Krisenintervention 1

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Krisenintervention
im Kindes- und Jugendalter
VL Pädagogisch-Psychologische
Interventionsmethoden
Dipl.-Psych. David Riha
1. Definiton einer Krise
Zustand psychischer Belastung, der sich deutlich
vom Normalzustand einschließlich seiner
Schwankungen abhebt, als kaum mehr erträglich
empfunden wird und zu emotionaler
Destabilisierung führt
Die widerfahrenen Ereignisse stellen bisherige
Lebensumstände und Gewohnheiten massiv in
Frage bzw. verunmöglichen diese
Die Situation verlangt nach Lösungen, die mit
bisherigen Möglichkeiten der Problemlösung oder
Formen der Anpassung nicht geleistet werden
können (Dross, 2001)
1. Definiton einer Krise
Nosologische Zuordnung unklar: Krisen
treten sowohl in Folge psychischer Störungen als
auch im normalen Lebensverlauf auf und können
darüber hinaus offenbar Störungen einleiten
/auslösen (?) (z.B. Psychose, Depression)
Verwandte Begriffe: PTBS,
Anpassungsstörungen, reaktive depressive
Episoden
Diagnostisch: Anpassungsstörung F 43 ICD-10,
falls ein oder zwei klare Auslöser zu benennen
sind („primäre und ausschlaggebende
Kausalfaktoren… die Störung wäre ohne ihre
Einwirkung nicht entstanden“)
Das Lazarus-Modell als Metaperspektive
Das Lazarus-Modell als Metaperspektive
Kennzeichen einer Krise
Äußerste Beanspruchung bzw. Überforderung der
Problembewältigungskapazität, häufig
Entscheidungszwang
Emotionaler Ausnahmezustand (Angst, Ohnmacht,
Insuffizienz, extreme Ambivalenz…)
Extreme psychische – sowie körperliche Belastung für
den Betroffenen bzw. das soziale Umfeld
Ausgang offen: Gefahr pathopsychologischer
Chronifizierung (Petermann, 1994)
Zeitlich begrenzt
Chance zur „innovativen Veränderung“ (Sonneck,
2000), Zwang zum Fähigkeitserwerb und kognitiver
Umstrukturierung
2. Auslöser von Krisen im Kindes und
Jugendalter
Lebensverändernde Bedingungen &
Belastungen (Geburt von Geschwistern,
Scheidung der Eltern, Umzug, Erkrankung ->
allmähliche Zuspitzung)
Traumatische Erfahrungen: abrupte Verlustund Trennungserfahrungen, sexuelle Übergriffe,
Gewalt, Unfall -> rasche Zuspitzung)
Beziehungsbezogene Belastungen: ElternKind-Probleme, Geschwisterrivalitäten, Probleme
mit Lehrern und Mitschülern -> allmähliche
Zuspitzung)
3. Auslöser von Krisen im Jugendalter –
Entwicklungsaufgaben nach Dreher & Dreher
(1986)
Aufbau eines Freundeskreises (peers)
Akzeptieren der eigenen körperlichen Erscheinung und
ständiger Veränderungen (Körper)
Aufnahme intimer Beziehungen (Intimität, sexuelle
Identität)
Vorstellungen über zukünftige Partner und Familie klären
(Partner/Familie)
Übernahme situationsspezifischen Verhaltens (Rollen)
Unabhängigkeit vom Elternhaus (Ablösung)
Über sich selbst im Bild sein (Identität entwickeln)
Entwicklung einer eigenen Weltanschauung (Werte)
Entwicklung einer beruflichen und privaten Perspektive
(Zukunft)
Pinquart, 2003: Krisen im Jugendalter
Erwachsenenalter
4. Erkennungszeichen
von Krisen im Kindesalter
Kleinkindalter: trauriger Gesichtsausdruck, EssStörungen, Sprachstörungen, ausdrucksarmes
Spiel, Enuresis, Enkopresis, anklammerndes
Verhalten
Vorschulalter: Ess-Störungen, Schlafstörungen
(mit Albträumen), Trennungsängste,
introvertiertes oder extrovertiertes Verhalten,
Enuresis, Enkopresis
Schulalter: Verbale Äußerungen von Traurigkeit
bis hin zur Suizidalität, Unlust, Apathie,
psychosomatische Störungen, Schulversagen,
Tics, Hyperaktivität
5. Erkennungszeichen
von Krisen im Jugend- und Erwachsenenalter
Selbstwertprobleme
Exzessiver Alkohol- und Drogenkonsum
Grenzerfahrungen, Risikoverhalten,
Impulsdurchbrüche
Autoaggressive Verhaltensweisen
Verweigerung, Lethargie, depressive Symptome
Aggressive Verhaltensweisen
Schlaf-, Leistungs- und Konzentrationsstörungen
Sozialer Rückzug, mangelnde
Schwingungsfähigkeit, Libidoverlust
Interessenverlust
6. Risikofaktoren für Krisen im Kindesund Jugendalter
Psychische Störungen (Depressionen, Angst- und
Zwangsstörungen, Störungen des Sozialverhaltens,
Abusus)
Posttraumatische Belastungsstörungen
(Konzentrationsstörungen, Dissoziative Symptome)
Gewalt von außen (Mobbing, Unfälle,
Gewaltverbrechen)
Familiäre Belastungsfaktoren (abgelehnte Kinder,
Überforderung durch Leistungserwartungen,
Parentifizierung, psychische Erkrankungen der Eltern,
insbesondere Depressionen und Psychosen)
Soziale und kulturelle Faktoren (Migration,
Unterversorgungslagen)
7. Krisenintervention im Kindes- und
Jugendalter
durch alle psychotherapeutischen Schulen wurden
sowohl übergreifende als auch störungsspezifische
Ansätze entwickelt
Kinder und Jugendliche sind jedoch hinsichtlich
spezieller Kriseninterventionsangebote unterversorgt
(Meurer, 2004)
ambulante Einrichtungen der Jugendhilfe häufig
überfordert (Frequenz, Angebot, Qualifikation),
stationärer Aufenthalt in der Kinder- und
Jugendpsychiatrie jedoch oft nicht indiziert („unnötige
Psychiatrisierung“)
Leerstelle zwischen Jugendhilfe und Psychiatrie
Konzepte verschiedener Schulen
8. Allgemeine Grundlagen der Krisenintervention im
Kindes- und Jugendalter
Beziehung aufbauen und Emotionsausdruck ermöglichen
Hilfe und Unterstützung anbieten, dabei nur Angebote
machen, die man auch einhalten kann (nicht: jederzeit
erreichbar sein)
Auslöser, dauerhafte Belastungen und Ressourcen erfassen
Ressourcendefizite: „Welche Lernerfahrung ist nötig?“
Aktivität: Helferkonferenzen und Systembezogene
Interventionen mit dem Ziel, Belastung umgehend zu
minimieren (möglichst sofortige, zumindest vorübergehende
Herausnahme aus dem Anforderungskontext) und
dauerhafte Problemlösungen zu etablieren
Ressourcenstärkung, Fähigkeitenaufbau
Bei Jugendlichen / Erwachsenen Suizidgefährdung erfragen
(nicht bewertend diskutieren)
Mögliche Anzeichen einer akuten Suizidgefährdung
Schwere Kränkung, Versagenserlebnisse, Trennung im
unmittelbaren zeitlichen Vorfeld (78 – 24 Stunden zuvor)
Explizite Ankündigung und/oder bereits früher erfolgte
Versuche eines Suizides
Vorliegen konkreter Phantasien (Ort, Zeit, Methode…) und
konkreter Mittel (Zugriff auf Waffen, Medikamente…)
intensive Beschäftigung mit dem Themen Tod und Suizid
(Zeichnungen, Aufsätze, verbale Äußerungen, Musik)
verändertes Sozialverhalten (Abbruch von Freundschaften,
Rückzug oder aggressiv abwehrendes Verhalten)
äußerliche Veränderungen (Vernachlässigung, starke
Gewichtszu- oder -abnahme)
Verschenken von liebgewonnenen Dingen, „Bereinigung“ von
Beziehungen, Bezahlen von Schulden
Zunahme von kleineren Unfällen, unplausible Verletzungen
Plötzliche Besserung des emotionalen Zustandes (Entlastung)
9. Beispiele für Krisenmodelle und
Interventionen
Traumatische Krise (Cullberg, 1978)
Lebensveränderungskrisen (Caplan,
1964)
Systemische Dysfunktion
Traumatische Krise (Cullberg, 1978)
Veränderungskrise (Caplan, 1964, Soneck, 2000)
Systemische Dysfunktion (Schmidt, 2005)
systemische
Interventionen (zirkuläre
Fragen, Paradoxien, Hausaufgaben)
Kombination mit imaginativenhypnotherapeutischen Verfahren
Fokus auf Kommunikation und Interaktion
mit Ziel der raschen Entlastung für die
Beteiligten
Literatur
Müller, W. & Scheuermann, U. (Hrsg.). (2004). Praxis
Krisenintervention. Ein Handbuch für helfende Berufe:
Psychologen, Ärzte, Sozialpädagogen, Pflege- und
Rettungskräfte. Stuttgart: W. Kohlhammer
Beck, M. & B. Meyer (Hrsg.) (1994). Krisenintervention:
Konzepte und Realität. Tübingen: DGVT-Verlag
Bründel Heidrun (1993). Suizidgefährdete Jugendliche.
Theoretische und empirische Grundlagen für
Früherkennung, Diagnostik und Prävention. Weinheim:
Juventa
Schröder Sigrid (1995) Jugendliche Suizidalität als
Entwicklungschance. Eine empirische Studie. München
Quintessenz
Crisis. Int. J. of Suicide and Crisis Studies (Zeitschrift der
International Association for Suicide Prevention; IASP)
Toronto: Hogrefe & Huber
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