Kapitel 8 Teilchenidentifikation Eine der zentralen Aufgaben komplexer Teilchendetektoren ist, die Identität von Teilchen zu bestimmen. Ein Elementarteilchen ist im Allgemeinen durch durch seine Ladung und seine Masse eindeutig festgelegt, die zur Identifikation ermittelt werden müssen. Im allgemeinen erreicht man dies durch Kombination der Messresultate verschiedener Detektoren. Beispielsweise ist der Krümmungsradius ρ geladener Teilchen im äußeren Magnetfeld proportional zum Impuls p und zur Ladung z des Teilchens: ρ∝ γm0 βc p = z z (8.1) Die Geschwindigkeit β kann durch Flugzeitmessung (Kap. 4.4.1) ermittelt werden: τ∼ 1 β (8.2) Die Messung der Energieverlustes durch Ionisation und Anregung wird im Wesentlichen durch die Bethe-Blochformel (Gl. 2.27) gegeben: dE z2 − ∼ 2 ln(aγβ) dx β (8.3) wobei a eine materialabhängige Konstante sei. Eine Energiemessung liefert E = (γ − 1)m0 c2 (8.4) da in der Regel nur die kinetische Energie und nicht die Gesamtenergie gemessen wird. Die oben genannten Gleichungen enthalten als unbekannte Größen m0 , β und z, der Lorentzfaktor γ hängt mit der Geschwindigkeit β über γ = √ 1 2 zusammen. 1−β Es reichen also in der Regel drei dieser Größen aus, um ein Teilchen zu identifizieren. Da in der Teilchenphysik fast alle Teilchen einfach geladen sind, reduziert sich die Zahl auf zwei. Allerdings ist man fast immer im Bereich hoher Energien, wo eine Geschwindigkeitsmessung wenig Aussagekraft besitzt, da für hochrelativistische Teilchen, unabhängig von ihrer Masse, β sehr nahe bei 1 ist. 138 Teilchenidentifikation 10 4 3 He [n,p] 6 Li [n,α ] 10 B [n,α ] σ [barn] 10 2 1 10 −2 1 102 10 4 10 6 E n [eV] Abbildung 8.1: Wirkungsquerschnitte für den Neutroneneinfang in Abhängigkeit der Neutronenenergie. Identifikation von Teilchen erfolgt über deren charakteristische Eigenenschaften und Wechselwirkungen. Die Masse eines Teilchens wird bespielsweise durch unabhängige Messung von Impuls und Geschwindigkeit gemessen. Die Impulsmessung erfolgt über die Ablenkung im Magnetfeld, für die Messung der Geschwindigkeit benutzt man beispielsweise den Effekt der Cherenkovstrahlung. Fast alle Detektoren beruhen entweder auf Ionisation geladener Teilchen oder der Erzeugung von Licht durch geladene Teilchen. Teilchen, die nicht ionisieren oder in Szintillatoren Lichtblitze erzeugen, müssen daher zuerst in geladene Teilchen konvertiert werden. Im Falle der Photonen sind dies der Photoeffekt, Comptoneffekt und Paarbildung. Andere neutrale Teilchen, wie Neutronen oder Neutrinos müssen separat gemessen werden. 8.1 Neutronennachweis 8.1.1 Neutronenreaktionen Je nach Energie des Neutrons müssen unterschiedliche Nachweismethoden angewendet werden. Alle Verfahren laufen darauf hinaus, in Neutronenwechselwirkungen geladene Teilchen zu erzeugen, die im Detektor über Ionisations- oder Szintillationsprozesse nachgewiesen werden können. n → p, α, e− , . . . → Nachweiss (8.5) Der Wirkungsquerschnitt dieser Reaktionen hängt dabei stark von der Neutronenenergie ab. Zum Nachweis eignen sich nur langsame Neutronen (En < 20 MeV), da die Wirkungsquerschnitte oberhalb zu klein sind (Abb. 8.1). Die Neutronen mit der anfänglichen Geschwindigkeit v müssen dann auf thermische Energien (vth ) moderiert werden. Die wichtigsten Reaktionen sind dann: • + n →42 He +73 Li σ = 3840 b · vvth , Q = 2.31 MeV 10 5 B 8.1 Neutronennachweis 139 !"$#&% Abbildung 8.2: Long Counter zum Nachweis schneller Neutronen, die B2 O3 Schicht dient zur Absorption der im Ausenbereich thermalisierten Neutronen. • 63 Li + n →42 He +31 H σ = 940 b · vvth Q = 4.78 MeV • 32 He + n →31 H + p σ = 5330 b · vvth , Q = 0.76 MeV • Indikatoren • n-induzierte Spaltung (233 U, verwendet. 8.1.2 235 U, 239 Pb) wird zum Nachweis langsamer n Neutronenzähler Um Neutronen von anderen Teilchen zu unterscheiden, besteht ein Neutronenzähler in der Regel aus einem Antikoinzidenzzähler, der nur geladene Teilchen registriert, und dem eigentlichen Neutronendetektor. BF3 -Zähler 1 Thermische Neutronen (En ≈ 40 eV) können gut mit Ionisationskammern oder Proportionalzählern, die mit Bortrifluorid-Gas gefüllt sind, nachgewiesen werden. Um höherenergetische Neutronen nachzuweisen, müssen diese erst durch Substanzen, die viele Protonen enthalten, moderiert werden, da bei Stößen mit gleich schweren Partnern viel Energie übertragen werden kann. Dabei eignen sich Materialien wie Paraffin oder Wasser. Die Neutronzähler für nichtthermische Neutronen müssen mit diesen Substanzen umkleidet werden. Mit dieser Art von Zählern erreicht man Effizienzen von = 50% . . . 90% für thermische Neutronen und = 3% für Neutronen der Energie En ≈ 100 eV. Das Beispiel eines sogenannten “Long Counters” ist in Abb. 8.2 gezeigt. 6 LiJ(Eu)-Zähler In diesem Fall handelt es sich um einen Szintillationszähler. Die in der Reaktion 6 3 3 Li + n → α +1 H entstandenen α-Teilchen und Tritiumkerne werden über Szintillationslicht nachgewiesen. Für einen Neutronenenergie von En ≤ 0.5 eV erhält man eine Effizienz von = 90 %. Die Szintillationslichtausbeute hängt allerdings 140 Teilchenidentifikation !"#%$ Abbildung 8.3: 6 LiJ(Eu)-Zähler mit Photomultiplier-Auslese 235 U σ [barn] 239 Pu 237Np 238 U E n [eV] Abbildung 8.4: Der Wirkungsquerschnitt σ als Funktion von En für zwei Schwellenreaktionen. von der Teilchenenergie und der Teilchenart ab, was man durch Kühlen des Zählers annähernd ausgleichen kann. Schwellenwertdetektoren Für den Strahlenschutz ist es häufig von Interesse, wie das integrale Dosisfeld von Neutronen aussieht, da die Strahlenbelastung von der Neutronenenergie abhängt. Ein solcher Detektor besteht aus einem Träger, auf dem das sensitive Isotop als dünne Schicht aufgebracht ist, und einem Nachweisgerät. Als Nachweisgeräte dienen typischerweise Plastikmaterialien, in denen die Folgeprodukte des n-Einfanges Strahlenschäden hinterlassen, welche durch Anätzen sichtbar gemacht werden, oder aus Halbleiterdetektoren. 8.2 8.2.1 Cherenkovzähler Intensität der Cherenkovstrahlung In Kap. 2.2.3 wurde gezeigt, dass ein geladenes Teilchen in Materie Licht abstrahlt, wenn die Relation (Gl. 2.51) 1 c = β0 ⇔ vT eilchen > (8.6) n n Daraus ließ sich die Bedingung für den Winkel der Abstrahlung errechnen (Gl 2.52) β> cos θC = 1 n(ω) · β (8.7) 8.2 Cherenkovzähler 141 Abbildung 8.5: Relative Zahl der Cherenkovphotonen als Funktion der Teilchenenergie. Entsteht Cherenkovlicht in einem Medium, so gilt β > β0 , was zur Trennung von Teilchen benutzt werden kann (z.B von π/K/p). Für die Zahl, im Frequenzintervall [ν1 , ν2 ] auf der durchlaufenen Wegstrecke x erhält man aus der Theorie (Gl. 2.57) Nγ = x · α c Z ω2 ω1 1− 1 dω β 2 n2 (ω) (8.8) Falls n = n(ω) = n0 , was für Gase im sichtbaren Bereich, in dem Photomultiplier funktionieren, eine gute Näherung ist, dann gilt für 200 nm < λ < 400 nm mit Gl. 8.8 (1 − 1 β 2 n2 ) = (1 − cos2 θc ) = sin2 θc ⇒ Nγ = 1150 γ 0 s · x[cm] · sin2 θc Generell muss man, wenn man in Plexiglas die Cherenkov-Strahlung zum Teilchennachweis nutzen will, sicherstellen, dass die angeregten Atome der durchlaufenden Materie kein Szintillationslicht aussenden. Ferner muss man, wenn man β eines geladenen Teilchens messen will, eine Mindestanzahl von Cherenkov-Photonen fordern. Da diese statistisch emittiert werden, können die Fluktuationen mittels der PoissonStatistik beschrieben werden. Die Wahrscheinlichkeit, ein Cherenkov-Photon nachzuweisen, ist in Abb. 8.5 dargestellt. Sei ne die Photonenzahl, die im Photomultiplier ankomme ne = #nγ (Cherenkov) × (Licht) × η(Quatenausbeute) (8.9) und die Wahrscheinlichkeit, dass kein Cherenkov-Photon nachgewiesen werde w0 = e−ne (8.10) so folgt mit ≈ 0.8 und η ≈ 0.15 und der Forderung, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von w = 1 − w0 = 99.9% ein Photon nachgewiessen wird, eine dazu minimale Zahl von 100 Cherenkov-Photonen. Um dies beispielsweise in einem Gas wie Freon zu erreichen, bedarf es einer minimalen Länge von 0.5 m für den Radiator. 142 Teilchenidentifikation Abbildung 8.6: Strahlengang in einem DISC Cherenkov-Zähler. 8.2.2 Differentieller Cherenkov-Zähler (DISC) Bei diesem Zäher wird ausgenutzt, dass für Teilchen mit gegebenem Impuls |~ p| der Cherenkovwinkel ein Maß für die Teilchengeschwinkdigkeit β ist: cos θc = 1 β·c (8.11) Der Strahlengang des Cherenkovlichtes ist in Abb. 8.6 dargestellt. Man erreicht Auflösungen im Bereich von dβ/β ≈ 10−7 , die durch chromatische Fehler (n = n(λ)), optische Fehler (Spielgeloberfläche) und geometrische Fehler bestimmt werden. Werden ne Photoelektronen beobachtet, so gilt, dass es sich um einen statistischen Prozess handelt ∆θ (8.12) δθ = √ ne Ferner müssen bei einem DISC Richtung und Impuls der Primärteilchen bekannt sein, den in Abb. 8.6 dargestellten Zähler kann man nur im Primärstrahl einsetzen. Ein weiterer Vorteil von Cherenkov-Zählern ist, dass sie ein sehr gut definiertes Zeitsignal liefern (N ∼ δ(t − xv )). Wenn man genügend viel Licht erzeugt, dann erhält man eine hervorragende Zeitdefinition, die durch die Zeitauflösung des Photomultipliers festgelegt ist. 8.2.3 RICH-Cherenkov-Zähler Differentielle Cherenkov-Zähler sind allerdings nur einsetzbar, wenn die Teilchen parallel zur optischen Achse einfallen, die Einfallsrichtung also genau festliegt. Dies ist allerdings nur bei Beschleunigerexperimenten mit festem Target der Fall. Bei Speicherringexperimenten, bei denen die erzeugten Teilchen in den vollen Raumwinkel emittiert werden können, sind differentielle Cherenkov-Zähler deshalb nicht verwendbar. Hier kommen die Ring-Imaging-Cherenov Zähler zum Einsatz. Bei diesem 8.2 Cherenkovzähler 143 Abbildung 8.7: Strahlengang in einem RICH Cherenkov-Zähler. Zählertyp bildet ein sphärischer Spiegel mit Radius RS , dessen Krümmungspunkt im Wechselwirkungspunkt liegt, den Kegel des im Radiator erzeugten CherenkovLichtes in ein ringförmiges Bild auf der Oberfläche eines sphärischen Detektors mit dem Radius RD ab (Abb. 8.7). Der Radiator füllt dabei das Volumen zwischen den beiden Kugelschalen mit den Radien RS und RD aus, im allgemeinen wird RD = 12 RS gewählt. Ferner ist die Brennweite f eines sphärischen Spiegels immer 21 RS . Sei θc der Emissionswinkel der Chernekov-Photonen, dann ergibt sich für den Radius r des ringförmigen Bildes auf der Detektoroberfäche zu r = f · θc = RS · θc 2 (8.13) Die Messung von r liefert eine Aussage über die Geschwindigkeit des Teilchens: cos θc = 1 nβ ⇒ β= 1 n cos 2r RS (8.14) Der Fehler der Geschwindigkeitsmessung ∆β stammt hauptsächlich von der experimentellen Unsicherheit der Bestimmung des Radius r des Cherenkov-Ringes ab. ∆β führt zu einer Unsicherheit im Lorentzfaktor von ∆γ = βγ 3 ∆β (8.15) Bei bekannter Masse (oder Identität) des Teilchens lässt sich daraus dessen Impuls p = γm0 βc bestimmen. Mit γ=√ 1 1 − β2 bzw. βγ = q γ2 − 1 (8.16) 144 Teilchenidentifikation Abbildung 8.8: Schematischer Aufbau des HERA-B-RICH Detektors. Ein Linsensystem erlaubt die Abbildung des Cherenkov-Lichtes auf die Kathodenfläche des MultiAnodenphotomultipliers. Rechts ist der Nachweis zweier Teilchen, die den RICH durchlaufen. Die Zahl der nachgewiesenen Photonen beträtgt 22 (27) bei 24 (29) aufgund des Öffnungswinkels erwarteten. ergibt sich der Impulsmessfehler zu m0 cγ m0 c ∆γ ∆p = √ 2 ∆γ = β γ −1 (8.17) und die relative Impulsgenauigkeit wird dann zu ∆p ∆γ ∆β = 2 =γ p β γ β β≈1 ⇒ ∆p ∆γ = p γ (8.18) Ist hingegen der Impuls des geladenen Teilches bekannt, etwa aus der Ablenkung in einem äuseren magnetischen Feld, so lässt sich aus der Größe des Cherenkov-Ringes r das Teilchen über die Bestimmung seiner Masse m0 identifizieren. Die Messung von r liefert nach Gl. 8.14 die Geschwindigkeit des Teilchens β, und m0 folgt dann bei bekanntem Impuls p aus m0 cβ p = γm0 βc = √ 1 − β2 (8.19) Der kritische Punkt eines RICH-Zählers ist der möglichst effektive Nachweiss der Cherenkov-Photonen auf der Detektoroberfäche. Da man auch den Auftreffpunkt der Photonen messen will, muss ein Ortsdetektor verwendet werden, wie etwa eine Vieldrahtproportionalkammer, die mit einem geeigneten Aktivator, wie etwa Tetrakisdimethylaminoäthylen (TMAE [(CH3 )2 N]2 C) sensitiv auf UV-Photonen gemacht wird. Seit einigen Jahren werden auch Photomultiplier zu diesem Zweck eingesetzt. Ein typischer Aufbau eines RICH-Zählers in einem Fix-Target Experiment (HERA-B am Speicherring HERA) ist in Abb. 8.8 dargestellt. In diesem Detektor werden die Photonen mit Hilfe von Photomultipliern nachgewiesen. 8.3 Übergangsstrahlung 145 Abbildung 8.9: Schematischer Aufbau eines DIRC-Detektors. 8.2.4 DIRC - Abbildender Cherenkov Zähler Bei diesem Typ von Cherenkov-Zählern wird das Cherenkovlicht in Quarzglas erzeugt und durch Totalreflexion im Radiatormedium zu den Nachweisgeräten (Photomultiplier) geleitet (Abb. 8.9). Cherenkov-Licht wird in Quarzstäben erzeugt (n3 = 1.47), die auf einem Zylinder um den Wechselwirkungspunkt angeordnet sind. Das total reflektierte Licht tritt in gereinigtes Wasser (n2 = 1.33) und wird auf eine Ebene von Photomultipliern abgebildet. Abhängig vom Auftreffwinkel der Teilchenspuren auf den Radiator werden die Cherenkov-Kegel auf unterschiedliche Kurven in der Detektorebene abgebildet (Abb. 8.10). Aus der Form der Kurven, der Laufzeit der Photonen und der Intensität des nachgewiessenen Lichts NP E kann auf die Teilchenmasse geschlossen werden. Die Zahl der Photoelektronen ist gegeben durch NP E = · N 0 d · sin2 θc cos θd (8.20) wobei d die Dicke des Radiators in radialer Richtung, N0 = αc ωω12 (1 − n21(ω) ) dω der Qualitätsfaktor des Cherenkov-Lichtes, θc der Cherenkov-Winkel, θd der Winkel zwischen Teilchenspur und Normalenvektor auf dem Radiator und die Lichtsammeleffizienzen seien. Zur Lichtsammeleffizienz trägt einerseits die geometrische Effizienz des Lichttransportes vom Radiator bis hin zum Photomultiplier bei, die stark von θc und vom Azimultanwinkel abhängt. Zum andern ist die Abdekung der Detektorebene durch sensitive Photomultiplier von Bedeutung. Für einen Radiator der Dicke 1 cm nimmt NP E Werte im vom 17 . . . 80 Photoelektronen an, abhängig von θd . Die modernen Experimente an den B-Fabriken BaBar und BELLE verwenden diesen Typ von Cherenkov-Zählern. R 8.3 Übergangsstrahlung Auch unterhalb der Cherenkov-Schwelle wird von Teilchen Strahlung emittiert, die immer dann erzeugt wird, wenn geladene Teilchen einen Übergang zwischen Medi- 146 Teilchenidentifikation Abbildung 8.10: Bilder des Cherenkov-Kegels auf einer zylindrischen Detektorfläche. ! $ $ # " $ $ $ $ $ $ $ %& ' ( ) % ( % ( %( (# % " ( % ( % (* + % , Abbildung 8.11: Prinzip der Übergangsstrahlung: Spiegelladung und Umordung des Feldese. en mit unterschiedlichen dielektrischen Eigenschaften passieren. Der Beitrag dieser Übergangsstrahlung zum Gesamtenergieverlust geladener Teilchen in Materie ist aber vernachlässigbar klein. Wenn sich ein geladenes Teilchen in Vakuum auf eine Grenzfläche zu einem dielektrischen Medium zubewegt, bildet es mit seiner Spiegelladung im Medium einen elektrischen Dipol (Abb. 8.11), dessen Feldstärke sich zeitlich mit der Bewegung des Teilchens ändert. Die Feldstärke wird verschwindet ganz, sobald das Teilchen in das Dielektrikum eindringt. Die zeitlich veränderliche Dipolfeldstärke bewirkt die Emission elektromagnetischer Strahlung. Da sich der Vektor der dielektrischen Ver~ = 0 E ~ beim Durchtritt durch die Grenzfläche stetig verändert, nicht schiebung D aber der Vektor der elektrischen Feldstärke, muss sich das Feld in diesem Augenblick umordnen. Dabei lässt sich die Zahl der erzeugten Übergangsstrahlungsphotonen erhöhen, wenn das Teilchen eine Vielzahl von Grenzflächen passiert, beispielsweise in porösen Stoffen oder in periodischen Anordnungen von Folien und Luftspalten. Eine der wichtigen Eigenschaften der Übergangsstrahlung ist, dass die durch Übergangsstrahlungsphotonen abgestrahlte Energie mit dem Lorentzfaktor γ des Teilchens ansteigt und nicht nur proportional zur Geschwindigkeit ist. Da die meissten physikalischen Effekte geschwindigkeitsabhängig sind, und deshalb für relativistische Teilchen (β → 1) nur geringe Identifikationsmöglichkeiten bilden, ist ein 8.3 Übergangsstrahlung 147 Anode Radiator − 0 + TR e dE/dx Abbildung 8.12: Schematischer Aufbau eines Übergangsstrahlungsdetektors (TRD). γ-abhängiger Effekt wie bei der Übergangstrahlung für die Teilchenidentifikation bei hohen Energien von großer Bedeutung. Ferner werden die Übergangstrahlungsphotonen im Röntgenbereich emittiert. Das Anwachsen der abgestrahlten Energie in der Übergangsstrahlung proportional zum Lorentzfaktor beruht hauptsächlich auf der Zunahme der mittleren Energie der Röntgenquanten und weniger auf der Zunahme der Intensität der Strahlung. Der Emissionswinkel der Übergangsstrahlungsphotonen ist umgekehrt proportional zum Lorentzfaktor θ= 1 γ (8.21) Bei periodischen Anordnungen von Folien und Lücken treten Interferenzen auf, die ein effektives Schwellwertverhalten bei einem bestimmten γ-Faktor verursachen. Die prinzipielle Anordnung eines Übergangsstrahlungsdetektors (TRD, Transition Radiation Detector) ist in Abb. 8.12 dargestellt. Ein TRD besteht aus zwei Komponenten, einem Radiator, bestehend aus dünnen Folien aus Materialien mit kleinem Z, der die Strahlung erzeugt und einem Nachweisgerät, typischerweise einer Proportionalkammer. Wegen der starken Abhängigkeit des Photoabsorptionswirkungsquerschnittes von Z (σγ ∼ Z 5 ) muss der Radiator aus einem Material mit kleinem Z in Form dünner Folien konstruiert werden, da ansonsten die Übergangsstrahlungsphotonen gleich wieder im Radiator absorbiert werden würden. Ein häufig verwendetes Material dafür ist beispieslweise Litium (Z = 3). Die austretenden Photonen müssen in einem Detektor registriert werden, der eine möglichst große Nachweiswahrscheinlichkeit für Röntgenquanten hat. Dafür bietet sich eine Vieldrahtproportionalkammer an, deren Zählergas Krypton oder Xenon enthält. Gase mit hoher Kernladungszahl sind bei der Absorption von Röntgenstrahlung sehr effektiv. Da der effektive Schwellwertfaktor für Übergangsstrahlung an periodischen Strukturen bei Werten von γ ≈ 1000 liegt, würden etwa Pionen mit Energien unterhalb von 140 GeV keine Übergangsstrahlung erzeugen, sondern nur den Energieverlust durch Ionisation im Detektor deponieren. Auf diese Weise erhält man eine Möglichkeit, Elektronen von Pionen zu unterscheiden. In den Abbildungen Abb. 8.13 und 8.14 sind einige typische Resultate dargestellt. Folgende Informationen können für die Trennung hochrelativistischer Teilchen (γ 1), also Elektronen, ausgenutzt werden: 148 Teilchenidentifikation Abbildung 8.13: Deponierte Energie in einer Driftkammer als Funktion des Abstandes von der Teilchenbahn für Pionen und Elektronen. • Die Absorption der Übergangsstrahlungsphotonen ist breit um die Teilchenspur verteilt (Abb. 8.13). • Die gesamte, um ein Elektron in einer Driftkammer deponierte Ladung ist größer als die der Pionen, da zur üblichen Ionisation der Beitrag der Übergangstrahlungsquanten hinzukommt. (Abb. 8.14) Übergangsstrahlungsdetektoren werden heute vorwiegend zur Identifikation von Elektronen verwendet, d.h. zur Abtrennung von Muonen, Pionen etc. Bei einer Nachweiswahrscheinlichkeit von 90% . . . 95% für Elektronen beträgt die Verwechslungswahrscheinlicheit von Pionen ca. 1% . . . 10%. Diese Rejektionsrate ist nicht sehr groß, aber in Kombination mit anderen Messgeräten (RICH, Schauerzähler) führt dies zu guten Identifizierungswahrscheinlichkeiten von Elektronen mit totalen Rejektionsraten von bis zu 10−4 . 8.4 Impulsmessung Wenn der Impuls gemessen werden soll, muss ein magnetisches Feld anwesend sein, in dem die Krümmung der Flugbahn des Teilchens gemessen werden kann. Ein Magnetfeld lenkt geladene Teilchen auf eine Kreisbahn, deren Radius proportional zum Impuls ist. Aus der Lorentz-Kraft ~ + ~v × B) ~ F~ = q · (E (8.22) ~ folgt für die Impulskomponente p⊥ senkrecht zu B: R[m] = p⊥ [GeV] 0.3 · B[T] Dies ist mit v = R · ω und p = mγv direkt aus der Zyklotronfrequenz q ω= B mγ herzuleiten (Abb. 8.15). (8.23) (8.24) 8.4 Impulsmessung 149 Abbildung 8.14: Verteilung des Energieverslustes in eine Driftkammer für Elekronen. B Det 1 Magnet De t2 R Abbildung 8.15: Ablenkung eines Teilchens im Magnetfeld.