E29 Operationsverstärker Physikalische Grundlagen Ein Operationsverstärker (OPV) ist im Wesentlichen ein Gleichspannungsverstärker mit sehr hoher Verstärkung und einem invertierenden (E-) sowie einem nichtinvertierenden Eingang (E+), welche zusammen einen Differenzeingang bilden. Da sowohl positive wie auch negative Ein- und Ausgangsspannungen möglich sind, müssen OPV mit einer symmetrischen Spannungsquelle (z.B. -15V…0…+15V) betrieben werden. +UB E- A E+ -U B Abb.1 Schaltsymbol des Operationsverstärkers Die Ausgangsspannung ergibt sich idealerweise mit der Leerlaufverstärkung v 0 des OPV zu UA v 0 (UE UE ). (1) Die Leerlaufverstärkung von OPV ist meist sehr groß (je nach OPV im Bereich von 100 dB). Die Eingangswiderstände des OPV sind unendlich groß, der Ausgangswiderstand gleich Null und die Verstärkung ist unabhängig von der Frequenz der Eingangsspannungen und reell (keine Phasenverschiebungen). Neben den beim realen OPV nicht verwirklichbaren letztgenannten Eigenschaften treten beim realen OPV noch Nullpunktsfehler (Offsetspannungen) und Gleichtaktfehler in Erscheinung. Die Offsetspannung ist die Spannungsdifferenz, welche am Eingang des OPV anliegen müsste, damit am Ausgang des OPV keine Spannung anliegt. Eine Offsetkorrektur ist in praktischen Anwendungsfällen meist unumgänglich. Eine entsprechende Schaltung ist in den meist als integrierte Schaltung aufgebauten OPVs oftmals enthalten. Trotz erfolgtem Nullpunktsabgleich treten am Ausgang des OPV Spannungen in Abhängigkeit der an beiden Eingängen gemeinsam anliegenden Spannung auf. Das Verhältnis aus der Verstärkung dieser Gleichtaktspannung UE zur Verstärkung von Differenzspannungen wird Gleichtaktunterdrückung (common mode rejection ratio CMRR) genannt. E29, 5/03, S.1 + UB einige V UE+ - UE- - UB Abb. 2 Übertragungsfunktion des unbeschaltenen OPV In der Abb.2 ist die Übertragungsfunktion des unbeschalteten OPV dargestellt. Die extrem steile Kennlinie ist für die meisten Anwendungen nicht geeignet. Außerdem ist die reale Leerlaufverstärkung sehr stark frequenzabhängig, sie ist näherungsweise der Frequenz umgekehrt proportional. v0 B f (2) Das Verstärkungs-Bandbreite-Produkt B ist eine Konstante und eine wichtige Kenngröße von OPVs. Durch Gegenkopplungen werden die Verstärkereigenschaften entscheidend verbessert. Dazu wird ein Anteil der Ausgangsspannung k auf den Eingang zurückgekoppelt. Im Allgemeinen kann die Gegenkopplung nichtlinear und/oder frequenzabhängig erfolgen, womit nahezu beliebige Kennlinien des Verstärkers erzielt werden können. Die Übertragungskennlinie (Verstärkung v) ist allgemein immer v0 UA v , UE 1 kv 0 (3) wobei alle Größen als komplex anzusehen sind. UE V UA K Abb. 3 allgemeine Schaltung eines gegengekoppelten Verstärkers Koppelt man einen Anteil k der Ausgangsspannung auf den invertierenden Eingang zurück und liegt die zu verstärkende Spannung am nichtinvertierenden Eingang an, handelt es sich um einen nichtinvertierenden Verstärker. E29, 5/03, S.2 UE UA R2 R1 Abb.4 nichtinvertierender Verstärker Die Gegenkopplung ist linear, alle Größen in (3) sind reell. Es muss lediglich beachtet werden, dass die Gegenkopplung auf den invertierenden Eingang erfolgt, also k negativ angesetzt werden muss. Die Ausgangsspannung in dieser Schaltung beträgt UA v 0UE v 0kUA . (4) Der rückgekoppelte Spannungsanteil hängt vom Ausgangsspannungsteiler ab. Er beträgt k R1 /(R1 R 2 ). (5) Die Verstärkung ergibt sich damit zu v v0 UA R 1 2 . UE 1 v 0k R1 (6) Letztere Näherung ist fast immer gut erfüllt, da wegen der hohen Leerlaufverstärkung |k|v0 sehr viel größer als 1 ist. Da die Eingangsspannung direkt am nichtinvertierenden Eingang des OPV anliegt, ist der Eingangswiderstand der Schaltung gleich dem Eingangswiderstand des OPV und damit extrem groß. Ohne den Widerstand R1 wird die Verstärkung gerade 1 und die Schaltung kann als Spannungsfolger benutzt werden. Neben Anwendungen in Eingangsstufen von Messgeräten eignet sich der Spannungsfolger auch als Konstantspannungsquelle. Dazu wird an den Eingang die Spannung einer Zenerdiode oder besser eines BandgapreferenzBauelementes gelegt. Diese wird praktisch nicht belastet und ist damit sehr stabil. Am Ausgang steht diese Spannung als ideale Spannungsquelle (praktisch ohne Innenwiderstand) zur Verfügung. Beim invertierenden Verstärker (Abb.5) wird der nichtinvertierende Eingang auf Massepotenzial gelegt und die Eingangsspannung UE an den Widerstand R1. E29, 5/03, S.3 R2 R1 UE - UE UA Abb.5 invertierender Verstärker Da in den Eingang des OPV praktisch kein Strom fließt, muß gelten IE UE UE U UE . A R1 R2 (7) v0 ist bei dieser Schaltung negativ, es gilt UA v 0 UE . (8) Eliminiert man UE- aus (7) folgt die Verstärkung U v A UE R1 R 2 1 1 1 v 1 v 0 0 v0 R 1 2 . R1 1 1 kv 0 R1 R2 v 0 (9) Dabei wurde k = +R1/R2 gesetzt und für die Näherungen |kv0|>>1. Setzt man von vornherein eine sehr große Leerlaufverstärkung voraus, kann die Spannungsdifferenz zwischen E+ und E- immer vernachlässigt werden. Im speziellen Fall ist also UE- = 0. Aus (7) folgt dann unmittelbar die Verstärkung der Schaltung. Überbrückt man den Widerstand R1, verhält sich der Eingang der Schaltung wie ein Kurzschluss. Entsprechend (7) gilt für die Ausgangsspannung UA IE R2 . (10) Dieses ist die Charakteristik eines idealen Strom-Spannungswandlers. Fügt man in die Schaltung des invertierenden Verstärkers noch zusätzliche Widerstände R1a, R1b, … ein, werden alle an den Eingängen anliegenden Spannungen unabhängig voneinander verstärkt und aufsummiert. R1a R2 UEa R1b ... ... UEb UA Abb.6 Addierer mit OPV E29, 5/03, S.4 Abb.7 zeigt eine Abwandlung der Schaltung nach Abb. 5, bei der dem nichtinvertierenden Eingang über den Spannungsteiler R3, R4 eine zweite Spannung zugeführt wird. Werden die Widerstände R3=R1 und R4=R2 gewählt, wird diese zweite Spannung von der ersteren subtrahiert. Die Schaltung arbeitet als Differenzverstärker. UA R2 U Eb U Ea R1 (11) R2 R1 UEa UEb R3 UA R4 Abb.7 Differenzverstärker Versuchsvorbereitung - Spannungsteiler, Tiefpaß, Hochpaß, Bandpaß - Begriffe Verstärkung (dB), Grenzfrequenz, Bandbreite E29, 5/03, S.5 - Vor- und Nachteile von Gegenkopplungen - Leiten Sie die (9) her. - Berechnen Sie ausgehend von (7), wie mehrere verschiedene Eingangsspannungen am invertierenden Verstärker summiert werden. Dimensionieren Sie eine Schaltung, die folgende Funktion erfüllt: UA = 10UEa + 100UEb. Aufgaben - Bauen Sie einen nichtinvertierenden Verstärker auf! Führen Sie einen Offsetabgleich durch! - Bestimmen Sie die Verstärkung v in Abhängigkeit der Frequenz für verschieden große Gegenkopplungsgrade. Stellen Sie die Abhängigkeit doppelt-logarithmisch dar. - Bauen Sie eine Konstantspannungsquelle auf. Überprüfen Sie die Spannungskonstanz an der Zenerdiode und am Ausgang des Spannungsfolgers bei Leerlauf und unter Belastung. - Realisieren Sie einen Strom-Spannungswandler mit 1mA/V! Überprüfen Sie die Funktion. - Bauen Sie einen Addierer (entsprechend der Vorbereitungsfrage) auf und überprüfen Sie dessen Funktion. - Bauen Sie einen Differenzverstärker (v=20 dB). Überprüfen Sie die Funktion der Schaltung. Messen Sie die Gleichtaktunterdrückung CMRR. E29, 5/03, S.6