RiBVerwG Helmut Petz Wintersemester 2015/16 UMWELTRECHT Pflichtveranstaltung im Schwerpunktbereich 8 A. GRUNDLAGEN DES UMWELTRECHTS I. Einführung: Probleme des Umweltschutzes und Umweltpolitik Mensch lebt in und von der Umwelt => ist auf Umweltressourcen existenziell angewiesen (Essen, Trinken, Wohnen; Mobilität etc.) => Schutz der Umweltgüter = "Schicksalsfrage der Menschheit" (Breuer, 1981) Umweltprobleme: kein neues Phänomen (Meteoriteneinschläge; Vulkanausbrüche; Eiszeiten); aber neue Qualität zunehmend anthropogene Umweltveränderungen (Umweltverschmutzung; Umwelt- und Flächenverbrauch; Treibhausgase) nicht mehr nur singuläre, lokal begrenzte Störfälle (Seveso; Ölpest), sondern globale Umweltschäden (z.B. Ozonschicht; Klimawandel); Akteure und Wirkungen überschreiten nationalstaatlichen Aktionsrahmen; nicht Störfall, sondern „Normalbetrieb“ erzeugt Umweltprobleme nicht mehr nur Beeinträchtigung einzelner Umweltmedien, sondern medienübergreifende Beeinträchtigungen und Veränderungen (Klimawandel -> Veränderungen der Vegetation -> Bodenerosion -> Versteppung) komplexe Wirkungsgefüge (Studie „Global 2000“) => einerseits Abmilderung der Wirkungen schädigender Ereignisse durch kompensatorische Kapazitäten der Natur, => andererseits kaum kalkulierbarer "Point of No Return" => Moderner Umweltschutz: Übergang von punktueller Schadensabwehr zur integralen Umweltvorsorge und -pflege 257811687 2 Umweltschutz und Umweltpolitik: Begriffe „Umweltschutz“ und „Umweltpolitik“ vor 1970 nicht etabliert Trend ging sogar in die entgegengesetzte Richtung: Umweltverbrauch als Geschäftsmodell (z.B. Mineralölkonzerne) erst langsam einsetzender Erkenntnisprozess, dass Umweltressourcen und natürliche Lebensgrundlagen nicht unbegrenzt => Sorge um natürliche Lebensgrundlagen als politisches Problem 1971: Umweltprogramm BReg. Def. Umweltpolitik:= Gesamtheit aller Maßnahmen, die notwendig sind, um dem Menschen eine Umwelt zu sichern, die er für seine Gesundheit und ein menschenwürdiges Dasein braucht um Boden, Luft und Wasser, Pflanzen- und Tierwelt vor nachteiligen Wirkungen menschlicher Eingriffe zu schützen und um Schäden oder Nachteile aus menschlichen Eingriffen zu beseitigen Bestandsaufnahme: einerseits wichtige Erfolge (z.B. emissionsarme Autos und Flugzeuge; hervorragende Filteranlagen; Verzicht auf FCKW; "Energiewende") andererseits werden Erfolge durch vermehrte Inanspruchnahme von Umweltgütern (z.B. Steigerung von Produktion, Konsum und Verkehr; Wohlstandsteilhabe weiter Teile der Erdbevölkerung) häufig wieder zunichte gemacht aktuelle Herausforderungen: Internationalisierung und Globalisierung des Umweltschutzes (z.B. bei CO2Ausstoß und Klimaschutz) als Reaktion auf Globalisierung der Akteure und beeinträchtigende Wirkungen 257811687 3 II. Umweltschutz als Querschnittsaufgabe: Umweltbeeinträchtigungen berühren nahezu alle Lebensbereiche => Verankerung des Umweltschutzes in allen relevanten Lebensbereichen (z.B. Verkehr, Industrie, Bauen; Energieerzeugung; Landwirtschaft) Begriff, Ziel und Struktur des Umweltrechts Rechtsstaat => staatlicher Umweltschutz verwirklicht sich im Recht umweltrechtliche Zielvorgaben sind in den einzelnen Umweltgesetzen geregelt; wegen der Heterogenität der Regelungsmaterien lässt sich bei der Zwecksetzung des UmwR nur ein sehr allgemeiner gemeinsamer Nennen finden; siehe z.B. § 1 UGB-E1 § 1 Zweck des Gesetzbuches (1) Zweck des Gesetzbuches ist der Schutz der Umwelt und des Menschen, seiner Gesundheit und seines Wohlbefindens. (2) Der Schutz der Umwelt dient der vorsorgenden und dauerhaften Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen, insbesondere 1. der Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts einschließlich der biologischen Vielfalt und 2. der Nutzbarkeit der natürlichen Ressourcen. überdies: Umweltschutz als rechtliche Querschnittsaufgabe => Regelungen nahezu über die gesamte Rechtsordnung verteilt: Einteilung des Umweltrechts öffentliches Umweltrecht <siehe sogleich> Umweltprivatrecht (z.B. §§ 906, 1004 BGB, Umwelthaftungsrecht) Umweltstrafrecht (z.B. §§ 324 bis 330 d StGB) Einteilung des öffentlichen Umweltrechts nach Steuerungsinstrumenten, z.B. 1 Referenten-Entwurf zur Schaffung eines Umweltgesetzbuchs - nicht Gesetz geworden; zu seinem Scheitern z.B. Jarass, ZfU 2006, 1 <6 ff.>. 257811687 4 o Umweltordnungsrecht: Recht der Abwehr von Gefahren und der Vorsorge gegen Risiken im Umweltbereich (historische Wurzeln des Umweltrechts; auch jetzt noch in bestimmten Bereichen <z.B. ImmissionsschutzR> dominierend) o Umweltplanungsrecht: Bewältigung komplexer Umweltprobleme durch oder im Rahmen von Planung (z.B. Luftreinhaltepläne, § 47 BImSchG; Lärmminderungspläne, §§ 47a ff. BImSchG; Landschaftsplanung, §§ 8 ff. BNatSchG; aber auch umweltbeeinträchtigende Planungen <z.B. Straßen; Flughäfen>) o flankierende Instrumente wie insb. umweltrechtliche Prüfpflichten (Umweltverträglichkeitsprüfung <UVP>; SUP) und Beteiligungsverfahren nach Regelungsgegenständen: o Umweltrecht i.e.S.: allgemeines Umweltrecht: Umwelt-Verwaltungsverfahrensrecht (vgl. hierzu den allgemeinen Teil des – gescheiterten – UGB) und sonstige allgemeine Regelungen (z.B. UIG, UVPG, UStatG, UmwRG) besonderes Umweltrecht: umweltspezifisches materielles Recht; dient ausschließlich oder hauptsächlich dem Schutz bestimmter Umweltmedien (z.B. Immissionsschutz-, Naturschutz-, Wasserschutz-, Bodenschutz-, Kreislaufwirtschafts-, Atom-, Gentechnikrecht) o Umweltrecht i.w.S.: problembezogene Querschnittsregelungen; über die gesamte Rechtsordnung verteilt; insbesondere in Gesetzen, die zwar nicht in erster Linie dem Umweltschutz dienen, aber in hohem Maße umweltrelevant sind (z.B. § 9 ROG; § 1a, § 2 Abs. 4 BauGB; FluglärmG) III. Verfassungsrechtliche Grundlagen des Umweltrechts 1. Überblick Ertrag des Verfassungsrechts für den Umweltschutz vergleichsweise gering 257811687 5 bis zur Schaffung der Staatszielbestimmung Umweltschutz: keine spezifischen Umweltschutzpostulate im GG; lassen sich auch nicht aus dem Rechtsstaatsprinzip (einschließlich Grundrechte), dem Demokratieprinzip oder dem Sozialstaatsprinzip ableiten Rechtsstaats- und Demokratieprinzip enthalten Rechtfertigungsanforderungen für grundrechtsgebundenes staatliches Handeln: Freiheitsbeschränkungen formell (Vorbehalt des Gesetzes; Kompetenzen) und materiell (Grundrechte) rechtfertigungsbedürftig => freiheitssichernde Wirkung gegenüber dem Staat darüber hinaus gewährleistet Verfassung Handlungsrahmen für Freiheitsentfaltung in der freien Gesellschaft => Instrumente des privaten Interessenausgleichs (z.B. Vertragsfreiheit; Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit) => gesetzliche Schädigungsverbote (z.B. im Strafrecht) und Sekundäransprüche (z.B. im Deliktsrecht nach §§ 823 ff., 1004 BGB) Konsequenzen für den Umweltschutz: Umweltbeeinträchtigungen in erster Linie durch Verhalten Privater (z.B. Produktion und Verkehr; Wohnen) => freiheitssichernde Wirkung gegenüber dem Staat trifft nicht den Kern der Umweltprobleme Umweltgüter nur teilweise privat zugeordnet => Instrumente des gesellschaftlichen Binnenausgleichs im Rahmen der Privatautonomie nur eingeschränkt wirksam; => umso wichtiger sind die Kommunikationsgrundrechte für das Ziel, etwa im Rahmen von Umweltverbänden gemeinsame (Umwelt-) Interessen durchzusetzen (EuGH: Bürger als „Anwalt der Umwelt; BVerwG: Umweltverbände als „Verwaltungshelfer“ im Bereich der Umwelt) 2. Grundrechte "materieller Dreh- und Angelpunkt des freiheitlichen Rechtsstaats" a) Eingriffsabwehr ("Status negativus") Abwehr von Umweltbelastungen 257811687 6 Umweltbeeinträchtigungen unmittelbar durch den Staat (z.B. Straßenbau oder öffentliche Einrichtungen wie Müllverbrennungsanlagen): => Eingriffsabwehr Probleme: subjektiver Individualrechtsschutz: Rechtsbeeinträchtigung erforderlich Relevanzschwelle: Rechtsbeeinträchtigung im Sinne einer unzumutbaren individuellen Betroffenheit (z.B. durch Lärmbeeinträchtigungen) muss nachgewiesen werden private Umweltbelastungen (z.B. durch emittierende Anlagen) unter staatlicher Mitwirkung (z.B. auf der Grundlage staatlicher Genehmigungen) Probleme: Zurechenbarkeit: nur bei Fehlverhalten des Staates (grundlegend BVerfGE 53, 30 <59> Mühlheim-Kärlich) wenn Genehmigung gesetzmäßig: grundsätzlich kein Abwehrrecht wenn Genehmigung gesetzeswidrig: Abwehrrecht des Bürgers; aber: => auch hier nur subjektiver Individualrechtsschutz => auch hier Relevanzschwellen private Umweltbelastungen ohne staatliche Mitwirkung Probleme: b) keine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte grundsätzlich nur zivilrechtlich abwehrbar; aber: => auch hier nur subjektiver Individualrechtsschutz => auch hier Relevanzschwellen Objektiv-rechtliche Funktion der Grundrechte/staatliche Schutzpflichten 257811687 7 Grundrechte sind nicht nur subjektive Abwehrrechte, sondern auch objektiv-rechtliche Wertentscheidungen der Verfassung (vgl. z.B. Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rn. 76) => staatliche Schutzpflichten Probleme: Verletzung nur, "wenn staatliche Organe gänzlich untätig geblieben oder die getroffenen Maßnahmen evident unzureichend sind" (BVerfGE 79, 174 <201 f.>); weiter Bewertungs- und Handlungsspielraum des Staates => nur wenige Konstellationen im Umweltbereich, in denen sich objektiven Schutzpflichten zu subjektivem Anspruch auf staatliches Handeln verdichten 3. Rechtsstaatsprinzip Probleme: 4. Vorbehalt des Gesetzes: erschwert rasche Reaktion auf Umweltprobleme Kompetenzen: ursprünglich im Umweltrecht stark zersplittert; seit Föderalismusreform I Konzentration der Gesetzgebung beim Bund <s.u.> Vertrauensschutz: Rückwirkungsverbot etc. Demokratieprinzip <siehe Vorbehalt des Gesetzes> Zwischenergebnis: Abwehr staatlicher Umweltbeeinträchtigungen: nicht Problemschwerpunkt Einforderung umweltschützender Aktivitäten des Staates ostaatliche Schutzpflichten verschaffen dem Bürger in der Regel keine subjektive Rechtsposition oumgekehrt freiheitssicherndes Instrumentarium zur Abwehr umweltschützender Aktivitäten des Staates verfassungsunmittelbares Korrektiv, etwa im Sinne einer Pflicht zum "verantwortlichen (d.h. in unserem Zusammenhang: umweltschonenden) Freiheitsgebrauch" ist unserem Verfassungsverständnis grundsätzlich fremd 257811687 8 5. Staatszielbestimmung Umweltschutz, Art. 20a GG Gesetz vom 27.10.1994 (BGBl. I S. 3146); in Kraft getreten am 15.11.1994 Rechtsnatur: objektiv-rechtliche Staatszielbestimmung kein subjektiv-öffentliches Recht des Bürgers kein absoluter Vorrang des Umweltschutzes Schutzgut: natürliche Lebensgrundlagen (deshalb ist die Bezeichnung "Staatsziel Umweltschutz" nicht ganz präzise) und Tierwelt auch menschlich gestaltete Umwelt ("Kulturlandschaft") anthropozentrische Konzeption (allerdings nicht im Sinne einer schlichten menschlichen Nutzenkalkulation) Konzeption der Nachhaltigkeit ("… auch in Verantwortung für die künftigen Generationen …") Relevanz: Rechtfertigung für umweltschützende Aktivitäten des Gesetzgebers (insbesondere im Bereich vorbehaltslos gewährleisteter Grundrechte) Direktive für Verwaltung (etwa bei der Ermessensbetätigung) und Rechtsprechung (etwa bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe) 6. Föderale Kompetenzordnung a) Umweltgesetzgebung: Föderalismusreform I zwar nicht Einführung eines einheitlichen Kompetenztitels "Recht der Umwelt"; aber deutliche Konzentration der Kompetenzen beim Bund (alle Kernkompetenzen im Bereich des Umweltschutzes in der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes, zumeist als konkurrierende Kompetenz); Erforderlichkeitsklausel im Umweltrecht überwiegend nicht mehr anwendbar, Art. 72 Abs. 2 GG; Abweichungsgesetzgebung der Länder bei der bisherigen Rahmengesetzgebungskompetenz ("kompetitiver Föderalismus") Überblick über Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Umweltrechts: 257811687 9 ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes: v.a. Luftverkehrsrecht, Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG; Atomrecht, Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes: wichtigste Materien: o Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG: Recht der Wirtschaft (z.B. EnWG) o Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG: Bodenrecht (BauGB) o Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG: Lebensmittel- und Tierschutzrecht o Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG: Recht der Wasserstraßen o Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG: Straßenverkehrsrecht o Art. 74 Abs. 1 Nr. 23 GG: Recht der Schienenbahnen o Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG: Recht der Abfallbeseitigung, Luftverschmutzung und Lärmbekämpfung (KrWG; BImSchG) o Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG: Recht des Naturschutzes und der Landschaftspflege (BNatSchG) o Art. 74 Abs. 1 Nr. 31 GG: Raumordnungsrecht (ROG) o Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG: Wasserhaushaltsrecht (WHG) drei Grundvarianten: o Kernkompetenz des Bundes: Gesetzgebungskompetenz ohne Erforderlichkeitsschranke und ohne Abweichungskompetenz der Länder (z.B. Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 <Bodenrecht> und Nr. 24 GG <BImSchR>) o Erforderlichkeitskompetenz des Bundes: Gesetzgebungskompetenz mit Erforderlichkeitsschranke (z.B. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11, 20, 22 GG) o Abweichungskompetenz der Länder: 257811687 10 konkurrierende Gesetzgebung des Bundes ohne Erforderlichkeitsschranke, aber mit begrenzter Abweichungskompetenz der Länder (z.B. Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG: abweichende Regelungen über Naturschutz ohne allgemeine Grundsätze; z.B. Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG: abweichende Regelungen über den Wasserhaushalt ohne stoff- oder anlagenbezogene Regelungen; Abgrenzungsprobleme (strittig ist z.B., ob die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung zu den Grundsätzen des NatSchR gehört) konkurrierende Gesetzgebung des Bundes ohne Erforderlichkeitsschranke, aber mit unbegrenzter Abweichungskompetenz der Länder (z.B. Art. 74 Abs. 1 Nr. 31 GG) b) (ausschließliche) Gesetzgebungskompetenz der Länder: im Wesentlichen nur noch bei verhaltensbezogenem Lärm (siehe Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG), im Fischereirecht sowie im - subsidiär anzuwendenden - Polizeirecht Übergangsvorschrift des Art. 125b GG (insb. Abs. 1 Satz 2) Umweltverwaltung Vollzugszuständigkeit der Länder in nahezu sämtlichen Bereichen des UmwR: Vollzug der Landesgesetze und nicht gesetzesakzessorischer Verwaltungsvollzug, Art. 30 GG: z.B. BayImSchG Vollzug der Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten der Länder (Landeseigenverwaltung, Art. 83, 84 GG); Bund kann Behördeneinrichtung und Verwaltungsverfahren regeln oder selbst Verwaltungsvorschriften erlassen, Art. 84 Abs. 1 und 2 GG (ohne Zustimmung Bundesrat); dafür Abweichungskompetenz der Länder; Umweltverfahrensrecht fällt unter Art. 84 Abs. 1 Satz 5 und 6 GG und ist deshalb abweichungsfest Vollzug der Bundesgesetze im Auftrag des Bundes (Bundesauftragsverwaltung, Art. 85 GG): z.B. Kernenergieverwaltung, Art. 87c GG Bundeseigene Verwaltung: im Wesentlichen nur Verwaltung der Bundeswasserstraßen, Art. 87 Abs. 1 Satz 1, Art. 89 GG 257811687 11 IV. Unionsrechtliche Bezüge des Umweltrechts Entwicklung des UmwR: von Beginn an unter dem Einfluss des UnionsR => wesentlicher Motor für Entwicklung des deutschen Umweltrechts => deutscher Gesetzgeber heute in vielen Bereichen "Umsetzungsgesetzgeber" (z.B. Aarhus-Konvention; UVP-RL; Vogelschutz-RL; FFH-RL; Seveso-II-RL; IE-RL; WR-RL) Kompetenzgrundlage des unionsrechtlichen UmwR: Art. 192 i.V.m. 191 AEUV Verhältnis von unionsrechtlichem und nationalem Umweltrecht Anwendungsvorrang des UmwR der Union (≠ Geltungsvorrang): Entgegenstehendes nationales Recht verliert nicht seine Geltung, darf aber im Einzelfall nicht angewendet werden (gilt für alle Handlungsformen <VO und RL>) Umsetzungserfordernis (gilt nur für RL, Art. 288 Abs. 3 AEUV): RL hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel => Einpassung der umzusetzenden unionsrechtlichen Regelung in das mitgliedstaatliche Rechtssystem Konsequenzen bei (normativen) Umsetzungsdefiziten (z.B. Seveso-II-RL): RL-konforme Auslegung des nationalen Rechts (zur Vermeidung eines Umsetzungsdefizits) durch nationale Gerichte: Sofern Auslegungsspielräume existieren, ist diejenige Auslegung des nationalen Rechts zu wählen, die mit Regelungen und Zielsetzungen der RL vereinbar (z.B. Seveso-II-RL: Bundesgesetzgeber hat das in der RL enthaltene Gebot, dem Erfordernis, dass zwischen Störfallbetrieben und störempfindlichen öffentlichen Bereichen langfristig Rechnung getragen wird, nur als Planungsvorgabe, nicht hingegen auch als Vorgabe für die Genehmigungsentscheidung verstanden und deshalb nur in § 50 BImSchG, nicht aber auch in § 34 BauGB umgesetzt; der EuGH hat dieses Verständnis als unionsrechtswidrig beanstandet; BVerwG (U. v. 20.12.2012 – BVerwG 4 C 11.11 – BVerwGE 145, 290) hat § 34 BauGB dahin ausgelegt, dass dem 257811687 12 unionsrechtlichen Abstandserfordernis im Rahmen des in § 34 BauGB enthaltenen Rücksichtnahmegebots Rechnung zu tragen ist) Unmittelbare Wirkung der RL (EuGH): Voraussetzungen (vgl. z.B. Koch, UmwR, 4. Aufl. 2014, § 2 Rn. 85 ff.): RL auf Gewährung subjektiver Rechte gerichtet Umsetzungsfrist abgelaufen Umsetzung defizitär (keine/nicht ordnungsgemäße Umsetzung) Regelung hinreichend bestimmt, vorbehaltlos und unbedingt => unmittelbare vertikale Wirkung (zugunsten des Bürgers im Verhältnis zum Staat, z.B. im Bereich des Gesundheitsschutzes) => keine unmittelbare horizontale Wirkung Staatshaftung (für legislatives Unrecht; EuGH, Slg. 1991 I-5357 Rn. 33 ff. <Francovich>); Voraussetzungen: RL auf Gewährung subjektiver Rechte gerichtet Regelung hinreichend bestimmt, vorbehaltlos und unbedingt RL vom Mitgliedstaat verletzt ein durch die RL Begünstigter hat Schaden erlitten Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden Vertragsverletzungsverfahren (Art. 258 AEUV): Einleitung durch Kommission; Gelegenheit zur Stellungnahme; Entscheidung EuGH; wenn Umsetzungsdefizit festgestellt => Pauschalbetrag/Zwangsgeld (Art. 260 Abs. 2 und 3 AEUV) V. Grundprinzipien des Umweltrechts 1. Überblick 257811687 13 das nationale Recht strebt die Verwirklichung der generellen umweltrechtlichen Zwecksetzung auf der Grundlage drei umweltrechtlicher Grundprinzipien an Grundprinzipien des Umweltrechts: herkömmliche Prinzipientrias: Vorsorgeprinzip: Primärziel, Belastungen und Gefahren für die Umwelt bereits im Vorfeld zu vermeiden Verursacherprinzip: determiniert als Sekundärziel die Verantwortlichkeiten für Umweltbeeinträchtigungen (Adressaten von Umweltschutzmaßnahmen; finanzielle Lastenverteilung; mittelbar auch Präventivfunktion) Kooperationsprinzip: bestimmte Art und Weise der Organisation des Umweltschutzrechts (organisatorische und instrumentelle Umsetzung) auf unterschiedlichen Aktionsebenen (Völkerrecht; Unionsrecht; nationales Recht) herausgebildet nationalrechtliche Ebene: politischer Ursprung (z.B. Umweltprogramm BReg von 1971 sowie Fortschreibung im Umweltbericht BReg von 1976); nach und nach verrechtlicht (erstmals im Staatsvertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, Art. 16; Fortschreibung im Einigungsvertrag, Art. 34 EV); => Rechtsverbindlichkeit nur dort, wo Geltung ausdrücklich gesetzlich normiert; auf verschiedenen Ebenen zum Teil divergierende Inhalte unionsrechtliche Ebene (Art. 191 Abs. 2 AEUV): hohes Schutzniveau Prinzip der Vorsorge und Vorbeugung Ursprungsprinzip: Beeinträchtigungen vorrangig am Ursprung bekämpfen Verursacherprinzip 257811687 14 angereichert durch weitere Prinzipien, die sich auf internationaler und unionsrechtlicher Ebene durchgesetzt (insb. sog. Querschnittsklausel des Art. 11 AEUV) und Einzug in die nationalen Umweltschutzgesetze gefunden haben Integrationsprinzip: Schutzauftrag für die Umwelt in ihrer Gesamtheit Nachhaltigkeitsprinzip (vgl. Schmidt/Kahl, Umweltrecht, 2006, § 1 Rn. 22; Klöpfer, Umweltschutzrecht, 2008, § 3 Rn 13) Rechtsnatur und Rechtswirkungen: Unionsrecht: Auslegungsdirektive für unionsrechtliche Umwelt-RL, in denen die Unionsebene dem nationalen Gesetzgeber detaillierte inhaltliche Vorgaben für eine prinzipiengeleitete Ausgestaltung des nationalen Rechts machen kann nationales Recht: einheitliche Regelung fehlt => bereichsspezifische Ausprägungen mit unterschiedlichem Regelungsinhalt => Generalisierung aus den Vorschriften des besonderen UmwR interpretationsleitende Funktion (z.B. Norm mit Vorsorgecharakter => keine subjektive Rechtsposition; Auslegung von RL der EU) Ausfüllung von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen 2. Schutzprinzip wichtigstes „vor“-umweltrechtliches Grundprinzip (im UGB-E ausdrücklich genannt) Bsp. Schweinemastbetrieb ohne (Vorsorgeprinzip) und mit Nachbarn (Schutzprinzip) Ursprung: liberaler Rechtsstaat (Polizeirecht; Gewerberecht) Zweck: Gefahrenabwehr Inhalt: Schutz vor konkreten Umweltgefahren 257811687 15 => greift nicht erst, wenn Umwelt bereits geschädigt, sondern bereits dann, wenn Schädigung konkret droht; => Anknüpfung an polizeirechtlichen Gefahrenbegriff:= Sachlage, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden an Rechtsgütern führen würde; Anforderungen an Wahrscheinlichkeit umso niedriger, je bedeutender die betroffenen Umweltgüter und je größer das Ausmaß der erwarteten Schädigung sind; Konkretisierung in technischen Regelwerken (BImSchV; TA Lärm, TA Luft) Rechtsnatur und Rechtswirkungen zwingendes Recht drittschützende Wirkung, soweit sich Bürger auf subjektive Rechtspositionen wie Recht auf Gesundheit und Leben <Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG> oder Eigentum <Art. 14 GG> berufen kann; insoweit auch Klagebefugnis des Betroffenen Einfachrechtliche Verankerung generelle Regelung fehlt; bereichsspezifische Ausprägung als gesetzliche Zielbestimmung, z.B. § 1 BImSchG als Betreiberpflicht, z.B. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG 3. Vorsorgeprinzip Zweck und Inhalt wichtigstes Prinzip des modernen Umweltrechts; Inhalt am besten in der Abgrenzung zum Schutzprinzip zu verstehen: von bloß reaktiver Gefahrenabwehr und Schadensbeseitigung zum präventiven und planenden Umweltschutz im Wesentlichen zwei Varianten: Risiko- und Gefahrenvorsorge (sicherheitsrechtlicher Aspekt) 257811687 16 Vorsorge schon im Vorfeld der polizeirechtlichen Gefahrenschwelle o o auch entferntere Risiken zeitlich (“zukünftige Generationen“; Bsp. Klimaschutz) räumlich (z.B. Ferntransporte von Schadstoffen) auch Fälle mit geringerer Eintrittwahrscheinlichkeit: Schwelle für Vorsorge ist bereits erreicht, wenn fachliche Anhaltspunkte für schädliche Wirkung bestehen (z.B. Mobilfunk); bloßes Besorgnispotential reicht demgegenüber nicht aus (kein Null-Risiko-Prinzip) o auch Umweltbelastungen, die erst im Zusammenwirken mit anderen Belastungen schädlich werden können (kumulative Kausalität) o gegebenenfalls auch Schutz empfindlicher Bevölkerungsgruppen Vorsorgemaßnahmen: o technische Vorkehrungen zur Emissionsvermeidung/-minderung (Gebot der Belastungsminimierung, z.B. nach Stand der Technik, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG); Grenzen: Verhältnismäßigkeit o technische und/oder organisatorische Vorkehrungen für Fall einer Verwirklichung eines Risikos (z.B. Abstandserfordernisse und Evakuierungspläne im Störfallrecht: Ressourcenvorsorge bewirtschaftungsrechtlicher Aspekt; Umweltvorsorge im Sinne einer zukunftsverträglichen Ressourcenbewirtschaftung; Ziel, für zukünftige Nutzungen Freiräume zu erhalten (s. auch Nachhaltigkeitsprinzip) Dogmatische Herleitung "Handeln im Ungewissen" (sog. Ignoranztheorie, vgl. Erbguth/Schlacke, Umweltrecht 2005, § 3 Rn. 4); behördliche Risikoentscheidungen erfordern gewisse Sicherheitszone vor der Gefahrenschwelle 257811687 17 Rechtsnatur und Rechtswirkungen allgemeine Gesetzesgrundlage für Vorsorgeprinzip fehlt; derzeit (wohl) allein durch Fachgesetze getragen (vgl. aber § 1 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 UGB-RefE) nur objektiv-rechtliches Prinzip (str.; unionsrechtlich zweifelhaft); keine drittschützende Wirkung (keine subjektive Rechtsposition des Bürgers, aufgrund derer er verlangen könnte, dass Umweltvorsorge jenseits des Schutzprinzips betrieben wird) => keine Klagebefugnis Einfachrechtliche Verankerung Vorsorge als allgemeiner Gesetzeszweck: z.B. § 1 BImSchG, § 1a WHG Verpflichtung zur Minimierung denkbarer Schadensrisiken durch Beachtung der nach dem Stand von Wissenschaft und Technik möglichen Vorsorgemaßnahmen: z.B. § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, § 7a WHG Verschlechterungsverbot: insb. § 13 Satz 1 BNatSchG Vorsorge als Planungsdirektive: § 1 Abs. 5, Abs. 6 Nr. 7, § 1a BauGB 4. Verursacherprinzip Zweck Umweltprogramm BReg. 1971: "Jeder, der die Umwelt belastet oder sie schädigt, soll für die Kosten dieser Belastung oder Schädigung aufkommen"; => Kostenzurechnungsprinzip: Verursacherprinzip bestimmt, wem einzelne Umweltbeeinträchtigungen zuzurechnen sind und wer für die Beseitigung bzw. Verminderung in die Pflicht genommen werden soll („wer zahlt“) => mittelbar verhaltenssteuernd/general- und spezialpräventive Wirkung aufgrund der auf den Schädiger zukommenden finanziellen Belastungen Inhalt und Rechtswirkungen Verursacherprinzip wird heute allgemein weiter verstanden: 257811687 18 nicht bloß ökonomisches Kostenzurechnungsprinzip mit dem Ziel einer Internalisierung der Kosten von Umweltbeeinträchtigungen sondern auch finanzielles und materielles Verantwortungsprinzip, Beeinflussung der Verantwortlichen i.S. einer Nichtverursachung, etwa odurch Zurechnung i.S. der polizeirechtlichen Störerverantwortung oals Zurechnungskriterium für Anreizinstrumente (s.u.) Maßstab für Zurechnung: wegen erheblicher naturwissenschaftlicher Nachweisprobleme bei komplexen Wirkungszusammenhängen (z.B. Waldschaden) rechtliches Zurechnungsprinzip, das der Gesetzgeber jenseits von Äquivalenzoder Adäquanztheorie nach Gerechtigkeits-, Billigkeits- oder politischen Zweckmäßigkeitserwägungen ausgestalten kann (z.B. § 135a BauGB) Einfachrechtliche Verankerung Vermeidungs-, Verminderungs- oder Beseitigungspflichten (z.B. Autos, § 38 BImSchG; Hausmüllbeseitigung) Auferlegung der Kosten für Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen (z.B. naturschutzrechtliche Eingriffs- und Ausgleichsregelung in der Bauleitplanung, § 135a BauGB) Auferlegung "ersparter" Kosten bei pflichtwidrigem Verhalten Belastung mit politisch festgesetzten Knappheitspreisen für die Umweltnutzung (z.B. Emissionshandel) 5. Kooperationsprinzip nicht umweltspezifisches, aber doch umwelttypisches Prinzip („Bürgergesellschaft“); Bekenntnis zu gemeinsamer Verantwortung von Staat und Gesellschaft und zur wechselseitigen Abhängigkeit und Beeinflussbarkeit im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat (vgl. auch § 1 Abs. 2 Nr. 4 UGB-RefE) Aufgabenverteilungsprinzip: vom imperativen zum paktierenden Staat (z.B. informelle Absprachen; freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft zur Vermeidung staatlicher Maßnahmen <VerpackungsV; Atomausstieg etc.>) 257811687 19 Vorteile: Einbindung privater Verantwortung Erhöhung der gesellschaftlichen Akzeptanz Nachteile: Gefahr inhaltlicher Kompromisse zu Lasten des Gemeinwohls und der Belange des Umweltschutzes (VerpackungsV!) Fehlende rechtsstaatliche Sicherungen, insbesondere für betroffene Dritte, wenn Normsetzungen oder behördliche Anordnungen durch Absprachen oder Selbstverpflichtungs-Abkommen ersetzt werden deshalb staatliche Gewährleistungsverantwortung als notwendiges Korrektiv erforderlich, wenn Aufgaben des Umweltschutzes privatisiert werden kooperatives Aufgabenwahrnehmungsprinzip, z.B. Anhörung "beteiligter Kreise" (§ 51 BImSchG), Beteiligungsrechte von Naturschutzverbänden als "Anwälte der Umwelt" (§ 63 BNatSchG) Einbringung von Sachverstand; Komplettierung des entscheidungserheblichen (Abwägungs-) Materials Repräsentation (organisierter) Interessen aber auch: erhöhte Mitwirkungspflichten (z.B. in Form von materiellen oder prozessualen Präklusionswirkungen) 6. Integrationsprinzip Zweck: Schutz der Umwelt in ihrer Gesamtheit; gemeinschaftsrechtliche Wurzeln (UVP-RL und IVU-RL) Aspekte des Integrationsprinzips: interne Integration: medienübergreifender Ansatz (z.B. § 5 Abs. 1 Satz 1 BImSchG: "… hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt …") 257811687 20 externe Integration: Berücksichtigung der Umweltbelange auch in mittelbar umweltrelevanten Politiken (insb. Querschnittsklausel Art. 6 EGV) gesetzliche Ausprägungen: 7. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UVPG ("Wechselwirkungen zwischen Umweltgütern") § 75 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwVfG (formelle Konzentrationswirkung) vgl. auch § 42 ff. UGB-RefE (integrierte Vorhabengenehmigung) Nachhaltigkeitsprinzip in Staatszielbestimmung des Art. 20a GG nicht ausdrücklich benannt, aber impliziert (Zukunftsverantwortung des Staates "für künftige Generationen"); gesetzliche Ausprägungen: naturschutzrechtliche Eingriffs- und Ausgleichsregelung, §§ 18 ff. BNatSchG Verschlechterungsverbote, § 33 Abs. 5, § 34 Abs. 1 BNatSchG Raumordnung, § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, 3 ROG 257811687 21 VI. Instrumente des Umweltrechts 1. Überblick das UmwR hält zur Verwirklichung seiner umweltrechtlichen Zielsetzungen verschiedene Instrumente und Maßnahmen vor historische Entwicklung Entwicklung aus Polizei- und Ordnungsrecht sowie Gewerberecht => Instrumente des Umweltrechts teils mit den dort vorfindlichen ordnungsrechtlichen Instrumenten und Handlungsformen identisch wegen des Querschnittscharakters des Umweltrechts teilweise auch Handlungsformen und Regelungsinstrumente aus anderen Bereichen des Verwaltungsrechts in das Umweltrecht integriert => insb. planungsrechtliche Instrumente des Bauleitplanungs- und Fachplanungsrechts; einzelne dieser Instrumente haben im UmwR aber ein ganz anderes Gewicht (z.B. Umweltbericht als Teil der Begründung des B-Plans nach § 2a BauGB) mit Blick auf die Grundprinzipien des Umweltrechts (insb. Vorsorgeprinzip) => zunehmende Verlagerung von den klassischen Instrumenten der Gefahrenabwehr hin zu den Planungsinstrumenten mit Blick auf das Kooperationsprinzip teilweise aber auch umweltrechtliche Neuentwicklungen => influenzierende Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung (z.B. Umweltabgaben und informelles Verwaltungshandeln) zur wirtschaftlich-gesellschaftlichen Selbststeuerung Grundsatz: gesetzgeberische Entscheidung über Instrumenteneinsatz welche Instrumente und Handlungsformen bei der Verwirklichung der umweltrechtlichen Zielsetzungen zugrunde zu legen sind, obliegt der Entscheidung des Gesetzgebers; dieser entscheidet im Rahmen seiner verfassungs- und unionsrechtlichen Bindungen (insb. Verhältnismäßigkeit) grundsätzlich nach politischen Gesichtspunkten (Effizienz; Akzeptanz etc.); Instrumente und Handlungsformen des Umweltrechts in weiten Teilen substituierbar (z.B. VerpackungsV) 257811687 22 Paradigmenwechsel (UnionsR): „Richtigkeitsgewähr durch Verfahren“ zum Wesensmerkmal des UmwR müssen mittlerweile auch unionsrechtlich vorgegebenen spezifisch umweltrechtlichen Verfahrensanforderungen für die ordnungs- und planungsrechtlichen Instrumente gerechnet werden: umweltbezogene Prüfpflichten (Pflicht zur Erfassung und Bewertung der Umweltauswirkungen, insbesondere im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung - UVP -) und Beteiligungsrechte (Öffentlichkeits- und Verbandsbeteiligung) sowie daran anknüpfende Rechtsschutzmöglichkeiten (insb. Ausgestaltung der UVP und der Beteiligungsvorschriften als absolutes Verfahrensrecht => gravierende Verstöße führen ohne weiteres, d.h. unabhängig von der materiellen Rechtslage zur Aufhebung der Planungs- oder Zulassungsentscheidung, § 4 Abs. 1, 3 UmwRG) 2. Instrumente und Handlungsformen mögliche Systematisierung der Instrumente und Handlungsformen des UmwR nach Zielkonkretisierung und Wirkungsweise gegenüber dem Adressaten: Staatliche Eigenvornahme: konkretes Verhaltensziel; Zielerreichung unmittelbar durch die öffentliche Verwaltung (a) Instrumente direkter Verhaltenssteuerung: konkretes Verhaltensziel; Zielerreichung durch Verhalten des Bürgers; unbedingter Wille des Staates zur Zielerreichung (b) Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung: konkretes Verhaltensziel; Zielerreichung durch Verhalten des Bürgers; bedingter Durchsetzungswille des Staates (Zielerreichung privater Entscheidung überlassen; aber Einflussnahme auf Motivation der Bürger) (c) Planungsinstrumente: nur generelles Verhaltensziel; konkrete Ziele und die zu ihrer Verwirklichung in Betracht kommende Maßnahmen unklar und deshalb planungsbedürftig (d) 257811687 23 a) Staatliche Eigenvornahme Kernbereich: Sicherung der Entsorgung, z.B. für Haushaltsabfälle, für Atommüll, (eingeschränkt) für Abwasserbeseitigung; allerdings zunehmend private Akteure b) Instrumente direkter Verhaltenssteuerung („klassische Handlungsformen“) Instrumente direkter Verhaltenssteuerung => Adressaten wird bestimmtes Verhalten abverlangt, das ggf. mit Mitteln des Verwaltungszwangs durchgesetzt werden kann, und dessen Nichtbeachtung ggf. Sanktionen zur Folge hat aa) Gesetzliche Instrumente: Gebote und Verbote Gebote und Verbote in einer Vielzahl umweltrechtlicher Regelungen, die zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichten: Unterlassungspflichten: Verbot bestimmter umweltgefährdender Tätigkeiten, ggf. auch durch Festlegung von Umweltstandards (Bau- und Betriebsnormen <z.B. StVZO>; Immissionsnormen <z.B. TA Lärm>; Produktnormen) Leistungspflichten: Pflege-, Erhaltungs- und Bewirtschaftungspflichten, §§ 1a, 28 WHG; Kennzeichnungs- und Verpackungspflichten, §§ 13 ff. ChemG; Schadensminderungs- und Mitteilungspflichten für sog. DennochStörfall nach der 12. BImSchV; Wiederherstellungs- und Ausgleichspflichten, § 15 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG, § 11 Satz 2 BWaldG; Pflicht zur Bestellung eines Betriebsbeauftragten, §§ 21a ff. WHG; §§ 53 ff. BImSchG Duldungspflichten, z.B. Betretungsrechte, § 19 Abs. 2 AtG, § 21 WHG bb) Administrative Instrumente aaa) Instrumente der Eröffnungskontrolle (1) Formen Anzeigepflichten genehmigungsersetzend (etwa bei privilegierten, ausnahmsweise erlaubnisfreien Umweltbelastungen, z.B. § 17a WHG) oder 257811687 24 genehmigungsergänzend (etwa bei der Änderung genehmigungspflichtiger Anlagen, § 15 BImSchG) präventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt Bsp. Baugenehmigung; immissionsschutzrechtliche Genehmigung, §§ 4 ff. BImSchG; abfallrechtliche Transportgenehmigung, § 49 KrW-/AbfG; gentechnische Genehmigungen, § 16 Abs. 1 und 2 GenTG repressive Verbote mit Befreiungsvorbehalt Bsp. baurechtliche Befreiung, § 31 Abs. 2 BauGB; wasserrechtliche Erlaubnis (§ 7 WHG) und Bewilligung (§ 8 WHG); Rodungs- und Umwandlungsgenehmigung (§ 9 BWaldG); naturschutzrechtliche Ausnahmen und Befreiungen (§ 34 Abs. 3 bis 5, § 45 Abs. 6 bis 8 und § 67 BNatSchG) (2) Verfahren Verfahrensgestaltung grundsätzlich entsprechend dem Gewicht der den Verfahrensgegenstand bildenden Umweltbelastungen förmliches Genehmigungsverfahren in den meisten Umweltgesetzen umweltrechtliches Standard- (z.B. § 10 BImSchG) oder sogar ausschließliches Genehmigungsverfahren; insb. dann, wenn Verwaltungsentscheidung materiell-rechtlich "schwach programmiert" umfangreiche und schwierige Sachverhalte zu ermitteln und typischerweise Rechte und Interessen vieler berührt (Stichwort: "Richtigkeitsgewähr und Grundrechtsschutz durch Verfahren") Verfahren richtet sich in aller Regel nach den Verfahrensvorschriften der entsprechenden Fachgesetze; Anwendung der §§ 63 ff. VfVfG setzt eine ausdrückliche Anordnung durch Rechtsvorschrift voraus, § 63 Abs. 1 VwVfG (deshalb keine subsidiäre, allenfalls analoge Anwendung, str.) 257811687 25 Wesensmerkmale: Öffentlichkeitsbeteiligung; Erörterungstermin; Einwendungsausschluss (z.B. § 10 Abs. 3 und 6 BImSchG) Verfahrensablauf: ähnelt demjenigen des Planfeststellungsverfahrens (s.u.) Verfahrensabschluss: Genehmigungsentscheidung, § 69 VwVfG (VA) Wirkungen: Gestattungs-, formelle Konzentrations- und privatrechtliche Gestaltungswirkung (siehe insb. immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren, §§ 10 ff. BImSchG <s.u.>) Sonderfall: „vereinfachtes“ Genehmigungsverfahren etwa § 19 BImSchG i.V.m. 4. BImSchV: vereinfachtes Genehmigungsverfahren, wenn nach Art, Ausmaß und Dauer der von den Anlagen schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen mit dem Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vereinbar; spielt im Übrigen nur eine untergeordnete Rolle bbb)(Repressive) Instrumente der Befolgungskontrolle Mögliche Inhalte: nachträgliche Anordnungen (§ 17 BImSchG); Untersagungs-, Stilllegungs- oder Beseitigungsanordnungen (§ 20 BImSchG) c) Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung belassen dem Bürger die Freiheit, sich zwischen verschiedenen, mehr oder weniger umweltbeeinträchtigenden Verhaltensweisen zu entscheiden; nehmen auf die Motivation der Betroffenen Einfluss; das umweltpolitisch erwünschte Verhalten wird etwa durch ökonomische Anreize oder entsprechende Informationen, zum Eigeninteresse; Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung fördern damit zugleich das Umweltbewusstsein aa) Finanzielle Anreizinstrumente Umweltabgaben Arten: 257811687 26 Steuern (Bsp. "Ökosteuer" auf Mineralöl) Gebühren (Bsp. Müllgebühren) Beiträge (z.B. für gemeindliche Kläranlage) Sonderabgaben (Bsp. "Wasserpfennig"); zulässig bei Gruppenhomogenität, Sachnähe der Gruppe; Gruppenverantwortung und Gruppennützigkeit Zwecke: Umweltfinanzierungsabgaben, Umweltnutzungs- und Entsorgungsabgaben, Umweltlenkungsabgaben, Umweltausgleichsabgaben Subventionen vermögenswerte Leistungen des Staates an Private für Verzicht auf Umweltbeeinträchtigungen oder Vornahme umweltpolitisch erwünschter Maßnahmen direkte Subventionen (z.B. Zuschüsse für Solaranlagen und Wärmedämmung) indirekte Subventionen (z.B. Steuerbefreiung für schadstoffarme Kfz) bb) Gewährung von Benutzungsvorteilen Bsp. erleichterte Erteilung von Landerechten für lärmarme Flugzeuge cc) Umweltzertifikate und Kompensationsmodelle Bsp. Emissionshandel; austauschbare Emissionskontingente nach TEHG dd) Umweltinformationen Behördliche Warnungen und Empfehlungen Bsp. Warnhinweise bei Glykolwein; Flüssigei-Skandal; Tschernobyl Problem: Gesetzesvorbehalt (vgl. BVerfG NJW 2002, 2621); Kompetenzen Zugang zu Umweltinformationen (UIG) 257811687 27 freier Zugang für jedermann zu Umweltinformationen (RL 2003/4/EG; UIG) ee) Umweltabsprachen rechtsgeschäftliche oder informelle Vereinbarungen zwischen Staat und Privaten an Stelle hoheitlicher Maßnahmen (Bsp. FCKW, Altautoentsorgung, Verpackungen) Problem: "freiwillige" Selbstverpflichtungen sind oft gar nicht so freiwillig, weil sie in der Regel vor dem Hintergrund massiver Regelungsandrohungen zustande kommen; Rechtsschutzdefizite; häufig fehlende Transparenz ff) Zielvereinbarungen KrW-/AbfG: Festlegung von Zielen für freiwillige Rücknahme von Abfällen nach Anhörung der beteiligten Kreise, innerhalb angemessener Frist zu verwirklichen gg) fakultative Kontrollen; Umweltaudit-System freiwilliges, öffentlich kontrolliertes System zur kontinuierlichen Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes (betriebliche Umweltprüfung, Umweltprogramm, Umweltmanagement, Umweltbetriebsprüfung, periodische Umwelterklärungen) d) Planungsinstrumente aa) Begriff und Wesen der Umweltplanung Begriff der Planung:= vorausschauendes Setzen von Zielen und Vorwegnahme der zu ihrer Verwirklichung erforderlichen Verhaltensweisen (Maurer, Allg. VwR, § 16 Rn. 14 m.w.N.; Bsp. Urlaubsplanung; Bauleitplanung) => Transformation eines Ist-Zustands in einen Soll-Zustand unter Angabe der zur Transformation erforderlichen Maßnahmen (Zielvorgabe - Ist-Analyse Maßnahmenwahl - Prognose); => in der Regel Zusammenspiel von Planungs- und Ordnungsrecht (planungsrechtliche Vorgaben für ordnungsrechtlichen Vollzug, z.B. Bebauungsplan als Grundlage für Genehmigung von Bauvorhaben nach § 30 Abs. 1 BauGB) 257811687 28 Wesen der Planung: positiv-finale Ausrichtung auf bestimmte Gestaltungsziele im Gegensatz zu konditional-negatorisch gestalteten ordnungsrechtlichen Instrumenten (tatbestandlich programmierte Konditionalprogramme; ausgerichtet auf Schadensfreiheit, Gesetzmäßigkeit; Wahrung der Rechte Dritter) Gestaltungsziele: teils rechtlich und im Übrigen politisch definiert; in der Regel komplexe Zielsetzungen => auf Ausgleich angelegt (z.B. Flughafenplanung) planerischer Gestaltungsspielraum Gestaltungsspielraum ist Wesensmerkmal der Planung (BVerwGE 34, 301 <304>: Planung ohne Gestaltungsspielraum ist Widerspruch in sich; aus jeder gesetzlich eingeräumten Planungskompetenz fließt planerischer Gestaltungsspielraum, auch wenn er nicht ausdrücklich normiert ist) Rechtsbindungen der Planung Vorbehalt des Gesetzes (Eingriffe in Freiheit und Eigentum bedürfen einer gesetzlichen Grundlage; in Art. 20 Abs. 3 GG nicht ausdrücklich normiert, aber vorausgesetzt) => Planungsermächtigung erforderlich o generelle Ermächtigung zur Planung: Erforderlichkeit der Planung (in der Bauleitplanung <"Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist, § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB>) bzw. Planrechtfertigung (in der Fachplanung/Planfeststellung) o ggf. (z.B. wegen Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) auch Ermächtigung zur Festsetzung des konkreten Planinhalts erforderlich (z.B. abschließender Katalog der zulässigen Festsetzungsinhalte beim Bebauungsplan, § 9 BauGB) 257811687 29 Vorrang des Gesetzes (Die "vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden", Art. 20 Abs. 3 GG) => soweit gesetzliche Regelung für die Planung bestehen, sind die Planungsträger daran gebunden (verbindliche Planungsvorgaben) o Verfahrensanforderungen (z.B. Öffentlichkeitsbeteiligung) o materielle Planungsvorgaben (§ 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB; § 41 BImSchG; § 34 Abs. 2 BNatSchG) Übermaßverbot/Verhältnismäßigkeit => Abwägungsgebot (z.B. § 1 Abs. 7 BauGB) unterschiedliche Handlungsformen der Planung Ergebnis rechtlicher Planung: Plan (keine eigene rechtliche Handlungsform; kann grundsätzlich in allen Rechtsformen erlassen werden) Gesetz (z.B. LEP) Verordnung (z.B. Luftreinhaltepläne, § 47 BImSchG) Satzung (z.B. B-Plan, § 10 Abs. 1 BauGB) Verwaltungsakt (z.B. PFB) Verwaltungsvorschrift (z.B. Verkehrswegebedarfsplan) Rechtsform des Plans in der Regel im Gesetz festgelegt; ansonsten nach den allgemeinen Definitionsmerkmalen zu bestimmen Wesen der Umweltplanung zielgerichtete Umweltgestaltung (Verbesserung des Umweltschutzes; Vermeidung oder Abmilderung von Umweltbeeinträchtigungen; Gegensteuerung bei Fehlentwicklungen) Wurzeln: Schutzprinzip; Vorsorgeprinzip aber zunehmend von Bedeutung bb) Arten rechtlicher Umweltplanung (Überblick) 257811687 30 aaa) umweltspezifische Fachplanungen (Umweltplanung i.e.S.) Fachplanung mit umweltspezifischer Zielsetzung; Kern der Umweltplanung; Umweltschutz ist vorrangiges Planungsziel; andere Belange sind allerdings im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen Bsp. Luftreinhalteplanung, § 47 BImSchG; Lärmminderungsplanung, § 47a BImSchG; Landschaftsplanung, §§ 13 ff. BNatSchG; wasserwirtschaftliche Planung, §§ 36 ff. WHG; Abfallwirtschaftsplanung bbb)umweltrelevante Planung (Umweltplanung i.w.S.) wegen ihrer zum Teil erheblichen Umweltauswirkungen rechnen auch umweltrelevante Raumplanungen und raumbedeutsame Fachplanungen zur Umweltplanung (i.w.S.); Umweltschutz ist hier nicht primäres Planungsziel, aber in der Abwägung zu berücksichtigen Raumplanung:= Oberbegriff für alle raumbedeutsamen Planungen räumliche Gesamtplanung raumbedeutsame Fachplanung (1) räumliche Gesamtplanung (Raumordnung und Bauleitplanung) Raumbezogenheit vieler Umweltprobleme => Schwerpunkt der Umweltplanung liegt in der räumlichen Gesamtplanung => ihr obliegt es als Querschnittsaufgabe, raumbedeutsame Belange und Raumnutzungsansprüche zu koordinieren und zum Ausgleich zu bringen überörtliche Ebene: Raumordnungspläne Aufgabe der Raumordnung: Gesamtraum und Teilräume durch Abstimmung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen zu entwickeln, zu ordnen und zu sichern, § 1 Abs. 1 ROG Querverbindungen und Überschneidungen zwischen Umweltrecht und überörtlicher räumlicher Gesamtplanung; wichtiges Instrument zur 257811687 31 Integration verschiedener Umweltbelange; Bedeutung für umweltrelevante Standortentscheidungen Ebenen: Raumplanung in der EU Raumplanung auf Bundesebene (§ 17 ROG) Raumplanung auf Landesebene (§ 8 ROG) Regionalplanung (§ 8 ROG) umweltspezifische Leitvorstellungen bei der Aufgabenerfüllung (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 4 ROG): Schutz und Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen; Offenhaltung der Gestaltungsmöglichkeiten der Raumnutzung, Leitlinie einer "nachhaltigen Raumentwicklung", die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt, § 1 Abs. 2 Satz 1 ROG verschiedene umweltrelevante Grundsätze der Raumordnung, vgl. insb. § 2 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 5 - 7 ROG örtliche Ebene: gemeindliche Bauleitplanung Aufgabe der Bauleitplanung, § 1 Abs. 1 BauGB: städtebauliche Entwicklung und Ordnung Instrumente der Bauleitplanung: Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan) Hauptproblem: Flächeninanspruchnahme (in Bayern wurden im Jahr 2007 täglich ca. 16 ha an freier Fläche verbaut = ca. 20 Fußballfelder, im Jahr 2000 sogar ca. 29 ha) Umweltbelange in der Bauleitplanung: 257811687 32 umweltspezifische Planungsziele, § 1 Abs. 5 BauGB: nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die … umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt; menschenwürdige Umwelt zu sichern und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln, auch in Verantwortung für den allgemeinen Klimaschutz umweltspezifische Abwägungsbelange: Belange des Umweltschutzes einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Rahmen der Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) zu berücksichtigen, § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB Bodenschutzklausel, § 1a Abs. 2 BauGB naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, § 1a Abs. 3 BauGB: Verbot vermeidbarer und Ausgleich unvermeidbarer Eingriffe in Natur und Landschaft umweltspezifische Verfahrensanforderungen: z.B. Umweltprüfung, § 2 Abs. 4 BauGB; umweltbezogene Informationen, § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB, BVerwG, Urteil vom 18.7.2013 – 4 CN 3.12 –BVerwGE 146, 310) (2) raumbedeutsame (umweltrelevante) Fachplanungen (Überblick) <Hinweis: FachplR ist Gegenstand der Vorlesung von Herrn Dr. Geiger im SoSe; die folgenden Ausführungen verstehen sich deshalb als eine erste überblicksartige Einstimmung auf das Thema> Aufgabe der Fachplanung: = Planung raumbedeutsamer Vorhaben einschließlich der Entscheidung über die Zulässigkeit der Ausführung der Planung (abzugrenzen von Raumplanung als übergreifende Grundlagenplanung für die Bodennutzung); keine umweltspezifische Zielsetzung, aber in der Regel umweltbeeinträchtigende Wirkung Gegenstände der Fachplanung, insb. Verkehrswegeplanung (für Straßen- und Schienenfahrzeuge), §§ 16 ff. FStrG; Art. 35 ff. BayStrWG; §§ 17 ff. AEG 257811687 33 Planung des Baus und Betriebs von Flughäfen, §§ 6 ff. LuftVG Ausbau der Gewässer und Wasserstraßenplanung, § 31 Abs. 2 WHG, § 13 ff. WaStrG Planung von Abfalldeponien, § 31 Abs. 2 Krw-/AbfG Planung zur Sicherstellung und Endlagerung radioaktiver Abfälle, § 9a AtG Planung von Energieleitungsanlagen; §§ 43 ff. EnWG Bsp. Straßenplanung: Ziel: Sicherheit und Leichtigkeit Verkehr, § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4 FStrG Gegenstand: nur öffentliche Straßen; unterschiedliche Qualifikationsmerkmale je nach Verkehrsfunktion; Einteilung in Straßenklassen (Bundes-, Staats-, Kreis- und Gemeindestraßen); Planung nach den jeweils einschlägigen Vorschriften (FStrG; BayStrWG) nicht Umweltrecht im engeren Sinne, aber wegen zum Teil erheblicher Umweltrelevanz Umweltrecht im weiteren Sinne (z.B. § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG) Instrumente der Fachplanung: zentrales Instrument: Planfeststellung, §§ 72 ff. VwVfG; greift immer dann, wenn durch Rechtsvorschrift vorgesehen; daneben: Plangenehmigung, § 74 Abs. 6 VwVfG i.V.m. § 17b Abs. 1 Nr. 1 FStrG; Bebauungsplan, § 17b Abs. 2 FStrG; ggf. auch formlos-interne Planung Rechtsgrundlagen §§ 72 ff. VwVfG bzw. Art. 72 ff. BayVwVfG i.V.m. dem jeweiligen Fachplanungsrecht Verzahnung von allgemeinem Verwaltungsrecht und besonderem Fachplanungsrecht; Fachplanungsrecht entscheidet u.a. darüber, wann ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden muss (Faustformel: größere raumbedeutsame Infrastrukturvorhaben, z.B. Bau oder Änderung von Bundesfernstraßen, § 17 Abs. 1 Satz 1 FStrG) und modifiziert ggf. die 257811687 34 allgemeinen Vorschriften (z.B. Fristen für einzelne Verfahrensschritte, § 17a Nr. 5 FStrG) Verfahrensablauf und Verfahrensabschluss, § 73 VwVfG Einleitung durch Vorhabensträger mit Planeinreichung, Abs. 1 S. 1 Einholung Stellungnahmen Behörden innerhalb eines Monats, Abs. 2, 3a öffentliche Auslegung (für die Dauer eines Monats), Abs. 2, 3, und 5 Einwendungsverfahren (Möglichkeit von Einwendungen innerhalb der Einwendungsfrist <bis zwei Wochen nach Ablauf Auslegungsfrist >), Abs. 4 Erörterungstermin (Ziel: Interessenausgleich), Abs. 6, 7; Verfahrensabschluss: Planfeststellungsbeschluss (PFB), § 74 VwVfG Rechtsnatur und Rechtswirkungen PFB Rechtsnatur: VA, § 74 Abs. 1 i.V.m. § 69 VwVfG; Möglichkeit von Nebenbestimmungen, § 74 Abs. 2 VwVfG (z.B. aktive oder passive Schutzauflagen wie Lärmschutzwälle und –wände oder Lärmschutzfenster, letztere mit Entschädigungsrechtsfolge, § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG) Rechtswirkungen, § 75 VwVfG: Gestattungswirkung (§ 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG): Feststellung der Zulässigkeit des Vorhabens hinsichtlich aller von ihm berührten öffentlicher Belange (formelle) Konzentrationswirkung (§ 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG): Ersetzung anderer behördlicher Entscheidungen; materiell-rechtliche Maßstäbe der ersetzten Verfahren (z.B. Bau- und Naturschutzrecht) bleiben beachtlich Gestaltungswirkung (§ 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG): öffentlich-rechtliche Beziehungen zwischen Vorhabenträger und Betroffenen werden rechtsgestaltend geregelt (z.B. Begründung von Ansprüchen auf Lärmschutzmaßnahmen) 257811687 35 Ausschlusswirkung (§ 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG): alle (privat- oder öffentlich-rechtlichen) Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung oder Änderung ausgeschlossen (insb. deliktische und nachbarrechtliche Abwehransprüche) enteignungsrechtliche Vorwirkung: Festsetzungen im Planfeststellungsbeschluss berechtigen nach Maßgabe der einschlägigen Enteignungsgesetze zur Enteignung (Unterschied zum Bebauungsplan!) planerischer Gestaltungsspielraum: Planfeststellung ist im Kern Abwägungsentscheidung; weiter planerischer Gestaltungsspielraum; gerichtliche Überprüfung auf Rechtsfehler beschränkt Umweltbelange in der Fachplanung: Bsp. Straßenplanung Planrechtfertigung: Bedarfsprognose (z.B. Verkehrswegebedarfsplan) Bindung an das Ergebnis vorgelagerter Verfahren: z.B. Linienbestimmung, § 16 FStrG; Raumplanung zwingende Planungsvorgaben, z.B. § 34 Abs. 2 BNatSchG Abwägung, z.B. von Alternativtrassen Bsp. Verkehrslärmschutz: gestuftes System aus Abwägungsdirektiven und verbindlichen Planungsvorgaben, §§ 41 ff. BImSchG (s.u. verkehrsbezogener Immissionsschutz) Trennungsgrundsatz (§ 50 BImSchG): Abwägungsdirektive aktiver und passiver Lärmschutz, §§ 41 f. BImSchG: zwingende Planungsvorgaben 3. o aktiver Lärmschutz, § 41 Abs. 1, § 43 BImSchG i.V.m. 16. BImSchV o passiver Lärmschutz, § 42 BImSchG Flankierende Prüf- und Beteiligungspflichten 257811687 36 a) Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) aa) Grundlagen der Umweltverträglichkeitsprüfung Rechtsgrundlagen: UnionsR: RL 85/337/EWG (ABl. Nr. L 175 v. 5.7.1985, S. 40 - UVP-RL -) Art. 2 Abs. 1 UVP-RL: öffentliche und private "Projekte" oder Pläne, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, bedürfen einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP); Mitgliedstaaten treffen die hierfür erforderlichen Maßnahmen Bundesrecht: UVPG Zweck der UVP, § 1 UVPG: sicherzustellen, dass zur wirksamen Umweltvorsorge nach einheitlichen Grundsätzen Auswirkungen auf die Umwelt frühzeitig und umfassend ermittelt, beschrieben und bewertet werden Ergebnisse der durchgeführten UVP bei behördlichen Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben und bei der Aufstellung von Plänen und Programmen so früh wie möglich berücksichtigt werden => gilt für immissionsschutzrechtliche Genehmigungen, aber auch für alle anderen "behördlichen Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben (wie z.B. Baugenehmigungen oder PFB) sowie für "Pläne und Programme" (wie z.B. für Bauleitpläne; siehe hierzu § 4 UVPG, § 2 Abs. 4 BauGB => UP als Teil des bauplanungsrechtlichen Aufstellungsverfahrens) Pflicht zur Durchführung einer UVP: § 3b UVPG: Vorhaben, bei denen aufgrund bestimmter Merkmale mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist § 3c UVP: Vorhaben, die nach Einschätzung der zuständigen Behörde 257811687 37 aufgrund überschlägiger Prüfung im Rahmen einer (allgemeinen oder standortbezogenen) Vorprüfung des Einzelfalls (UVP-Vorprüfung) erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben können § 3e UVPG: bei Änderung oder Erweiterung UVP-pflichtiger Vorhaben welche Vorhaben der UVP oder UVP-Vorprüfung unterzogen werden müssen, ist in Anlage 1 zum UVPG anhand bestimmter Schwellenwerte geregelt Umgehung der UVP-Pflicht durch Aufsplitterung von Vorhaben mit der Folge der Unterschreitung der Schwellenwerte? EuGH (Urteile vom 21.9.1999 - Rs. C-392/92 - und vom 25.7.2008 - Rs. C142/07): Regelungszweck der UVP-RL darf nicht durch Aufsplitterung von Projekten umgangen werden; gilt auch, wenn Teilprojekte zeitlich versetzt verwirklicht werden Verfahren (§§ 5 ff. UVPG): insb. Öffentlichkeitsbeteiligung, § 9 UVPG bb) Rechtsfehlerfolgen einer nicht oder fehlerhaft durchgeführten UVP oder UVP-Vorprüfung UVP und UVP-Vorprüfung = Verfahrensanforderungen § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO: Aufhebungsanspruch nur, wenn Kläger in subjektiven Rechten verletzt => fraglich, ob UVP nach der Schutznormtheorie zumindest auch dem Schutz des Klägers zu dienen bestimmt § 46 VwVfG: Aufhebung eines (nicht nichtigen) VA kann nicht allein deshalb verlangt werden, weil er unter Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat, d.h. für die Entscheidung nicht kausal war bei gebundenen Entscheidungen: kein Aufhebungsanspruch, wenn Entscheidung materiell rechtmäßig, weil Kausalität fehlt 257811687 38 bei Ermessensentscheidungen: Kausalität spielt nach der Rspr. des BVerwG ebenfalls eine beträchtliche Rolle; konkrete Prüfung, welche Auswirkungen ein (nicht geheilter, § 45 VwVfG) Verfahrensfehler hat Ausnahme: Absolute Verfahrensfehler; im nationalen Recht nur vereinzelt normiert (z.B. Beteiligungsrecht der Gemeinde, § 36 BauGB) § 4 Abs. 1 UmwRG (Umsetzung der UVP-RL): Aufhebung kann von einem anerkannten Umweltverband ohne weiteres (d.h. insbesondere ohne subjektive Rechtsverletzung nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO und ohne Kausalitätsprüfung nach § 46 VwVfG) verlangt werden bei folgenden „absoluten Verfahrensfehlern“ erforderliche UVP nicht durchgeführt und nicht nachgeholt (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG) erforderliche UVP-Vorprüfung nicht durchgeführt nachgeholt (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG) und nicht erforderliche UVP-Vorprüfung dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG nicht genügt, also fehlerhaft durchgeführt (§ 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG) => § 4 Abs. 1, 3 UmwRG = Sondervorschrift zu § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO und zu § 46 VwVfG: "absolute Verfahrensfehler" strittig war bisher, ob Aufhebung auch dann verlangt werden kann, wenn UVP fehlerhaft durchgeführt BVerwG (9. Senat): Kausalitätsprüfung, Art. 46 VwVfG EuGH (U. v. 7.11.2013 - Rs. C-72/12 - „Altrip“): auch Mängel der UVP können geltend gemacht werden; allerdings keine Rechtsverletzung, wenn Entscheidung trotz des Verfahrensfehlers genauso ausgefallen wäre; hinsichtlich der Folgen des Fehlers reicht reduzierter Grad an Wahrscheinlichkeit aus; Beweislast darf aber nicht dem Kläger auferlegt werden; vielmehr müssen Vorhabenträger oder Behörde zeigen, dass Fehler 257811687 39 folgenlos; überdies Schwere des Fehlers zu berücksichtigen => Kausalitätserwägungen jedenfalls nicht ausgeschlossen EuGH (U. v. 15.10.2015 - Rs. C-137/14 Rn. 55): besondere Bedeutung der Überprüfung der Einhaltung der Verfahrensregeln => betroffene Öffentlichkeit muss daher grundsätzlich jeden Verfahrensfehler geltend machen können => § 46 VwVfG erschwert dieses Recht übermäßig und verstößt insoweit gegen UVP-RL, weil hiernach auf jeden Fall Kausalzusammenhang bestehen muss Bundesgesetzgeber: 1:1-Umsetzung der Altrip-Entscheidung EuGH; Schaffung des § 4 Abs. 1a UmwRG ( „relative Verfahrensfehler“): § 46 VwVfG „gilt“ Pflicht zur Amtsermittlung der (konkreten) Kausalität wenn non liquet: Vermutung zugunsten der Kausalität BVerwG (Urteil vom 21.1.2016 – 4 A 5.14 –): nur gesetzgeberische Klarstellung; bereits bisher geltende Rechtslage Aufhebung kann unter denselben Voraussetzungen auch von sonstigen Beteiligten im Verwaltungsprozess verlangt werden, § 4 Abs. 4 UmwRG => Aufhebungsanspruch auch für Individualkläger allerdings: Geltendmachung eines Verfahrensverstoßes eröffnet nicht die Klagemöglichkeit; nur wenn Klagebefugnis im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO vorliegt, weil sich Kläger auf subjektive Rechtsposition berufen kann, kann Klage wegen Verletzung der UVP-Pflicht erfolgreich sein => keine (UVP-bezogene) Umwelt-Popularklage! b) Öffentlichkeitsbeteiligung unionsrechtlicher Hintergrund: Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL u.a. Umsetzung in nationales Recht: 257811687 40 z.B. § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB im Recht der Bauplanung z.B. § 73 Abs. 3 VwVfG im Fachplanungsrecht z.B. § 9 UVPG im Recht der UVP Rechtsfehlerfolgen: Aufhebungsanspruch, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG n.F. 257811687 41 VII. Rechtsschutz im Umweltrecht umweltrechtliche Besonderheiten beim Rechtsschutz 1. Klageverfahren, §§ 42 f. VwGO a) Zulässigkeit / Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO aa) Grundsatz: subjektiver Individualrechtsschutz bei Anfechtungs- oder Verpflichtungsklagen ist grundsätzlich antragsbefugt, wer geltend macht, durch den VA oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen (subjektiven) Rechten verletzt zu sein, § 42 Abs. 2 VwGO Voraussetzung: schlüssige Darlegung einer subjektiven Rechtsposition; Bestimmung nach der vom BVerwG entwickelten „Schutznormtheorie“: eine Rechtsnorm ist drittschützend, wenn sie nach dem Willen des Normgebers nicht nur den öffentlichen Interesse, sondern zumindest auch individuellen Interessen zu dienen bestimmt Probleme im UmwR: Normen der Gefahrenabwehr haben in der Regel Schutznormcharakter, Vorsorgenormen hingegen grundsätzlich nicht (str.); viele Schutzzwecke des UmwR sind überhaupt nicht subjektiv-rechtlich abgebildet (z.B. NatSchR)! Möglichkeit einer Verletzung: Rechtsverletzung darf nicht nach kategorischen Erwägungen ausgeschlossen sein Probleme im UmwR: Erheblichkeitsschwelle von Umweltbeeinträchtigungen unbestimmt (z.B. § 3 Abs. 1 BImSchG: "erhebliche Nachteile oder Belästigungen"; räumliche und zeitliche Beziehung des Klägers zum Emittenten); in vielen Fällen durch technische Standards bestimmt; wo sie fehlen, sind die Gerichte auf Einzelfallbeurteilungen angewiesen => Problem: verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz ist nach deutschem Recht also grundsätzlich von subjektiv (dritt-) schützenden Normen abhängig; Drittschutz vermitteln im Umweltrecht grundsätzlich nur die Normen der 257811687 42 Gefahrenabwehr, nicht hingegen die im Umweltrecht häufigen Vorsorgenormen oder objektiv-rechtlichen Rechtsnormen, die den Schutz der Umwelt zum Ziel haben, ohne zugleich subjektive Rechte zu vermitteln bb) Ausnahmen vom subjektiven Rechtsschutz: Verbandsklagen § 42 Abs. 2 VwGO: „Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt, …“ "anderes bestimmt" ist in § 2 Abs. 1 UmwRG und § 64 BNatSchG zugunsten von Umwelt- und Naturschutzverbänden: umwelt- und naturschutzrechtliche Verbandsklage Gesetzgeber in Deutschland lange zurückhaltend => Vollzugsdefizite im Umweltbereich („fish don’t walk to Court“) => Klagebefugnis von Naturschutz- und Umweltverbänden als Antwort Anstoß durch Unionsrecht (Aarhus-Konvention; UVP-RL; Öffentlichkeitsbeteiligungs-RL); Grund: unmittelbare Anwendung von RL (s.o. "Grundlagen" A.I.4.) als Sanktion, wenn RL nicht oder nicht rechtzeitig oder fehlerhaft umgesetzt ("effet utile") Lektüreempfehlung: Kokott/Sobotta, DVBl 2014, 132 ff. => Anstoß für deutschen Gesetzgeber zur Etablierung der Verbandsklagemöglichkeit (BNatSchG 2002: Naturschutzrechtliche Verbandsklage) => Zurückdrängung der deutschen „Schutznormtheorie“ Umweltrechtliche Verbandsklage, § 2 UmwRG § 2 Abs. 1 UmwRG: "anerkannte Umweltvereinigung kann, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach der VwGO gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung 1. geltend macht, dass die Entscheidung oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen und für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht, ..." 257811687 43 => Sonderregelung zu § 42 Abs. 2 VwGO: sachlich beschränkte Klagemöglichkeit, auch in der Begründetheitsprüfung auf bestimmte Rechtsverletzungen ("Widerspruch zu Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen") beschränkt Voraussetzungen (Überblick) / Prüfungsmaßstab: Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG u.a. „... Entscheidungen i.S.v. § 2 Abs. 3 UVPG über Zulässigkeit von Vorhaben, für die nach (a) dem UVPG ... eine Pflicht zur Durchführung einer UVP bestehen kann;“ => nur für "Projekte" i.S.d. UVPG => in der Regel nur bauliche Anlagen (nicht z.B. Flugrouten) wenn Vereinigung geltend macht, dass Entscheidung Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen, widerspricht geltend macht, dass in satzungsgemäßem Aufgaben- und Tätigkeitsbereich berührt zur Mitwirkung berechtigt war und sich geäußert hat oder keine Gelegenheit zur Äußerung erhalten hat Naturschutzrechtliche Verbandsklage nach § 64 Abs. 1 BNatSchG anerkannte Naturschutzvereinigung kann, soweit § 1 Abs. 3 UmwRG nicht entgegensteht (d.h. soweit nicht im Planfeststellungsverfahren Rechtsbehelfe nach dem UmwRG eröffnet sind), ohne in eigenen Rechten verletzt zu sein, Rechtsbehelfe nach der VwGO einlegen gegen Entscheidungen nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 und Abs. 2 Nr. 5 bis 7 BNatSchG, wenn die Vereinigung geltend macht, dass die Entscheidung Vorschriften des Bundes- oder Landesnaturschutzrechts widerspricht in ihrem satzungsmäßigen Aufgaben- und Tätigkeitsbereich berührt wird nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 und Abs. 2 Nr. 5 bis 7 BNatSchG zur Mitwirkung berechtigt und sich geäußert hat oder ihr keine Gelegenheit 257811687 44 zur Äußerung gegeben worden ist (im letztgenannten Fall kann Aufhebung unabhängig von der Rechtswidrigkeit der Sachentscheidung verlangt werden b) Begründetheit der Klage bei Verletzung von Verfahrensvorschriften? <siehe oben VI.3.a)bb)> 2. Normenkontrollverfahren a) Verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle, § 47 VwGO aa) Antragsgegenstand nach § 47 Abs. 1 VwGO sind: Nr. 1: Satzungen nach dem BauGB, insb. Bebauungspläne Nr. 2: andere im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschriften, sofern Landesrecht dies bestimmt (Bayern: Art. 5 AGVwGO) bb) Antragsbefugnis antragsbefugt ist jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden; das können etwa neben unmittelbar betroffenen Grundeigentümern (Art. 14 GG) im Geltungsbereich eines Bebauungsplans auch mittelbar betroffene Dritte sein, die aufzeigen können, dass sie in abwägungsrelevanten Belangen berührt werden, sofern eine Verletzung des Abwägungsgebots "möglich" ist antragsbefugt sind darüber hinaus auch "Behörden" unabhängig von einer subjektiven Rechtsverletzung (nach h.M. ist allerdings nur, wenn die Behörde mit dem Vollzug der Rechtsvorschrift befasst ist) cc) Begründetheit der Normenkontrolle sofern die Zulässigkeitshürde genommen ist, ist die Normenkontrolle als objektives Normprüfungsverfahren begründet, wenn die Norm gegen höherrangiges, auch objektives Recht verstößt; subjektive Rechtsverletzung des Antragstellers ist insoweit nicht erforderlich 257811687 45 => hohe Relevanz für UmwR: NK-Antrag auch begründet, wenn (antragsbefugter) Antragsteller sich auf eine Verletzung objektiv-rechtlicher Vorschriften (z.B. Naturschutzrecht) stützt! b) Popularklage zum BayVerfGH der BayVerfGH hat gemäß Art. 98 Satz 4 BV "Gesetze und Verordnungen für nichtig zu erklären, die ein Grundrecht verfassungswidrig einschränken" aa) Prüfungsgegenstand Prüfungsgegenstand sind "Gesetze und Verordnungen", nach der Rspr. des VerfGH aber auch Satzungen (z.B. Bebauungspläne); bb) Antragsbefugnis antragsbefugt ist gemäß Art. 55 VerfGHG "jedermann" (quivis ex popolo) cc) Begründetheit der Popularklage Popularklage als objektives Normenkontrollverfahren ist begründet, wenn "Gesetze und Verordnungen" ein Grundrecht verfassungswidrig einschränken; Prüfungsmaßstab sind ausschließlich (Landes-) "Grundrechte" (nicht notwendigerweise des Popularklägers); allerdings prüft der VerfGH über das Willkürverbot (Art. 118 BV) mittelbar auch die Verletzung sonstigen Landes(verfassungs-) und sogar Bundesrechts; Popularklagen gegen Bebauungspläne sind deshalb durchaus erfolgversprechend (vgl. zu einem besonders krassen Fall einer willkürlichen Abwägung wegen Missachtung des in Art. 141 Abs. 1 Satz 4 BV normierten Gebots, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen, VerfGH BayVBl 2006, 598) 257811687