Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 3. VWL kompakt 3.1. Markt, Wettbewerb, Wohlfahrt Eine von Ökonomen mit ganz besonderem Interesse betrachtete Gruppe von Entscheidungsproblemen ist jene, deren Lösungen darin bestehen, Güter auf Märkten anzubieten/nachzufragen bzw. – gegeben entsprechende Marktkonditionen – kein Angebot zu unterbreiten, auf eine Nachfrage zu verzichten. Wer die in arbeitsteilig operierenden Wirtschaftssystemen möglichen Spezialisierungsvorteile realisieren will, die Koordination durch ein zentrales Planungsbüro aber für illusorisch, zu komplex oder auch – etwa aus anthropologischen Gründen – für prinzipiell unangemessen hält (→ v. HAYEK: „Anmaßung von Wissen“), muss Wirtschaftssubjekten Gelegenheit, den nötigen Freiraum dazu geben, einen sich dezentral organisierenden Handel zu betreiben. Den ökonomischen Ort des Aufeinandertreffens von Angebot und Nachfrage nennt man M arkt . Guido Henkel 1 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Das dem Naturaltausch inhärente Problem der doppelten Koinzidenz wird umgangen, wo der Einsatz von Geld, wo Zahlungen die (Tausch-) Wertbestimmung und eine Übertragung von Eigentums- oder Nutzungsrechten an den gehandelten Gütern institutionell und symbolisch manifestieren. Die realisierte Nachfrage wird hier zum Kauf, dem ein Verkauf in (tausch-) wertgleicher Höhe gegenübersteht. Beachte: Nicht jedes Tausch- ist ein Geld-, jedes Geld- aber ist auch ein Tauschgeschäft! In der Geldwirtschaft gilt: − Jedes Angebot nicht-monetärer Güter ist gleichzeitig, uno actu, die Nachfrage nach einem Geldbetrag, einer (zusätzlichen) Kassenhaltung in bestimmter Höhe. − Jede Nachfrage nicht-monetärer Güter ist gleichzeitig, uno actu, das Angebot eines Geldbetrags einer bestimmten Höhe. Guido Henkel 2 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Sind die am Markt angebotenen/nachgefragten Güter käuflich, bemisst sich ihr Tauschwert in Geldeinheiten, d. h. in den (nominalen Geld-) Preisen, die man zu zahlen hat, um sich das Eigentums(→ Art. 14 GG) oder Nutzungsrecht an diesen Gütern zu sichern. Wer oder was bestimmt die Höhe der absoluten und der relativen Preise, jenes Mengen- resp. Werteverhältnis, zu dem nichtmonetäre Güter(bündel) gegen andere Güter(bündel) bzw. Geldbeträge getauscht werden? Nicht zuletzt: Konkurrenzmechanismen (lat. concurrere = zusammenkommen, aufeinandertreffen), ein antagonistischer Wettbewerb und die ihn regelnde, ihn erst ermöglichende, eine staatlich konstituierte und hoheitlich exekutierte Wettbewerbsordnung! → GWB, UWG, AEU-Vertrag, Bundeskartellamt, Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission, Monopolkommission, div. Regulierungsbehörden: Bundesnetzagentur etc. Guido Henkel 3 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Diesen Wettbewerb – wie auch die wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen – gibt es grundsätzlich … − … zwischen Akteuren der selben Marktseite → Konkurrenz der Anbieter/Nachfrager untereinander darum, wer erstens überhaupt, und zweitens bei welchem Nachfrager/Anbieter, und wie, zu welchen Konditionen (Preis, Qualität, Liefer-, Servicebedingungen usw.) zum Zuge kommt. − … zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite eines Marktes → Konkurrenz der Anbieter/Nachfrager um Produzenten-/Konsumenten-Renten (s. u.), d. h. um jeweils ihr Stück von jenem Kuchen, den die gains from trade darstellen. Die Existenz und Intensität des Wettbewerbs wird dabei – außer vom spirit of competition der einzelnen Marktteilnehmer bzw. einer historisch gewachsenen Wettbewerbskultur – durch die qualitativen und quantitativen Marktstrukturen bestimmt. Guido Henkel 4 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Die Marktstruktur in ihrer qualitativen Komponente ist insbesondere dadurch charakterisiert, dass es sich bei den gehandelten Gütern um homogene bzw. mehr oder weniger inhomogene Güter handelt. Homogenitätsbedingungen: • sachlich-physische Gleichartig-, Austauschbarkeit • Abwesenheit personenbezogener Präferenzen (für oder gegen bestimmte Anbieter/Nachfrager) • Abwesenheit raumbezogener Präferenzen • Abwesenheit zeitbezogener Präferenzen Die qualitative Marktstruktur macht zudem aus, welcher Grad an Marktransparenz vorliegt, wie vollkommenen bzw. mehr oder weniger unvollkommenen und ggf. auch asymmetrisch die Marktteilnehmer über entscheidungsrelevante Parameter informiert sind. Guido Henkel 5 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Man spricht von einem vollkommenen Markt, wenn sowohl die Transparenz- als auch die Homogenitätsbedingungen erfüllt sind. Für dieses theoretische Konzept, die Ideal- bzw. ökonomische Referenzvorstellung vollkommener Märkte gilt J EVON ‘s law of indifference , das Gesetz der Unterschiedslosigkeit der Preise → es kann nur einen (Preis) geben … ..., denn die Arbitrage sorgt dafür, dass bestehende Preisdifferenzen (idealerweise: sofort) verschwinden. Die Marktstruktur in ihrer quantitativen Komponente stellt darauf ab, wie die beiden Marktseiten numerisch – der absoluten Anzahl von Mitbewerbern sowie der Verteilung der relativen Marktanteile nach – besetzt sind. Bei angenommener Größensymmetrie ergibt sich das folgende Marktformenschema: Guido Henkel 6 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 # Nachfrager einer wenige viele einer bilaterales Monopol beschränktes Monopol Monopol wenige beschränktes Monopson bilaterales Oligopol Oligopol viele Monopson Oligopson Polypol # Anbieter Wird die unterstellte Symmetrie-Annahme bzgl. der Marktanteilsverteilung aufgehoben, erhält man eine ungleich differenziertere Morphologie. Ist bspw. die Angebotsseite mit durchweg mittelgroßen Unternehmen besetzt, die Nachfrageseite aber sowohl mit mittelgroßen als auch mit kleineren Unternehmen, spricht man von einem teil- oligopsonistisch beschränkten Oligopol ... Guido Henkel 7 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Zur Vorbereitung auf die Klausur hier noch folgende Frage: Wie sieht die Besetzung der Marktseiten aus, wenn man es mit >>teiloligopolistisch beschränkten Teilmonopsonen<< zu tun hat? Was den Monopol-Fall anbelangt, muss sich der Monopolist, als Alleinanbieter, definitionsgemäß keiner Konkurrenten erwehren – jedenfalls keiner aktuellen Mitbewerber; bei dynamischer Betrachtung der Lage wird allerdings deutlich, dass er potenzielle Markteintritte sehr wohl fürchten muss. Der von ihm dominierte Markt bleibt insofern prinzipiell – abhängig von der Höhe sog. Markteintrittsbarrieren – bestreitbar (→ contestability). Sein Monopol ist demnach temporär, ein Monopol auf Zeit. Der Antagonismus, dem er sich primär und permanent ausgesetzt sieht, liegt in der Gegenmacht der Nachfrager begründet, die insbes. nicht bereit sein werden, jeden Preis zu zahlen … Guido Henkel 8 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Eine weitere Beschränkung seiner unternehmerischen Freiheit erfährt der Monopolist i. d. R. dadurch, dass eine Wettbewerbsordnung vorsieht, eine Kartellbehörde Befugnisse und die geeigneten Instrumente hat, den möglichen M issbrauch einer m arktbeherrschenden Stellung zu unterbinden. Unter Beachtung jener Beschränkungen, die ihm (1) die potenziellen Konkurrenten, (2) mit Verweigerung drohende Nachfrager sowie (3) die Wettbewerbshüter auferlegen, eröffnen sich einem Monopolisten aber Gestaltungs- und insbes. Preissetzungsspielräume, die es in anderen Marktformen so nicht gibt. Im Szenario vollständiger K onk urrenz bspw. (: Polypol auf d. vollkommenen Markt) werden sich die (vielen kleinen, zu gleichen Kosten produzierenden) Anbieter als Preisnehm er und M engenanpasser verhalten. Der gegebene, gleichgewichtige Marktpreis p* könnte von ihnen weder über- noch unterboten werden. Guido Henkel 9 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Wer mehr verlangt als p*, verliert seine Kunden an die preiswerter anbietende Konkurrenz. Weniger als p* zu verlangen, ist auf Dauer ebenfalls nicht möglich, da der Wettbewerb den Marktpreis annahmegemäß (s. u.) bereits auf ein Niveau gedrückt hat, das für die einzelnen Polypolisten gerade noch ausreicht, ihre Existenz, das Verbleiben am Markt zu sichern, eine schwarze Null zu erwirtschaften. p Mit der realiter weiter verbreiteten Marktform unvollständiger (auch: m onopolistischer ) K onkurrenz hat man es demgegenüber zu p* tun, wenn viele kleine Anbieter, Polypolisten, x auf einem unvollkommenen, also auf einem Markt operieren, für den die Transparenz- und/ Ein Friseur in MD muss nicht oder Homogenitätsbedingungen verletzt sind. befürchten, dass er gleich Die Nachfrage, der sich der einzelne Anbieter alle Kunden verliert, wenn er hier gegenübersieht, ist nicht unendlich preis- etwas mehr verlangt als die elastisch. Konkurrenz ... Guido Henkel 10 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Wenn bspw. die sachliche Gleichartigkeit der Güter nicht gegeben ist, Qualitätsunterschiede existieren, hat der jeweilige Anbieter einer von ihm u. U. exklusiv angebotenen Güteklasse so etwas wie einen quasi-m onopolistischen Preissetzungsspielraum. Übertreibt er es aber mit den Preisforderungen für sein Produkt, wird es ihm gehen wie einem klassischen Monopolisten (s. o.): Die Nachfrager würden abwandern, substituieren – entweder andere Güteklassen oder gänzlich andere (Ersatz-) Produkte kaufen. Wie steht es schließlich mit der Möglichkeit der Oligopolisten, (Beispiel: Duopol Airbus/Boeing) aktive Preispolitik zu betreiben? Nun, im Oligopol gilt grundsätzlich, dass die (wenigen) Anbieter im Zustand einer ausgeprägten strategischen I nterdependenz agieren und eine hohe R eaktionsverbundenheit aufweisen. Was jeder einzelne tun und schlussendlich absetzen kann, hängt stark davon ab, was die anderen tun. Hier gibt es in Theorie und Praxis diverse Kalküle und Strategien, sich rational zu verhalten … Guido Henkel 11 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Auf der anderen Seite ist richtig, dass die Voraussetzungen dafür, (Preis-, Rabatt-, Gebiets- usw.) Kartelle zu bilden, in Oligopolen vergleichsweise günstig sind. Auch die Versuchung, implizite Verabredungen und nicht zuletzt Preisabsprachen zu treffen, sich aufeinander abgestimmter Verhaltensweisen zu bedienen (→ Parallelverhalten von Tankstellen ...) oder gar kollusiv zu handeln (→ gemeinsame, monopolanaloge Gewinnmaximierung), scheint im Oligopol eher groß. … - insbesondere dann, wenn es sich um enge und zugleich symmetrische Oligopole handelt, die Oligopolisten sehr ähnlich aufgestellt, annähernd gleichstark sind, so dass der Ausgang eines aggressiven Verdrängungswettbewerbs a priori ungewiss wäre. Bevor wir uns an die nähere Analyse des konkreten Verhaltens in den einzelnen, bis hierher nur angerissenen Fallunterscheidungen begeben, sollten wir aber einen Blick auf die allgemeine Theorie des Angebots werfen: Guido Henkel 12 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Marktangebot und Verkäuferverhalten: Die am Markt zum Tausch bzw. Verkauf angebotene Menge eines aus dem Bestand oder der Produktion stammenden Gutes (: xS) wird durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst – im Bereich landwirtschaftl. Erzeugnisse z. B. von der Witterung, von den Förderkapazitäten der Rohstoffgewinnung, vom Erfindergeist der Ingenieure, der Produktivität eines Künstlers, der verfügbaren Technologie, dem Zugang zu Faktormärkten usw. Gegeben dies alles, ist es dann vor allem der Preis, der die Angebotsmenge, und zwar im Regelfall nach folgendem Muster bestimmt: Je höher der Preis, desto größer die Angebotsmenge → xS = xS(p), mit: dxS/dp > 0. Heuristik: Mit steigendem (sinkendem) Preis wird es für Anbieter – ceteris paribus – (un-) profitabler, Güter auf den Markt zu bringen. Guido Henkel 13 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Steigt der Preis, lohnt es sich tendenziell, die Produktion auszuweiten, d. h. Überstunden zu machen, mehr Arbeitskräfte einzustellen, Maschinen länger laufen zu lassen, zusätzliche Produktionsanlagen anzuschaffen. Kurzfristig ist man dabei an eine Kapazitätsgrenze gebunden, über die hinaus – selbst bei weiteren Preissteigerungen – keine Mengenausweitungen möglich wären. Mittel- und langfristig sind die Produktionsmöglichkeiten auch noch oben prinzipiell variabel. Bei sinkenden Preisen wird eher erwogen, Kosten zu reduzieren, Kurzarbeit anzusetzen, Mitarbeiter zu entlassen, Maschinen abzustellen, die Produktion zu drosseln. Sinkt der Preis unter eine gewisse Schwelle, lohnt es sich für den einzelnen schließlich nicht mehr, überhaupt noch etwas zu produzieren und an den Markt zu bringen – das Geschäft wird unrentabel, führt zu Verlusten und schließlich zu Marktaustritten. Guido Henkel 14 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Beispiel: Eisverkäufer M ario (vgl. MANKIW/TAYLOR, 2008, S.84f) Marios Angebotskurve p Preis Menge (€ je Kugel Eis) (# Kugeln Eis) 0,00 0 3,00 0,50 0 2,50 1,00 1 2,00 1,50 2 1,50 2,00 3 1,00 2,50 4 0,50 3,00 5 (inter-/extrapoliert) 1 Guido Henkel 2 3 4 5 xS 15 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Durch additive bzw. horizontale Aggregation gelangt man vom Angebot der einzelnen Anbieter zum Gesamtangebot eines Marktes. Bei zwei Anbietern: Preis Angebotsmenge Mario Angebotsmenge Klaus Gesamtangebot 0,00 0 0 0 0,50 0 0 0 1,00 1 0 1 1,50 2 2 4 2,00 3 4 7 2,50 4 6 10 3,00 5 8 13 Guido Henkel 16 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Mario p p Klaus p Gesamt 3,00 2,50 2,00 1,50 1,00 0,50 1 2 3 4 5 xS 1 2 3 4 5 6 7 8 1 2 3 4 5 6 7 8 9 13 Bewegungen auf der Angebotskurve (bei Variation der beiden endogenen Größen x und p) sind von Verschiebungen der Kurve als Ganzes zu unterscheiden, zu denen es kommt, wenn sich exogene (Lage-) Parameter ändern. Angenommen bspw. (a) der Zuckerpreis sinkt (von ZP0 auf ZP1) oder (b) gute Wetteraussichten lassen die Absatzerwartung ansteigen (von ERW0 auf ERW1) … Guido Henkel 17 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 (a) Die Anbieter könnten überlegen, zumindest einen Teil des Kostenvorteils in Form von Preissenkungen an die Verbraucher weiterzugeben – der Wettbewerb könnte sie dazu drängen … → Vertikalverschiebung der Angebotskurve nach unten b) Die Anbieter könnten sich angesichts des zu erwartenden Runs überlegen, zusätzlich Eis auf Vorrat herzustellen – nicht, dass man womöglich ausverkauft wäre, Kunden abweisen müsste … → Horizontalverschiebung der Angebotskurve nach rechts p xS (p, …, ERW0, ZP0) → xS (p, …, ERW1, ZP0) ↓ xS (p, …, ERW0, ZP1) xS Guido Henkel 18 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Technische Eigenschaften der Angebotskurve: • Nullstellen, insbes. Schnittpunkt mit der Ordinate, d. h. mit der p-Achse: xS (p) = 0 → gibt Antwort auf die Frage, ab welchem (Mindest-) Preis überhaupt ein Angebot gemacht wird • Steigung: dxS/dp, typischerweise > 0, konstant bei Linearität → gibt Antwort auf die Frage, um wie viele Mengeneinheiten sich das Angebot ändert, wenn der Preis um eine (marginale, unendlich kleine) Einheit steigt • Preiselastizität: (dxS/dp) (p/x), typischerweise > 0, variabel bei Linearität, konstant bei isoelastischen Kurven → gibt Antwort auf die Frage, um wie viel Prozent die Angebotsmenge variiert, wenn der Preis um ein Prozent steigt • Krümmungseigenschaften, Lageparameterelastizitäten u. a. m. Guido Henkel 19 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Marktnachfrage und Käuferverhalten: Die am Markt, beim Tausch bzw. Kauf nachgefragte Menge eines Gutes xD wird durch Vieles beeinflusst. Im analytischen Fokus stehen der Preis sowie das den potenziellen Käufern zur Verfügung stehende Einkommen, ihr Budget: xD = xD(p, Y). Bei gegebenem Einkommen ist die folgende Fallunterscheidung für sich verändernde Preise zu treffen: ∂xD/∂p < 0 → norm ale Nachfrage („law of demand“) ∂xD/∂p > 0 → anom ale Nachfrage (z. B. nach GIFFEN-Gütern) Mit sukzessiv steigendem (sinkendem) Preis für ein Gut wird es für Nachfrager – ceteris paribus – Schritt für Schritt unattraktiver (attraktiver), dieses Gut am Markt zu erstehen. Nur in den Sonderfällen der Nachfrageanomalie kommt es bei steigenden (sinkenden) Preisen zu einer steigenden (sinkenden) Nachfrage. Guido Henkel 20 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Beispiel: Eisk onsum entin K athrin (vgl. MANKIW/TAYLOR, 2008, S. 76ff) p Preis Menge (€ je Kugel Eis) (# Kugeln Eis) 0,00 12 3,00 0,50 10 2,50 1,00 8 2,00 1,50 6 1,50 2,00 4 1,00 2,50 2 0,50 3,00 0 Kathrins Nachfragekurve (inter-/extrapoliert) 2 Guido Henkel 4 6 8 10 12 xD 21 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Analog zur Modellierung der Angebotsseite, gelangte man durch additive bzw. horizontale Aggregation von der Nachfrage einzelner Nachfrager zur Gesamtnachfrage auf einem Markt. Ebenfalls analog läuft die Unterscheidung von endogenen auf der einen, exogenen Parametern auf der anderen Seite. Erstere erkennt man typischerweise daran, dass sie an den Achsen stehen – hier also xD und p. Der Variation endogener Größen entspricht insofern einer Bewegung auf der Kurve, der Variation exogener (Lage-) Parameter eine Verschiebung der Kurve selbst. Angenommen bspw., das Einkommen der Verbraucher steigt oder fällt, wobei allgemein gelte: Y0 < Y1 < Y2. Bei gleichem Preis und auch ansonsten konstanten Umständen würde man nunmehr erwarten, dass die Eis-Nachfrage mit steigendem Y tendenziell steigt – und umgekehrt: ∂xD/∂Y > 0. Den Leuten steht ein größeres Budget zur Verfügung, um es – unter anderem – für mehr Eis auszugeben → Rechtsverschiebung der Nachfragekurve Guido Henkel 22 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 p xD(p, …, Y1) → xD(p, …, Y0) → xD(p, …, Y2) xD Technische Eigenschaften der Nachfragekurve: • Nullstellen: − Der Schnittpunkt mit der Ordinate, der p-Achse: xD(p) = 0 → gibt Antwort auf die Frage, ab welchem (Reservationsoder Prohibitiv-) Preis selbst der eisverrückteste Nachfrager nichts mehr nachfragen würde − Der Schnittpunkt mit der Abszisse, der x-Achse: xD(p=0) → gibt Antwort auf die Frage, welche (Sättigungs-) Menge bei einem Preis von Null nachgefragt würde Guido Henkel 23 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 • Steigung: dxD/dp, typischerweise < 0 (Nachfragegesetz), konstant bei Linearität → gibt Antwort auf die Frage, um wie viele Mengeneinheiten sich die Nachfrage ändert, wenn der Preis um eine (marginale, d. h. unendlich kleine) Einheit steigt • Preiselastizität: (dxD/dp) (p/x), typischerweise < 0, variabel bei Linearität (s. u.), konstant bei isoelastischen Kurven → gibt Antwort auf die Frage, um wie viel Prozent die Nachfrage variiert, wenn der Preis um ein Prozent steigt • Krümmungseigenschaften, Lageparameter-, insbes. Einkommenselastizitäten (s. u.) etc. Die Zusammenführung des Angebots- und des Nachfragekonzeptes bringt uns jetzt auf den Markt – in unserem Beispiel: der Markt für Eiscreme (vgl. MANKIW/TAYLOR, 2008, S.88ff) … Guido Henkel 24 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 p p xD xS 0,00 19 0 0,50 16 0 2,50 1,00 13 1 2,00 1,50 10 4 1,50 2,00 7 7 2,50 4 10 1,00 3,00 1 13 3,00 xS xD 0,50 2 4 6 8 10 12 14 16 18 x Im Schnittpunkt von Angebots- und Nachfragekurve liegt das Marktgleichgewicht. Der Gleichgewichtspreis beträgt p*=2, die GG-Menge x*=7. Guido Henkel 25 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Im GG werden alle Planungen realisiert, niemand hat einen Grund, seine Pläne zu revidieren. Das System ruht, Preis und Menge verharren auf ihrem GG-Niveau. Der Markt ist geräumt, zum GGPreis ist weder ein Überangebot noch eine Überschussnachfrage vorhanden. Jeder, der ex ante plante, bei einem Preis von 2 € eine bestimmte Angebotsmenge bereitzustellen, hat die entsprechenden Käufer gefunden. Jeder, der plante, bei einem Preis von 2 € bestimmte Mengen nachzufragen, hat einen Anbieter gefunden, der ihm exakt diese Mengen zu genau diesem Preis verkauft. Wenn Nachfrager nicht zum Zuge kommen, liegt das alleine daran, dass diese nicht bereit sind, p* zu bezahlen. Es ist gerade Ausdruck ihrer Präferenzen, p* nicht bezahlen zu wollen, mit dem gesparten Geld etwas Besseres anfangen zu können. Und Angebotsmengen jenseits von x* werden nur deshalb nicht abgesetzt, weil für sie mehr als p* verlangt wird. Guido Henkel 26 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 p ÜA 3,00 p xD xS 1,50 10 4 2,00 7 7 p* 2,50 4 10 1,50 2,50 xS ↓ ↑ 1,00 ÜN 0,50 2 4 6 8 xD 10 12 14 16 18 x Preise unter- oder oberhalb von p* führen zu ungleichgewichtigen Marktlagen, (a) Nachfrage- oder (b) Angebotsüberschüssen, die Preisanpassungsprozesse ins GG auslösen werden: Guido Henkel 27 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 (a) Bei einem Preis von 1,50 € beträgt die Überschussnachfrage 6 Kugeln; die Nachfrage all derer, die bereit wären, ggf. auch mehr auszugeben als diese 1,50 € je Kugel Eis, liegt bei 7 Kugeln. Bei einem Preis von 1,50 € würden aber überhaupt nur 4 Kugeln angeboten, so dass auch einige derer, die eine höhere Zahlungsbereitschaft besitzen, in jedem Falle leer ausgehen würden. p xD xS 0,00 19 0 0,50 16 0 1,00 13 1 1,50 10 4 2,00 7 7 2,50 4 10 3,00 1 13 → Überbietungswettbewerb, p steigt mit der Folge (Bewegung auf den Kurven …), dass die Nachfrage von anfänglich 10 Kugeln sukzessive eingeschränkt wird, das Angebot von anfänglich 4 Kugeln Schritt für Schritt steigt. Bei p*=2 kommt das Ganze zur Ruhe. Guido Henkel 28 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 (b) Bei einem Preis von 2,50 € beträgt das Überschussangebot 6 Kugeln; das Angebot all derer, die bereit wären, ggf. auch weniger für ihr Eis zu verlangen als diese 2,50 €, liegt bei 7 Kugeln. Bei einem Preis von 2,50 € würden aber überhaupt nur 4 Kugeln nachgefragt, so dass mit Sicherheit auch einige derer, die u. U. preiswerter anbieten würden, keine Nachfrage abbekämen. p xD xS 0,00 19 0 0,50 16 0 1,00 13 1 1,50 10 4 2,00 7 7 2,50 4 10 3,00 1 13 → Unterbietungswettbewerb, p sinkt mit der Folge (Bewegung auf den Kurven …), dass die Nachfrage von anfänglich 4 Kugeln sukzessive ausgeweitete wird, das Angebot von anfänglich 10 Kugeln Schritt für Schritt sinkt. Bei p*=2 kommt das Ganze wieder zur Ruhe. Guido Henkel 29 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Die beschriebenen Preisanpassungen finden außerdem statt, wenn ex ogene Schock s auftreten, eine – wodurch auch immer ausgelöste – Änderung exogener Parameter die Lage einer oder beider Kurven verändert. Für die nachfolgende Grafik sei z. B. angenommen, dass ein zusätzlicher Anbieter in den Markt eintrete und – um die Analyse möglichst einfach zu halten – das Gesamtangebot (bei allen Preisen) um eine feste Größe ΔxS erhöhe. → Parallelverschiebung der Angebotskurve nach rechts … ÜA p xD = ΔxS → p*1 ↓ p*2 x S2 x S1 x*1 x*2 Guido Henkel xD, xS 30 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Im Ergebnis der komparativ-statischen Analyse, d. h. des Vergleichs der beiden Gleichgewichtszustände 1 und 2 bleibt festzuhalten: Der GG-Preis ist gesunken, die GG-Menge gestiegen. Und der Umsatz, wie haben sich die Gesamterlöse (: Preis mal Menge) entwickelt? Das kommt offenbar darauf an … p x S1 p x S2 p*1 x S1 x S2 p*2 xD xD x*1 xD, xS x*2 xD, xS p*1x*1 > p*2x*2 Preiselastizität der Nachfrage (absolut) < 1 p*1x*1 = p*2x*2 Preiselastizität der Nachfrage (absolut) = 1 p*1x*1 < p*2x*2 Preiselastizität der Nachfrage (absolut) > 1 Guido Henkel 31 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 p Und was wiederum bestimmt diese PEN? Rein technisch betrachtet, kommt es – außer bei isoelastischen Funktionen (s. nächste Folie) – ganz darauf an, in 3,00 welchem Kurvenabschnitt man sich bewegt. 2,50 Im Falle einer Geraden ist es so, dass die PEN – dem Betrag nach – zwischen ∞ und 0 variiert. 2,00 Nehmen wir Kathrins Eis-Nachfrage: Eine Preis1,50 senkung von jeweils 50% führte … - … zu einem 100%-igen Nach1,00 frageanstieg, würde der Kugel0,50 Preis von 2 auf 1 € reduziert. D x - … zu einem 25%-igen Anstieg, würde der Preis von 1 auf 0,50 2 4 6 8 10 12 € fallen. Ökonomische Bestimmungsgründe: - Verfügbarkeit von Substituten … - ... preisunelastische Nachfrage nach essentiellen Gütern - kurz- oder langfristige Betrachtung, denn |PEN| steigt im Zeitablauf Guido Henkel 32 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 p Bsp. isoelastische Nachfrage: 2,00 Achtung: Bogen- vs. Punktelastizität ...! 1,00 0,50 xD 4 8 16 Preissteigerung um festen Prozentsatz (hier: um je 100%) führt von jedem Preisniveau aus zu einem Nachfragerückgang um einen festen Prozentsatz (hier: um je 50%). Guido Henkel 33 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Wenn also der SCM (oder die OPEC) überlegt, ob er nicht bspw. die Eintrittspreise (/Rohölpreise) erhöhen könnte, um mehr Geld einzunehmen, sollte er vorher kalkulieren, wie heftig die Mengen, wie sensibel die Fans (/Autofahrer) darauf reagieren … → voice, ex it Für die Preiselastizität des Angebots PEA gilt übrigens analog: = relative Änderung der Angebotsmenge p relative Preisänderung p xS PEA = 0 x Guido Henkel = xS x p dxS/x dp/p PEA = ∞ xS x 34 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Im Falle eines vollkommen preisunelastischen, starren Angebots würden noch so starke Nachfrage- bzw. Preissteigerungen nicht dazu führen, dass sich die Angebotsmenge erhöhte. Im Falle eines unendlich preiselastischen Angebots wäre jede gewünschte Menge am Markt zu bekommen, ohne dass es zu Preissteigerungen kommen würde. Wie sehen nun die konkreten Kalküle und Mechanismen der Preisbildung bzw. mengenmäßigen Güterversorgung in den verschiedenen Marktformen aus, wie sind die Marktergebnisse ihrer Wohlfahrtswirkung nach zu bewerten? a) bei vollständiger Konkurrenz b) im Monopol-Fall c) bei oligopolistischer Marktstruktur d) im Falle monopolistischer Konkurrenz Guido Henkel 35 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Ad a) vollständige Konkurrenz (= Polypol auf dem vollkommenen Markt, s. o.) Für jeden einzelnen der vielen kleinen, machtlosen Polypolisten ist die Gesamtnachfrage xD(p), bzw. deren Inverse: die Preisabsatzfunktion p(x), gegeben. Von dieser Marktnachfrage erhalte er im status quo ante – bei insgesamt m Anbietern – xD/m. Wollte er seinen Marktanteil vergrößern, müsste er den Preis senken – mit der unmittelbaren Folge, dass alle Nachfrager jetzt bei ihm kaufen wollen. Probleme: - Kapazitätsbeschränkung …, - Konkurrenten imitieren die Preissenkung, ziehen nach. Dieser Unterbietungswettbewerb findet sein Ende spätestens dann, wenn ein Preisniveau erreicht ist, zu dem alle im Markt verbliebenen Anbieter nurmehr Null-Gewinne machen. Zu diesem Gleichgewichtspreis p* wird von der ersten bis zur letzten abgesetzten Einheit jedes gehandelte Gut ver- und gekauft. Guido Henkel 36 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 → Preis = Durchschnitts- = Grenzerlös Wenn das Handlungsziel jedes einzelnen Polypolisten darin besteht, seinen Gewinn zu maximieren, so gilt: max Π = Erlös – Kosten ! Die notwendige Bedingung dafür lautet: Grenzerlös = Grenzkosten bzw. p = GK p > GK : der Absatz einer weiteren Gütereinheit brächte einen zusätzlichen Erlös p, der größer wäre als die zusätzlichen Kosten. Dieser zusätzliche Absatz wäre allerdings nur bei niedrigeren als den aktuell herrschenden Preisen zu realisieren >>> p↓ bis p = GK. p < GK : der Absatz einer weiteren Gütereinheit brächte einen zusätzlichen Erlös p, der die zusätzlichen Kosten nicht decken würde. Die Bedienung zusätzlicher Nachfrage lohnte sich nur zu höheren, d. h. bei Preisen von mindestens p = GK. Guido Henkel 37 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Da unsere Polypolisten – bei annahmegemäß identischer Technologie, gleichem Zugang zu Beschaffungsmärkten etc. und letztlich identischen Kostenfunktionen – keinerlei Preissetzungsspielräume haben, ihnen auf der anderen Seite definitionsgemäß (Homogenitätsbedingung!) auch keine Werbemittel, Produktinnovation etc. zur Verfügung stehen, handelt es sich bei dieser vollständigen letztlich um eine Art „Schlafmützenkonkurrenz“. p, GK, DK Konsum entenrente : max. Zahl.bereitschaft – gezahlter Preis Die Situation im Gesamtmarkt: (bei linearem Kostenverlauf, d. h. konst. GK, und fehlenden Fixkosten!) p* GK = DK p(x) = GE Erlös = Kosten Guido Henkel x* x 38 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Den Null-Gewinnen der Anbieter steht dabei eine – zumindest in der statischen Betrachtung – vergleichsweise komfortable Situation der Nachfrager gegenüber. Sie erzielen – wegen fehlender bzw. unvollständiger Preisdiskriminierung – sog. Konsumentenrenten insofern, als viele der bei x* zum Zuge kommenden Nachfrager bereit gewesen wären, einen höheren als den im GG herrschenden Preis p* zu zahlen. Die Lage ändert sich nicht grundsätzlich, wenn andere, etwa ertragsgesetzliche Kostenverläufe (mit Fixkosten) angenommen werden. K K GK GK, DK DK tan α = K/x α Guido Henkel x0 x1 x x0 x1 x 39 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 p, … GK Die Situation im Gesamtmarkt: (bei ertragsgesetzlichem Kostenverlauf) DK p* p(x) = GE x* x Für alle möglichen Kostenverläufe gilt: Produziert und am Markt angeboten wird langfristig nur, solange keine Verluste entstehen, d. h. die erzielten Erlöse ausreichen, um sämtliche, fixe (: ausbringungsunabhängige) und variable Kosten voll zu decken. Der Durchschnittserlös (: Gesamterlös/Absatzmenge = Einheitspreis p im vollk. Markt) darf langfristig nicht kleiner sein als die Durchschnittskosten: DE (=p) ≥ DK – sonst: Insolvenz! Für das kurzfristige Verbleiben im Markt reicht es aus, wenn zunächst mal ein Fixkostendeckungsbeitrag erwirtschaftet wird, der erzielte Preis bzw. DE zwar möglicherweise unter DK, aber doch über den durchschnittlichen variablen Kosten liegt. Ist DE < DVK, sollte die Produktion auch kurzfristig eingestellt werden. Guido Henkel 40 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Für p = GK als Gewinnmaximierungsbedingung und ein durch den Wettbewerb vorgegebenes p* kann die Grenzkosten- als Angebotskurve des Gesamtmarktes aufgefasst werden ... – als kurzfristige xS, solange p bzw. die DE über den DVK liegt, – als langfristige xS, solange der p bzw. die DE nicht unter den DK liegt. Aus diesem Gesamtangebot erhält dann jeder der m Polypolisten den m-ten Teil. Würde hier zwischenzeitlich ein echt positiver Gewinn erzielt (: p = DE > DK), hätte dies einen Preissenkungsdruck zur Folge, der erst im gewinnlosen Zustand verschwände. Parallel dazu zwingt der Wettbewerb auch zur Reduzierung der Kosten bis in das sog. Betriebsoptimum, d. i. das Minimum der DK. Die obige Grafik stellt somit den langfristigen Zustand dieses Modellmarktes dar: Es wird im Betriebsoptimum produziert, alle Anbieter schreiben eine schwarze Null – was aber die Zahlung eines angemessenen, marktüblichen Unternehmerlohns bzw. eine Normalverzinsung des (Eigen-) Kapitals nicht ausschließt! Berücksichtigt man darüber hinaus, dass zu diesen Bedingungen jederzeit weitere Anbieter neu in den Markt eintreten könnten, hat man sich die Angebotskurve letztlich als eine waagerechte, auf dem Niveau von p* verlaufende Gerade vorzustellen (s. o. Folien 10, 34). Zum herrschenden GG-Preis kann theoretisch jede Angebotsmenge verlustfrei bereitgestellt werden (→ PEA = ∞). Guido Henkel 41 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Ad b) Monopol (= Alleinanbieter auf vollkommenen Märkten) Ein Monopolist sieht sich der gesamten Marktnachfrage allein gegenüber und könnte sowohl eine Mengen- als auch eine Preisstrategie fahren. Was er dabei primär zu berücksichtigen hat, ist also die Reaktion der Nachfrageseite, nicht aber die der (aktuell fehlenden) Konkurrenten. Ob als autonomer Preis- oder Mengenfixierer – der Monopolist, sagt man, reitet die Nachfragekurve, und zwar wiederum mit dem Ziel, seinen Gewinn zu maximieren. Die Maximierungsbedingung erster Ordnung lautet wie gehabt: Grenzerlös = Grenzkosten → der zusätzliche Erlös aus einer zusätzlich abgesetzten Mengeneinheit entspricht hier gerade den zusätzlichen Kosten, die mit der Ausbringung der zusätzlichen Einheit verbunden sind GE > GK: Produktionsausweitung brächte Gewinnsteigerung GE < GK: Produktionseinschränkung brächte Gewinnsteigerung Guido Henkel 42 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Man beachte: Anders als im Falle vollständiger Konkurrenz, wo der Grenzerlös für die Polypolisten durch den GG-Preis p* vorgegeben und mit diesem identisch war, fallen GE und Preis für den Monopolisten auseinander. Er kann seinen Absatz entlang der xDKurve bzw. PAF steigern, indem er sukzessive Preiszugeständnisse macht. Wie das auf die Erlöse wirkt, verraten die Grenzerlöse … Bsp.: p(x) = 100 – x E = 100x – x2 E‘ = 100 – 2x mit: E‘ ≥ 0 x ≤ 50 E‘ < 0 x > 50 x(p) = 100 – p η := (dx/dp) (p/x) = -p/(100-p) η = -1 -p/(100-p) = -1 p = 50, x(50) = 50 Guido Henkel p, GE 100 50 p(x) GE 50 100 x 43 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Verhaltensbestimmend für unseren Monopolisten ist letztendlich aber die Auswirkung möglicher Preis- bzw. Mengenvariationen auf den Gewinn. Erst die algebraische, dann die geometrische Analyse: max Π = p(x) x – K(x) ! notwend. Bedingung: dΠ/dx = 0, d. h. (dp/dx) x + p(x) – K‘ = 0 p (1 + 1/η) = K‘ – mit: η = (dx/dp) (p/x) → PEN! GE = GK η<0! GE liegt um Faktor p/η unterhalb der PAF Aus K‘ > 0 folgt p (1+1/η) > 0 und schließlich -η > 1 → Monopolisten bieten im oberen, preiselastischen Teil der PAF an! Guido Henkel 44 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 p, … Konsumentenrente p, … GK GK DK p* GE Erlös x* COURNOTscher Punkt Produzentenrente = Gewinn p(x) p* GE Kosten x DK x* p(x) x Im Vergleich zum Marktergebnis bei vollst. Konkurrenz fällt insbes. auf: 1. höherer Monopolpreis 2. niedrigere Monopolmenge 3. das Betriebsoptimum wird nicht (unbedingt) realisiert 4. höherer, positiver Gewinn 5. Rückgang der Konsumentenrente Hier lässt sich außerdem zeigen: Der Rückgang der KR ist größer als der Zuwachs an PR → die Gesamtwohlfahrt (: KR+PR) sinkt Guido Henkel 45 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Will man diese Wohlfahrtseinbußen vermeiden oder zumindest begrenzen, ist eine (staatliche) Regulierung des Marktes geboten: → Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen → ggf. Verstaatlichung → Kartellverbot zur Vermeidung kollusiven Handelns → Fusionskontrolle → Abbau von Markteintrittsbarrieren zwecks Intensivierung potenziellen Wettbewerbs → u. a. m. Ad c) Oligopol (= wenige, z. B. 2 Anbieter, Duopolisten, auf vollk. Märkten) Die Welt der Oligopole ist viel zu differenziert strukturiert, als dass sie in dieser Grundlagen-Veranstaltung auch nur annähernd befriedigend analysiert werden könnte. Für eine erste Annäherung vgl. etwa MANKIW/TAYLOR, S. 385ff oder BOFINGER, S. 167ff. Guido Henkel 46 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Für hier und jetzt muss die Intuition der folgenden, die enge strategische Interdependenz zweier Duopolisten spieltheoretisch aufgreifenden Matrix ausreichen: Anbieter B Anbieter A nicht-kooperativ kooperativ nichtkooperativ Null-Gewinn / Null-Gewinn ?/? kooperativ ?/? ½ Monopol-Gewinn / ½ Monopol-Gewinn Spielen A und B nicht-kooperativ und führen bspw. einen Preiskrieg, kommt es zu einem Marktergebnis, das demjenigen bei vollständiger Konkurrenz entspricht → B ER TR AN D -W ettbew erb Nicht zu kooperieren, könnte alternativ aber auch bedeuten, dass beide z. B. eine autonome Mengenstrategie verfolgten und sie als Monopolisten bezüglich der (Rest-) Nachfrage aufträten, die der jeweilige Konkurrent übrig ließe … → C OUR N OT-W ettbew erb Guido Henkel 47 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Wenn beide kooperieren, lässt sich das vielleicht so interpretieren, dass sie sich den Markt teilen, eine gemeinsame, monopolanaloge Gewinnmaximierung betreiben → K artell-Lösung, K ollusion Für die beiden verbliebenen Fälle, in denen jeweils ein Anbieter kooperierte, der andere aber nicht, gibt es – was das Verhaltensmuster sowie das daraus resultierende Marktergebnis betrifft – eine Vielzahl von Ausprägungen, etwa S TACKELBER G s Asym m etrie- Lösung. Eine nähere Behandlung dieser Konstellationen muss aus Zeitmangel hier aber ebenso unterbleiben wie die Vertiefung von d), der monopolistischen Konkurrenz – vgl. dazu etwa MANKIW/TAYLOR, S.411ff bzw. BOFINGER, S.179ff. Guido Henkel 48 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 3.2. Mikroökonomik und Allokationstheorie Aus dem ersten Kapitel sind – hoffentlich – noch die basalen, zumeist marktbezogenen Aktivitäten des Haushaltssektors bekannt. Hier wird insbesondere … a) b) c) d) … … … … Arbeitsleistung am Arbeitsmarkt angeboten, das Haushaltseinkommen auf Konsum und Ersparnis verteilt, ein optimales Konsumgüterbündel zusammengestellt, ein optimales Vermögensportfolio konfiguriert. Schauen wir den mikroökonomisch typischen Entscheidern einmal über die Schulter und sehen zu, wie sie sich an den Märkten arrangieren. Wieder kann es uns nur um primäre, bisweilen naiv und trivial anmutende Eindrücke gehen, um einen wirklich sehr flüchtigen Blick auf paradigmatisch einschlägige Kalküle, Strukturen, Prozesse. Guido Henkel 49 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Ad a) Das Angebot auf dem Arbeitsmarkt Was haben ein 24-stündiger Tag, eine 7-tägige Woche, ein 52wöchiges Jahr und letztlich ein ganzes Leben gemeinsam? Nun, nicht zuletzt dies: dass der jeweilige Zeitraum für uns in Arbeits- und Freizeitphasen unterschieden werden kann – wobei idealtypisch gelte: tertium non datur ... Wenn hier von >>Arbeiten<< die Rede ist, hat dies allerdings eine höchst reduzierte Bedeutung und mit häuslicher Gartenarbeit oder dem, wenngleich körperlich anstrengenden und intellektuell fordernden, Aufbau eines Liegestuhles auf dem heimischen Balkon zunächst einmal wenig zu tun (→ Freizeitgestaltung). Für die selbständige/abhängige Erwerbsarbeit eines gelernten Landschaftsgärtners im Betrieb, für einen Messebauer, Schaufensterdekorateur oder Möbelpacker sieht das schon anders aus … Guido Henkel 50 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Diese Letzteren muss man, normalerweise, dafür bezahlen, entlohnen, dass sie tun, was sie tun, wenn sie ihrem Beruf, und zwar deshalb nachgehen, um ein Einkommen zu erzielen. Die Freude alleine, die Hebung des Selbstwert- und jenes Gefühls, gebraucht zu werden, am sozialen Leben in der Erwerbsgesellschaft zu partizipieren, reicht in aller Regel nicht aus, um sie morgens an den Arbeitsplatz zu bringen. Das somit unterstellte Arbeitsleid muss entsprechend bezahlt, der Verzicht auf den Nutzen des alternativen Freizeitkonsums durch Lohnzahlung entgolten werden. Auch Sie, hier und jetzt, könnten mit Ihrer Zeit prinzipiell etwas anderes anfangen, als eine Vorlesung zu besuchen oder dieses Skript zu studieren. Sie könnten jetzt ja auch jobben, etwa in einem Biergarten arbeiten (vgl. BOFINGER, 2007, S.193ff). Warum Sie das nicht tun, hat – der standardökonomischen Theorie des Arbeitsangebotsverhaltens zufolge – insbes. etwas mit der (für Sie offenbar unzureichenden) Höhe des Lohnsatzes auf dem Markt zu tun. Oder anders herum, als eine Art unmoralisches Angebot formuliert: Gäbe es nicht auch für Sie einen dermaßen attraktiven Lohnsatz, dass er Sie noch in dieser Sekunde aus dem Hörsaal ziehen, von diesem Skript losreißen könnte …?! Guido Henkel 51 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Sehen wir uns den konkreten Kalkül etwas genauer an: Max U (Y, F) ! u. d. N. L + F = T → Zeitbudget, z. B. 24 Std./Tag … mit: Y = w . L, Arbeitseinkommen = Lohnsatz („wage rate“, real!) mal Arb.zeit ∂U/∂Y > 0 → mehr Einkommen ist besser als weniger ∂2U/∂Y2 < 0 → mit steigendem Y abnehmender Grenznutzen des Eink. ∂U/∂F > 0 → mehr Freizeit ist besser als weniger ∂2U/∂F2 < 0 → mit steigendem F abnehmender Grenznutzen der Freizeit, spiegelbildlich: steigendes Grenzleid der Arbeit Ein positives Arbeitsangebot, d. h. der Verzicht auf Freizeit kommt überhaupt nur in Frage, wenn der am Markt gezahlte Lohnsatz (genauer: der Nutzen aus dem entsprechenden Einkommen) größer ist als jener Nutzen, den uns der alternative Freizeitkonsum bringen würde. Guido Henkel 52 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Die erste Stunde Freizeit zu opfern, fällt uns dabei tendenziell am leichtesten; der Lohnsatz, der uns für dieses Opfer gerade entschädigt, wäre vergleichsweise niedrig. Weitere Freizeitstunden abzubauen und dafür arbeiten zu gehen, müsste uns Zug um Zug höher entgolten werden. Für jeden Lohnsatz gibt es für jedes Wirtschaftssubjekt, mit seinen je persönlichen Freizeit- bzw. Einkommenspräferenzen und entsprechenden Nutzenfunktionen, ein optimales Arbeitsangebot. Stiege der Lohnsatz (ceteris paribus), aus welchen Gründen auch immer, würde das Angebot tendenziell zunehmen, denn Freizeit würde jetzt relativ teurer. Jeder Stunde Freizeit steht dann ja ein größerer Einkommensverzicht gegenüber als vor der Lohnerhöhung. Vermuteter Effekt: Freizeit wird reduziert und zu Gunsten der Arbeitszeit, sprich: der Einkommenserzielung, eingeschränkt. → Substitutionseffekt (außerdem zu berücksichtigen: Einkommenseffekt …) Guido Henkel 53 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Im neuen Optimum gilt dann wieder, dass der für die letzte Stunde gezahlte Lohn gerade ausreicht, um den entgangenen Nutzen der geopferten Freizeitstunde zu entgelten. In marginalanalytischer Betrachtung: Der negative Grenznutzen des Freizeitverzichts muss dem (für eine marginale Zeiteinheit gezahlten) Lohnsatz dem Betrag nach gerade entsprechen: |∂U/∂F|= w Im Optimum, d. h. dem Nutzenmaximum, würde – bei einem vom (Wettbewerbs-) Markt vorgegebenen Lohnsatz – gelten, dass die Verwendung einer zusätzlichen Zeiteinheit in beiden Alternativen, Arbeits- und Freizeit, einen gleich hohen Nutzenzuwachs brächte: ∂U/∂Y = ∂U/∂F → Grenznutzenausgleich ∂U/∂Y > ∂U/∂F → suboptimale Zeitallokation, weil … ∂U/∂Y < ∂U/∂F → suboptimale Zeitallokation, weil … Guido Henkel 54 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Indifferenz-, Isonutzenkurven mit jeweils: U = konst. Steigung: dY/dF = Grenzrate der Substitution Y zwischen Einkommen und Freizeit Die GRS gibt Antwort auf die Frage: Um wie viel müsste T . w0 Y steigen, um einen daraus resultierenden Nutzenverlust auszugleichen, dass eine (marginale) Einheit weniger Freizeit konsumiert würde? L0* . w0 F0* Umax α T tan α = T . w0/T = w0 F (= T – L) Im Optimum stimmen die Steigung der Budgetgeraden (absolut: w0) und die der nutzenmaximalen Indifferenzkurve (: GRS) gerade überein. Ein über L0* (= T – F0*) hinaus gehendes Angebot würde vom Wirtschaftssubjekt nur gemacht, wenn der Lohnsatz stiege ... Zu jedem w gibt es genau eine Angebotsmenge, die U maximiert. Die Verbindung aller Preis/Mengen-Paare ergibt die LS-Kurve: Guido Henkel 55 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 w LS w1 LD w0 L0 * L1 * L Zur Bestimmung des links abgebildeten Gleichgewichts auf dem Arbeitsmarkt ist noch die Herleitung der Nachfragekurve LD erforderlich: Arbeitsnachfrager sind die (gewinnmaximierenden) Unternehmen. Sie optimieren den Arbeitseinsatz in ihren Betrieben, etwa zur Produktion eines bestimmten Outputs Y0, nach folgendem Kalkül: Max Π = p . F(L, K) – (W . L + R . K) ! u. d. N. Y = Y0, mit: Y = F(L, K) → (substitutionale) Prod.funktion ∂F/∂L, ∂F/∂K > 0 → positive Grenzproduktivitäten ∂2F/∂L2, ∂2F/∂K2 < 0 → abnehm. Grenzproduktivitäten … Guido Henkel 56 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Y F(L, K) bzw. F(L, K) L, K K Isoquanten : Orte identischen Outputniveaus Y = Y0 L Da es sich hier um kleine, auf Absatz- und Beschaffungsmärkten ohne Preissetzungsmacht operierende Unternehmen handeln soll, seien alle Preise, inkl. der Arbeits- (: Nominallohnsatz W) und Kapitalnutzungspreise (: nominale Zinslast R), exogen vorgegeben. Im Gewinnmaximum wird die Ableitung der Gewinnfunktion nach den beiden Variablen unternehmerischen Handelns, L (: Arbeits-) und K (: Kapitaleinsatz im Produktionsprozess), verschwinden: ∂Π/∂L, ∂Π/∂K = 0 Eine (marginale) Veränderung des Faktoreinsatzes bringt dann keinen Gewinnanstieg mehr. Guido Henkel 57 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Wird jetzt konkret nach dem optimalen Arbeitseinsatz zur Produktion von Y0 gesucht, muss notwendig gelten: ∂Π/∂L = p ∂F/∂L – W = 0 ! p ∂F/∂L = W : Wertgrenzproduktivität der Arbeit = (Nominal-) Lohnsatz Mit dem zusätzlichen Output, den ein marginal erhöhter Arbeitsinput brächte (: ∂F/∂L), könnte auf dem Absatzmarkt für die entsprechenden Güter ein zusätzlicher Verkaufserlös erzielt werden, der den zusätzlichen Kosten für diesen erhöhten Arbeitsinput (: W) genau entspräche. Äquivalent umformuliert, wird auch der bislang vernachlässigte Unterschied von Nominal- (: W) und Reallöhnen (: w = W/p) sichtbar: ∂F/∂L = W/p : Grenzproduktivität der Arbeit = Reallohnsatz Guido Henkel 58 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Bei der Bestimmung des optimalen Kapitaleinsatzes erhielte man übrigens analog: ∂F/∂K = R/p = r : Grenzproduktivität des Kapitals = reale Zinslast Die Differenz aus dem im Optimum gewünschten (: K*) und einem aktuell vorhandenen Kapitalstock Kt entspräche dann der Nachfrage am Kapitalmarkt, den Investitionen: I = K* – Kt, mit: I = I(r, …), ∂I/∂r < 0. Bei gegebenem w und r Steigung: w Steigung: r Y ist nun mit den dazu ge- Y hörigen, gewinnmaximie- Y0 F(L, K*) Y0 F(K, L*) renden Grenzproduktivitäten der optimale Faktoreinsatz eindeutig festgeL* L K K* legt: L*, K*. Guido Henkel 59 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 K Y = Y0 B/R tan α = W/R = w/r K* Isokostengerade α L* B/W L Das nominale Kostenbudget B, das zur gewinnmaximierenden Erstellung von Y0 notwendig ist, beträgt WL*+ RK*. Da beide Erlöskomponenten, p und Y0, vor der Entscheidung über den optimalen Faktoreinsatz gegeben waren, ging es bei der Gewinnmaximierung letztendlich darum, die Kosten zu minimieren, zu denen Y0 erstellt werden kann. Die Optimallösung K*, L* nennt man darum auch Minimalkostenkombination. Beim Verhältnis K*/L* handelt es sich um die optimale Kapitalintensität k*, wobei: k = k(w/r) und dk/d(w/r) > 0 → steigt das Lohn/Zins-Verhältnis, wird Arbeit relativ teurer und die Kapitalintensität steigt; Arbeit wird durch Kapital ersetzt. Guido Henkel 60 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Aus der Optimierung des Arbeitseinsatzes folgt, dass jedem Lohnsatz genau eine gewinnmaximierende Arbeitseinsatzmenge, und damit auch Arbeitsnachfragemenge entspricht. Auf steigende Löhne würde ein Unternehmen – zumindest in diesem, überaus schlichten Basismodell – mit einer Verringerung des Arbeitseinsatzes reagieren: LD = LD(w, …), mit: ∂LD/∂w < 0. Steigenden Löhne müssten steigende Grenzproduktivitäten gegenüberstehen, Letztere wären jedoch nur mit weniger Arbeit zu erzielen. Die menschliche Arbeitskraft ist keine Eisw ÜA creme … – rein technisch, der wirtS L schaftstheoretischen Logik zufolge funkti↓ oniert der Arbeitsmarkt aber zunächst w* ↑ mal ganz ähnlich wie der oben (vgl. Folie LD 27) behandelte Markt für Speiseeis. Selbststudium: Überlegen Sie, wie die Einführung eines Mindestlohns wirken würde! Guido Henkel ÜN L* L 61 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Ist der Arbeitsmarkt bei w* und L* im Gleichgewicht und insofern geräumt, bedeutet das übrigens nicht, dass keine Arbeitslosigkeit herrscht. In dieser vulgärökonomischen, neoklassischen Modellierung des Arbeitsmarkts ist Unterbeschäftigung aber stets freiwillig in dem folgenden Sinne: → Alle Anbieter, die nicht zum Zuge kommen, d. h. zum aktuellen GGLohnsatz keinen Arbeitsplatz haben, sind damit faktisch einverstanden, liegen voll im Plan. Sie möchten zum Lohn von w* gar nicht arbeiten und wären erst bei höheren Arbeitsentgelten bereit, ihre Freizeit zu opfern. Mag sein, dass sie ihre Lage bedauern, sich einen höheren Lohnsatz wünschen würden … – so wie die Dinge liegen, handeln sie jedenfalls optimal, wenn sie darauf verzichten, Arbeit aufzunehmen. → Alle Nachfrager, die im GG nicht zum Zuge kommen, sind umgekehrt nur bereit, Arbeitskräfte zu geringeren Löhnen als w* einzustellen. Beim aktuellen GG-Lohnsatz haben sie für diese zusätzlichen Arbeitskräfte keine kostendeckende Verwendung. Guido Henkel 62 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Wie wäre dann aber unfreiwillige Arbeitslosigkeit zu erklären? Schließlich gibt es in unserem Alltag eine Menge von Arbeitssuchenden, die zu üblichen Marktlöhnen sehr wohl und gerne arbeiten würden, aber de facto nicht eingestellt werden.. Nun, marktliberale Ökonomen würden wohl zunächst einmal betonen, dass der tatsächliche Arbeitsmarkt hierzulande meilenweit davon entfernt sei, den – etwa im Preisnehmerverhalten von Arbeitsanbietern und -nachfragern unterstellten – Bedingungen vollständiger Konkurrenz zu genügen. Wo sich mächtige Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften am Verhandlungstisch gegenübersitzen, kann von „vielen Kleinen auf beiden Marktseiten“ tatsächlich kaum die Rede sein. Hier werden dann u. U. (Tarif-) Verträge zu Lasten Dritter, etwa der Arbeitslosen gemacht. Auch was die Transparenz- und Homogenitätsbedingungen anbelangt, scheint man vom obigen Referenzzustand weit entfernt … Guido Henkel 63 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Da die am Markt gehandelt Arbeit in Wirklichkeit überaus inhomogen, die erbrachte Leistung nur selten ganz gleichartig ist und bspw. mit dem Grad der Schul- oder auch mit der Art der beruflichen Ausbildung variiert, kann es zu qualifikationsspezifischer Arbeitslosigkeit kommen. Der Übernachfrage in einem Bereich (Ingenieure, Controller etc.) steht dann womöglich ein Überangebot (an ungelernten Aushilfskräften) in einem anderen gegenüber. Für ein Phänomen regionalspezifischer AL gilt hier Analoges. Einer weiteren Ausprägung solch einer strukturellen (im Gegensatz zur konjunkturellen, s. u.) Arbeitslosigkeit begegnen wir mit der friktionellen, auch: Übergangs- oder Sucharbeitslosigkeit. Da ein nach Kündigung fälliger Arbeitsplatzwechsel oft Zeit braucht und Anschlussverträge – etwa aufgrund von Marktintransparenzen, eingeschränkter Mobilität etc. – nicht immer sofort und bündig zu Stande kommen, kann es zu einer vorübergehenden, von der Lohnhöhe unabhängigen Arbeitslosigkeit kommen. Guido Henkel 64 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Schließlich sei noch die konjunkturelle, nachfrageseitig bedingte, keynesianische Arbeitslosigkeit angesprochen. Vor dem wirtschaftshistorisch turbulenten Hintergrund der 20er/30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hatte der britische Ökonom J. M. KEYNES theoretisch zur Geltung gebracht, dass selbst ein vollbeschäftigungsadäquater und ggf. auch nach unten flexibler Lohnsatz nicht unbedingt hinreichend wäre, um AL zu vermeiden. Können die produzierten Güter nicht abgesetzt werden, mag Arbeit noch so niedrig entlohnt werden – sie wird dann nicht gebraucht ...! Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass dieses Szenario oben schon implizit berücksichtigt wurde. Wenn Y0 produziert werden soll, dann entscheidet der Lohn (bei geg. p und r, einer Technologie usw.) über das Ausmaß der Arbeitsnachfrage. Im Umkehrschluss gilt: Soll, rezessionsbedingt, weniger produziert werden, wird – bei sonst identischen Konstellationen – weniger Arbeit nachgefragt! Bzgl. der Kapitalnachfrage gilt analog: I = I(…, Y), ∂I/∂Y > 0. Guido Henkel 65 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Damit wären wir nun aber schon weit ins Feld der Makroökonomik vorgerückt. Kümmern wir uns zunächst noch kurz um die mikroökonomischen Haushaltsprobleme, (b) ein gegebenes Einkommen auf Konsum und Ersparnis aufzuteilen, bzw. darum, (c) ein optimales Konsumgüterbündel zusammenzustellen: Ad b) Die Bestimmung der (Konsum-) Nachfrage auf dem Gütermarkt sowie des (Ersparnis-) Angebots am Kapitalmarkt Hat man erst einmal verstanden, wie das typische Anbieter- und Nachfragerverhalten an irgendeinem, etwa am Arbeitsmarkt marginalanalytisch motiviert wird, fällt der Transfer der Kallküle in alle möglichen anderen Märkte nicht sonderlich schwer. Im vorliegenden Falle wird aus dem Zeit- bzw. Kosten- ein Haushaltsbudget, ein Einkommen, das für die Verwendung auf die zwei Nutzen stiftenden Alternativen Konsum und Ersparnis zur Verfügung steht. Guido Henkel 66 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Besagte Ersparnis mag man sich dabei als einen temporären Konsumaufschub vorstellen, so dass die Entscheidung hier zwischen Cheute und Cmorgen bzw. Ct und Ct+1 läuft. Das angesprochene Einkommen wiederum, das zur Aufteilung ansteht, ist das Zwei-Perioden-Einkommen Yt+Yt+1. Berücksichtigt man darüber hinaus die Möglichkeit, seine Ersparnisse zum Zins r anlegen bzw. einen Kredit zu diesem Zins aufnehmen zu können, stellt sich die Sache wie folgt dar: Ct max Der Faktor 1/1+r lässt sich dabei als relativer Preis der Zukunftsgüter interpretieren. Steigt der Zins, senkt das den Preis künftigen Konsums, Gegenwartskonsum wird im Verhältnis teurer → Substitution von Cheute durch Cmorgen Guido Henkel U Yt +Yt+1/(1+r) tan α = 1/1+r Ct* Ct+1* α Ct+1 (1+r)Yt +Yt+1 67 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Die positive Zins- und Einkommensabhängigkeit dieser temporären lässt sich grundsätzlich auch für die permanenten, dem langfristigen Vermögensaufbau, etwa der Altersvorsorge oder als Erbmasse dienenden Ersparnisse postulieren. Zusammenfassend ergibt sich: S = S (r, Y), mit: ∂S/∂r, ∂S/∂Y > 0. Diese Ersparnisse sind aber nun nicht nur temporärer bzw. permanenter Konsumverzicht, sondern auch das Angebot auf dem Kapitalmarkt, dem der Kapitalbedarf investitionswilliger Unternehmen mit I = I (r, Y) (vgl. Folien 59/65) gegenübersteht: r ÜA S (r, Y) ↓ r* ↑ I (r, Y) ÜN I*,S* Guido Henkel I,S Exogene Variationen, eine Erhöhung/Senkung des gegebenen Einkommens Y würde hier grafisch durch eine Rechts-/Linksverschiebung der S- und der I-Kurve angezeigt. Auf jedem Zinsniveau würde nun tendenziell mehr/weniger gespart und investiert. 68 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Ad c) Die Wahl eines optimalen Konsumgüterbündels Woher rührt eigentlich die oben (vgl. Folie 20ff) angesprochene Nachfrage nach Eiscreme, wie wird bspw. der fallende Verlauf der xD-Kurve begründet, wenn man etwas mehr verlangt als bloße Plausibilität? Nun, die zu verschiedenen Preisen am Markt geäußerte Nachfrage nach Eis, wie nach allen anderen Konsumgütern, ist die Lösung eines ökonomischen Optimierungsproblems – was sonst? So viel steht jedenfalls fest: Der Mensch lebt nicht von Eis allein, jedenfalls nicht lange … Gesucht wird demnach eine i. e. S. ausgewogene Ernährung, eine angemessene, präferenzadäquate Verbrauchsstruktur, kurz: jener Konsum-Mix eines Haushalts, der für ein gegebenes Budget B (= Arbeits- + Kapital- + TransferEk – Ersparnis) und gegebene Güterpreise den maximalen Nutzen verspricht. Das heißt in der einfachen Zwei-Güter-Welt: Guido Henkel 69 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Max U (x1, x2) ! u. d. N. p1x1 + p2x2 ≤ B mit: ∂U/∂x1, ∂U/∂x2 > 0 → im relevanten Bereich gilt die Annahme der Nicht-Sättigung: mehr von einem Gut ist – ceteris paribus – besser als weniger ∂2U/∂x12, ∂2U/∂x22 < 0 → 1. GOSSENsches Gesetz: abnehmender Grenznutzen des Güterkonsums U Steigung: ∂U/∂x1 bzw. ∂U/∂x2 U(x1, x2) bzw. U(x1, x2) x2 U2 Indifferenzkurven : Orte identischen Nutzenniveaus U1 x1, x 2 Guido Henkel U3 U1 < U2 < U3 x1 70 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 x2 tan α = p1/p2 B/p2 Umax x2* x1* x2 α Umax B/p1 x1 Umax B/p2 x2* Umax x1* Guido Henkel B/p1 x1 Der bei gegebenem B und gegebenem Preisverhältnis nutzenmaximale Mix ist durch die Nachfragemengen x1* und x2* gekennzeichnet. Verteuert sich Gut 1 im Verhältnis zu Gut 2 wird, normalerweise, substitutiert: weniger von Gut 1, mehr von Gut 2. Die angedeutete Drehung der Budgetgeraden entspricht einer isolierten Preissenkung für Gut 2 (rote Variante). Abhängig von den jeweiligen Präferenzen und somit des Verlaufs der Indifferenzkurven sind aber theoretisch auch anomale Nachfragereaktionen denkbar – siehe die Grafik links unten, wo der Substitutions- durch einen Einkommenseffekt überkompensiert wird. 71 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Ad d) Der Aufbau eines optimalen Vermögensportfolios Auch hier geht es grundsätzlich darum, aus verschiedenen Alternativen die subjektiv und ex ante beste, nutzenmaximierende, mit den jeweiligen Präferenzen eines Haushalts bzw. Wirtschaftssubjektes übereinstimmende auszuwählen. Worin unterscheiden sich die vielen verschiedenen Formen der Vermögenshaltung, welche spezifischen Vor- und Nachteile haben das Bargeld, Sparbücher, Sparbriefe, Aktien, Staats- oder Unternehmensanleihen, Hedge-Fonds-Anteile, Fremdwährungsanlagen, Immobilien, Edelmetalle, Schweinehälften etc.? Diesbezüglich werden dann zumeist drei, mehr oder weniger eng und systematisch korrelierte Momente unterschieden: - Rendite, (Real-/Nominal-) Verzinsung - Risiko - Liquidität Guido Henkel 72 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Das Leben ist kein Ponyhof, there is no free lunch in the world, das Opfer macht den Wert, alles hat seinen Preis – und im betrachteten Fall ist es deswegen so, dass höhere Renditen in aller Regel nur um den Preis eines höheren Risikos und/oder niedrigeren Liquiditätsgrades zu haben sein werden (et vice versa) → trade-off … Was da am Ende für wen, in welcher Lebenslage, mit welchem familiären und sozialen Hintergrund, mit welcher Risikoeinstellung (vgl. Kap. 2, Folie 42ff), Blauäugigkeit, Frustrationstoleranz usw., mit welchem Anlagehorizont, welcher Anlageerfahrung, Anlagesumme usf. am besten sein wird, ist a priori offen. Im optimalen Anlage-Mix gilt jedenfalls das inzwischen wohl schon Selbstverständliche: dass weitere Umschichtungen, Reallokationen, zu Nutzenverlusten führen, die Grenznutzen aller Anlageformen identisch sein würden (: 2. GOSSENsches Gesetz). Und bitte nicht vergessen: Optimieren macht weder reich noch glücklich bzw. genau so reich und glücklich wie es arm und unglücklich macht …! Guido Henkel 73 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 3.3. Finanzwissenschaft und Wirtschaftspolitik Einen der big player auf vielen der bis hierher bereits betrachteten Märkte, einen der ganz großen Arbeitgeber, Produzenten, Konsumenten, Investoren im Lande sollten wir unbedingt näher betrachten: den Staat, die Ökonomik eines Öffentlichen Sektors, des Bundes, der Länder und Kommunen sowie der Sozialversicherungshaushalte. Die besondere Relevanz der Thematik ergibt sich jedoch nicht allein aus der Rolle, die dem Staat als bloßem, wenngleich oft sehr großem Marktteilnehmer zukommt. Er spielt ja nicht einfach nur mit, sondern setzt auf der anderen Seite die Regeln, nach denen gespielt wird, bändigt und gestaltet ein ansonsten freies Spiel der Kräfte. Er reguliert die Märkte, versucht drohendem Marktversagen prophylaktisch entgegen zu wirken und kompensiert Schäden, unerwünschte Nebenwirkungen des privaten Vorteilsstrebens, korrigiert Marktergebnisse. Guido Henkel 74 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Ein sog. 1. Hauptsatz der Wohlfahrtsökonomik besagt: Das sich selbst überlassene marktwirtschaftliche Konkurrenzgeschehen führt zu pareto-effizienten Zuständen. Jemanden besser zu stellen, wäre jetzt nurmehr möglich, wenn mindestens ein anderer schlechter gestellt werden würde. Alle Produktionsfaktoren wären hier optimal alloziert, würden dort eingesetzt, wo zu niedrigsten Kosten produziert, der maximale Output hergestellt werden kann. Alle Güter wären über den Absatzmarkt letztendlich dort angelangt, wo sie den größten Nutzen stiften. Friede, Freude, Eierkuchen, alles bestens – oder? Ein solcher Zustand umfassender Allokationseffizienz hätte tatsächlich seinen Reiz. Bildlich gesprochen, hätte man hier – gegeben die vorhandenen Ressourcen, Technologien, Präferenzen usw. – den größtmöglichen Kuchen gebacken und unter die Leute gebracht, kein einziges Gramm der Zutaten verschwendet und jeden exakt mit der Menge versorgt, die er zum Marktpreis möchte … Guido Henkel 75 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Aber: Dieser schöne große Kuchen wäre jetzt u. U. sehr ungleich (ungerecht ...?) über die einzelnen Wirtschaftssubjekte verteilt. Das – nach einem italienischen, 1848 geborenen Sozialwissenschaftler (u. a. Begründer der ordinalen Nutzentheorie, s. o.) benannte – PARETO-Kriterium ignoriert nämlich Verteilungsaspekte und würde einen effizienten Zustand, bei dem am Ende einer alles und alle anderen nichts bekämen, genauso bewerten wie jenen, bei dem jeder gleichviel hätte. Um es kurz zu machen: Im Hinblick auf das Wohl der Gesamtgesellschaft, das politische, ebenso hehre wie zunächst abstrakte Ziel einer Wohlfahrtsmaximierung vor Augen, könnte es durchaus angezeigt sein, die am Markt erzielte Verteilung zu korrigieren, den Kuchen umzuverteilen – und dies sogar dann, wenn das zu Effizienzverlusten führen, der zu verteilende Kuchen dadurch etwas kleiner ausfallen würde! Um nur je eine von zahllosen Maßnahmen auf Ein- und Ausgabenseite zu nennen: progr. EkSt-Tarif, ALG II … Guido Henkel 76 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Dem Gros der Ökonomen, überzeugten Marktwirtschaftlern, kommen da allerdings leichte Bedenken, sie beschleichen leise Zweifel. Diese beziehen sich – anders lautenden Gerüchten zum Trotz – weniger darauf, dass Ökonomen besonders hartherzig, leistungsorientiert oder mal ganz prinzipiell, aus ideologischen Gründen dagegen wären, die Wohlfahrt und Stabilität des Gemeinwesens u. a. dadurch zu stärken, dass in gewissem Ausmaß umverteilt, Benachteiligten geholfen würde. Eine Ökonomische Theorie der Politik gibt hier vielmehr Anlass zu der Vermutung, dass es außer solch selbstlosen, sozial-karitativen auch weniger staatstragende und ehrenwerte Absichten von Politikern – Menschen wie Du und ich – geben könnte. Zumindest besteht die Gefahr, dass da – wie bei jedem von uns – auch rein egoistische Motive eine Rolle spielen: der Auf- und Ausbau persönlicher Privilegien, ein autoritärer Wille zur Macht, zum unbedingten Machterhalt ... Politiker, so die Theorie, wollen gewählt werden, betreiben im einfachsten Falle Wählerstimmenmaximierung. Es wäre somit ein besonderer Vorzug, geradezu eine List der Demokratie (KIRSCH), wenn über diesen Weg das Wähler- auf das Interesse der Gewählten durchschlage – nur ... Guido Henkel 77 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Dass das realiter so einfach nicht funktioniert, liegt auf der Hand. Wenn nur alle vier Jahre gewählt wird, wenn neben Direkt- auch parteigebundene Listenmandate vergeben, statt einzelner Sachfragen ganze Parteiprogramme zur Wahl gestellt werden, auf einen Abgeordneten Tausende kommen, die repräsentiert werden wollen usw., lockert sich der o. g. Zusammenhang merklich. Vom Idealfall einer unverfälschten, verlustfreien Interessenvertretung kann jedenfalls keine Rede mehr sein. Und selbst wenn es sie gäbe, wäre das Land eben nur so moralisch, wie es seine Bürger wären. Wie viel sozialen Ausgleich dies am Ende bedeutete, mag sich jeder selbst ausmalen … So aber, in der real existierenden parlamentarischen Demokratie hat man ja jetzt die Politiker, auf die man die Schuld an der sozialen Kälte in unsrer Gesellschaft und alle soziale Verantwortung abwälzen kann … Hinzu kommt, dass ja nicht jedermanns Interesse gleich gut artikulierbar und organisierbar ist. Gegen gut positionierte Lobbyisten, die homogenen Partikularinteressen weniger Großer, haben der kleine Mann und die Schwächsten in einer Gesellschaft, denen die Umverteilungsbemühungen eigentlich dienen müssten, oftmals schlechte Chancen. Guido Henkel 78 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Wenn Ökonomen manchmal skeptisch sind, was den umverteilenden Staat anbetrifft, liegt das also eher an den konkreten Mechanismen der politischen Willensbildung und Machtausübung als an der durchaus vorhandenen Einsicht, dass die Legitimität und Funktionsfähigkeit von Marktwirtschaften auch durch das Mittel der Redistribution zu sichern sein wird. Bezüglich der Sozialverträglichkeit, ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz, hat die marktwirtschaftliche Alternative Schwachstellen und würde sich möglicherweise selbst untergraben. Der Markt als solcher kümmert sich um Bedürftige nur, wo deren Bedürftigkeit durch Leistungs- und durch Zahlungsfähigkeit, als Kreditwürdigkeit etc. zu einem marktgerechten Ausdruck gelangt. Wer da – warum auch immer, ob schuldlos oder selbst verschuldet – nichts zu bieten hat, wird zu den Verlierern gehören. Wer nichts mehr zu verlieren hat, wird schließlich dazu neigen, dieses System, das ihm offenbar keinerlei Chancen gibt, vom Wohlstand und der Selbstentfaltung auszuschließen scheint, in Frage zu stellen, es in Gedanken, Worten und vielleicht auch Werken zu negieren ... Der Kitt der Gesellschaft bekommt langsam Risse, the cement of society erodes ... Guido Henkel 79 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Zu viel Gleichheit lähmt die ökonomische Dynamik, vernichtet Leistungsanreize, verzerrt z. B. die Arbeitszeit-/Freizeit-Entscheidung (s. o.), leitet Ressourcen fehl und ignoriert zudem Gebote vertikaler Gerechtigkeit. Zu starke Ungleichheit führt zu sozialen Spannungen, Verwerfungen, spaltet Gesellschaften, polarisiert, gefährdet den inneren Frieden (→ David/Goliath-Problematik ...). Das in den 50er/60er Jahren entwickelte Leitbild der sozialen Marktwirtschaft (→ Erhard, Eucken, Müller-Armack u. a.; integriert Elemente des Ordoliberalismus und der Christlichen Sozialehre) versucht das rechte Maß, einen Dritten, zwischen Kommunismus/Sozialismus und (sog. Manchester-) Kapitalismus liegenden Weg zu gehen. Auf diesem Weg soll Wohlstand für alle organisiert werden, ohne zu viel von der durch den Markt, vom Konkurrenzund Preismechanismus gewährleisteten allokativen und dynamischen Effizienz einzubüßen. Guido Henkel 80 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Nach MUSGRAVE ist der moderne Interventionsstaat dazu da, ... die grundlegenden, konstitutiven Aufgaben des Nachtwächterstaates (F. LASSALLE) zu übernehmen: Sicherung privater, insbes. von Freiheits- und Eigentumsrechten, die Gewährleistung innerer und äußerer Sicherheit, die hoheitliche Ausübung eines Währungsmonopols ... – R. NOZICK: „Minimalstaat“ Bereitstellung weiterer, über diese Minimalversorgung hinaus gehender öffentlicher Güter – Begründung: Marktversagen ... → Allokationsfunktion eine politisch gewünschte Sekundärverteilung zu realisieren → Distributionsfunktion (s. o.) konjunkturelle Schwankungen zu glätten → Stabilisierungsfunktion (s. u.) Guido Henkel 81 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 3.4. Makroökonomik und Stabilitätspolitik Als der Kronzeuge für diese Stabilisierungsfunktion des modernen Interventionsstaats ist JOHN MAYNARD KEYNES zu benennen. Seine Lehren stehen dem (neo-) klassischen, marktliberalen, von den Verfechtern einer supply side economics bis heute bzw. heute wieder verfochtenen Credo des laissez-faire größtenteils diametral gegenüber. Zentrale Ergebnisse orthodoxer Doktrinen, insbes. die Konstellation eines ewigen, immer währenden Vollbeschäftigungsgleichgewichts auf dem Gütermarkt (s. u.), werden von ihm zu Randlösungen, theoretisch möglichen, aber realiter seltenen Glücksfällen degradiert: „The effective demand associated with full employment is a special case, only realised when […].“ Vor allem sein – oft erwähntes und (viel zu) wenig gelesenes – Hauptwerk, The General Theory of Employment, Interest, and Money (1936), versetzte dem vorkeynesianischen Theoriegebäude einen erschütternden, an den Grundmauern rüttelnden Stoß. Guido Henkel 82 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Vor dem wirtschaftsgeschichtlichen Hintergrund, den empirischen Gegebenheiten der Great Depression argumentierend, verlief die von KEYNES gerittene Attacke gegen die Orthodoxie seiner Zeit in einer Art Zangenbewegung, d. h. über zwei, sich am Ende vereinende Flanken: → Stabilitätspessimismus → Interventionsoptimismus Schaute man seinerzeit vor die Tür, auf die Börsen, den Arbeits- oder Wochenmarkt, musste der Glaube an eine inhärente Stabilität der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, an die unbedingte Wirksamkeit der Selbstheilungskräfte privatwirtschaftlich operierender Märkte gehörig ins Wanken geraten. Und selbst wenn der Markt langfristig wieder ins Gleichgewicht käme, die Vollbeschäftigung wieder hergestellt wäre – herrschen im Übergang nicht doch ganz unerträgliche Zustände? Außerdem: Wie lang ist diese lange Frist eigentlich, dauert sie (den Politikern und ihren Wählern) nicht viel zu lange? KEYNES berühmte Antwort ist unmissverständlich: I n the long run w e are all dead ... Guido Henkel 83 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Sein Stabilitätspessimismus begründet insofern die Notwendigkeit, sein Interventionsoptimismus die Möglichkeit einer erfolgreichen, vollbeschäftigungsorientierten, antizyklisch agierenden Geld- und Fiskalpolitik. Doch schauen wir uns das Theorieangebot der vorkeynesianischen Ökonomen zunächst einmal etwas genauer an: Ausgangslage: - Auf dem gesamtwirtschaftlichen Arbeitsmarkt (vgl. oben Folie 61) liege ein GG vor. Zum markträumenden Lohnsatz w* wird die Arbeitsmenge L* beschäftigt. Zum herrschenden Lohnsatz ist jeder beschäftigt, der einen Arbeitsplatz und nicht freiwillig arbeitslos bleiben möchte. - Auf dem Kapitalmarkt (Folie 68) gilt analog: Investition und Ersparnis stimmen beim Zins r* überein, I*=S*. Mit dem gleichgewichtigen Investitionsvolumen ist hier auch der optimale Kapitalstock bestimmt, da K*= Kt + I* (59). Guido Henkel 84 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 - Über den produktionsfunktionalen Zusammenhang ergibt sich sodann der GG-Output nach: F (L*, K*) = Y* Bei dieser Ausbringungsmenge handelt es Y sich nun zunächst einmal um das von den Y* F(L, K*) Unternehmen offerierte Güterangebot YS. Ob ein GG auf dem Gütermarkt herrscht, alle angebotenen Waren und DienstleistunL* L gen einen Nachfrager finden, hängt – bei gegebenem Output – von der effektiven Nachfrage YD ab ... Vor KEYNES vertraute man hier auf die Gültigkeit des SAYschen Gesetzes: Jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage … Denn schließlich biete niemand an, der nicht zumindest langfristig – jener NichtSättigung der Bedürfnisse entsprechend, von der ja schon mehrfach die Rede war – in wertmäßig gleicher Höhe nachzufragen gedenke. Oder? Was in (Natural-) Tausch- und Bestands- trivial ist, muss in Geld- und Produktionswirtschaften längst nicht selbstverständlich sein! Guido Henkel 85 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Hier ist auf das oben (82) angeführte Zitat zurückzukommen: „The effective demand associated with full employment is a special case, only realised when […]“ – Vollbeschäftigung gibt es bei KEYNES nämlich nur, wenn eine spezifische Konstellation, eine glückliche, ganz und gar zufällige Fügung („by accident or design“) dergestalt vorläge, dass die Nachfrage nach Investitionsgütern hinreichend groß, exakt so dimensioniert wäre, dass sie den Nachfrageausfall zu kompensieren vermöchte, den die Ersparnis darstellt: I (r*, Y*) = S (r*, Y*) Für den Fall I > S überstiege die Nachfrage das Angebot mit der vermeintlichen Folge, dass Zins- und Preiserhöhungstendenzen einsetzen würden → inflatorische (Angebots-) Lücke: YD > YS Bei I < S wäre der Nachfrageausfall, den die Ersparnis insofern darstellt, als hier ja ein Teil des verfügbaren Einkommens der Haushalte nicht in den Konsum fließt, durch die Investitionsgüternachfrage nicht vollends gedeckt. Zins- und Preissenkungstendenzen wären in diesem Fall zu erwarten → deflatorische (Nachfrage-) Lücke: YS > YD Guido Henkel 86 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 KEYNES und ihm nachfolgend die sog. Keynesians unterschiedlichster Schulen und Schattierungen führen nun mehr oder weniger schlagende Argumente dafür an, ... 1. … warum die oben angedeuteten Zins-, Preis- und sonstigen Anpassungsmechanismen im Falle der ungleichgewichtigen Situationen ausbleiben oder gar zusätzlich destabilisierend wirken könnten. 2. … warum gleichgewichtsadäquate Anpassungsmechanismen zwar möglicherweise ins GG führen, jener besondere Fall eines Vollbeschäftigungsgleichgewichts aber um keinen Deut wahrscheinlicher wäre als jeder andere auch. Dass am Ende des Liedes ausgerechnet Y* erreicht werde, sei durch nichts gesichert – im Gegenteil ... Um hier nur ein einziges Beispiel zu nennen: Bei I < S mag der Zins vielleicht sinken – was aber, wenn die Investitionsnachfrage auf sinkende Zinsen gar nicht oder nur schwach reagierte, stark unterausgelastete Kapazitäten und pessimistische Absatzerwartungen dazu führten, dass r↓ weitgehend folgenlos bliebe? Guido Henkel 87 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 r S (r, Y0) ↓ r0 I (Y0) I,S I0, S0 w LD LS w* w0 L0 L* Guido Henkel L Zinssenkungen würden hier zwar ins GG führen, so dass I = S gelten würde, am Gütermarkt also auch YS = YD (:= C + I). Die depressive Wirtschaftslage und anhaltende Absatzkrise seiner Zeit vor Augen, lag es für KEYNES allerdings auf der Hand, dass es sich hier um ein GG bei Unterbeschäftigung handeln würde, mit: Y0 < Y*. Was aus dieser Investitionsfalle herausführen würde? Eine Aufhellung der Stimmung, verbesserte Absatzerwartungen, Aufträge des Staates … Doch dazu später mehr. Auf dem Arbeitsmarkt heißt das zunächst analog, dass die Unternehmen – wie tief der Lohnsatz auch fiele – nicht mehr Arbeitskräfte nachfragen würden, als zur Produktion von Y0 = F (L0, K0) erforderlich wäre. 88 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Eine alternative Darstellung liefert das 45o-Diagramm: In den keynesianisch relevanten, d. h. tendenziell rezessiven Konjunkturlagen ist SAY‘s law auf den Kopf gestellt; die sog. kürzere steuert die längere Marktseite, die Nachfrage (: YD = C + I) bestimmt das Angebot (YS = Y). Was nachgefragt wird, wird produziert und angeboten – es gibt noch genügend unausgelastete Kapazitäten. Das GGEinkommen Y0 liegt dabei typischerweise links vom VB-Einkommen. Bei Y* liegt die Nachfrage unterhalb des Angebots (→ deflatorische Lücke), d. h. die Ersparnisse (Konsumverzicht, Nachfrageausfall!) wären hier um den Betrag DL größer als I. Guido Henkel YS, YD 45o-Linie: YS = Y Y* S(Y*) C(Y*) DL C + I = YD I C (Y) I Y0 Y* Y hier: C = C(Y) = Cfix + cY, mit: Cfix > 0 → autonomer Konsum: C(Y=0) 0 < c < 1 → marginale Konsumneigung: dC/dY Im GG gilt YD= YS, d. h.: Cfix + cY + I = Y Y = (Cfix + I) / (1 – c) hier: Unterbeschäftigungs-GG mit Y = Y0 89 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Das Makro-System ist bei Y0 im GG, es herrscht unfreiwillige, durch Lohnzugeständnisse nicht zu behebende Arbeitslosigkeit. Was tun? Das KEYNESsche Patentrezept für solche Fälle: staatliche Interventionen zur Stabilisierung des konjunkturellen Abschwungs, deficit spending! By accident or design, hatte KEYNES getextet (s. o.), würde sich ein VB-GG realisieren lassen. Hier wird er jetzt zum Designer, zu einem stabilitätspolitisch aktiven Gestalter, der Zufall und Glück etwas nachhelfen möchte ... Grundsätzlich gibt es jetzt mehrere Wege, der in der Rezession verharrenden bzw. immer tiefer abrutschenden Privatwirtschaft aus der Krise zu helfen: Staatliche Förderprogramme zur Belebung der privaten I- oder CNachfrage: Investitionsbeihilfen, Abschreibungserleichterungen, Subventionen aller Art etc. Antizyklische, im Falle der Rezession also expansive Geldpolitik, die insbes. über Zinssenkungen die I-Nachfrage beleben könnte. Guido Henkel 90 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Im Szenario einer Investitionsfalle hilft eine Zinssenkung aber nicht weiter (vgl. Folie 87). Hier muss die expansive Fiskalpolitik ran: Direkte und dauerhafte Erhöhung der (bislang vernachlässigten) Staatsausgaben G. In einer (geschlossenen) Volkswirtschaft stellt sich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage bei expliziter Berücksichtigung von Staatsausgaben wie folgt dar: YD = C + I + G. Im status quo ante könnte das rezessive, bei Y0 angelangte KrisenSzenario zunächst wie rechts abgebildet (schwarzer Zustand) aussehen. Eine Erhöhung der Staatsausgaben um ∆G würde die Wirtschaft hier auf das VB-Niveau bringen. Es scheint, als sei ∆Y > ∆G ... Korrekt! Die endgültige Wirkung auf das GGEinkommen ist um ein Vielfaches größer als die ursprüngliche Ausweitung der Staatsnachfrage → Multiplikatorwirkung Guido Henkel YS, YD C + I + G + ∆G C+I+G ∆G Y0 Y* Y ∆Y Im GG gilt (s. o.): Y = (Cfix + I + G) / (1 – c) Wie wirkt eine (marginale) Erhöhung von G auf Y? dY/dG = 1/(1 – c) > 1 ! 91 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Diese Multiplikaktorwirkung ist übrigens am stärksten, wenn ∆G schuldfinanziert wird – deshalb: deficit spending ... Aber auch Staatsausgabenerhöhungen, die über höhere Steuern realisiert werden würden, hätten hier expansive Effekte! Wie das denn sein kann? Wäre das nicht linke Tasche/rechte Tasche, weniger Nachfrage bei den Privaten, höhere durch den Staat? Der positive Nettoeffekt auf die Gesamtnachfrage rührt daher, dass die erhöhten (Einkommen-) Steuern sowohl den Konsum als auch die Ersparnis der Haushalte belasten würden. Wenn der Staat aber die Ersparnisse (= Nachfrageausfall) reduziert und in zusätzliche Staatsnachfrage verwandelt, kommt am Ende insges. mehr Nachfrage auf den Markt. Zu berücksichtigen wäre dann allerdings noch, was auch im Falle der Kreditfinanzierung zu beachten wäre: ein mögliches crow ding out , das Verdrängen von privaten Investoren am Kapitalmarkt ... Am Ende der Betrachtungen gehört auch wieder etwas Wasser in den Wein des keynesianischen Optimismus: Was oben für die Maßnahmen der Umverteilung galt, : eine profunde Skepsis bezüglich der Kompetenzen und des selbstlosen Gestaltungswillens von Politikern, gilt auch für die Stabilitätspolitik! An die Rückführung der in Krisenzeiten aufgebauten Staatsdefizite z. B. hat offenbar niemand gedacht ... Guido Henkel 92 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Solch eine Skepsis schlägt schließlich in Selbstzweifel um, wo man die Berücksichtigung eines zweiten Momentes der wirtschaftpolitischen Stabilisierung einer weitgehend autonomen, weisungsunabhängigen Exekutiv-Instanz, der Europäischen Zentralbank überlässt. In einschlägigen Statuten wird diese EZB vornehmlich darauf verpflichtet, Preis(niveau)stabilität zur gewährleisten. Über Instrumentarien der Zins- und/oder Geldmengenpolitik, aber auch über moral suasion und andere Mittel zur Pflege der Stabilitätskultur soll der mutmaßlich wichtigste Quell unsres Wohlstands, die Arbeitsteilung, und also die Funktionsfähigkeit unsres Geldund Kreditwesens gestärkt werden. Denn ohne Geld als ein geltendes, umfassend akzeptiertes Zahlungs-, Wertaufbewahrungs- und Rechenmittel ist jede tiefer reichende Spezialisierung undenkbar. Wie wird der Erfolg dieser Maßnahmen gemessen? Nun, letztendlich daran, wie stabil oder instabil sich sog. Preisindizes im Zeitablauf entwickeln, in welchem Ausmaß verschiedene, repräsentative, die jeweiligen Verbrauchs- oder Kaufgewohnheiten einer beobachteten Grundgesamtheit von Wirtschaftseinheiten spiegelnde Warenkörbe in- oder deflationieren. Stellvertretend erwähnt sei allein der – zur Familie der LASPEYRES-Indizes zählende – harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI): ∑ neue Preise x alte Mengen ∑ alte Preise x alte Mengen Guido Henkel „alt“: Preise bzw. Mengen eines Basisjahres „neu“: Preise bzw. Mengen eines Berichtsjahres 93 Grundlagen der WiWi – Sommersemester 2012 Die (Jahres-) Inflationsrate für diesen Warenkorb ergibt sich dann als das Verhältnis zweier Indexwerte, genauer: HVPI 2010 - 1 x 100 HVPI 2009 Läge ein HVPI-Wert 2009 z. B. bei 1,05 (: 5%-ige Preissteigerung gegenüber dem Basisjahr), der HVPI 2010 bei 1,1 (: 10%-ige Preissteigerung gegenüber dem Basisjahr), ergäbe sich hier ein 4,76%-iger Preisanstieg von 2009 auf 2010: [(1,1/1,05) – 1] x 100. Vollbeschäftigung, möglichst schwankungsarme, weitgehend preisstabile Aufwärtsbewegung ... – sonst noch was? Der Zielkatalog des magischen Vierecks (vgl. §1 StabG, 1967): „hoher Beschäftigungsstand“ „Stabilität des Preisniveaus“ „stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum“ „außenwirtschaftliches Gleichgewicht“ Wieso magisch? Zielkonflikte ...! Guido Henkel 94