CHRISTIAN–ALBRECHTS–UNIVERSITÄT ZU KIEL HERMANN KANTOROWICZ-INSTITUT FÜR JURISTISCHE GRUNDLAGENFORSCHUNG Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Deutsche und Europäische Rechtsgeschichte, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung Prof. Dr. Saskia Lettmaier, B.A. (Oxford), LL.M., S.J.D. (Harvard) Wiederholungs- und Vertiefungskurs BGB AT Wintersemester 2016/17 Fälle für Woche 5 Fall 1 Die V-GmbH betreibt ein exklusives Einrichtungsgeschäft, das auf den Verkauf von Designer-Möbeln spezialisiert ist. Am 10. März sucht A die Geschäftsräume der VGmbH auf. Sie möchte für ihre Wohnung bei der V-GmbH zwei Ledersessel bestellen. Auf einer Möbelmesse im Vormonat hatte A diese Sessel entdeckt und sich auf der Messe bereits beim Hersteller H nach dem Preis erkundigt. H hatte ihr einen Stückpreis von 2.600 € mit dem Bemerken genannt, als Endverbraucherin könne A die Sessel aber nicht direkt bei H bestellen, sondern müsse einen Händler aufsuchen. Als A jetzt bei der V-GmbH nach den Preisen der Sessel fragt, die die V-GmbH nicht vorrätig hat, muss sich die Verkäuferin V der V-GmbH erst bei der Zentralverwaltung der V-GmbH erkundigen. Da der zuständige Einkäufer dort telefonisch nicht erreichbar ist, ruft V den für den Bezirk zuständigen Handelsvertreter von H an, der ihr als Stückpreis 2.600 € nennt, ohne anzugeben, ob es sich dabei um den Ein- oder um den Verkaufspreis handelt. Tatsächlich handelt es sich bei dem Stückpreis von 2.600 € um den Einkaufspreis für Händler, nicht aber um den Verkaufspreis der VGmbH. V bemerkt dies nicht und nennt diesen Preis wiederum der A, die daraufhin die beiden Sessel zum Gesamtpreis von 5.200 € bestellt. Das Bestellformular enthält den von A gesondert unterschriebenen Hinweis auf die umseitig abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der V-GmbH. § 4 der Geschäftsbedingungen lautet: "Die V-GmbH ist berechtigt, Preisirrtümer oder Berechnungsfehler zu berichtigen bzw. den Vertrag aus diesen Gründen anzufechten.“ V nimmt das von A ausgefüllte Formular entgegen und bedankt sich für die Bestellung. Einige Tage später erhält A einen von G unterzeichneten Brief der VGmbH, in dem es u. a. heißt: „Leider sehen wir uns bezüglich der von Ihnen bestellten Ledersessel gezwungen, auf § 4 AGB zu verweisen und fechten Ihre Bestellung vom 10. März an. Denn V hat Ihnen versehentlich unseren Einkaufspreis statt den zutreffenden Verkaufspreis von 3.500 € pro Stück genannt. Wir sind selbstverständlich gerne bereit, Ihnen die Sessel zum richtigen Preis von insgesamt 7.000 € zu liefern, wenn Sie dies wünschen.” A ist verärgert und verlangt gleichwohl von der V-GmbH die Lieferung der Ledersessel Zug um Zug gegen Zahlung von 5.200 €. Die V-GmbH beruft sich auf alle ihr zustehenden Gegenrechte. Sind die von M und A geltend gemachten Ansprüche rechtlich begründet? Fall 2 Der Bauunternehmer Ludwig Loewe (L) lässt seine Geschäfte im Wesentlichen von seinen Angestellten Harno Helms (H) und Paula Porsch (P) führen, die er ermächtigt hat, „gemeinsam ppa. zu zeichnen.“ Als P das Unternehmen verlässt, muss sich H fortan alleine um den Betrieb kümmern. Er schließt sämtliche im Unternehmen anfallende Geschäfte allein ab und zeichnet dabei weiter „ppa.“ L weiß dies und billigt es stillschweigend. Eintragungen in das Handelsregister hat L keine vornehmen lassen. H gerät in Geldnöte. Die B-Bank ist bereit, ihm ein persönliches Darlehen iHv 15.000 € zu gewähren, wenn H entsprechende Sicherheiten bieten könne. H übereignet der B-Bank daher im Namen des L einen zum Betrieb gehörenden Radlader zur Sicherheit, wobei er „ppa.“ zeichnet, und bekommt das Darlehen ausbezahlt. L hat er darüber nicht informiert. Als der Kredit an H notleidend wird, verlangt die B-Bank von L den Radlader heraus, was dieser unter Hinweis auf sein Eigentum verweigert. Wer ist Eigentümer des Radladers? Fall 3 Witwe Wilhelmine Weiden (W) kehrt – des Jetset-Lebens überdrüssig – nach München zurück. Dort entdeckt sie indes finanzielle Unstimmigkeiten bei der Betreuung ihres Immobilienvermögens: schon vor längerer Zeit hatte sie die Münchener Firma Pauschal-GmbH (P-GmbH) mit der Verwaltung ihrer – in Bayern 2 verstreut gelegenen und zum Zwecke der Kapitalanlage gehaltenen – Immobilien beauftragt. Die Vergabe von Renovierungsaufträgen hatte sich Witwe Weiden allerdings ausdrücklich selbst vorbehalten. Hinsichtlich der Nürnberger Liegenschaften hatte der Geschäftsführer der P-GmbH seinerseits den in Nürnberg ansässigen Tony Troller (T) mit der Wahrnehmung von Ws Immobilienangelegenheiten betraut. Irrtümlich hatte er diesen Auftrag auf „die Verwaltung sowie die Vergabe der notwendigen Renovierungsarbeiten“ erstreckt. In Ausführung dieses Auftrags ließ T von dem Spenglermeister Martin Mangel (M) im Namen der W und unter Hinweis auf die Vollmachtserteilung durch die P-GmbH mehrere Renovierungsarbeiten durchführen. Die Rechnungen des M wurden jeweils von W infolge der damaligen Ablenkung durch das Leben unter den Schönen und Reichen versehentlich beglichen. Hinsichtlich der letzten noch offenen Rechnung i.H.v. € 4.800 verweigert W jetzt aber die Bezahlung mit der Begründung, dass sie keinerlei Vollmacht für die Renovierungsarbeiten erteilt habe. M wendet sich daraufhin an die P-GmbH, die jedoch ebenfalls eine Bezahlung ablehnt, da sie mit dem Abschluss des Vertrages überhaupt nichts zu tun gehabt habe. Schließlich verweigert auch T die Bezahlung mit dem Hinweis, dass er seine Position als Vertreter der P-GmbH offen gelegt habe, und es daher Sache des M gewesen sei, die Vertretungsmacht der P-GmbH nachzuprüfen. Um wenigstens ihren 17-jährigen Sohn Peter (P) finanziell abzusichern, beabsichtigt die W, ihm eine Eigentumswohnung zu schenken. Auf der Wohnung lastet allerdings noch eine Restkaufpreishypothek in Höhe von € 100.000 sowie eine ordnungsgemäß im Grundbuch eingetragene „Gemeinschaftsordnung“, die gemäß §§ 8 II, 5 IV, 10 II WEG auch gegen Sondernachfolger wirkt. In dieser Gemeinschaftsordnung ist u.a. vereinbart, dass bei einer Zerstörung des Gebäudes, in Abweichung von der abdingbaren Vorschrift des § 22 II WEG, eine unbedingte Verpflichtung zum Wiederaufbau besteht, solange eine solche Maßnahme wirtschaftlich sinnvoll ist. Da alles seinen konkreten Weg nehmen soll, begeben sich W und P zum Notar und geben jeweils in eigenem Namen die zum Abschluss eines Schenkungsvertrags sowie zur Auflassung erforderlichen Erklärungen ab und lassen diese beurkunden. Der Notar beantragt daraufhin unter Vorlage der Auflassungsurkunde die Eintragung in das Grundbuch. Der Rechtspfleger lehnt den Antrag auf Eintragung mit der Begründung ab, dass zur Übertragung der Eigentumswohnung die Bestellung eines Ergänzungspflegers gemäß § 1909 I BGB notwendig sei. 3 Bearbeitervermerk: 1. Welche Ansprüche hat M? 2. Hat der Rechtspfleger den Antrag auf Eintragung zu Recht abgelehnt? 4