6 6 ZUSAMMENGESETZHEITSTESTS UND PRIMZAHLBEWEISE 1 Zusammengesetzheitstests und Primzahlbeweise Satz 6.1. (Fermat-Test) Sei N ∈ N. Gibt es ein a ∈ Z mit ggT(a, N ) = 1 und aN −1 6≡ 1 (mod N ), so ist N keine Primzahl. Bemerkung 6.2. Die Umkehrung von (6.1) gilt nicht. Falls alle zu N teilerfremden a ∈ Z die Kongruenz aN −1 ≡ 1 (mod N ) erfüllen, so folgt nur, dass der Exponent exp(Z/N Z∗ ) ein Teiler von N − 1 ist. Zusammengesetze Zahlen N mit exp(Z/N Z∗ ) | N − 1 nennt man Carmichael-Zahlen. Beispiel: N = 561 = 3 · 11 · 17 ist eine Carmichael Zahl. Bemerkung 6.3. N ist Carmichael Zahl ⇔ N ist zusammengesetzt, quadratfrei und p − 1 | N − 1 für alle Primteiler p von N . Satz 6.4. Sei N ∈ N ungerade, N − 1 = d2s mit ungeradem d. Genau dann ist N keine Primzahl, wenn es ein a ∈ Z gibt, ggT(a, N ) = 1 welches nicht ?N ad ≡ 1 r (mod N ) oder ad2 ≡ −1 (mod N ) für ein r = 0, 1, . . . , s − 1 erfüllt. Falls a die Bedingung ?N erfüllt, so nennt man N eine Pseudoprimzahl zur Basis a. Beweis. ⇐: Sei N eine Primzahl, a ∈ Z, N 6 | a. Dann ist a + N Z ∈ Z/N Z∗ und x := ord(a + N Z) ist ein Teiler von N − 1 = 2s d. Also ist x von der Form x = 2t d0 mit d0 | d und t−1 t ≤ s und ad2 ≡ 1 (mod N ). ⇒: Angenommen für alle a ∈ Z mit ggT(a, N ) = 1 gilt ?N . Dann ist N eine CarmichaelZahl, also insbesondere quadratfrei, N = p1 . . . pt mit paarweise verschiedenen ungeraden Primzahlen pi . Ist N zusammengesetzt, so ist nach dem chinesischen Restsatz (Z/N Z)∗ ∼ = (Z/p1 Z)∗ × (Z/p2 . . . pt Z)∗ . Sei α ∈ Z mit hα+p1 Zi = (Z/p1 Z)∗ und a ∈ Z mit a ≡ α (mod p1 ) und a ≡ 1 (mod p2 . . . pt ). Dann hat a + N Z ∈ (Z/N Z)∗ gerade Ordnung, d.h. ad 6≡ 1 (mod N ). Allerdings ist an ≡ 1 (mod p2 . . . pt ) for all n ∈ N, also gilt nie an ≡ −1 (mod N ). Wir kommen nun zu Primzahlbeweisen: Q n βj Satz 6.5. Sei N ∈ N, N − 1 = mit paarweise verschiedenen Primzahlen qj . j=1 qj Angenommen es gibt Zahlen aj ∈ Z mit (N −1)/qj aj 6≡ 1 −1 (mod N ), aber aN ≡1 j (mod N ) (j = 1, . . . , n). Dann ist N eine Primzahl. β Beweis. Denn dann teilt qj j den Exponenten von Z/N Z∗ für alle j, also N − 1 | exp(Z/N Z∗ ) | |Z/N Z∗ | ≤ N − 1. Also ist |Z/N Z∗ | = N − 1 und N ist eine Primzahl. 6 ZUSAMMENGESETZHEITSTESTS UND PRIMZAHLBEWEISE 2 Erinnerung: n Fn := 22 + 1 heißt die n-te Fermat-Zahl. F1 , . . . , F4 sind die einzigen bekannten Fermat-Primzahlen, F5 , . . . , F11 kann man voll faktorisieren, von F12 , . . . , F22 weiss man, dass sie zusammengesetzt sind. Satz 6.6. (Pépin) 2n −1 Fn ist Primzahl ⇔ 32 ≡ −1 (mod Fn ). Zum Beweis benötigen wir das quadratische Reziprozitätsgesetz: Definition 6.7. (Legendre Symbol) Sei p eine Primzahl, n ∈ Z. p|n 0 n 1 n ∈ (Z/pZ∗ )2 := p −1 n ∈ (Z/pZ∗ ) \ (Z/pZ∗ )2 Klar: p ungerade ⇒ np ≡ n(p−1)/2 (mod p). n hängt nur von n + pZ ab. p a b = ab p p p Satz 6.8. Sei p ungerade Primzahl. 1 (i) p = 1. (ii) −1 = (−1)(p−1)/2 . p 2 (iii) p2 = (−1)(p −1)/8 . Beweis. (i) und (ii) sind klar. (iii) Sei α primitive 8-te Einheitswurzel in Fp . Dann erfüllt y := α + α−1 die Gleichung y 2 = 2. Außerdem ist y p = αp + α−p . Ist p ≡ ±1 (mod 8), so ist y p = y, also 2(p−1)/2 ≡ y p−1 ≡ 1 (mod p). Ist p ≡ ±5 (mod 8), so ist y p = −y, also 2(p−1)/2 ≡ y p−1 ≡ −1 (mod p). Satz 6.9. (Quadratisches Reziprozitätsgesetz) (Gauß) Sind p 6= q zwei ungerade Primzahlen, so gilt q p = (−1)(p−1)(q−1)/4 . p q Beweis. Später. Beweis von 6.6 ⇐: folgt aus Satz 6.5. ⇒: Sei Fn Primzahl. Zu zeigen: F3n = −1. Nach dem quadratischen Reziprozitätsgesetz ist F3n = F3n = −1 da Fn ≡ −1 (mod 3) ist. Letzteres sieht man wie folgt ein: Es gilt 6 ZUSAMMENGESETZHEITSTESTS UND PRIMZAHLBEWEISE 3 n für alle ungeraden Zahlen u, dass X + 1 | X u + 1 in Z[X]. Also ist Fn + 1 = 2(22 −1 + 1) durch (2 + 1) = 3 teilbar. Erinnerung: Mp := 2p − 1 heißt Mersenne Zahl. Für d | p gilt X d − 1 | X p − 1 in Z[X]. Ist also Mp eine Primzahl, so ist p eine Primzahl. I.a. kann man nicht Mp − 1 faktorisieren, d.h. Satz 6.5 ist nicht anwendbar, um Mp auf Primzahleigenschaft zu testen. Wir benötigen eine Strategie, die eine Faktorisierung von N + 1 ausnutzt: Bemerkung 6.10. Sei A eine kommutative Gruppe, U ≤ A eine Untergruppe. Dann wird A/U := {aU | a ∈ A} durch (aU )(bU ) := abU zu einer Gruppe, die Faktorgruppe von A nach U . Es gilt für |A| < ∞: |A| = |U ||A/U |. √ Bemerkung 6.11. Sei p eine ungerade Primzahl, Dp = −1. Dann ist Fp2 ∼ = Fp [ D] ∼ = Fp [X]/(X 2 − D). Wie für Fp zeigt man F∗p2 ∼ = Cp2 −1 . Also ist (F∗p2 )/(F∗p ) ∼ = Cp+1 . √ √ Definition 6.12. Sei N ungerade, ggT(D, N ) = 1. Definiere√Q := Z/N Z[ √D] = {a+b D | a, b ∈ Z/N Z} ∼ = Z/N Z[X]/(X 2 − D). Sei σ : Q → Q, (a + b D) 7→ (a − b D). Klar: σ ist ein Ringautomorphismus und für α ∈ Q gilt α ∈ Z/N Z ⇔ σ(α) = α. √ Insbesondere ist für α = a + b D ∈ Q N (α) := ασ(α) = a2 − b2 D ∈ Z/N Z und α ∈ Q∗ ⇔ N (α) ∈ (Z/N Z)∗ . Q α Satz 6.13. Sei N = sj=1 pj j mit paarweise verschiedenen Primzahlen pj > 2, D ∈ N mit √ ggT(D, N ) = 1. Betrachte den Ring Q := Z/N Z[ D]. Dann gilt ∗ |Q | = ϕ(N ) s Y α −1 pj j (pj − j=1 ∗ ∗ und exp(Q /(Z/N Z) ) teilt αj −1 j=1 pj Qs kgV{(pj − D pj D ) p ) | j = 1, . . . , s}. Beweis. Q ∼ = ⊕sj=1 (Z/pj j Z)[X]/(X 2 − D), nach dem chinesischen Restsatz, also genügt es, √ die Behauptung für Primzahlpotenzen N = pα zu zeigen. Dann gilt Q∗ = {a + b D | a, b ∈ Z/NZ,p6 | a2 − b2 D}. Unterscheide 2 Fälle: (i) Dp = −1. Dann gilt p6 | a2 − b2 D, für alle (a, b) ∈ (Z/N Z)2 \ p(Z/N Z)2 . Also ist α |Q∗ |= p2α − p2α−2 = pα−1 (p − 1)pα−1 (p + 1). (ii) Dp = 1. Dann ist |{(a, b) ∈ Z/pZ | a2 = b2 D}| = 1 + 2(p − 1). Also ist |Q∗ | = p2α − p2α−2 (2p − 1) = pα−1 (p − 1)pα−1 (p − 1). 6 ZUSAMMENGESETZHEITSTESTS UND PRIMZAHLBEWEISE 4 √ ∗ Folgerung 6.14. Sei N ungerade. exp((Z/N Z)[ D] /(Z/N Z)∗ ) = N + 1 ⇔ N ist Primzahl D und N = −1. Also kann man eine Faktorisierung von N √ + 1 ausnutzen, um zu beweisen, dass N eine Primzahl ist, wenn man in der Gruppe (Z/N Z)[ D]∗ /(Z/N Z)∗ ) rechnen kann. Dies geschieht mit Lucas-Folgen: √ Definition 6.15. Sei α ∈ (Z/N Z)[ D]∗ , β := σ(α) 6= α. Dann heißt ((Un )n∈N , (Vn )n∈N ) mit Un := αn − β n , Vn := αn + β n α−β die Lucas Folge zu α. Bemerkung 6.16. (i) Un = 0 ⇔ αn ∈ (Z/N Z)∗ . (ii) Un+m = Um Vn − (αβ)n Um−n . Insbesondere ist U2n = Un Vn . (iii) V2n = Vn2 − 2(αβ)n . Q β Satz 6.17. Sei N ungerade, N + 1 = nj=1 qj j mit paarweise verschiedenen Primzahlen qj . √ Gibt es D ∈ N mit ggT(D, N ) = 1 und für alle j = 1, . . . , n Zahlen αj ∈ Z/N Z[ D]∗ so dass für die Lucas Folge U (j) zu αj gilt: (j) (j) ggT(U(N +1)/qj , N ) = 1, UN +1 ≡ 0 (mod N ) so ist N eine Primzahl. Beweis: Wie Satz 6.5. 2 − 2 (s ≤ 1) definierte Satz 6.18. Sei p ungerade und (vn )n∈N0 die durch v0 := 4, vs := vs−1 p Folge. Dann ist Mp = 2 − 1 eine Primzahl, genau dann wenn vp−2 ≡ 0 (mod Mp ). √ √ √ Beweis. Wähle D := 3, α := (2 + 3) = 21 (1 + 3)2 ∈ Z/Mp Z[ D]. Dann ist ασ(α) = 1. Für die Lucas Folge (Un , Vn ) zu α gilt dann V1 = α + σ(α) = 4. Also ist V2s = vs nach 6.16 (iii). ⇒: Sei also Mp eine Primzahl. Da Mp ≡ 1 (mod 3) und Mp ≡ −1 (mod 8) ist, gilt 3 Mp 1 =− =− = −1 Mp 3 3 und M2p = 1. Also ergibt sich vp−2 = V(Mp +1)/4 = α(Mp +1)/4 + α−(Mp +1)/4 = α−(Mp +1)/4 (1 + √ √ √ α(Mp +1)/2 ) = α−(Mp +1)/4 (1 + (1 + 3)Mp +1 /(2 · 2(Mp −1)/2 )). Da (1 + 3)Mp +1 = (1 + 3)Mp (1 + √ √ Mp √ √ √ (Mp −1)/2 3) ≡ (1 + 3 )(1 3)(1 + 3) ≡ 1 − 3 ≡ −2 (mod Mp ), folgt √ + 3) ≡ (1 + 3 vp−2 = 0 in Z/Mp Z[ D]. ⇐: Dann gilt also V(Mp√ +1)/4 = 0. Daher ist U(Mp +1)/4 6= 0 und U(Mp +1)/2 = 0. Also ist der ExQ α ponent e von (Z/Mp Z[ D])∗ /(Z/Mp Z)∗ durch (Mp + 1)/2 = 2p−1 teilbar. Sei Mp = sj=1 pj j Q α −1 eine Primfaktorisierung. Dann folgt dass e ein Teiler von sj=1 pj j kgVj (pj − pDj ) ist, d.h. Mp hat einen Primteiler pj mit pj + 1 ≥ 2p−1 > Mp /3. Da Mp ungerade ist, folgt daraus pj = Mp und Mp ist eine Primzahl.