Züchtungskunde, 76, (5) S. 381– 383, 2004, ISSN 0044-5401 © Eugen Ulmer Verlag GmbH & Co., Stuttgart Kurzfassungen von Dissertationen aus dem Lehrstuhl für Tierzucht der Technischen Universität München Genomic characterization of genes encoding diacylglycerol-acyltransferase activity in cattle and swine ANDREAS WINTER In dieser Arbeit wird gezeigt, dass ein doppelter Basenaustausch an den Positionen 10433 bzw. 10434 zu einer Änderung der Aminosäurensequenz (Lys232 Ala) im bovinen DGAT1 Gen führt. Diese Änderung ist mit der Variation der Zuchtwerte für den Milchfettgehalt assoziiert. Damit ist es zum ersten Mal gelungen, einen bekannten QTL in der Nutztierzucht positionell zu klonieren, d.h. die ursächliche Variante eindeutig auf molekulargenetischer Ebene nachzuweisen. Das hier gefundene Ergebnis deckt sich mit dem inzwischen auch von Grisart et al. (2002) festgestellten, die den gleichen Austausch mit ähnlichen Konsequenzen nachweisen konnten. Der Milchfettgehalt ist ein wichtiges Leistungsmerkmal in der Milchrinderzucht. Als quantitatives Merkmal ist es sowohl durch die gemeinsame Wirkung mehrerer Gene als auch von Umwelteffekten bestimmt. Die genetische Variation stellt das Substrat für die züchterische Bearbeitung dar. Die Kenntnis der kausalen Gene bzw. Genvarianten auf Wert bestimmende Merkmale ermöglicht die Einschätzung des genetischen Potentials einzelner Tiere bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt unabhängig vom Geschlecht. DGAT1 kodiert das Enzym Diacylglycerol-acyltransferase (EC 2.3.1.20), welches den letzten Schritt der Triglyceridsynthese katalysiert. Dieser funktionelle Zusammenhang sowie die Tatsache, dass DGAT1 ‚knock out‘ Mäuse keine Milch produzierten, machen DGAT1 zu einem höchst interessanten Kandidatengen. Die systematische Suche einer bovinen BAC Bank führte zu vier BAC Klonen, die DGAT1 enthielten. Mit Hilfe einer durchgeführten physischen Kartierung wurde die chromosomale Lage von DGAT1 am zentromeren Ende des Rinderchromosoms 14 bestimmt. Verschiedene Arbeitsgruppen hatten schon vorher mit einer hohen Wahrscheinlichkeit einen QTL für den Milchfettgehalt im Bereich dieser Chromosomenregion postuliert. Als Voraussetzung für das weitere Vorgehen wurden die Basensequenz und Genstruktur des bovinen DGAT1 Gens ermittelt. Die kodierende Region erstreckt sich über 8.7 kb, und das Genprodukt ist ein Protein bestehend aus etwa 490 Aminosäuren. Die Sequenzierung ergab 21 Einzelbasenaustausche (SNPs) und eine Reihe von repetetiven Sequenzen mit einer variierenden Anzahl an Wiederholungen (VNTR). Für eine Assoziationsstudie wurden Bullen verwendet, die entweder sehr hohe oder sehr niedrige Zuchtwerte für den Milchfettgehalt aufwiesen. Die untersuchten Bullen entstammten den Rassen Deutsche Holstein (n: 2 x 32), Deutsches Fleckvieh (n: 2 x 32) und Deutsches Braunvieh (n: 2 x 20). Allelfrequenzschätzungen basierend auf den Sequenzprofilen gepoolter DNA ergaben signifikante Assoziationen zwischen den meisten der SNPs und den Zuchtwerten für den Milchfettgehalt. Einer der interessanten Polymorphismen im Exon 8 bewirkt einen Aminosäurenaustausch von Lysin nach Alanin an der Position 232. Die Lysinvariante war in allen Rassen mit einem hohen Milchfettgehalt, die Alaninvariante mit einem niedrigen Milchfettgehalt assoziiert ( = 0.001 für Holstein und Fleckvieh, = 0.05 für Braunvieh). Zwei Bullenväter eines Fleckviehmaterials, die sich bei der QTL Kartierung als heterozygot herausstellten (Qq), waren auch am Austausch Lys232 Ala heterozygot, während 14 Bullen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit den QTL Genotyp qq aufwiesen, auch homozygot für das Alanin kodierende Allel waren. Allerdings besaßen beim Fleckvieh nicht alle Bullen mit einem hohen Zuchtwert das 382 Dissertationen Lysin232 Allel, was auch für das Braunvieh zutrifft, bei dem nur zwei von 20 Bullen das Lysin232 Allel aufwiesen. Beide Rassen hatten eine deutlich niedrigere Frequenz für das Lysin232 Allel (7 % bzw. 2 %) als die Holsteinrasse (34 %). Diese Befunde decken sich mit dem in der Tierzucht für quantitative Merkmale verwendeten polygenen Modell. Lysin scheint dabei die ältere der beiden Genvarianten zu sein, da dieses Allel in den zusätzlich untersuchten Bos indicus Rassen fixiert war und auch in den DGAT1 Genbanken anderer Säugetierarten, einschließlich des Menschen, vorkam. Der mögliche Einwand, dass die gefundene Assoziation möglicherweise ein Artefakt aufgrund der vorliegenden Populationsstruktur darstellt, ist unwahrscheinlich, da (i) die Assoziation in allen drei untersuchten Rassen beobachtet wurde, (ii) die Rassengeschichte dies nicht bestätigt und (iii) erste Ergebnisse von Haplotypstudien dem entgegenstehen. Ein stärkeres Argument wider die aufgestellte Hypothese der Kausalität des Lys232 Ala Austausches könnte sein, dass die beobachtete Assoziation durch ein Kopplungsungleichgewicht mit einer kausalen Mutation in einem gekoppelten Gen bedingt ist oder andere DGAT1 Varianten wirksam sind. Um andere Gene im Bereich von DGAT1 auszuschließen, wurde als erster Schritt ein boviner BAC contig erstellt, der 576 kb der Chromosomenregion in der Umgebung von DGAT1 abdeckte und 23 Gene enthielt. Annotierte Gene beim Menschen wurden verwendet, um homologe EST Sequences beim Rind zu suchen. Basierend auf diesen bovinen EST Sequenzen wurde mittels PCR die BAC Bank durchsucht und damit Gene innerhalb des BAC contigs kartiert. 18 BAC Klone wurden von den Enden her sequenziert, und die darin enthaltenen Gene wurden zum Teil sequenziert und auf Sequenzvarianten untersucht. Die SNPs in den benachbarten Genen und in den BAC Enden wurden genotypisiert und ermöglichen nun die Ableitung von Haplotypen für ein strukturiertes Familienmaterial zur Untersuchung von Kopplungsungleichgewichten. Um die Effizienz der SNP Genotypisierung zu steigern, wurde ein multiplex ‚single base extension (SBE)‘ Ansatz optimiert. Zudem wurden bovine BAC Klone für die weiteren Mitglieder der DGAT Genfamilie DGAT2, DC2 and DC5 isoliert. Diese Gene wurden physisch auf den Rinderchromosomen 15q23-25, 2q42-44 and 15q23-25 kartiert. Alle Exone und teilweise auch die Introne wurden sequenziert. Die bovinen DGAT2, DC2 und DC5 Gene kodieren Proteine mit 61, 334 und 284 Aminosäuren. Sequenzvarianten wurden in allen drei Genen nachgewiesen. Bei den über gepoolte DNA ermittelten Allelfrequenzen konnte keine signifikante Assoziation mit den Zuchtwerten für den Fettgehalt festgestellt werden. DC2 und DC5 wurden als Gene identifiziert, die Monoacylglycerol-acyltransferase 1 (MGAT1) und Monoacylglycerol-acyltransferase 2 (MGAT2) kodieren. Für die Gene DGAT1, DGAT2, DC5 and DC7 wurden außerdem BAC Klone des Schweins isoliert. Die Gene wurden physisch kartiert; sie liegen auf den porcinen Chromosomen 4pter-p15, 9pter-p23, 9pter-p23 und 3pter-p15. Das bovine DGAT2 und die porcinen DGAT2 sowie DC5 (MGAT2) Gene sind Kandidatengene des Fettansatzes für QTL beim Schwein, die im Bereich dieser Chromosomenregionen kartiert wurden. Merkmale der Milchleistung von Kühen können mit Hilfe der Nutzung von DGAT1 Varianten bei der Selektion verbessert werden und stellen einen ersten Ansatz für genunterstützte Selektionsverfahren dar. Die Geneffekte der Milchleistungsmerkmale waren allerdings negativ korreliert: Im Gegensatz zur Alanin232 Variante erhöht die Lysin232 Variante die Milchfettmenge, senkt aber die Milchprotein- und die Milchmenge. Es kann vermutet werden, dass in naher Zukunft weitere Gene mit unterschiedlichen Wirkungen auf wirtschaftlich bedeutende Merkmale zur Verfügung stehen. Die optimale Nutzung dieser molekulargenetischen Kenntnisse stellt eine neue Herausforderung für die Zuchtplanung dar. TU München, Weihenstephan 2003 Dissertationen 383 Einfluss des Major Histocompatibility-Complex (MHC) auf die Nematodenanfälligkeit beim Schaf PETRA FEICHTLBAUER-HUBER Infektionen mit Magendarm-Nematoden wie O. circumcincta führen in der Schafhaltung zu erheblichen Produktionsverlusten. Die sinkende Effizienz bei der Anwendung von Anthelmintika zwingt die Züchter zur Entwicklung alternativer Kontrollstrategien wie zum Beispiel der selektiven Zucht auf Resistenz. Die Resistenz gegen Nematodeninfektionen ist genetisch beeinflußt. Als Maß der Resistenz dient die Eizahl im Kot. Da MHC-Gene bei der Immunabwehr gegen Parasiteninfektionen eine wichtige Rolle spielen, wurden beim Scottish Blackface Schaf Assoziationsanalysen zwischen Markern, die im sowie ausserhalb des MHC lokalisiert sind, und der Eizahl von O. circumcincta durchgeführt. Das Exon 2 des Hauptkandidatengens am DRB1-Locus wurde mittels allelspezifischer Oligohybridisierung typisiert. Für die übrigen Marker wurde eine Mikrosatellitentypisierung durchgeführt. Mit der ABI PRISM 377 DNA Sequencer unterstützten „Reference strand mediated conformation analysis“ (RSCA) wurde erstmals ein System zur hochauflösenden Typisierung des zweiten Exons oviner DQB-Allele etabliert. Die dazu verwendeten Allele wurden amplifiziert, kloniert und sequenziert. Anhand von Familientypisierungen und DRB1-DQB-Haplotypenbildung konnte die Zuverlässigkeit dieses Systems bestätigt werden. Zur Assoziationsanalyse wurden zwei lineare Modelle verwendet. Das Regressionsmodell berücksichtigt additive Alleleffekte. Zum Test auf die Abweichung von additiven Alleleffekten, Dominanz und Überdominanz wurden beim zweiten Modell die Genotypen direkt berücksichtigt. Bei der Regressionsanalyse waren die DRB1-Allele D, F, G2 und T signifikant mit der Reduktion der Eizahl assoziiert. Anhand der Analysen mit dem zweiten Modell wurde gezeigt, daß die heterozygoten Genotypen IC, ID, IF und IL im Vergleich zu den dazugehörigen Homozygoten mit einer geringeren Eizahl assoziiert sind. Der Test auf Abweichung dieser Genotypen von additiven Alleleffekten war mit p < 0,006 hochsignifikant. Dieses Resultat ist auf die dominante oder überdominante Wirkung der Heterozygoten am DRB1-Locus zurückzuführen. Da MHC-Heterozygote ein größeres Repertoire von parasitären Antigenen präsentieren, sind sie vor Infektionskrankheiten besser geschützt. Alle anderen Marker zeigten keinen signifikanten Einfluß auf die Eizahl. TU München, Weihenstephan 2002