5 – Elektrische Ströme und elektrischer Widerstand Wir beginnen nach den Themen der Elektrostatik nun, uns mit bewegten Ladungen zu befassen. Dazu betrachten wir zunächst das Phänomen des elektrischen Stromes auf der makroskopischen Skala. Später befassen wir uns auch mit den mikroskopischen Vorgängen des Flusses von Elektronen in einem Draht. 5.1 – Batterie MnO2(+) Zink­ Elektrode(­) Elektrolyt Braunstein: MnO2 Die Entdeckung der Batterie durch Luigi Galvani (1737­1798) hat mehr mit Anatomie als mit Elektrochemie oder Physik zu tun. Galvani stellte fest, dass Muskelkontraktion (in einem Froschbein) induziert werden konnten, wenn zwei Elektroden aus verschiedenen Metallen in das Gewebe gesteckt wurden. Dieses von Galvani “tierische Elektrizität” genannte Phänomen ist tatsächlich eine elektrochemische Reaktion. Wir betrachten dies am Beispiel der heute üblichen Zink­Mangan­Batterie: Das Elektrolyt (in der Regel 20%iges Ammoniumchlorid) bringt die Zink­Elektrode langsam in Lösung. Dies geschieht in der Form von Zn2+­Ionen. Zwei Elektronen bleiben zurück und die Zink­Elektrode lädt sich langsam negativ auf. Das Elektrolyt hingegen lädt sich langsam positiv auf. Das positive Elektrolyt zieht nun Elektronen aus der Braunstein­Elektrode ab. Diese lädt sich positiv auf. Es entwickelt sich also eine Potentialdifferenz zwischen den Elektroden. Solange die Zelle nicht mit einem Verbraucher verbunden ist, geht sehr wenig Zink in Lösung. Es stellt sich eine von der Elektrodenkombination abhängige Leerlaufspannung ein (hier ca. 1.5 V). Beim Anschluss eines Verbrauchers, d.h. beim Schließen des Stromkreises, fließen Elektronen von der Zink­ zur Braunsteinelektrode. Die Zink­Elektrode geht verstärkt in Lösung und nach einiger Zeit ist die Batterie verbraucht. Diese Redoxreaktion in der Übersicht: 2Mn4+ 2 e­ 2 Mn3+ 2+ ­ Zn Zn 2 e Galvanische Zellen gibt es auch noch mit anderen Materialkombinationen. Die Leerlaufspannung einer Batterie mit gegebenen Elektrodenmaterialien ermittelt man jeweils aus der elektrochemischen Spannungsreihe, worauf wir nicht weiter eingehen. Die Verwendung von Zink­Mangan­ oder Zink­Kohle­Zellen hat vor allem ökonomische Gründe: Die Grundstoffe kommen in der Natur in großer Menge vor. 5.2 – Elektrischer Strom Jeder Form von elektrischem Ladungsfluss bezeichnet man als elektrischen Strom I. Für den Stromfluss durch einen Draht meint der elektrische Strom die pro Zeiteinheit dt durch den vollen Drahtquerschnitt fließende Ladungsmenge dQ: I= dQ dt Der elektrische Strom wird nach dem französischen Physiker André Ampère (1775­1836) in Ampere (A) gemessen: 1 A =1 C/s. Gibt es nur einen Strompfad, d.h. keine Verzweigung, so fließt an jedem Punkt des Pfades zu jeder Zeit der gleiche Strom. Dies ist eine direkte Folge der Ladungserhaltung. Beim Stromfluss durch einen Draht zwischen den Polen einer Batterie fließen Elektronen von der Kathode (bspw. Zink­Elektrode) zur Anode (bspw. Kohle­Elektrode). Bei der Festlegung Konvention zur positiven und negativen Ladung vor rund 200 Jahren wurde noch angenommen, dass in einem Metalldraht die positiven Ladungsträger den Strom tragen. Die sogenannte technische Stromrichtung, die bei der Behandlung von Leiterkreisen verwendet wird, ist also der physikalischen Stromrichtung der Elektronen gerade entgegengerichtet. Der technische Strom ist aber betragsmäßig dem physikalischen Strom völlig äquivalent. 5.3 – Ohmsches Gesetz Georg Simon Ohm (1787­1854) entdeckte, dass der Strom in einem Metalldraht dem Potentialdifferenz zwischen den Drahtenden proportional ist: I ∝V Die Stärke des Stromes wird nicht nur durch die Potentialdifferenz sondern auch durch den elektrischen Widerstand R, den der Draht dem Stromfluss entgegensetzt, bestimmt. Meist schreibt man dies als: V =R I Dies ist das Ohmsche Gesetz für den Fall, dass R nicht von der Spannung abhängt, was für Metalle erfüllt ist, nicht aber für Halbleiterdioden, Transistoren, Vakuumröhren etc. Die Einheit des elektrischen Widerstands ist das Ohm (): 1 = 1 V/A. Typische Widerstandswerte in elektrischen Schaltungen reichen von ca. 0.1 bis einige M. Das Schaltsymbol des elektrischen Widerstands ist: oder Ein Farbcode auf den Widerständen kennzeichnet ihren Wert: Farbcode­Tabelle: 1. Stelle 2. Stelle Multiplikator Toleranz Farbe Schwarz Braun Red Orange Gelb Grün Blau Violett Grau Weiss Gold Silber Keine Farbe Ziffer 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Multiplikator 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 10­1 10­2 Toleranz 5 % 10 % 20% 5.4 – Elektrischer Widerstand Experimentell findet man, dass der Widerstand R eines Drahtes in der folgenden Weise von der Drahtgeometrie abhängt: R = l A Dabei bezeichnet l die Drahtlänge und A seinen Querschnitt. ist eine materialspezifische Größe und heisst spezifischer Widerstand. Ihre Einheit ist das Ohm­meter (m). Der spezifische Widerstand hängt von der Reinheit des Metalldrahtes, seiner Gefügestruktur# und auch von seiner Temperatur ab. Der Kehrwert des spezifischen Widerstandes ist der spezifische Leitwert : = 1 hat die Einheit (m)­1. Der Kehrwert des Widerstandes ist der Leitwert und hat die Einheit Siemens (S): 1 S = 1 ­1. #) Gefügestruktur meint die Art und Dichte der Kristallite im Draht. Hörsaal­Übung: Eine Lautsprecherbox soll einen Verstärker angeschlossen werden mit einem 20 m langen Kabel. Das Kabel soll maximal 0.1 Widerstand haben und aus Kupfer bestehen. Welchen Durchmesser muss es mindestens haben? Welche Spannung fällt dann über das Kabel ab? Der spezifische Widerstand der meisten Materialien hängt von der Temperatur ab. Die Ursachen dafür sind mehrere, aber ein Effekt spielt stets eine Rolle: Die thermische Bewegung der Atome nimmt mit steigender Temperatur zu. An diesen schwingenden Atomen werden die beweglichen Ladungsträger gestreut. Für Metalle gilt über einen materialspezifischen aber recht weiten Temperaturbereich in guter Näherung der folgende lineare Zusammenhang: T = 0 1 T −T 0 0 ist der spezifische Widerstand bei einer Referenztemperatur T0 (bspw. 0 °C oder 20 °C). ist der Temperaturkoeffizient des Widerstands. Für Metalle ist er (fast) immer positiv. Der Temperaturkoeffizient von Halbleitern ist in der Regel negativ. Ursache dafür ist die Tatsache, dass in Halbleitern mit sinkender Temperatur weniger freie Ladungsträger zur Verfügung stehen. Übersicht spezifischer Widerstandswerte bei 20 °C: Material Metalle Silber Kupfer Gold Aluminium Wolfram Eisen Platin Nickelchrom Halbleiter Graphit Germanium Silizium Isolatoren Glas Hartgummi (m) (°C­1) 1.59∙10­8 1.68∙10­8 2.44∙10­8 2.65∙10­8 5.6∙10­8 9.71∙10­8 10.6∙10­8 100∙10­8 0.0061 0.0068 0.0034 0.0043 0.0045 0.0065 0.003927 0.0004 (3­60)∙10­5 (1­500)∙10­3 0.1­60 ­0.0005 ­0.05 ­0.07 109­1012 1013­1015 (Fe­Ni­Cr­Legierung) Die Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstands kann für die Temperaturmessung eingesetzt werden. Oftmals wird dabei Platindraht verwendet (korrosionsbeständigkeit, hoher Schmelzpunkt). 5.5 – Elektrische Leistung Elektrische Energie besitzt den Vorteil der leichten Transformierbarkeit in andere Energieformen, wie Wärme (Fön, Heizstrahler etc.) oder mechanische Energie (Motoren etc.). Die Umwandlung von elektrischer Energie in Wärme ­ bspw. bei einem stromdurchflossenen Draht, der dabei bis zur Rotglut erhitzt wird ­ ist eine Folge des Verlustes an kinetischer Energie, die die Elektronen im Draht bei Stößen mit den schwingenden Atomen erleiden. Tatsächlich nehmen die Atome einen Teil der kinetischen Energie der Elektronen auf und schwingen selbst nun heftiger. Dies äußert sich makroskopisch als Temperaturzunahme des Materials. Die durch das elektrische Geräte umgesetzte Leistung können wir ermitteln, wenn wir uns erinnern, welche Energie umgesetzt wird, wenn sich eine Ladung dq durch eine Potentialdifferenz V bewegt: dU = Vdq. Wir dafür die Zeit dt benötigt, so ist die umgesetzte Leistung P = Vdq/dt. Nun ist dq/dt = I, so dass also gilt: P =IV Die Einheit der Leistung ist das Watt (W): 1 W = 1 J/s = 1 VA. Die in einem Widerstand umgesetzte Leistung lässt sich auch alternativ schreiben: P =IV =I IR =I 2 R P =IV =V / R V =V 2 / R Auf der Stromrechnung wird die verbrauchte Energie, nicht die Leistung, abgerechnet. Die dafür verwendete Einheit ist in der Regel die Kilowattstunde (kWh). Hörsaal­Übung: In einem typischen Gewitter­Blitz werden Energien von 1 GJ über Potentialdifferenzen von 5∙107 V in ca. 200 ms transferiert. Welche Ladung wird dabei transportiert und wie groß ist die mittlere umgesetzte Leistung während der 200 ms? Hörsaal­Übung: Eine Hausfrau betreibt in ihrer Wohnung zeitgleich eine 100 W Lampe, eine 1.8 kW Heizlüfter, eine 350 W Stereoanlage und einen 1.2 kW Fön. Verkraftet das eine 10A­Sicherung? 5.6 – Wechselstrom Die Verbindung der Pole einer Batterie mit einem Verbraucher führt zur Ausbildung eines Gleichstromes (DC: direct current), d.h. der Strom fließt in einer Richtung. Ein Wechselstrom (AC: alternating current) hingegen ändert die Richtung periodisch; meist in harmonischer (“Sinus­Form”) Form. Technische Ströme sind meist Wechselströme und ihre Erzeugung wird uns später noch beschäftigen. Vorab schon einige einfache Zusammenhänge. Ein Generator erzeugt eine sinusförmigen Wechselspannung: V =V 0 sin2 ft =V 0 sint Die Spannung oszilliert zwischen den Extremwerten V0 und ­V0. In unserem Stromnetz geschieht das mit 50 Hz, im amerikanischen Netz mit 60 Hz. In einem Widerstand R erzeugt diese Wechselspannung einen Wechselstrom mit dem Maximalwert I0 = V0/R: I = I 0 sin t Der mittlere Strom durch den Widerstand ist null. Dennoch wird im Widerstand elektrische Leistung umgesetzt (so funktioniert schließlich ein Fön!), denn es gilt: P t =I t V t =I 02 Rsin 2 t Im zeitlichen Mittel (gemittelt über eine Periodendauer T = 1/f) ergibt das für die Leistung: =∫ I 02 sin2 t dt = 1 I 02 R P 0 2 T Wir können die Leistung natürlich auch als P = V2/R schreiben, so dass entsprechend auch gilt: V 02 1 = P 2 R Wir führen nun die Effektivwerte für die Spannung und den Strom wie folgt ein: V eff = V =V 0 / 2= 0.707 V 0 I eff = I =I 0 / 2= 0.707 I 0 Offensichtlich können wir dann die mittlere Leistung auch so schreiben: 2 2 =V eff P / R =I eff R =V eff I eff Ein Gleichstrom der Stromstärke Ieff erzeugt also dieselbe Leistung wie ein sinusförmiger Wechselstrom mit Maximalwert I0. Analoges gilt für die Spannung. Deshalb wird in der Regel auch der Effektivwert für Spannung und Strom angegeben. Die Angabe von 240 V für den Haushaltsstrom in Europa bezieht sich also auf den Effektivwert. Der Maximalwert des Stromes ist demnach 1.414∙240 V = 340 V. 5.7 – Mikroskopische Beschreibung des elektrischen Stromes Der Stromfluss in Metallen wird von den Elektronen getragen, in Flüssigkeiten sind es die Ionen. Wie sieht das im Detail aus? Wenn zwischen den Enden eines Drahtes eine Spannung angelegt wird, so resultiert in seinem Inneren ein elektrisches Feld parallel zur Drahtoberfläche. Das ist nicht im Widerspruch zum Ergebnis E = 0 in Metallen im elektrostatischen Fall, denn wir betrachten jetzt Ladungstransportprozesse. Wir führen zunächst eine mikroskopische Größe ein, die uns diesen Ladungstransport ortsabhängig beschreibt – die Stromdichte j j= I A Sie bezeichnet den Strom, der senkrecht durch einen Drahtquerschnitt A an einer gegebenen Stelle r fließt. Wir können diesen Ausdruck nach I auflösen und den allgemeinen Fall zulassen, dass die Stromdichte mit dem Ort variiert. Wir erhalten dann: I =∫ j ⋅d A Das Integral ist ein Flächenintegral und das Skalarprodukt sorgt dafür, dass nur die Stromdichtebeiträge senkrecht zum Flächenelement dA zum Strom beitragen. Die Richtung von j ist parallel zum elektrischen Feld, wenn die bewegte Ladung positiv ist. Sie ist antiparallel zum elektrischen Feld, wenn die bewegte Ladung negativ ist. Wir diskutieren hier hier nicht die Möglichkeit, dass Stromdichte und elektrisches Feld schiefwinklig zueinander sein können. Dies kann in elektrisch anisotropen Kristallen entlang bestimmter Richtungen vorkommen. Die spezifische Leitfähigkeit und der spezifische Widerstand sind nämlich eigentlich symmetrische Tensoren 2. Stufe und nicht einfach skalar. Der Ladungstransport aufgrund eines elektrischen Feldes in einem Draht ist, mikroskopisch betrachtet, eine Driftbewegung der Elektronen. Diese Drift ist der ungeordneten Elektronenbewegung überlagert und stellt sich als stationäre Bewegung ein, sobald das elektrische Feld eingeschaltet wird. Die Driftgeschwindigkeit vd ist in der Regel viel kleiner als die momentanen Geschwindigkeiten der ungeordneten Bewegung. Die ungeordnete Bewegung erfolgt mit der Fermi­Geschwindigkeit, welche typisch im Bereich von 0.5­1% der Lichtgeschwindigkeit liegt. Wie hängen vd und der makroskopische Strom I zusammen? vd A L = vdt In der Zeit t werden die Elektronen im Mittel eine Strecke L = vdt aufgrund ihrer Driftbewegung zurücklegen. Bei einem Drahtquerschnitt mit Fläche A werden also die Elektronen im Volumenelement V V = A L = A v d t transportiert. In diesem Volumenelement ist die Ladungsmenge Q = V vorhanden, wenn die Ladungsdichte angibt. Es fließt also ein Strom I der Größe I= Q V = t t = A v d Dieser Strom hat für Elektronen ein negatives Vorzeichen, denn dann ist die Ladungsdichte =−n e mit der Anzahldichte n der Elektronen. Die Stromdichte können wir natürlich auch gleich angeben als j = I/A = vd bzw. in vektorieller Form: j =−n e v d Dieser Ausdruck gilt in allgemeiner Form für alle Arten des Ladungstransports, wenn wir für n die Anzahldichte der Ladung einsetzen und für e die pro Ladungsträger transportierte Ladung q. Geht es mehrere verschieden Typen von Ladungsträgern, wie bspw. in einer wässrigen Salzlösung, so gilt ganz allgemein: j =∑ n q vi i i d i Hörsaal­Übung: Durch einen Kupferdraht mit 3,2 mm Durchmesser fließt ein Strom von 5 A. Wie groß ist die Stromdichte im Draht? Welche Driftgeschwindigkeit haben die Elektronen unter der Annahme, sie hätten die Masse von freien Elektronen und jedes Cu­ Atom stelle ein Elektron als Leitungselektron zur Verfügung? Die Driftgeschwindigkeit ist also sehr gering. Das einzelne Elektron braucht viele Minuten um ein Drahtstück von nur 10 cm Länge zu “durchdriften”. Das hat allerdings nichts damit zu tun, wie schnell der Strom anfängt zu fließen, wenn man einen Lichtschalter betätigt. Das geht mit nahezu Lichtgeschwindigkeit, denn die Leitung kann man sich als mit Elektronen gefüllte Röhre vorstellen. Bei Anlegen eines “Druckes” (=Spannung) fließen nahezu instantan Elektronen aus der “Röhre” heraus. Wir können auch das Ohmsche Gesetz mikroskopisch formulieren. Dazu verwenden wir L I = jA A Es folgt daraus aus dem Zusammenhang V = IR sofort R = = E L = jA und damit vektoriell L A V =EL j L j =E / = E j = E =1 E Hörsaal­Übung: Welches elektrische Feld herrscht im Innern des Cu­Drahtes im letzten Beispiel? Cu hat bei Raumtemperatur einen spezifischen Widerstand von 1,7 µcm. Welches Feld herrscht im Vergleich dazu in einem Plattenkondensator, wie wir ihn in der Vorlesung gesehen haben? 5.8 – Supraleitung Bei sehr tiefen Temperaturen fällt der elektrische Widerstand vieler einfacher Metalle und Legierungen auf unmessbar kleine Werte ab. Man nennt dieses Phänomen Supraleitung. Entdeckt wurde es 1911 an Quecksilber (Hg) durch Heike Kammerling Onnes (1853­1926) in Leiden. Supraleitung tritt unter einer für jedes supraleitende Material wohldefinierten Temperatur ein, der sogenannten Sprungtemperatur TC. Im thermodynamischen Sinn ist dies eine kritische Temperatur, d.h. eine Temperatur, die einen Phasenübergang 2. Ordnung kennzeichnet. Supraleitung ist eine unter Metallen sehr häufig auftretende Eigenschaft. Mittlerweile ist mit der Klasse der sogenannten Hoch­TC­Supraleiter (HTSL) auch der Temperaturbereich, in dem Supraleitung beobachtet wird, erheblich erweitert worden. Die höchsten Sprungtemperaturen erreicht man mit Verbindungen des Typs Hg­Ba­Cu­O (TCmax = 133 K). Einer breiten Anwendung der HTSL stehen Probleme bei der Bearbeitung dieser keramische Materialien entgegen. Dazu kommen Probleme aufgrund der intrinsischen Eigenschaften der Supraleitungsphase selbst: diese ist sehr empfindlich gegen Punktdefekte und thermische Fluktuationen. Seit wenigen Jahren kennt man auch einen metallischen “HTSL”: MgB2. Diese einfache Verbindung mit TC = 40 K ist schon seit über 50 Jahren bekannt; allerdings wurde ihre Supraleitung erst kürzlich entdeckt. Als Metall lässt sich MgB2 sehr viel besser bearbeiten. Welcher Mechanismus verursacht die Supraleitung? ­ Bei nahezu allen Supraleitern ist dies eine subtile anziehende Wechselwirkung, die sich zwischen Paaren von Leitungselektronen in großem Abstand voneinander ausbildet, aufgrund einer Polarisation des Gitters der positiven Ionenrümpfe. Dies ist die sogenannte Elektron­Phonon­Kopplung. Seit 1999 gibt es auch ein Beispiel eines Supraleiters (UPd2Al3), das mit ziemlicher Sicherheit auf einen magnetischen Wechselwirkungsprozess zurückgeführt werden muss. Die Suche nach weiteren Beispielen, vor allem auf Gebiet der HTSL, ist intensiv im Gange. 5.9 – Gefährdung durch “Stromschlag” Die biologische “Wirksamkeit” eines Stromflusses durch den menschlichen Körper hängt von mehreren Faktoren ab: Größe des Stromes ● Dauer des Stromflusses ● Körperteil, durch den der Strom fließt ● Schließen wir zunächst einen Stromfluss direkt durchs Herz aus: Fühlbar wird ein Strom, wenn er um die 1 mA groß ist. Einige wenige mA rufen schon Schmerzen hervor, können aber eine gesunde Person nicht ernsthaft verletzen. Ab ca. 10 mA kann der Strom einen Muskelkrampf auslösen. Ein Loslassen der spannungsführende Teile ist dann schwierig oder unmöglich und es wird sehr gefährlich. Es kann zur Lähmung des Atemsystems kommen; Herz­Lungen­Wiederbelebung kann hier erfolgreich sein (nach Trennung von Stromnetz natürlich!). Wenn Ströme über 70 mA durch den Körper fließen genügt der durchs Herz fließende Anteil, um ein Vorhofflimmern auszulösen. Dauert dies länger an kommt es zum Herzstillstand. Beenden lässt sich ein Vorhofflimmern nur schwer (bspw. mit einem Defibrillator). Die Größe des Stromes wird vom Körperwiderstand und dem Übergangswiderstand in den Körper bestimmt. Der effektive Widerstand zwischen zwei gegenüberliegende Punkten des Körpers gemessen bei trockener Haut liegt bei 10­1000 k. Bei feuchter Haut kann das unter 1 k fallen. In unserem Stromnetz würde bei einer “gut geerdeten” Person mit einem derart geringen Widerstand schon ein Strom von 240 mA fließen ( 240V/1000). Das ist fast immer tödlich. Der Sinn der Erdung von elektrischen Geräten ist gerade, zu verhindern, dass im Falle einer defekten Isolierung eines spannungsführenden Teiles ein großer Anteil des Stromes bei Berührung über den Körper abfließen kann. Abschließend noch ein Vergleich der Wirksamkeit von Gleich­ und Wechselströmen. Das menschliche Körpergeweben hat kapazitive Anteile. Ein Ersatzschaltbild des Körpers ist deshalb eine Parallelschaltung eines Widerstandes mit einem Kondensator. Der Kondensator blockiert bei Gleichspannung, sobald er aufgeladen ist, einen möglichen Strompfad. Nicht so bei Wechselspannung, wie wir später noch sehen werden. Wechselströme sind deshalb vergleichsweise gefährlicher als Gleichströme.