Arbeitsblatt - „Krieg der Pathogene: Die Papillomaviren schlagen zurück“ Abschnitt 1: Was sind Papillomaviren? Papillomaviren, auch Warzenviren genannt, sind eine Gruppe von DNA-Viren, die Epithelzellen, also das Deckgewebe der Haut und der Schleimhäute, infizieren (Wirtstropismus1). Bisher sind weltweit mehr als 270 verschiedene Subtypen dieses Virus bekannt. Von diesen können etwa 180 Typen auch den Menschen infizieren. In ihrem Wirt angelangt, regen die vom Virus mitgebrachten Onkoproteine2 das Wachstum der infizierten Zellen an, um möglichst viele genetische Kopien von sich erstellen zu können. Dadurch kommt es zur Ausbildung - meist gutartiger - Zellwucherungen. In einigen Fällen kann eine Infektion aber auch zur Entwicklung bösartiger Tumoren führen und es entsteht Krebs. Ursächlich hierfür ist eine bestimmte Untergruppe der Papillomaviren, die sogenannte HochrisikoGruppe der Alpha-Papillomaviren. Übertragen werden Papillomaviren vorwiegend durch ungeschützten Geschlechtsverkehr. Doch auch einfacher Hautkontakt kann insbesondere dann eine Gefahr darstellen, wenn die Viren durch offene Wunden in die Haut eindringen können. Zwischen einem Virus und seinem Wirt (z. B. dem Menschen) herrscht ein stetiges Kräftemessen: Entwickelt der Wirt einen neuen Abwehrmechanismus gegen den Eindringling, so muss das Virus – um seine Weiterverbreitung zu sichern – aufrüsten und dem Wirt etwas entgegensetzen. Ein bekanntes Beispiel für einen sogenannten Restriktionsfaktor3 ist das Protein APOBEC3 (aus dem Englischen: apolipoprotein B mRNA editing enzyme catalytic 1 Wirtstropismus: Mit diesem Begriff wird die Eigenschaft von Viren bezeichnet, auf die Infektion bestimmter Zellen spezialisiert zu sein. So können HI-Viren beispielweise nur solche Zellen infizieren, die einen bestimmten Rezeptor (den CD4 Rezeptor) auf ihrer Zelloberfläche tragen (Zellen des Immunsystems). 2 Onkoproteine: Onkoproteine sind Faktoren, die das ungebremste Wachstum einer Zelle induzieren und so die Transformation einer gesunden Zelle in eine Tumorzelle bedingen. Im menschlichen Genom finden sich zahlreiche Protoonkogene, deren Genprodukt normalerweise nicht schädlich für die Zelle ist. Durch Mutationen kann jedoch ein Onkogen entstehen, dessen resultierendes Protein schädlich ist. Auch einige Viren besitzen Onkoproteine und können mit ihnen das Wachstum von infizierten Zellen steigern. 3 Restriktionsfaktoren: Als Restriktionsfaktoren bezeichnet man zelluläre Proteine, die die Vermehrung von Viren eindämmen können. Neben APOBEC3, das auf das Genom der Viren spezialisiert ist, gibt es zahlreiche andere Proteine, wie zum Beispiel das Protein Tetherin, das neu entstandenen Viren an der Zelloberfläche festhält, sodass diese keine weiteren Zellen infizieren können. 1 polypeptide 3), von dem der Mensch sieben verschiedene Varianten besitzt. Bekanntheit hat dieses Protein durch die Verteidigung gegen Retroviren4 wie dem HI-Virus (humanes Immundefizienz Virus) erlangt. APOBEC3 ist dazu in der Lage, die Nukleinbase Cytosin (C) im viralen Genom5 in Uracil (U) (entspricht dem Thymin in der DNA) umzuschreiben. Die so erzeugten Mutationen machen das Virus vermehrungsunfähig und die Infektion wird eingedämmt. APOBEC3 editiert ein Cytosin immer dann, wenn es in der DNA-Sequenz auf ein Thymin (T) folgt, also die Dinukleotidsequenz „TC“ auftaucht. Die Retroviren haben ihrerseits Proteine entwickelt, die APOBEC3 zerstören und entkommen so dem Verteidigungsmechanismus des Wirtes. Wissenschaftler konnten kürzlich zeigen, dass APOBEC3 neben dem Genom von Retroviren ebenso das Genom von Papillomaviren editieren kann. Aber auch diese Viren müssen eine Taktik hervorgebracht haben, um dieser Attacke zu entgehen. In Papillomaviren konnte jedoch kein Protein entdeckt werden, das APOBEC3 zerstört. Aufgabe 1: Können Sie sich neben der bereits beschriebenen Strategie der Retroviren einen anderen Mechanismus vorstellen, wie ein Virus der Editierung durch APOBEC3 entkommen kann? Aufgabe 2: Suchen Sie zu dem Thema Papillomaviren, APOBEC3 und Evolution eine Veröffentlichung von Cody J. Warren et al. (2015) im Internet und erklären Sie, was die grundlegende Fragestellung der Wissenschaftler ist. 4 Retroviren: Die Familie der Retroviren umfasst einzelsträngige RNA-Viren, deren Genom im Verlauf eines Infektionszyklus in doppelsträngige DNA umgeschrieben und schließlich vollständig in das Wirts-Genom integriert wird. Das virale Protein, das die Umschreibung von RNA in DNA ermöglicht, ist die namensgebende „reverse“ Transkriptase. 5 Virale Genome: Viren bestehen aus Nukleinsäure und Proteinen. Sie besitzen keine zellulären Strukturen wie Cytoplasma, Zellkern oder Ribosomen. Um sich vermehren zu können, sind sie vollständig auf die Ressourcen ihrer Wirtszelle angewiesen. Anhand ihres Genoms können sie in RNA- und DNA-Viren unterteilt werden. 2 Abschnitt 2: „Role of the host restriction factor APOBEC3 on papillomavirus evolution“ In einem ersten Experiment zur Klärung der Fragestellung haben die amerikanischen Wissenschaftler die Genom-Sequenzen6 von 274 verschiedenen Papillomaviren untersucht. Sie wollten herausfinden, wie oft die unterschiedlichen Kombinationen von zwei aufeinanderfolgenden Nukleotiden (Dinukleotiden) in den viralen Genomen auftauchen. Dazu haben sie die gefundene Anzahl der entsprechenden Dinukleotide zu der erwarteten Anzahl (entspricht einer zufälligen Verteilung) ins Verhältnis gesetzt (das „Ratio“ gebildet). So konnten sie ermitteln, welche Dinukleotide häufiger als erwartet (Ratio >1), genauso häufig wie erwartet (Ratio = 1) oder weniger häufig als erwartet (Ratio < 1) in den Genomen der Viren zu finden waren. In der Abbildung 1A der Veröffentlichung ist diese Verteilung in einem Graphen dargestellt. Abbildung 1 A: Verteilung der Dinukleotide* 6 Genom-Sequenzierung: Ende der 70er Jahre wurden die ersten Methoden zur Entschlüsselung der Basenabfolge von DNA-Sequenzen entwickelt. Ermöglichten diese in langwierigen Prozessen nur die Sequenzierung von kurzen DNA Fragmenten, so erlauben heutzutage neueste Techniken die Entschlüsselung ganzer Genome in kürzester Zeit. Eine Vielzahl entschlüsselter Genome von zahlreichen Organismen ist mittlerweile online verfügbar. 3 Aufgabe 3: Welche Dinukleotide sind auffällig? Aufgabe 4: Haben Sie eine Idee, warum nicht alle Dinukleotide gleich oft verteilt sind? Aufgabe 5: Könnte das seltenere Vorkommen des Dinukleotids TC eine Bedeutung für die Fragestellung der Wissenschaftler haben? Aufgabe 6: Wie viele Möglichkeiten gibt es, ein TC in ein TT zu editieren, ohne dass dieser Basenaustausch innerhalb eines Triplets in der Translation einer anderen Aminosäure endet? Schreiben Sie alle möglichen Kombinationen und ihre jeweilige Übersetzung in eine Aminosäure auf. (Für die Übersetzung kann die App „RNA Codons“, die Webseite http://www.attotron.com/cybertory/analysis/trans.htm oder die Codesonne aus dem Schulbuch verwendet werden.) 4 Abschnitt 3: Alpha-, Beta- und Gamma-Papillomaviren Basierend auf ihrem Wirtstropismus können Papillomaviren in zwei Gruppen unterteilt werden: solche, die vorwiegend Hautzellen infizieren (Beta- und Gamma-Papillomaviren) und solche, die Schleimhäute infizieren (die Hochrisiko-Gruppe der Alpha-Papillomaviren). Um herauszufinden, ob und wie stark APOBEC3 in den entsprechenden Geweben vorhanden ist, haben die Wissenschaftler die Expression der APOBEC3 Gene in den Schleimhäuten der Gebärmutter (Cervix) und der Vagina mit der Expression in Hautzellen verglichen. In der Abbildung 2A ist das Verhältnis der Genexpression7 in der Vagina und der Gebärmutter zu dem in der Haut dargestellt. Abbildung 2 A: Verhältnis der Genexpression in der Vagina und der Gebärmutter zu dem in der Haut* 7 Genexpression: Um die Expression eines Gens in einer Zelle zu bestimmen, untersucht man wie viel von der zu dem Gen passenden mRNA (messenger RNA) vorhanden ist, welche schließlich in das entsprechende Protein translatiert wird. Ebenso wie die DNA kann auch die mRNA sequenziert und dadurch sogar quantifiziert werden. 5 Aufgabe 7: Worauf kann die erhöhte Expression eines bestimmten Gens in einem spezifischen Gewebe grundsätzlich hindeuten? Frage 8: Was zeigt die Abbildung hinsichtlich der Genexpression der ABOPEC3 Varianten in den Schleimhäuten der Vagina und der Gebärmutter im Vergleich zu der Haut? Frage 9: Bringen Sie diese Beobachtung mit dem Wirtstropismus der Viren übereinander. Könnte die unterschiedliche Expression einen Einfluss auf das Genom der Alpha-Papillomaviren bzw. Beta- und GammaPapillomaviren haben? 6 Abschnitt 4: TC und CG Dinukleotide in Papillomaviren Die Wissenschaftler untersuchten noch einmal genauer die Genomdaten der Papillomaviren und stellten fest, dass die Anzahl der TC Dinukleotide in der Gruppe der Alpha-Papillomaviren tatsächlich deutlich geringer war als in den Gruppen der Beta- und Gamma-Papillomaviren (Abbildung 3A). Als Kontrolle haben sie zusätzlich das Vorkommen des CG Dinukleotids bestimmt und konnten hier keine Unterschiede zwischen den Gruppen feststellen (Abbildung 3B). Abbildung 3 A und B: TC und CG Dinukleotide in Alpha-, Beta-, und Gamma-Papillomaviren* Frage 10: Welche Schlussfolgerungen können aus diesem Experiment geschlossen werden? Das Ergebnis passt zu der Vermutung, dass die erhöhte Genexpression von APOBEC3 in den Schleimhäuten einen Einfluss auf das Genom der Alpha-Papillomaviren haben könnte, die spezifisch Zellen der Schleimhäute infizieren. Die Schleimhäute könnten für die Alphaviren eine ökologische Nische dargestellt haben, sodass ihr Genom auf ein geringes Vorkommen von TC Dinukleotiden selektioniert wurde. Anmerkungen: *Reproduced, with permission, from Cody J. Warren et al. Role of the Host Restriction Factor APOBEC3 on Papillomavirus Evolution. Virus Evolution (2015) 1 (1): DOI: http://dx.doi.org/10.1093/ve/vev015. Published by Oxford University Press. 7