26. März 2017 Semperoper 7. K A MME R A B E ND S O N N TAG 2 6 . 3.17 2 0 U H R I SEMPEROPER DRESDEN 7. KAMMERABEND Ensemble Bento PROGRAMM Paul Rivinius Klavier Sabine Kittel Flöte Anke Heyn Violoncello Jean Françaix (1912 -19 9 7 ) Trio für Flöte, Violoncello und Klavier 1. Allegro 2. Teneramente 3. Scherzando 4. Transition Petr Popelka (*19 8 6) Kleine Suite für Flöte, Violoncello und Klavier 1. Preludio 2. La danza notturna 3. Serenata 4. La Marcia Uraufführung PAU S E Felix Mendelssohn Bartholdy (18 0 9 -18 47 ) Trio c-Moll op. 66 für Flöte (original Violine), Violoncello und Klavier 1. A llegro energico e con fuoco 2. A ndante espressivo 3. Scherzo. Molto allegro quasi presto 4. Finale. Allegro appassionato ZUM PROGRAMM Von dem französischen Komponisten Jean Françaix stammt ein ironisches Selbstporträt: »Die Tatsache, dass ich in Le Mans, der Stadt des 24-Stunden-Rennens, geboren wurde, dürfte den übersättigten Leser wohl kaum interessieren – allerhöchstens, dass Le Mans von einer prächtigen Kathedrale überragt wird, die mir als Anregung zu einem ›fantastischen‹ Oratorium, der ›Apocalypse selon St. Jean‹, gedient hat. Mein Vater besaß die Ausgeglichenheit und den Eigensinn der Menschen im Norden Frankreichs. Meine Mutter hingegen hatte, obgleich in Le Mans geboren, ein feuriges Temperament und entstammte einer lothringischen Familie. Wie sich das gehört, habe ich von beiden etwas mitbekommen: Das Feuer wirft den Schein auf mein ansonsten ruhiges Gemüt. Mein einziger ›Leistungsnachweis‹ ist ein erster Preis bei einem Klavierwettbewerb am Pariser Konservatorium – was ja nicht gerade viel ist … Meine Lehrerin, Nadia Boulanger, hat sich stets vergeblich bemüht, mir Harmonie und Kontrapunkt oder gar das Schreiben von Fugen beizubringen. Um aber ihren Ruf zu wahren, pflegte sie zu sagen, ich würde dies alles instinktiv beherrschen. Doch will ich ehrlich sein: Beim Komponieren sind die schönen Theorien das allerletzte, woran ich denke. In erster Linie sind es nicht die ›gedanklichen Autobahnen‹, denen mein Interesse gilt, sondern die ›Waldwege‹. Den Freunden gerader Linien aber sei gesagt: Obgleich ich wohl in der Lage bin, meine Werke vorzutragen und zu dirigieren, bin ich doch seit meiner frühesten Jugend vom Komponieren wie besessen. Ein leeres Blatt, auf dem allmählich das Werk entsteht – welch ein Sinnenrausch! Seinem persönlichen Gefängnis entfliehen zu können – welch Privileg!« Das 1995 komponierte Trio für Flöte, Violoncello und Klavier ist ein Auftragswerk des Trio Aperto. Am 26. September 1998 wird es in der Alten Kirche von Fautenbach uraufgeführt, fast genau ein Jahr nach dem Todestag von Françaix am 25. September 1997. Gespielt wird es von Dagmar Becker (Flöte), Martin Ostertag (Violoncello) und Fritz Schwinghammer (Klavier). Das 17-minütige Werk orientiert sich am klassischen viersätzigen Muster, beginnend mit einem schnellen Satz, gefolgt von einem langsamen, einem Scherzo und schließlich einem Finalsatz, der mit »Transition«, Übergang, überschrieben ist. Mit Ausnahme des Finales beginnen Flöte und Cello die einzelnen Sätze, das Klavier kommt erst später hinzu. Dass vor allem das Scherzando (im -Takt) spielerische Züge trägt, zeigt sich u. a. auch an Vortragsbezeichnungen wie »ironico assai« oder »alla Giuseppe Verdi«. Der in Prag geborene Petr Popelka beginnt sein Musikstudium am Konservatorium in seiner Heimatstadt und setzt es an der Hochschule für Musik in Freiburg fort. 19-jährig wird er Mitglied des Prager Rundfunk-Sinfonieorchesters, 2009 kommt er in die Orchesterakademie des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Seit 2010 ist er stellvertretender Solokontrabassist der Staatskapelle Dresden. Den ersten Impuls, selbst Musik zu schreiben, erlebt er als Autodidakt mit zwölf Jahren. Klavier und Komposition bleiben auch während des Studiums seine große Leiden- schaft, ebenso das kontinuierliche Partiturstudium. Er fühlt sich Petr Eben nahe, für den Komponieren etwas ist, von dem man nicht lassen kann – ebenso Schönberg: Komponieren sei kein Wollen, sondern ein Müssen. Popelka geht es nicht nur um ein Ausdrücken der Gefühle. »Das wäre mir zu wenig«, sagt er, »ich suche nach einer speziellen Art, Töne zu kombinieren. Jedes Stück braucht einen neuen Zugriff, eine neue Welt, aus der heraus die innere Logik eines Verlaufs deutlich wird. Ich arbeite daran, ein Stück aus der Kraft einer Idee zu bauen.« Zu seinen frühen Vorbildern zählen Schostakowitsch, Strawinsky und Mahler. Seine Begeisterung für Alban Berg hält bis heute, György Kurtág verändert sein musikalisches Denken und führt beim ersten Kennenlernen zu einem »Schock«, wie er erwähnt. Während seiner Ausbildung spielt er in einer westböhmischen Musikantengruppe und lernt nicht nur ein umfangreiches Liedgut kennen, sondern die Seele der aufspielenden böhmischen Volksmusik. In den Werken von Bohuslav Martinů und Leoš Janáček spürt er eine menschliche Resonanz, die ihn tief berührt. Die Anregung zu seiner Kleinen Suite verdankt sich dem Ensemble Bento, dessen Spielgeist davon getragen ist, dass sich viele Kleinigkeiten zu einer harmonischen Einheit verdichten. Popelka fühlt sich dem verbunden. In jedem der vier Sätze zeigt sich eine Idee, die den Satz ausfüllt, ihn trägt. Preludio suggeriert eine statische Atmosphäre mit abwechselnd harmonischen und glottalen Schlägen – ein Konzept, das versucht, ohne weitere Entwicklung auszukommen. Im zweiten Satz, einem nächtlichen Tanz, geht es um eine bestimmte Form der Bewegung, hauptsächlich dargestellt mit Kratzgeräu­ schen. Popelka beschwört tanzende Figuren, deren Umrisse sich in der Nacht auflösen. In gleichem Sinne verblassen auch die Tonkonturen der Instrumente – Lachenmanns Einfluss ist nicht zu überhören. Im letzten Satz bezieht sich Popelka auf Mahlers symphonische Welt. Der tschechische Komponist zitiert eine Stelle, an der Mahler im ersten Satz seiner dritten Symphonie im Piccolo ein poco Accelerando fordert. Der Marsch bleibt mit einem quasi Trommelschlag stehen, der ohne Kurtág, besonders ohne dessen »Hommage à R. Sch.«, nicht denkbar wäre. Tage der Muße und Freiheit: »Ohne Frack, ohne Klavier, ohne Visiten-Karten, ohne Wagen und Pferde, aber auf Eseln, mit Feldblumen, mit Notenpapier und Zeichenbuch, mit Cécile und den Kindern, doppelt wohl«, notiert Felix Mendelssohn Bartholdy in den Ferien des Jahres 1845 in Bad Soden am Taunus, der Heimat seiner Frau Cécile. Die Gegend ist ihm bestens vertraut: Ein Jahr zuvor hat er hier sein Violinkonzert e-Moll vollendet. Mendelssohns aufreibende Verpflichtungen in Leipzig, Berlin und London lassen ihn in regelmäßigen Abständen Fluchtpunkte aufsuchen, die ihm Ruhe zum Komponieren geben – »sans Reise, sans Musikfest, sans everything«, wie er erleichtert feststellt. Ungefähr zu gleicher Zeit wird er im Juni 1845 vom Birmingham Triennial Music Festival eingeladen, ein neues Oratorium aufzuführen, was der Komposition an »Elias« neuen Schub verleiht. In dieser Atmosphäre entsteht sein zweites Klaviertrio c-Moll op. 66, das danach strebt, die Schatten eines erfahrungsreichen Lebens aufzuheitern. Drama und Gesang bilden die Grundpfeiler des ersten Satzes. Das drängende Moll-Motiv zu Beginn des Allegro energico e con fuoco wird vom Klavier im Unisono vorgestellt, sogleich von Oberstimme und Cello aufgegriffen, bevor die Oberstimme ein lyrisches Thema in cantabler Ausgestaltung intoniert. Die Diktion des Themas verrät einiges über das Stilempfinden seines Schöpfers: Punktiert gebildet, kommt es nach einem anfänglichen emphatischen Aufschwung zu einer Beruhigung, ohne jedoch die aufgebaute Spannung vollends zu reduzieren. In dieser Art des Zugriffs liegt das Geheimnis des Werks, dessen Ecksätze generell einem dramatischen Impuls folgen, der in den Mittelsätzen nicht gänzlich absorbiert wird. Der zweite Satz beginnt als Lied ohne Worte. Nach dem einleitenden Klavierteil stimmen Oberstimme und Cello ein Duett an, dessen Harmonik immer mehr Schuberts Modulationsgängen folgt. Die Wirkung des Scherzos erinnert an ein Feen- und Elfenstück – sein verspielter, schwebend-virtuoser Ton lässt an eine Spukszene aus dem »Sommernachtstraum« denken. Der Part des Klaviers macht begreiflich, warum Mendelssohn gegenüber seiner Schwester Fanny davon spricht, das Trio sei für den Pianisten »ein bißchen eklig zu spielen«. Im Zitat des Chorals »Vor Deinen Thron tret ich hiermit« aus dem Genfer Psalter liegt das Scharnier des Finalsatzes. Gemäß dem Motto »per aspera ad astra« zeigt sich im wiederholten Einsetzen des Chorals die Apotheose. Zur Logik von Endgestaltungen damaliger c-Moll-Werke gehört die Auflösung in affirmative Dur-Klänge. Paul Rivinius erhielt seinen ersten Klavierunterricht im Alter von fünf Jahren. Er studierte an den Musikhochschulen in Saarbrücken und Frankfurt. 1994 wurde er in die Meis­terklasse von Gerhard Oppitz an der Musikhochschule München aufgenommen, die er 1998 mit Auszeichnung abschloss. Er war langjähriges Mitglied des Bundesjugendorchesters und Gustav Mahler Jugendorchesters. Als Kammermusiker profilierte er sich mit dem 1986 gegründeten Clemente Trio, das 1998 den renommierten ARD-Musikwettbewerb gewann und anschließend als »Rising Star«-Ensemble in den zehn wichtigsten Konzertsälen der Welt gastierte, darunter die Carnegie Hall in New York und die Wigmore Hall in London. Seit 2004 gehört Paul Rivinius dem Mozart Piano Quartet an. Ensemble Bento 2008 trafen Sabine Kittel und Anke Heyn, Soloflötistin und Cellistin der Sächsischen Staatskapelle Dresden, beim Kilkenny Arts Festival mit dem Pianisten und Kammermusiker Paul Rivinius zusammen. Die Freude am gemeinsamen Musizieren veranlasste die drei Musiker, das Ensemble Bento zu gründen. Die das Trio verbindende Leidenschaft für japanisches Essen inspirierte zu der eigenwilligen Namensgebung: Bereits seit dem fünften Jahrhundert in Gebrauch und tief in der japanischen Kultur verwurzelt, ist das japanische »Bento« eine spezielle Darreichungsform von Speisen – in Farbe, Form und Textur möglichst vielseitige, harmonisch abgestimmte kleine Köstlichkeiten, in einer Holzbox zum Gesamtkunstwerk arrangiert. Gemäß diesem Prinzip variiert das Ensemble Bento innerhalb der eigenen Besetzung und tritt mal als Duo oder eben als Trio auf. VORSCHAU 9. Symphoniekonzert Palmsonntagskonzert S O N N TAG 9. 4 .17 2 0 U H R M O N TAG 10 . 4 .17 2 0 U H R S E M P ER O P E R D R E S D E N Reinhard Goebel Dirigent Sophie Karthäuser Sopran Anke Vondung Alt Lothar Odinius Tenor Daniel Ochoa Bariton Martin-Jan Nijhof Bass Dresdner Kammerchor Kammermusik der Sächsischen Staatskapelle Dresden Gegründet 1854 als TonkünstlerVerein zu Dresden Verantwortlich: Friedwart Christian Dittmann, Ulrike Scobel und Christoph Bechstein IMPRESSUM Sächsische Staatskapelle Dresden Chefdirigent Christian Thielemann Spielzeit 2016| 2017 H E R AU S G E B E R Sächsische Staatstheater – Semperoper Dresden © März 2017 R E DA K T I O N Georg Philipp Telemann »Holder Friede, heil’ger Glaube, dich zu küssen« Georg Friedrich Händel »Dettinger Te Deum« HWV 283 Kostenlose Konzerteinführungen jeweils 45 Minuten vor Beginn im Opernkeller der Semperoper Sonderkonzert im Rahmen der Mozart-Tage der Semperoper F R EI TAG 21. 4 .17 19 U H R S A M S TAG 2 2 . 4 .17 11 U H R S E M P ER O P E R D R E S D E N Omer Meir Wellber Dirigent Kit Armstrong Klavier Wolfgang Amadeus Mozart Symphonie Es-Dur KV 16 Klavierkonzert G-Dur KV 453 Alfred Schnittke »Moz-Art à la Haydn« Wolfgang Amadeus Mozart Symphonie g-Moll KV 183 André Podschun TEXT Der Einführungstext von André Podschun ist ein Originalbeitrag für dieses Heft G E S TA LT U N G U N D S AT Z schech.net Strategie. 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