigungsverfahren, wenn nach Art, Ausmaß und Dauer der von den Anlagen schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, D:\257843880.doc 23 erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen mit dem Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vereinbar); im Übrigen nur untergeordnete Rolle Sonderfall: Planfeststellungsverfahren <s.u.> einerseits Vorhabenzulassungsverfahren (Verwaltungsverfahren, durch das die Zulässigkeit eines konkreten - in der Regel, aber nicht mehr durchgängig: öffentlichen - Vorhabens festgestellt wird) andererseits Planungsverfahren: planerischer Gestaltungsspielraum der Planfeststellungsbehörde (Bsp. Flughafenplanung) (2) (Repressive) Instrumente der Befolgungskontrolle Mögliche Inhalte: nachträgliche Anordnungen (§ 17 BImSchG); Untersagungs-, Stilllegungs- oder Beseitigungsanordnungen (§ 20 BImSchG) d) Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung belassen dem Betroffenen die Freiheit, sich zwischen verschiedenen, mehr oder weniger umweltbeeinträchtigenden Verhaltensweisen zu entscheiden; nehmen auf die Motivation der Betroffenen Einfluss; das unweltpolitisch erwünschte Verhalten wird etwa durch ökonomische Anreize oder entsprechende Informationen, zum Eigeninteresse; Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung fördern damit zugleich das Umweltbewusstsein aa) Finanzielle Anreizinstrumente Umweltabgaben Arten: Steuern (Bsp. "Ökosteuer" auf Mineralöl) Gebühren (Bsp. Müllgebühren) Beiträge (z.B. für gemeindliche Kläranlage) D:\257843880.doc 24 Sonderabgaben (Bsp. "Wasserpfennig" für Grundwasserentnahme durch gewerblich-industrielle Eigenföderer); nur zulässig bei Gruppenhomogenität, Sachnähe der belasteten Gruppe; Gruppenverantwortung und Gruppennützigkeit Zwecke: Umweltfinanzierungsabgaben, Umweltnutzungs- und Entsorgungsabgaben, Umweltlenkungsabgaben, Umweltausgleichsabgaben Subventionen vermögenswerte Leistungen des Staates an Private für Verzicht auf Umweltbeeinträchtigungen oder Vornahme umweltpolitisch erwünschter Maßnahmen direkte Subventionen (z.B. öffentliche Zuschüsse für Solaranlagen und Wärmedämmung) indirekte Subventionen (z.B. Steuerbefreiung für schadstoffarme Kfz) Problem: Wettbewerbsverzerrung; gemeinschaftsrechtlich bedenklich bb) Gewährung von Benutzungsvorteilen Bsp. erleichterte Erteilung von Landerechten für lärmarme Flugzeuge cc) Umweltzertifikate und Kompensationsmodelle Bsp. Emissionshandel; austauschbare Emissionskontingente dd) Umweltinformationen Behördliche Warnungen und Empfehlungen Bsp. Warnhinweise bei Glykolwein; Flüssigei-Skandal; Tschernobyl Problem: Gesetzesvorbehalt (vgl. BVerfG NJW 2002, 2621); Kompetenzen Zugang zu Umweltinformationen (UIG) freier Zugang für jedermann zu Umweltinformationen (RL 2003/4/EG; UIG) D:\257843880.doc 25 ee) Umweltabsprachen rechtsgeschäftliche oder informelle Vereinbarungen zwischen Staat und Privaten, die an die Stelle hoheitlicher Maßnahmen treten (Bsp. FCKW, Altautoentsorgung, Mehrwegverpackungen) Problem: "freiwillige" Selbstverpflichtungen sind oft gar nicht so freiwillig, weil sie in der Regel vor dem Hintergrund massiver Regelungsandrohungen zustande kommen; Rechtsschutzdefizite; häufig fehlende Transparenz ff) Zielvereinbarungen KrW-/AbfG: Festlegung von Zielen für freiwillige Rücknahme von Abfällen nach Anhörung der beteiligten Kreise, innerhalb angemessener Frist zu verwirklichen gg) fakultative Kontrollen; Umweltaudit-System freiwilliges, öffentlich kontrolliertes System zur kontinuierlichen Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes (betriebliche Umweltprüfung, Umweltprogramm, Umweltmanagement, Umweltbetriebsprüfung, periodische Umwelterklärungen) e) Planungsinstrumente <siehe sogleich „Grundlagen des Planungsrechts> D:\257843880.doc 26 II. GRUNDLAGEN DES PLANUNGSRECHTS 1. Begriff und Wesen der Umweltplanung Wesen der Planung (Leitbild: Bauleitplanung):= vorausschauendes Setzen von Zielen und Vorwegnahme der zu ihrer Verwirklichung erforderlichen Verhaltensweisen (Maurer, Allg. VwR, 16. Aufl. 2006 § 16 Rn. 14 m.w.N.); Ausarbeitung rechtlicher Umsetzungsstrategien: Transformation eines IstZustands in einen Soll-Zustand unter Angabe der zur Transformation erforderlichen Maßnahmen (Zielvorgabe - Ist-Analyse - Maßnahmenwahl Prognose); hierbei in der Regel Zusammenspiel von Ordnungs- und Planungsrecht (planungsrechtliche Impulse für ordnungsrechtlichen Vollzug) positiv-finale Ausrichtung auf bestimmte Gestaltungsziele im Gegensatz zu konditional-negatorisch gestalteten ordnungsrechtlichen Instrumenten (tatbestandlich programmierte Konditionalprogramme; ausgerichtet auf Schadensfreiheit, Gesetzmäßigkeit; Wahrung der Rechte Dritter) Gestaltungsziele: teils rechtlich und im Übrigen politisch definiert; in der Regel komplexe Zielsetzungen => auf Ausgleich angelegt planerischer Gestaltungsspielraum Gestaltungsspielraum ist Wesensmerkmal der Planung (BVerwGE 34, 301/304: Planung ohne Gestaltungsspielraum ist Widerspruch in sich; aus jeder gesetzlich eingeräumten Planungskompetenz fließt planerischer Gestaltungsspielraum, auch wenn er nicht ausdrücklich normiert ist) rechtliche Bindungen/Rechtsgrenzen der Umweltplanung: Verfahrensanforderungen Ermächtigung/Vorbehalt des Gesetzes: Erforderlichkeit/Planrechtfertigung ( z.B. § 1 Abs. 3 BauGB) D:\257843880.doc 27 ggf. auch Ermächtigung zum Planinhalt (§ 9 BauGB) Vorrang des Gesetzes => verbindliche Planungsvorgaben (z.B. § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB, § 41 BImSchG) Übermaßverbot/Verhältnismäßigkeit => Abwägungsgebot (z.B. § 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3 BauGB) unterschiedliche Handlungsformen Ergebnis rechtlicher Planung: Plan (keine eigene rechtliche Handlungsform; kann grundsätzlich in allen Rechtsformen erlassen werden) Gesetz (z.B. LEP) Verordnung (z.B. Luftreinhaltepläne, § 47 BImSchG) Satzung (z.B. Bebauungsplan, § 10 Abs. 1 BauGB) Verwaltungsakt Verwaltungsvorschrift Rechtsform des Plans in der Regel im Gesetz festgelegt; ansonsten nach den allgemeinen Definitionsmerkmalen zu bestimmen Wesen der Umweltplanung: zukunftsgerichtete Umweltgestaltung (Verbesserung des Umweltschutzes; Vermeidung oder Abmilderung von Umweltbeeinträchtigungen; Gegensteuerung bei Fehlentwicklungen); Wurzeln: Schutzprinzip; Vorsorgeprinzip aber zunehmend von Bedeutung 2. Formen rechtlicher Umweltplanung (Überblick) a) umweltspezifische Fachplanungen (Umweltplanung i.e.S.) Fachplanung mit umweltspezifischer Zielsetzung; Kern der Umweltplanung; Umweltschutz ist vorrangiges Planungsziel; andere Belange sind allerdings im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen D:\257843880.doc 28 Bsp. Luftreinhalteplanung, § 47 BImSchG; Lärmminderungsplanung, § 47a BImSchG; Landschaftsplanung, §§ 13 ff. BNatSchG; wasserwirtschaftliche Planung, §§ 36 ff. WHG; Abfallwirtschaftsplanung b) umweltrelevante Raum- und Fachplanungen (Umweltplanung i.w.S.) Raumplanung:= Oberbegriff für alle raumbedeutsamen Planungen Umweltplanung i.w.S.: wegen ihrer zum Teil erheblichen Umweltauswirkungen rechnen auch umweltrelevante Raumplanungen und raumbedeutsame Fachplanungen; Umweltschutz ist hier nicht primäres Planungsziel in der Abwägung zu berücksichtigen aa) räumliche Gesamtplanung (Raumordnung und Bauleitplanung) Raumbezogenheit vieler Umweltprobleme => Schwerpunkt der Umweltplanung liegt in der räumlichen Gesamtplanung; ihr obliegt es als Querschnittsaufgabe, raumbedeutsame Belange und Raumnutzungsansprüche zu koordinieren und zum Ausgleich zu bringen überörtliche Ebene: Raumordnungspläne Aufgabe: Gesamtraum und Teilräume durch Abstimmung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen zu entwickeln, zu ordnen und zu sichern, § 1 Abs. 1 ROG wichtige Querverbindungen und Überschneidungen zwischen Umweltrecht und überörtlicher räumlicher Gesamtplanung; wichtiges Instrument zur Integration verschiedener Umweltbelange; wichtige Bedeutung für umweltrelevante Standortentscheidungen Ebenen: Raumplanung in der EU (§ 18 ABs. 2 ROG) Raumplanung auf Bundesebene (§ 18 Abs. 1 ROG) Raumplanung auf Landesebene (§ 8 ROG) Regionalplanung (§ 8 ROG) D:\257843880.doc 29 Instrumente des ROG: unmittelbar umweltschutzbezogene materielle Grundsätze der Raumordnung, § 2 Abs. 2 ROG umweltschutzbezogene Ziele der Raumordnung, § 2 Abs. 3 ROG: z.B. Standortentscheidung für Infrastrukturvorhaben Leitvorstellungen bei der Aufgabenerfüllung (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 4 ROG): Schutz und Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen; langfristige Offenhaltung der Gestaltungsmöglichkeiten der Raumnutzung, Leitlinie einer "nachhaltigen Raumentwicklung", die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt, § 1 Abs. 2 Satz 1 ROG verschiedene umweltrelevante Grundsätze der Raumordnung, vgl. insb. § 2 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 5 - 7 ROG örtliche Ebene: gemeindliche Bauleitplanung Aufgabe und Planrechtfertigung, § 1 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 BauGB: städtebauliche Entwicklung und Ordnung, Ziele und Grundsätze, § 1 Abs. 5 BauGB: nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die … umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt; menschenwürdige Umwelt zu sichern und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln, auch in Verantwortung für den allgemeinen Klimaschutz; strikte Planungsleitsätze: z.B. Verbot vermeidbarer und Ausgleich unvermeidbarer Eingriffe in Natur und Landschaft, § 1a Abs. 3 BauGB Planungsleitlinien: Belange des Umweltschutzes einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Rahmen des Abwägungsgebots (§ 1 Abs. 7 BauGB) zu berücksichtigen, § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB <Einzelheiten s.u.> D:\257843880.doc 30 bb) raumbedeutsame Fachplanungen Aufgabe: verfolgt ein bestimmtes fachliches Planungsziel (z.B. Ermöglichung des Straßen-, Schienen- und Luftverkehrs); keine umweltspezifische Zielsetzung, aber in der Regel umweltbeeinträchtigende Wirkung Bsp. Straßenplanung, §§ 16 ff. FStrG; Flughafenplanung, §§ 8 ff. LuftVG; Wasserwegeplanung, §§ 13 f. WaStrG; Eisenbahnplanung, § 18 AEG; Flurbereinigungsplanung, § 41 FlurbG Instrument: Planfeststellung <Einzelheiten s.u.> 3. Bauleitplanung a) Überblick: Aufgabe, Instrumente und Rechtmäßigkeit der Bauleitplanung Aufgabe der Bauleitplanung: bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde vorzubereiten und zu leiten, § 1 Abs. 1 BauGB Instrumente der Bauleitplanung: vorbereitende (F-Plan) und verbindliche Bauleitplanung (B-Plan), § 1 Abs. 2 BauGB Hauptproblem: Flächeninanspruchnahme In Bayern werden (Stand 31.12.2007) täglich ca. 16 ha an freier Fläche verbaut = ca. 20 Fußballfelder (im Jahr 2000 sogar ca. 29 ha) Ursachen: Einwohnerzuwachs (1970 - 1998: 13,6 %) Zunahme der Haushalte (1970 - 1998: 47 %; Einpersonenhaushalte110 %) Zunahme der durchschnittlichen Wohnfläche (1970 - 1998: 24 - 41 qm) Zunahme des Pkw-Bestandes je Einwohner (1970 - 1998: 0,23 - 0,51) Zunahme der Fahrleistung (1970 - 1998: 47 %) deshalb hohe Umweltrelevanz der Bauleitplanung D:\257843880.doc 31 Wesensmerkmale der Bauleitplanung: zieloffen, aber durch verbindliche Planungsgrundsätze rechtlich gesteuert Rechtmäßigkeitsanforderungen: Verfahrensanforderungen Planinhalt (NC zulässiger Festsetzungsmöglichkeiten, § 9 BauGB) Erforderlichkeit, § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB verbindliche umweltbezogene Planungsvorgaben Anpassungsgebot, § 1 Abs. 4 BauGB Entwicklungsgebot, § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB Abwägungsgebot einschließlich Gebot der Konfliktbewältigung, § 1 Abs. 7 und § 2 Abs. 3 BauGB: gerechte Abwägung abwägbarer Belange; Abwägungsfehlerlehre: 4 Stufen: Abwägungsausfall Abwägungsdefizit Abwägungsfehleinschätzung Abwägungsdisproportionalität 2 Dimensionen: Abwägungsvorgang Abwägungsergebnis b) Umweltbelange in der Bauleitplanung aa) verbindliche umweltbezogene Planungsvorgaben strikte Beachtung erforderlich; z.B. Verkehrslärmschutz, § 41 BImSchG i.V.m. der 16. BImSchV D:\257843880.doc 32 Schutz der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (FFH-Gebiete; Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL, §§ 34 BNatSchG i.V.m. § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. b, § 1a Abs. 4 BauGB) bb) Anpassungsgebot, § 1 Abs. 4 BauGB umweltbezogene Ziele der Raumordnung, z.B. überregionaler Grünzug; Erholungsgebiete; Wasserschutzgebiete cc) Abwägungsgebot umweltbezogene Planungsziele, § 1 Abs. 5 BauGB umweltbezogene Planungsleitlinien, insb. § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB dd) umweltbezogene Verfahrensanforderungen Umweltprüfung (UP), § 2 Abs. 4 BauGB mit EAG Bau hinsichtlich der Belange des Umweltschutzes nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 und § 1a BauGB für nahezu alle Fälle der Bauleitplanung in das BauGB aufgenommen, § 2 Abs. 4 BauGB (durch die BauGB-Novelle 2007 für das sog. "beschleunigte Verfahren" eingeschränkt); Zweck: alle voraussichtlich erheblichen Umweltauswirkungen einer Planung zu ermitteln und in einem Umweltbericht (gemäß § 2a Satz 2 Nr. 2 BauGB Teil der Begründung des Bauleitplans) zu beschreiben und zu bewerten, § 2 Abs. 4 BauGB; integrierende umweltrechtliche Gesamtplanung, die in der Abwägung gemäß § 1 Abs. 7 BauGB zu berücksichtigen ist Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß § 17 Abs. 1 UVPG wird eine eventuell erforderliche Unweltverträglichkeitsprüfung (UVP) im Aufstellungsverfahren als UP durchgeführt; ee) umweltbezogene Festsetzungsmöglichkeiten (Bebauungsplan) z.B. § 9 Abs. 1 Nr. 14, 18, 20, 23-25, Abs. 1a BauGB D:\257843880.doc 33 c) Rechtsschutz gegen Bebauungspläne (Überblick) aa) prinzipale verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle, § 47 VwGO Statthaftigkeit, § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO „Satzungen, die nach den Vorschriften des BauGB erlassen worden sind“ => B-Plan + (= Satzung gemäß § 10 Abs. 1 BauGB) Antragsbefugnis, § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt sind: jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch den BPlan oder dessen Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder zu werden subjektive Rechtspositionen: insb. o Eigentumsrecht, Art. 14 GG; Gesundheit, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG o Recht auf rechtsfehlerfreie Abwägung abwägungsrelevanter Belange => Darlegung Abwägungserheblichkeit eigener Belange erforderlich jede Behörde (sofern vollzugszuständig) Antragsfrist, § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO: innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung des B-Plans Präklusion, § 47 Abs. 2a VwGO wenn natürliche oder juristische Person nur Einwendungen geltend macht, die sie im Rahmen der öffentlichen Auslegung nicht oder verspätet geltend gemacht hat => nur gänzlich untätiger Antragsteller ist präkludiert aa) inzidente Normenkontrolle im Rahmen von Individualklageverfahren Kläger einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage kann geltend machen, dass entscheidungserheblicher B-Plan unwirksam ist => inzidente gerichtliche Prüfung D:\257843880.doc 34 4. (umweltrelevante) Fachplanung a) Wesen und Gegenstände der Fachplanung (Überblick) Fachplanung: = Planung raumbedeutsamer Vorhaben einschließlich der Entscheidung über die Zulässigkeit der Ausführung der Planung (abzugrenzen von Raumplanung als übergreifende Grundlagenplanung für die Bodennutzung); Gegenstände der Fachplanung, insb. Verkehrswegeplanung (für Straßen- und Schienenfahrzeuge), §§ 16 ff. FStrG; Art. 35 ff. BayStrWG; §§ 17 ff. AEG Planung des Baus und Betriebs von Flughäfen, §§ 6 ff. LuftVG Ausbau Gewässer und Wasserstraßenplanung, § 31 Abs. 2 WHG, § 13 ff. WaStrG Planung von Abfalldeponien, § 31 Abs. 2 Krw-/AbfG Planung zur Sicherstellung und Endlagerung radioaktiver Abfälle, § 9a AtG Planung von Energieleitungsanlagen; §§ 43 ff. EnWG Bsp. Straßenplanung: Ziel: Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs, § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4 FStrG Gegenstand: nur öffentliche Straßen; unterschiedliche Qualifikationsmerkmale je nach Verkehrsfunktion; Einteilung in Straßenklassen (Bundes-, Staats-, Kreis- und Gemeindestraßen); Planung nach den jeweils einschlägigen Vorschriften (FStrG; BayStrWG) nicht Umweltrecht im engeren Sinne, aber wegen zum Teil erheblicher Umweltrelevanz Umweltrecht im weiteren Sinne (z.B. § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG) b) Instrumente der Fachplanung: Planfeststellung zentrales Instrument: Planfeststellung, §§ 72 ff. VwVfG (gilt immer dann, wenn durch Rechtsvorschrift vorgesehen); daneben: Plangenehmigung, § 74 Abs. 6 D:\257843880.doc 35 VwVfG i.V.m. § 17b Abs. 1 Nr. 1 FStrG; Bebauungsplan, § 17b Abs. 2 FStrG; ggf. auch formlos-interne Planung a) Rechtsgrundlagen §§ 72 ff. VwVfG bzw. Art. 72 ff. BayVwVfG i.V.m. dem jew. Fachplanungsrecht Verzahnung von allgemeinem Verwaltungsrecht und besonderem Fachplanungsrecht; Fachplanungsrecht entscheidet u.a. darüber, wann ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden muss (Faustformel: größere raumbedeutsame Infrastrukturvorhaben, z.B. Bau oder Änderung von Bundesfernstraßen, § 17 Abs. 1 Satz 1 FStrG) und modifiziert ggf. die allgemeinen Vorschriften (z.B. Fristen für einzelne Verfahrensschritte, § 17a Nr. 5 FStrG) b) Verfahrensablauf und Verfahrensabschluss, § 73 VwVfG Verfahrensablauf: Einleitung durch Vorhabensträger mit Planeinreichung, Abs. 1 S. 1 Einholung Stellungnahmen Behörden innerhalb eines Monats, Abs. 2, 3a öffentliche Auslegung (für die Dauer eines Monats), Abs. 2, 3, und 5 Einwendungsverfahren (Möglichkeit von Einwendungen innerhalb der Einwendungsfrist <bis zwei Wochen nach Ablauf Auslegungsfrist >), Abs. 4 Erörterungstermin (Ziel: Herbeiführung eines Ausgleichs zwischen den unterschiedlichen Interessen), Abs. 6, 7; Verfahrensabschluss: Planfeststellungsbeschluss (PFB), § 74 VwVfG c) Rechtsnatur und Rechtswirkungen PFB Rechtsnatur: VA, § 74 Abs. 1 i.V.m. § 69 VwVfG; Möglichkeit von Nebenbestimmungen, § 74 Abs. 2 VwVfG (z.B. aktive oder passive Schutzauflagen wie Lärmschutzwälle und –wände oder Lärmschutzfenster, letztere mit Entschädigungsrechtsfolge, § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG) Rechtswirkungen, § 75 VwVfG: D:\257843880.doc 36 Gestattungswirkung (§ 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG): Feststellung der Zulässigkeit des Vorhabens hinsichtlich aller von ihm berührten öffentlicher Belange (formelle) Konzentrationswirkung (§ 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG): Ersetzung anderer behördlicher Entscheidungen; materiell-rechtliche Maßstäbe der ersetzten Verfahren (z.B. Bau- und Naturschutzrecht) bleiben beachtlich Gestaltungswirkung (§ 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG): öffentlich-rechtliche Beziehungen zwischen Vorhabenträger und Betroffenen werden rechtsgestaltend geregelt (z.B. Begründung von Ansprüchen auf Lärmschutzmaßnahmen) Ausschlusswirkung (§ 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG): alle (privat- oder öffentlichrechtlichen) Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung oder Änderung sind ausgeschlossen (insb. deliktische oder nachbarrechtliche Abwehransprüche) enteignungsrechtliche Vorwirkung: Festsetzungen im Planfeststellungsbeschluss berechtigen nach Maßgabe der einschlägigen Enteignungsgesetze zur Enteignung (Unterschied zum Bebauungsplan!) planerischer Gestaltungsspielraum: Planfeststellung ist im Kern Abwägungsentscheidung; weiter planerischer Gestaltungsspielraum; gerichtliche Überprüfung auf Rechtsfehler beschränkt d) Rechtmäßigkeitsanforderungen PFB: Planrechtfertigung (Vorbehalt des Gesetzes) Bindung an das Ergebnis vorgelagerter Verfahren Bindung an zwingende Rechtsvorgaben (Vorrang des Gesetzes) Abwägungsgebot (Verhältnismäßigkeit) aa) Planrechtfertigung nach Maßgabe der einschlägigen Fachplanungsgesetze; weder ausdrückliche Ermächtigung erforderlich, noch muss Realisierung der Planung notwendig sein; ausreichend, wenn Planung vernünftigerweise geboten (Prognoseentscheidung erforderlich, z.B. über künftig zu erwartendes D:\257843880.doc 37 Verkehrsaufkommen; ggf. auch normative Vorprägung, z.B. durch gesetzliche Bedarfsplanung oder administrative Ausbauplanung bei der Straßenplanung) bb) Bindung an das Ergebnis vorgelagerter Verfahren bei komplexen Planungsentscheidungen oft gestuftes Verfahren (z.B. Linienbestimmung gemäß § 16 FStrG); rechtliche Kontrolle erst im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle des Planfeststellungsbeschlusses cc) Bindung an zwingende Planungsvorgaben Ausfluss des Prinzips der Gesetzesbindung der Verwaltung; Rechtswidrigkeit der Planung, wenn zwingende Rechtssätze verletzt; nicht durch Abwägung überwindbar; abzugrenzen von bloßen Optimierungsgeboten und ermessenslenkenden Leitlinien zwei Arten von zwingenden Planungsvorgaben: fachplanungsinterne Planungsvorgaben (aus den Fachgesetzen, z.B. Verbot höhengleicher Kreuzungen bei Autobahnen, § 1 Abs. 3 Satz 1 FStrG) externe Planungsvorgaben (aus anderen Rechtsvorschriften, insb. auch aus dem Umweltrecht, z.B. Vorgaben des Verkehrslärmschutzes oder artenschutzrechtliche Verbote nach des BNatSchG) dd) Abwägungsgebot: Abwägungsfehlerlehre BVerwG <s.o.> e) Rechtsschutz Zulässigkeitsfragen Statthafte Klageart maßgeblich ist Rechtsschutzbegehren; Erlass von Schutzvorkehrungen etc. (VA): Verpflichtungsklage Aufhebung PFB (VA): Anfechtungsklage D:\257843880.doc 38 beachte aber § 75 Abs. 1a VwVfG: erhebliche, über die Planerhaltung nicht geheilte Mängel führen nur dann zur Aufhebung PFB, wenn sie nicht durch Planergänzung (z.B. Schutzanordnungen) oder durch ein ergänzendes Verfahren (zur Fehlerkorrektur) behoben werden können => wenn Planergänzung oder ergänzendes Verfahren möglich (Regelfall), ist ebenfalls nur Verpflichtungsantrag statthaft; Aufhebung PFB kann nicht begehrt werden Klagebefugnis klagebefugt ist, wer geltend machen kann, durch den angefochtenen VA in eigenen Rechten verletzt zu sein, bzw. wer einen Rechtsanspruch auf Erlass des begehrten VA hat, § 42 Abs. 2 VwGO; bei Grundrechtsträgern in der Regel unproblematisch; bei Gemeinden in erster Linie Verletzung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts, Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG; beachte auch die Möglichkeit von Verbandsklagen, §§ 64 BNatSchG bzw. § 2 UmwRG Vorverfahren entbehrlich, § 74 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 70 VwVfG Begründetheit: Einwendungspräklusion materielle Präklusion, § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG (alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf gesonderten privatrechtlichen Titeln beruhen, und zwar auch in einem nachfolgenden Gerichtsverfahren) Beschränkung auf Planergänzung oder ergänzendes Verfahren, sofern Voraussetzungen des § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG erfüllt D:\257843880.doc