Wie gesund sind Kinder und Jugendliche und wie kann deren Gesundheit gefördert werden? Prof. Dr. Petra Hampel Abteilung für Gesundheitspsychologie und –bildung Vortrag, Resilienzförderung bei Kindern und Jugendlichen, FH Kiel, 25.01.2017 Gliederung 1. Gesundheit im Kindes- und Jugendalter 2. Stress und Stressbewältigung im Kindes- und Jugendalter 3. Präventionsansätze 2 Gliederung 1. Gesundheit im Kindes- und Jugendalter 2. Stress und Stressbewältigung im Kindes- und Jugendalter 3. Präventionsansätze 3 Hintergrund Relevanz: „Neue Morbidität“ 1. Akut zu chronisch erkrankt 2. Somatisch zu psychisch (KiGSS-Studie: 22% der Kinder und Jugendlichen zeigten psychische Auffälligkeiten) Mit erheblichen Beeinträchtigungen in den Bereichen „Schule, Familie und Freunde“ (vgl. Ravens-Sieberer et al., 2007) 4 Auftrittshäufigkeit: chronisch körperlich 8,7 % der Kinder und Jugendlichen zwischen 3 und 17 Jahren in Deutschland sind übergewichtig. 6,3 % der Kinder und Jugendlichen zwischen 3 und 17 Jahren in Deutschland sind adipös. (Kinder- und Jugendgesundheitssurvey; KiGGS: Kurth & Schaffrath Rosario, 2007) 6 Lebensqualität Determinanten der LQ (Eltern- und Selbsturteil; KiGGS Welle 1): KIDSCREEN-10 Ausmaß: überwiegend gut bis sehr gut! 94% im Elternurteil (7-10 Jahre) 96% im Selbsturteil (11-17 Jahre) Alter: sinkt mit dem Alter (7/10 vs. 11/13 vs. 14/17 Jahre) Geschlecht: ♀ ♂, vor allem 14/17 Jahre SES: niedrig hoch im Kindesalter (Ellert et al., 2014, S.801) 7 Auftrittshäufigkeit psychisch 2008: 18.7% der einzuschulenden Kinder in SH weisen Verhaltensauffälligkeiten auf (SDQ; Fl, Ki, Lauenburg, NF, OH, Pi, RD, Sl) Im Vergleich zur KiGGS (13%) deutlich erhöht! 9 Auftrittshäufigkeit psychisch BELLA*-Studie im Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS; Ravens-Sieberer et al., 2007): vertiefte Daten zur psychischen und subjektiven Gesundheit (7-17 Jahre): Stichprobe: KiGGS: 17.641 0- bis 17-Jährige, davon in: BELLA: 2.863 Familien im Telefoninterview Messinstrument: standardisierter Fragebogen mit klinischem cut-off (SDQ Eltern) 21.9% (grenzwertige/auffällige) psychische Auffälligkeiten; jedes 10. Kind leidet unter einer manifesten psychischen Störung * BELLA: BEfragung zum seeLischen WohLbefinden und VerhAlten 10 Auftrittshäufigkeit psychisch (BELLA) Störungsspezifische Punkt-Prävalenzen [%] Störung Angststörungen Dissozial-aggressive Störung Depressive Störungen Hyperkinetische Störungen BELLA 10,0 7,6 5,4 2,2 14 Auftrittshäufigkeit psychisch Emotionale Auffälligkeiten am häufigsten: jedes 5. Kind! Erzieherinnen: auch jedes 5. Kind auffällig in sozialen Kompetenzen. Insgesamt war jedes 3. Kind in einem der vier Bereiche klinisch auffällig. (732 Kinder, Niedersachsen, 3-6 J., Eltern- und Erzieherurteile, Verhaltensbeurteilungsfragebogen für Kindergartenkinder (VBV-3-6; Tröster & Reineke, 2007, S.174) 16 Auftrittshäufigkeit psychisch 1:2 1:2,5 1:1,5 ns (732 Kinder, Niedersachsen, 3-6 J., Erzieherurteile, Verhaltensbeurteilungsfragebogen für Kindergartenkinder (VBV-3-6; Tröster & Reineke, 2007, S.174) Kein Geschlechtsunterschied bei emotionalen Auffälligkeiten, Sonst waren mehr Jungen als Mädchen klinisch auffällig. Risiko für Verhaltensauffälligkeiten war abhängig von sozialer Lage der Familie (niedriger Bildungsstatus, allein erziehendes Elternteil) 17 Auftrittshäufigkeit psychisch (BELLA) Störungsspezifische Punkt-Prävalenzen: Vergleich Eltern- mit Selbsturteil (Klasen et al., 2016, S.16; N=3256; BELLA und neue; 11-19 Jahre, Selbst- bzw. Fremdurteil; störungsspezifische Fragebogen Eltern unterschätzen internalisierende Störungen, vor allem bei Mädchen (10%) und überschätzen eher ADHS bei Jungen (2.7%)! 18 Komorbidität: chron.körperl. – psychisch Psychische Auffälligkeiten (SDQ-Selbst: 11-17 Jahre) & Adipositas Deutliche höheres Auftreten psychischer Störungen bei Übergewicht und Adipositas (Krause, Kleiber & Lampert, 2014, S.267; basierend auf KiGGS) 19 Spiel „Stressnetz“ (Beispiel) (Hampel & Petermann, im Druck) 20 Gliederung 1. Gesundheit im Kindes- und Jugendalter 2. Stress und Stressbewältigung im Kindes- und Jugendalter 3. Präventionsansätze 21 Stresskonzept von Lazarus „Stresswaage“ nach Lohaus Stress Anforderungen Wohlbefinden Ressourcen Anforderungen Ressourcen 22 Belastungssituationen Insbesondere Alltagsbelastungen hängen mit Stressfolgen zusammen! 23 Belastungssituationen Stressoren liegen im schulischen Kontext: gute Note schreiben wollen, schwierige Klassenarbeit schreiben sozialen Kontext: Freundesstreit, üble Nachrede 24 Belastungssituationen Alterseffekte Zunahme von Alltagsstressoren vom Grundschulzum mittleren Jugendalter (Hampel et al., 2001; Schmeelk-Cone & Zimmermann, 2003) 26 Belastungssituationen Geschlechtseffekte Mädchen fühlen sich insbesondere durch soziale Stressoren beansprucht. (Hampel & Petermann, 2006; Rudolph & Hammen, 1999) 27 Belastungssituationen Alter x Geschlecht Mädchen in der Frühadoleszenz fühlen sich insbesondere durch soziale Stressoren beansprucht. (Nummer & Seiffge-Krenke, 2001) 28 Belastungssituationen MA Koslowski (2016; ResiKids; 5 J.) „…einige Kinder weinen oder [sind] traurig, weil gemeine Worte gesagt worden oder zum Teil eben auch gehauen wird, also körperliche Gewalt eingesetzt wurde sozusagen“ [Fr.JKLprä, Z. 92ff.] 29 Beanspruchungssymptome N=1.087 (7-16 Jahre) Kopfweh Einschlafschwierigkeiten (Hampel & Petermann, im Druck) 30 Belastung & Beanspruchung Nicht alle Kinder und Jugendlichen erleben unter Anforderungen Stress. Eine wesentliche moderierende Funktion hat die Stressverarbeitung! 31 Formen der Stressverarbeitung Günstige Stressverarbeitung: „Stresskiller“ Problemlösende Strategien 33 Formen der Stressverarbeitung Günstige Stressverarbeitung: „Stresskiller“ Emotionsregulierende Strategien 34 Formen der Stressverarbeitung Ungünstige Stressverarbeitung: „Mega-Stresser“ Ungünstige Stressverarbeitungsstrategien: „Mega-Stresser“ Stressverarbeitungsstrategie Regel im „AST“ Passive Vermeidung Flucht Soziale Abkapselung Gedankliche Weiterbeschäftigung Resignation Aggression Ich gehe dem Stress lieber aus dem Weg! Nichts wie weg! Ich igel mich ein! Ich grübel ständig über das Problem! Ich schaffe das nie! Ich gehe erst mal in die Luft! 35 Stressverarbeitungsstile Alterseffekte Günstige Stressverarbeitung Ungünstige Stressverarbeitung (Compas et al., 1988; Hampel, 2007a) 37 Stressverarbeitungsstile Geschlechtseffekte Soziale Unterstützung: ♀ > ♂ Günstige Stressverarbeitung: ♀ < ♂ Ungünstige Stressverarbeitung: ♀ > ♂ (zus.fassend s. Eschenbeck et al., 2007; Hampel, 2007b) 39 Stressverarbeitungsstile Geschlecht und Alter (N=1.087; 7-16 Jahre; Hampel & Petermann, 2016) 41 Stressbewältigungskompetenz MA Koslowski (2016; ResiKids; 5 J.) „Nein, also .. ne, haben sie nicht. Also wenn zum Beispiel die Situation, dass die beiden Kinder heulend-- das waren große Kinder, 'ne. Die dann wirklich aber völlig aufgelöst waren. Und das heißt für mich, die haben dann noch keine Techniken. Die Technik die sie dann entwickeln, ist eigentlich Hilfe beim Erzieher zu suchen, weil sie selber einfach noch nicht in der Lage sind dann mit solchen Situationen umzugehen [Hr.GHIprä, Z. 123ff.]. 42 Stressverarbeitung und psychische Auffälligkeiten Problemlösende Bewältigung Externalisierende Auffälligkeiten Emotionsregulierende Bewältigung Ungünstige Verarbeitung Internalisierende Auffälligkeiten (1-J. LS: Hampel et al., 2005; vgl. 2-J. LS: Hampel & Pössel, 2012) 43 Chronischer Kopfschmerz Saile & Scalla (2006) Ungünstige Stressverarbeitung * 3 2 1 mit ohne 47 Gliederung 1. Gesundheit im Kindes- und Jugendalter 2. Stress und Stressbewältigung im Kindes- und Jugendalter 3. Präventionsansätze 48 Präventionsansätze - Tipp Erhorn, J., Schwier, J. & Hampel, P. (2016). Bewegung und Gesundheit in der Kita. Analysen und Konzepte für die Praxis (Pädagogik). Bielefeld: transcript. Verfügbar unter http://dx.doi.org/10.14361/978383 9434857 49 ResilienteKids – Einfach stark! Konzeption, Durchführung und Evaluation eines Programmes zur Resilienzförderung von Kindergartenkindern Forschungskolloquium 30.07.2016 Referentin: Nina Kathrin Koslowski Erstgutachterin: Prof. Dr. Petra Hampel Zweitgutachterin: Prof. Dr. Ute Koglin 3.3 INTERVENTION ZEITLICHER PROJEKTABLAUF Elternmodul u. Prä-Erhebung Eltern voran - Resilienz ist dran! 20. April 2016 Kindermodul 1 Du und ich - jetzt trau ich mich! 21. April 2016 Kindermodul 2 Angst, Freude und Wut ich weiß, was man da tut! 28. April 2016 Kindermodul 3 Lösungen kann ich suchen - anstatt bloß zu fluchen! 4. Mai 2016 Kindermodul 4 Ich bin locker - nichts haut mich vom Hocker! 12. Mai 2016 Post-Interview Post-Erhebung & Gesamtfeedback Kinder 30. Juni 2016 18. Mai 2016 THEORETISCHER HINTERGRUND • FRAGESTELLUNGEN & HYPOTHESEN • METHODE • ERGEBNISSE • DISKUSSION • FRAGEN & FEEDBACK 53 Präventionsansätze „Anti-Stress-Training für Kinder“: (8-13 Jahre) Hampel & Petermann (2003) 55 Anti-Stress-Training: Indikation Primärpräventiv - Geschlechtsspezifisches AST (AST_6) Gesundheitsförderung - AST Erstklässler - Schulbasiert mit erlebnisnispädagogischen Anteilen Sekundärpräventiv - Geschlechtsspezifisches AST (AST_10) Tertiärpräventiv - ADHS, Adipositas, Asthma, Diabetes, Krebs, Neurodermitis 56 Präventionsansätze „Cool bleiben – Stress vermeiden. Das Anti-Stress-Training für Kinder “ (8-13 Jahre) Hampel & Petermann (im Druck) Nele Nils 57 Wissensvermittlung: Stressmodell Spiel „Stresskettendomino“ (Selbst) (Fürst, 2016, S.49; vgl. Hampel & Petermann, im Druck) Murmelgruppe zu Zweit: 1 eigene Stresskette bilden (5 min) 59 Einüben Stresskiller Entspannung: Kurzformeln Kurzformel Achtsamkeit Ich atme tief ein (2) und aus (8). Ich spüre, wie meine Füße auf dem Boden stehen. Ich spüre den Kontakt zum Boden. Ich stehe fest auf meinen Füßen. Ich fühle mich kräftig und bin voller Energie. Ich atme ruhig ein (2) und aus (8), ein (2) und aus (8). 61 Rückfallprävention Stresskillerwürfel Erste Ergebnisse: Kurzversion Einzelfall (4. Klasse) Stresskiller (Fürst, 2016; vgl. Hampel & Petermann, im Druck) 64 Erste Ergebnisse: Langversion Einzelfall (6. Klasse) Mega-Stresser (Hampel & Petermann, im Druck) 65 WIE ERLEBEN KINDER SUBJEKTIV ARMUT? - ERGEBNISSE EINER WISSENSCHAFTLICHEN UNTERSUCHUNG 66 Veranstaltung: Kinder fördern – Zukunft gestalten, 6. Kieler Armutskonferenz Referentinnen: Prof. Dr. Petra Hampel und MA cand. Janna Beßel, Europa-Universität Flensburg Datum: 17.11.2015 ERGEBNISBERICHT WORKSHOP STÄRKEN FINDEN – WEGE ZUM GLÜCK Psychoedukation: Stressoren und Stressbewältigung 70 ERGEBNISBERICHT WORKSHOP STÄRKEN FINDEN – WEGE ZUM GLÜCK Stationsarbeit: Wunschblume 71 ERGEBNISBERICHT WORKSHOP STÄRKEN FINDEN – WEGE ZUM GLÜCK Stationsarbeit: Komplimente machen 72 ERGEBNISBERICHT WORKSHOP STÄRKEN FINDEN – WEGE ZUM GLÜCK Stationsarbeit: Stärkenbuch 73 Fazit Ca. 20% der Kinder und Jugendlichen haben chronisch-körperliche bzw. psychische Erkrankungen Ca. 95% der Kinder und Jugendlichen stufen ihre Lebensqualität jedoch als gut bis sehr gut ein. Stressoren im schulischen und sozialen Kontext belasten die Kinder und Jugendlichen. Die Stressfolgen können durch eine gut ausgeprägte Bewältigungskompetenz abgepuffert werden. Stressbewältigung steigern: Emotionsbezogene (Erholung/Ablenkung) und problemlösende (Plan machen, sich Mut machen, Hilfe suchen) 74 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 76