Ratgeber: Kleine und große Kaninchen tiergerecht halten

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Ratgeber: Kleine und große Kaninchen tiergerecht
halten
Kaninchen – falsch verstandene Heimtiere
Neben Hund und Katze zählen bei uns Kleinsäuger wie das Kaninchen, fälschlich auch oft „(Zwerg-) Hase“
genannt, zu den beliebtesten Heimtieren. Insbesondere, wenn Kinder sich ein Tier wünschen, fällt die Wahl
der Eltern nicht selten auf ein „kleines“ Tier. Meerschweinchen und Kaninchen werden häufig angeschafft,
weil sie als anspruchslos und pflegeleicht gelten. Aber das fehlende Wissen über die individuellen
Ansprüche bzw. das natürliche Leben dieser Tiere in Freiheit führen in 90 Prozent der Fälle zu schweren
Haltungsfehlern. Kaninchen sind – wie alle Tiere – bei der Haltung in Gefangenschaft vollkommen auf den
Menschen angewiesen. Der Unterschied ist aber, dass Kleinsäuger wie das Kaninchen nur geringe
Möglichkeiten haben, ihr Unbehagen gegenüber dem Menschen auszudrücken. Somit entsteht oft der
Eindruck, dass es den Tieren gut geht, obwohl sie leiden – wenn auch stumm. In dieser Broschüre richten wir
uns an Kaninchenhalter und solche, die mit dem Gedanken spielen, es zu werden und räumen mit weit
verbreiteten Irrtümern und falschen Informationen rund um das Thema Kaninchenhaltung auf.
Das natürliche Leben eines Wildkaninchens
Das Wildkaninchen ist die Stammform aller Kaninchenrassen. Da das Haus- oder Zwergkaninchen alle
ursprünglichen Verhaltensweisen in sich trägt, muss zum besseren Verständnis des Heimtiers die
Lebensweise seiner wilden Verwandten betrachtet werden. Die Heimat des Wildkaninchens ist das
südwestliche Europa, wo es in Familien bzw. Kolonien mit strengen Hierarchien ein Revier bewohnt. Große
Bedeutung im Leben eines Wildkaninchens hat der Bau eines weit verzweigten Röhrensystems, das der
Aufzucht der Jungen und dem Schutz vor Feinden dient.
Sehr oft werden die Begriffe „Kaninchen“ und „Hase“ verwechselt. „Hasen“ kommen jedoch ausschließlich
wildlebend vor und können nicht in Gefangenschaft gehalten werden. Die als Heimtiere gehaltenen Tiere
sind immer Kaninchen in verschiedenen Farbschlägen, Größen und Rassen. Das Kaninchen zählt in
biologischer Hinsicht zur Gruppe der Hasenartigen, nicht jedoch zu den Nagetieren, wie fälschlich
angenommen. Vom Einzelgänger Hase unterscheidet sich das Kaninchen vor allem durch das sehr stark
ausgeprägte Sozialverhalten das für ein Familienleben in großen Kolonien nötig ist.
Notwendige Überlegungen vor der Anschaffung
Kleinsäuger sind schnell angeschafft. Diese Entscheidung wird in der Regel leider viel gedankenloser
getroffen, als die Anschaffung eines Hundes oder einer Katze. Doch die tiergerechte Haltung von (lt.
Gesetz) mehreren Kleinsäugern der gleichen Art ist nicht weniger aufwändig, als die eines anderen Tieres.
Folgende Überlegungen sollten bei der Anschaffung im Vordergrund stehen:
Stand: August 2011
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•
Familiensituation: Tiere sollte man niemals nur auf Wunsch der Kinder anschaffen, denn die erste
Begeisterung ist fast immer nur von kurzer Dauer. Hinzu kommt, dass Kaninchen von Natur aus
Fluchttiere sind und sich nur ungern anfassen, hochheben oder festhalten lassen Da Kaninchen
eine Lebenserwartung von bis zu zwölf Jahren haben, muss deren Versorgung für lange Zeit
vorausgeplant werden. Weiter ist zu bedenken, dass sich die extrem feinen Haare dieser Tiere (weit
schlimmer als z.B. Katzenhaare) gerne wie Schleier über Wimpern, Polstermöbel und Stoffe legen
oder in Wölkchen durch die Wohnung fliegen,
•
Wohnsituation: Können Sie den Tieren eine Umgebung bieten, die ihren Bedürfnissen entspricht?
Um Kaninchen tiergerecht zu halten, müssen Sie zumindest zwei Kaninchen aufnehmen und ihnen
einen großen, gut strukturierten Lebensraum (am besten ein ein- und ausbruchssicheres
Freigehege im Garten) bieten. Die Pflege der Tiere ist sehr zeit- und arbeitsaufwendig.
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Allergien: Gibt es Allergien in der Familie, die eine Tierhaltung ausschließen würden? Bei einer
Kleintierhaltung muss auch die Verwendung von Stroh, Heu und sonstigem Einstreu bedacht
werden, die allergische Reaktionen hervorrufen können.
•
Finanzielle Belastung: Tierhaltung ist immer mit Kosten verbunden wie z. B. für Futter, Tierarzt,
(regelmäßiges Kürzen der Krallen und Zähne, Impfungen), die Errichtung eines Geheges und die
Versorgung der Tiere während der Urlaubszeit.
Woher kommen die Kaninchen?
Vom Kauf eines Tieres in einer Tierhandlung muss aus Tierschutzsicht grundsätzlich abgeraten werden. Die
Tiere werden aus reiner Geschäftemacherei gezüchtet, wobei Krankheiten und Verhaltensstörungen durch
die frühe Trennung von der Mutter, durch Inzucht und schlechte Haltungsbedingungen in der Tierhandlung
zum Alltag gehören. Da die Anschaffung von Kaninchen sehr oft unüberlegt passiert und sich die Tiere sehr
schnell vermehren, landen viele Kaninchen im Tierheim oder in Tierschutzvereinen mit Pflegestellen. Diesen
Tieren ein neues Zuhause zu geben, ist mit Sicherheit die beste Art, sich Kaninchen anzuschaffen.
Vorteilhaft ist: die Tiere im Tierheim sind schon aneinander gewöhnt sind und die Männchen („Rammler“)
meist schon kastriert.
Grundbedürfnisse
Kaninchen sind soziale Tiere, die in der Natur in Kolonien zusammenleben und Höhlen graben. Folglich
können diese Tiere nicht problemlos als Heimtiere gehalten werden, da die Erfüllung ihrer
Grundbedürfnisse mit viel Aufwand verbunden ist.
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Bedürfnis nach Sozialkontakt: Kaninchen leben in der Gruppe mit einer festen Rangordnung und
intensivem Körperkontakt zu Artgenossen.
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Bedürfnis nach Bewegung: Kaninchen brauchen neben einem ausreichend großen Lebensraum
die Möglichkeit zum Nagen, Graben, Rückzug, Verstecken, Hoppeln sowie viel Abwechslung.
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Sippentier
Für ein Kaninchen gibt es nichts Schlimmeres, als ein Leben in Einsamkeit zu verbringen. Selbst wenn der
Tierhalter sich intensiv mit dem Tier beschäftigt, wird er niemals einen Artgenossen ersetzen können –
genauso wenig wie ein artfremdes Tier (z. B. ein Meerschweinchen) dies kann. Sehr wichtig für das
Wohlbefinden des Tieres ist nämlich der Körper- und Sozialkontakt zu anderen Kaninchen. Die zweifelhafte
Rechtfertigung vieler Tierhalter, dass ein Tier in Einzelhaltung schneller zahm wird, hat mit Tierliebe nichts
zu tun. Die Beziehung zum Menschen ist unfreiwillig und für ein Sippentier wie das Kaninchen ungeeignet
und nicht tiergerecht. Damit ein Kaninchen sein Bedürfnis nach Sozialkontakt ausleben kann, muss es in
einer Gruppe von mindestens zwei Kaninchen leben.
Bewegungs- und Fluchttier
Um dem angeborenen Drang der Tiere nach Bewegung, Nagen, Graben und Verstecken nachzukommen,
muss den Tieren genügend Platz geboten werden. Dafür eignet sich im Grunde nur ein (Marder- und
Greifvogel-) sicheres Gehege im Freien.
Die Gestaltung des Lebensraums
„Um Kaninchen artgerecht halten zu können, müssen wir uns an ihrer ursprünglichen Lebensweise
orientieren und ein Stück naturnahen Lebensraum nachbilden.“ Ruth Morgenegg
Die Haltung im Freigehege
Wenn man sich für die Anschaffung von Kaninchen entscheidet, kommt aus Tierschutzsicht nur die Haltung
im abgesicherten Freigehege in Frage. Diese entspricht am ehesten der natürlichen Lebensweise dieser
Tiere. Eine ganzjährige Außenhaltung in einem fest abgegrenzten Lebensraum ist für Kaninchen optimal.
Wind und Wetter machen ihnen – bei entsprechender Gestaltung des Geheges und Eingewöhnungszeit –
nichts aus. Im Gegenteil: Die Tiere genießen jede Witterung, und auch Temperaturen unter Null sind für sie
unproblematisch. Wichtig ist, dass sich die Kaninchen schon im Frühsommer im Freien das notwendige Fell
zulegen konnten, bevor man sie den winterlichen Temperaturen aussetzt. Die im Handel erhältlichen
Gehege sind zu klein und für eine ständige Haltung im Freien ungeeignet. Mit ein wenig handwerklicher
Begabung können Sie aber aus Holzlatten und einem engmaschigen Volierendraht ein geeignetes Gehege
bauen. Dass das Zeit und Geld kostet, muss jedem vor Anschaffung der Tiere bewusst sein. Je besser das
Gehege aber geplant ist, desto leichter fällt die spätere Pflege der Tiere bzw. die Reinigung. Es bietet sich
an, wenn man ein Gehege für Kaninchen baut, dieses ganzjährig (nicht nur als Sommergehege) zu nützen,
da sich die Tiere im gemäßigten Klima wesentlich wohler fühlen als bei Zimmertemperatur. Selbst 20°C
unter Null sind für Kaninchen eigentlich kein Problem, wenn die Haltung entsprechend ist!
Man sollte daher Kaninchen im Winter keinesfalls plötzlich (etwa aus Mitleid) ins Zimmer hereinholen, da
dann schwerwiegende Kreislaufprobleme drohen und besonders kranke und schwache Tiere das oft nicht
überleben.
ACHTUNG: Wichtig ist daher, einen geeigneten Platz für Notfälle vorzusehen: falls ein Tier krank wird und
(vorübergehend mit einem verträglichen Partner) ausgesondert werden muss, um es besser versorgen zu
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können, sollte man sich schon im vorhinein überlegen ob man die ungeheizte Garage, den Vorraum etc.
abteilen und für einige Wochen als (sicheres) Ausweichgehege nutzen kann.
Wichtige Punkte zur Planung eines Geheges.
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Standort: nahe beim Haus (Sichtkontakt)
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Größe: Der Grundsatz lautet „Je größer desto besser!“ Für zwei bis drei Tiere sollten Sie von einem
Mindestmaß von 6 - 10 m² Fläche ausgehen. Zudem muss den Tieren eine wetterfeste und isolierte
Schutzhütte zur Verfügung gestellt werden.
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Ausbruch und Einbruch: Da Kaninchen begeistert graben, muss der Zaun jedenfalls tief in die Erde
eingelassen sein und über ein breites Betonfundament verfügen. Oder man belegt die Grundfläche
des Geheges in etwa 50 - 80 cm Tiefe mit engmaschigem Volierenzaun , „vernäht“ die Kanten am
Rand, sichert den Untergrund ab (damit die Pfötchen nicht hängenbleiben können) und schüttet
dann erst wieder den Erdboden auf.
Gegen das Eindringen von Katzen oder Greifvögeln muss auch an einen Schutz von oben gedacht
werden.
•
Pflege: Für eine optimale Pflege der Tiere und Säuberung des Geheges muss das Gelände leicht
begehbar sein. Wichtig ist dabei auch eine angenehme Höhe, damit der Tierhalter aufrecht gehen
und sich mit Arbeitsgeräten bewegen kann.
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Witterung: Das Abdecken des Futterbereiches und eine Schutzhütte gegen Hitze- und
Kälteeinwirkung sind unabdingbar. Die meisten Kaninchen beginnen im Freien bald mit dem
Graben von Höhlen. Trotzdem muss jedes Tier die Möglichkeit haben, in wetterfesten, isolierten
Hütten mit Einstreu, Stroh und Heu Schutz vor dem Wetter zu finden. Die Hütte(n) sollte(n) Platz
für mehrere Tiere bieten und mindestens zwei Ausgänge haben, damit rangniedrige Tiere nicht in
die Enge getrieben werden können. Selbstverständlich sollte jedes Tier Platz in einer solchen Hütte
finden, ansonsten ist es nötig, weitere Hütten aufzustellen.
•
Futter und Wasser bei Außenhaltung: Frisches Wasser soll in mehreren Gefäßen, die nicht kippen
können, für jedes Tier erreichbar sein. Gerade im Winter muss man die praktischen Nippeltränken,
die dem Verschmutzen vorbeugen, leider entfernen, da die Zunge der Kaninchen anfrieren kann.
Bringen Sie sicherheitshalber standfeste Wassergefäße in den isolierten Hütten unter und
kontrollieren Sie diese mehrmals täglich. Gegebenenfalls müssen sie mit sehr warmen Wasser
aufgefüllt werden.
Häufige kleinere Gaben von zimmerwarmem Gemüse (Äpfel, Karotten, Salat etc.) sind nötig, damit
die Tiere nichts Gefrorenes fressen (müssen), was zu schweren Koliken führen kann.
•
Strukturierung: Ein abgesichertes, engmaschig eingezäuntes Gehege im Garten ist erst der
Anfang. Entscheidend ist, dass Sie das Gehege abwechslungsreich gestalten, damit die Tiere
genügend Bewegungsanreize haben. Kaninchen sind Fluchttiere und halten sich in der Natur in
deckungsreichem, gerne schattigem Gelände auf. Deshalb müssen Sie den Tieren auch genügend
Rückzugs- und Versteckmöglichkeiten bieten. Zum Gestalten des Geheges bieten sich zahlreiche
Naturmaterialien an wie z. B. Baumstämme, Zweige, Holzkisten, oder Röhren (aus Ton oder Beton) ;
Aus Hohlziegeln lassen sich wunderbare, mehrstöckige Tunnelsysteme bauen und künstliche
Höhlen aus Erde in Lehmbauweise (geflochtene Hasel- oder Weidenzweige mit lehmhaltiger,
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verdichteter Erde zu Flächen verbunden) können kostengünstig und mit Spaß in der Familie selbst
hergestellt werden.
Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Wichtig ist auch, die Höhe des Geheges bei der Gestaltung zu
nützen, weil Kaninchen sich gerne auf erhöhten Flächen aufhalten. Damit der Lebensraum für die Tiere auf
Dauer interessant bleibt, sollten Sie die Einrichtung des Geheges immer wieder verändern. So nett kleine
Bäume und Sträucher sind, muss man doch auch, neben der Verträglichkeit, ihr Wachstum bedenken,
Haselsträucher werden beispielsweise riesig. Schattenspendende Laubbäume haben gerade an den ersten
heißen Frühlingstagen noch kein Laub und schützen auch im Winter nicht, während Fichten hier Vorteile
bieten, aber dafür oft harzen und damit das Fell verkleben.
Die Haltung in der Wohnung – wenn sich Kompromisse nicht vermeiden lassen...
Aus den schon beschriebenen Gründen raten wir von einer reinen Wohnungshaltung ab. Die folgenden
Anregungen richten sich an Tierhalter, die bereits Kaninchen als Heimtiere haben und eine Außenhaltung
nicht realisieren können.
•
Paar- bzw. Gruppenhaltung: Einem Tier, das bisher einzeln gehalten wurde, müssen Sie –
unabhängig vom Platzangebot – mindestens einen zweiten Artgenossen zur Seite stellen. Lebt das
Kaninchen mit einem Meerschweinchen zusammen, so sollten zwingend beide Tiere einen Partner
bekommen. Tierheime und Pflegestellen vermitteln oft gerne Kaninchen und Meerschweinchen mit
der Option, sie wieder zurückzunehmen (falls sich die „neuen“ wirklich nicht mit den
„alteingesessenen“ Tieren vergesellschaften lassen) und erleichtern so das Finden eines passenden
Partners für das einsame Single-Tier.
•
Lebensraum: Handelsübliche Käfige sind viel zu klein für Kaninchen und hindern die Tiere daran,
ihr Grundbedürfnis nach Bewegung auszuleben. Weil sie weder springen, laufen, noch graben
können, führt diese Haltung neben einer Verkümmerung der Muskulatur und einer Deformierung
des Skeletts auch zu Verhaltensstörungen, die sich häufig in aggressivem Verhalten äußern. Um
eine Haltung in der Wohnung annähernd tiergerecht zu gestalten, sollte der Käfig eine
Mindestgröße von 2m² pro Tier (und mindestens 60cm Höhe)haben. Den Tieren muss täglich (unter
Aufsicht) Freilauf gewährt werden, so dass sie ihren Bewegungsdrang ausleben können. Optimal
wäre die Unterbringung in einem „Kaninchenzimmer“, in dem sich keine giftigen Pflanzen sowie
(Elektro-)-Kabel oder gefährliche (Kunststoff-) Gegenstände befinden, die angeknabbert und
zerstört werden könnten und wo die Tiere permanent frei laufen können. Eine große flache
„Heukiste“ sorgt dafür, dass immer reichlich Heu (=Grundnahrungsmittel) vorhanden ist. Wasser in
mehreren kippsicheren Gefäßen oder in Nippeltränken anbieten!
•
Strukturierung: Die Zimmerfläche muss –wie das Außengehege – kaninchengerecht gestaltet sein
(siehe „Die Haltung im Freigehege“). Jedes Tier muss die Möglichkeit haben, sich in ein Häuschen
zurückziehen zu können, und außerdem sollte man viel Beschäftigungsmaterial anbieten. Nützen
Sie auch die Raumhöhe und gestalten Sie Niveauunterschiede durch Röhren, Baumstämme und
(Hohl-) Ziegel. Diese dienen auch dem Abwetzen der Krallen. Auch eine „Toilettenkiste“
(Plastikschale mit nicht zu flachem Rand) sollte angeboten werden. Diese wird von den reinlichen
Tieren in der Regel gerne aufgesucht.
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Die Balkonhaltung – eine Alternative zur Zimmerhaltung
Vorausgesetzt, der Balkon liegt nicht auf der Sonnenseite (ACHTUNG: in diesem Fall darf man ihn
keinesfalls zur Tierhaltung nutzen; jeder Sonnenschutz staut die Hitze nur zusätzlich), können Sie ihn zur
Gestaltung des Lebensraums für Kaninchen verwenden. Dabei ist folgendes zu beachten:
•
Fütterung und Pflege: Da auf Balkonen die Temperaturen und Wetterbedingungen oft weit
extremer sind als in einem geschützten Garten, muss man in der kälteren Jahreszeit die Tiere
zusätzlich gegen starken Regen und Wind schützen und die Fütterung und das Wasser an die
Außenhaltung anpassen. Auch hier gilt: im tiefsten Winter die Kaninchen nicht plötzlich in das
geheizte Zimmer umsiedeln, es droht ein Hitzschlag – wenn unbedingt nötig, dann in ein
temperaturmäßig den Lebensbedingungen des Kaninchens in etwa entsprechendes, ungeheiztes,
Zwischenquartier (das man frühzeitig vorplanen und tiergerecht einrichten sollte) bringen.
•
Paar- bzw. Gruppenhaltung: Wie bei jeder Art der Haltung gilt auch hier, dass – unabhängig vom
Platzangebot – das Kaninchen mindestens einen Artgenossen zur Seite haben muss.
•
Lebensraum: Die Tiere müssen bei einer Balkonhaltung mindestens 6 m² zur Verfügung haben,
weil sie bei Kälte die Bewegung zur Erhaltung ihrer Körpertemperatur und bei Hitze genügend
Ausweichmöglichkeiten brauchen. Empfehlenswert ist, einen Teil des Betonbodens mit leicht zu
reinigendem, isolierendem Material zu überdecken.
•
Sicherheit: Der Balkon muss durch ein Gitter gegen einen Ausbruch, aber auch einen Einbruch von
„Räubern“ (wie Katzen, Greifvögel oder Marder) gesichert werden. Wasserabläufe müssen so
gestaltet werden, dass kein Tierchen hineinrutschen und sich verletzen kann.
•
Strukturierung: Große Blumentröge gefüllt mit Erde oder Sand ermöglichen den Tieren das
Graben. Wetterfeste, gut isolierte Hütten ersetzen Höhlen und bieten Schutz. Ansonsten gilt auch
bei der Balkonhaltung eine interessante, strukturreiche Gestaltung des Lebensraums in allen
Dimensionen (siehe auch „Die Haltung im Freigehege“) motiviert die Kaninchen zu Bewegung.
Die Kaninchengruppe
Das richtige Zusammenstellen der Kaninchengruppe ist entscheidend für das positive Miteinander dieser
sozialen Tiere. Auch wenn es keine festen Regeln gibt – ausschlaggebend bei der Haltung ist nicht nur das
Geschlecht, sondern auch der Charakter der einzelnen Tiere – so haben sich in der Praxis doch gewisse
Gruppierungen bewährt.
Gruppengröße
Die kleinstmögliche Kaninchengruppe besteht aus zwei Tieren. Es gibt aber gute Gründe, drei Tiere auf
einmal anzuschaffen.
•
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Mehrere Tiere regen sich gegenseitig zu aktiverem Verhalten an.
Stirbt ein Kaninchen, dann muss keines – auch nur vorübergehend – alleine bleiben.
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Da Kaninchen revierbezogen sind, ist in einem neuen Gehege die Zusammenstellung einer Gruppe
viel einfacher, als später Tiere neu einzugliedern.
Harmonische Gruppenzusammenstellungen:
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ein kastrierter Rammler und ein bis drei Weibchen
zwei kastrierte Rammler und zwei bis vier Weibchen
kastrierte Rammler in kleinen Gruppen
Außerdem ist zu beachten:
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Kastration der Männchen: Männliche Kaninchen, Rammler, müssen – egal bei welcher
Gruppenzusammenstellung – kastriert werden. Damit vermeiden Sie erstens die unkontrollierte
Vermehrung der Tiere und zweitens Aggressionen durch den aufgestauten Sexualtrieb.
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Alter der Tiere: Wichtig ist, dass die Tiere ungefähr das gleiche Alter haben, weil dieses auch den
Grad ihrer Aktivität bestimmt.
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Bei Neuzugängen: Wollen Sie zu einem Kaninchenpärchen weitere Tiere dazu nehmen, empfehlen
wir, gleich zwei neue Tiere anzuschaffen. Sonst kann es passieren, dass der Neuling zum
Außenseiter wird.
•
Bei der Haltung von Kaninchen und Meerschweinchen: Man kann Kaninchen und
Meerschweinchen zusammen in einem großzügig angelegten Gehege halten, jedoch muss jedes
mindestens einen Artgenossen zur Seite haben. Ein Meerschweinchen kann dem Kaninchen keinen
Kaninchenpartner ersetzen. Wichtig: es müssen in diesem Fall unbedingt Rückzugsmöglichkeiten
geschaffen werden, die ausschließlich den Meerschweinchen zur Verfügung stehen (z.B. durch kleinere
Eingänge).
Die Anpassung
Werden fremde Kaninchen zusammengeführt, kommt es fast immer zu heftigen Rangordnungskämpfen.
Hier fliegen meist – im wahrsten Sinne des Wortes – die Fetzen. Auch Verletzungen sind dabei nicht
ausgeschlossen. Diese Kämpfe sind jedoch ganz natürlich und wichtig, um die Ordnung in der Gruppe
festzulegen. Ein Eingreifen durch den Tierhalter ist bei der richtigen Gehegegestaltung nicht notwendig.
Helfen können Sie den Tieren, indem Sie die Zusammenführung auf neutralem Boden stattfinden lassen
und möglichst viel Platz zur Verfügung stellen.
Die Tiere müssen die Möglichkeit zum Flüchten und Verstecken haben, damit sie dem (Sicht-)Kontakt des
anderen entkommen können. Außerdem hilft reichlich Nagematerial zum Ablenken und zum Umleiten von
Energien. Nicht selten stellt sich zwischen den „Streithähnen“, nachdem die Rangordnung festgelegt
wurde, die große Liebe ein. Die Anpassungszeit kann einige Wochen bis Monate dauern und kann Sie
manche Nerven kosten. Trotzdem ist es wichtig, dass Sie die Tiere auf keinen Fall wieder voneinander
trennen. Sie und auch die Tiere müssen sonst bei jedem Zusammentreffen wieder von vorne anfangen.
Stand: August 2011
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Die gesunde Ernährung
Wild lebende Kaninchen ernähren sich von Wurzeln, Rinden, Kräutern, Zweigen und frischen Pflanzen. Sie
verbringen den Großteil des Tages und der Nacht mit der Nahrungssuche. Deshalb müssen Sie den
Kaninchen rund um die Uhr die Möglichkeit zum Fressen geben. Zur gesunden Ernährung des Kaninchens
gehört eine abwechslungsreiche, kaninchengerechte Nahrung.
Heu als Grundnahrungsmittel (Raufutter)
Heu ist aus dem Speiseplan des Kaninchens nicht wegzudenken. Es reguliert durch die vielen Ballaststoffe
seine Verdauung und ist gut für die Zahnpflege. Die Heuraufe muss deshalb immer gefüllt sein, und dem
Kaninchen muss immer genügend Trinkwasser zur Verfügung stehen. Heu macht nicht dick, und das
Kaninchen darf davon so viel essen wie es will. Gutes Heu erkennt man an seiner grünlichen Farbe, an
seinem aromatischen Duft und daran, dass es nicht staubt und nicht schimmelt.
Grün- und Saftfutter
Grünpflanzen, Gemüse und Obst (in kleinen Rationen) entsprechen dem natürlichen Ernährungsbedürfnis
des Kaninchens. Grün- und Saftfutter hat einen hohen Nährstoffgehalt und ist reich an Eiweiß, Vitaminen
und Mineralstoffen. Reichen Sie das Grünfutter – um Blähungen vorzubeugen – erst einige Stunden
nachdem Sie das Heu verabreicht haben und anfangs nur in kleinen Portionen. Es darf weder zu kalt, noch
dampfig warm, noch angewelkt und muss immer trocken sein. Am Boden liegendes Futter würde durch Kot
und Urin verschmutzt werden. Deshalb sollten Sie es am besten in einer Raufe reichen und Reste nach
einigen Stunden entfernen.
Folgende Pflanzen sind gut verträglich:
• Futterpflanzen: Wiesengras, Löwenzahn, (wenig), junge Brennnessel, Wegerich und Kamille von
naturbelassenen Wiesen
• Gemüse: Karotten, Feldsalat, Chicorée, Broccoli, Kohlrabi, Rettich (nur Blätter!), rote Rüben, Chinakohl,
Stangen- und Knollensellerie
• Kräuter: Petersilie, Dill, Majoran, Oregano, Thymian, Liebstöckel, Basilikum, Melisse
• Obst: Apfel, wenig Birne, evtl. Beeren
Nagematerial
Damit die ständig nachwachsenden Zähne der Kaninchen abgenützt werden, müssen Sie den Kaninchen
immer genügend Nagematerial zur Verfügung stellen. Geeignet sind frische, ungespritzte Zweige von
Obstbäumen, außerdem Rinden und Wurzeln. Bei im Spezialhandel erhältlicher Knabberkost sollte
unbedingt auf den Zusatz „Getreidefrei“ geachtet werden. Auch Zusätze von Zucker, Melasse oder Honig
sind zu vermeiden.
Stand: August 2011
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Grundsätzlich sollten Sie darauf achten, dass die Fütterung des Kaninchens regelmäßig erfolgt, am besten
dreimal täglich, Heu kann man auch in großen Portionen in Raufen zur Verfügung stellen, so das immer
reichlich für jedes Tier vorhanden ist Große Unregelmäßigkeiten können zu hastigem Fressen und damit
auch zu Verdauungsproblemen führen.
Flüssigkeit
Wasser müssen Sie immer ausreichend zur Verfügung stellen, am besten in einem fest und erhöht
stehenden Napf. Es sollte immer frisch und nicht zu kalt sein. Bei Verdauungsbeschwerden kann
Kamillentee sehr hilfreich sein.
Gesundheit
Die meisten Krankheiten beim Kaninchen sind haltungs- und ernährungsbedingt. Jede Veränderung des
Verhaltens kann Anzeichen einer Krankheit sein und sollte daher sehr ernst genommen werden. Da
Kaninchen Dauerfresser sind, ist eine ständig aktive Verdauung ein Muss. Frisst das Tier also nicht, sollten
Sie so rasch wie möglich den Tierarzt aufsuchen.
Literaturempfehlungen
Leider kommt es – trotz guter Absichten – immer wieder zu schlimmen Haltungsfehlern durch ungeeignete
Ratschläge. Glücklicherweise gibt es aber fundierte Ratgeber zur fachgemäßen Kaninchenhaltung:
Artgerechte Haltung – Ein Grundrecht auch für (Zwerg-)Kaninchen, Ruth Morgenegg, tbv-verlag, 3. Auflage
2003, ISBN 3-9522661-1-6 sowie „Kaninchenhaltung mit Herz und Verstand“ (zu erhalten über die
Kaninchenhilfe Deutschland e.V.)
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Nachhaltiger Tierschutz
VIER PFOTEN verhilft Tieren, die aus wirtschaftlichen, wissenschaftlichen oder sonstigen Gründen
missbraucht werden, zu ihrem Recht auf ein Dasein, das ihren Bedürfnissen entspricht.
Unsere Kampagnen haben das Ziel, gesetzlich verankerte Verbesserungen für Nutz-, Labor-, Heim- und
Wildtiere zu erreichen und das Bewusstsein der Bevölkerung zu steigern. Eine nachhaltige Verbesserung
des Tierschutzniveaus kann nur durch die Kombination dieser beiden Ansätze erreicht werden.
In der Europäischen Union steigt die Bedeutung tierschutzrelevanter Gesetzgebung. Deshalb hat VIER
PFOTEN seine Bemühungen auf europäischer Ebene verstärkt und arbeitet daran, Tierschutzprobleme
bereits in der Entstehungsphase von Gesetzen zu beseitigen.
VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz
Linke Wienzeile 236
1150 Wien
Tel: +43-1-895 02 02 - 0
Fax: +43-1-895 02 02 - 99
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Stand: August 2011
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