In vielen Gärten von Zäziwil blüht der Flachs. Auch hinter dem Haus von Hanni Stalder, die für die Brächete aktiv ist. Sie weiss fast alles über die kleinen blauen Blümchen. Und auch, wie aus Flachs Leinenstoff entsteht. "Das blaue Wunder" liegt Hanni Stalder am Herzen. In ihrem Garten wächst Flachs, der an der Brächete in Zäziwil verarbeitet wird. (Bilder: Christian Pfander, BZ) Die Flachspflanze wirkt unscheinbar. Dicht nebeneinander stehen die schlanken Gewächse mit den unzähligen Blüten auf den Gartenbeeten bei Hanni Stalder in Zäziwil. Das Blau der winzigen Blüten leuchtet in fast unglaublicher Intensität. Wen erstaunt es, dass Flachs auch «das blaue Wunder» genannt wird? Im Dorf leuchten jetzt vielerorts die Blümchen in schönstem Himmelblau. Gestützt von Schnüren und Pfählen, stehen sie da, damit nicht etwa ein Sturm die ganze Pracht zu Boden drückt. Wer ausser ein paar Eingeweihten weiss heute noch, dass Leinenstoff aus Flachsfasern gewoben wird? An der Zäziwiler Brächete vom 29. September werden Fachleute zeigen, wie das geht. Im März ausgesät Im März rief das Organisationskomitee Brächete in der «Zäzipost» auf, in den Gärten und Pflanzblätzen Flachs auszusäen. «Wir haben das ehrgeizige Ziel, den Flachs, der an der Brächete verarbeitet wird, selber anzupflanzen», sagt Hanni Stalder. Interessierte erhielten bei der Gemeindeverwaltung gratis Samen und eine Anbauanleitung. Hanni Stalder säte im März aus und staunte, wie resistent und unproblematisch diese Pflanze ist. Weder Kälte noch Trockenheit, Hitze oder Nässe können ihr etwas anhaben. Die einzigen Feinde sind Erdflöhe, die die Jungpflanzen gerne anknabbern. «Gegossen habe ich nie», sagt die 51-jährige Geschäftsfrau und Mutter von vier erwachsenen Kindern. Flachsfasern sind ergiebig: Aus einem Quadratmeter Flachs kann die gleiche Fläche Stoff gewoben werden. Im Juli geblüht Flachsblüten sind kurzlebig. Rasch bilden sich aus den blauen Blumen Samenkapseln. In Stalders Keller lagern Säcke voll aus früheren Jahren. Sie will die Kapseln in der Landwirtschaftlichen Schule Rüti bei Zollikofen dreschen, die Samen zu Öl pressen lassen. «So können wir an der Brächete ein weiteres Produkt präsentieren.» Sie erklärt, dass Leinöl ein gesundes Naturprodukt ist, das nicht zur Holzbehandlung verwendet werden kann. «Es wäre sinnvoller, Leinöl statt Lebertran zu konsumieren», ist Stalder überzeugt. Das Öl hat den höchsten Gehalt an Omega-3-Fettsäuren aller Speiseöle. Im Augst geerntet «Sind die Blätter gelb, werden die Pflanzen geerntet», so Hanni Stalder. Im August ist es so weit. Sie reisst den Flachs aus und hängt ihn an einem luftigen Ort zum Trocknen auf. Weil Mäuse und Vögel gerne die Samen naschen, müssen die Pflanzen für die Tierchen unerreichbar aufbewahrt werden. Im Keller hat Hanni Stalder Flachs in sämtlichen Stadien: Da sind getrocknete Pflanzen, die man noch durch den Kamm ziehen muss, um die Samenkapseln abzustreifen. Daneben, in luftigen Leinenstoff gewickelt, liegen gebrochene und gereinigte Stängel. Sind diese «gehechelt», bleiben lange, reine Fasern, bereit zum Spinnen (siehe Kasten). Auch gesponnenen Flachs, bereit zum Weben, besitzt Hanni Stalder. Die Pflanze begeistert sie. «Am liebsten würde ich jeden Arbeitsgang lernen und ausführen», sagt sie und streicht über die zähen Fäden, die sich erstaunlich weich anfühlen. Im September verwoben An der Brächete wird der Weg des «blauen Wunders» vom Samen bis zum Stoff aufgezeigt. In Kistchen vor Hanni Stalders Kellerfenster spriessen kleine Flachspflanzen verschiedener Grössen. «Ich hoffe, dass sie bis am 29. September in schönster Blüte stehen werden», sagt Hanni Stalder.