5 Das Parallelenaxiom 5.1 Absolute Geometrie, euklidische Geometrie, hyperbolische Geometrie Alle Sätze, die aus den Axiomen I/1 bis IV/3 folgen, gehören zur absoluten Geometrie. Alle Sätze, die aus den Axiomen I/1 bis V (Parallelenaxiom) folgen, gehören zur euklidischen Geometrie. Axiom V’: Zu jeder Geraden g und zu jedem Punkt P ∈ / g gibt es mindestens zwei Geraden h1, h2 mit P ∈ h1 ∩ h2 und g ∩ h1 = ∅ = g ∩ h2. Alle Sätze, die aus den Axiomen I/1 bis IV/3 und V’ folgen, gehören zur (nichteuklidischen) hyperbolischen Geometrie. 5.2 Euklidisches Parallelenaxiom 5.2.1 Def.: Zwei Geraden g, h in E mit g ∩ h = ∅ oder g = h heißen parallel, in Zeichen: g k h. 5.2.2 Satz: Schneide eine Gerade g zwei Geraden a, b in A, B mit A 6= B. Dann gilt: a k b ⇔ Die Wechselwinkel bei A und B sind gleich groß. ⇔ Die Stufenwinkel bei A und B sind gleich groß. Bew.: Übungen 5.2.3 Bem.: In Axiom V kann man ”genau eine” abschwächen zu ”höchstens eine”. Die Existenz einer Parallelen lässt sich zeigen. 5.2.4 Satz: Die Winkelsumme in einem Dreieck ∆ABC beträgt zwei Rechte. Bew.: Sei C ∈ g k AB. Dann treten die Innenwinkel von ∆ABC bei A und B als Wechselwinkel bei C auf, und die drei Winkel bei C summieren sich zu zwei Rechten. 5.2.5 Satz: (Außenwinkelsatz) In jedem Dreieck ist jeder Außenwinkel so groß wie die Summe der beiden nicht anliegenden Innenwinkel. Bew.: 5.2.5 folgt aus 5.2.4. 5.2.6 Satz: Die Parallelität von Geraden ist eine Äquivalenzrelation. Bew.: Die Symmetrie und die Reflexivität sind trivial. Zur Transitivität: Seien g k h, h k k und a eine Gerade, die g, h und k in verschiedenen Punkten schneidet. Gibt es so eine Gerade? Warum? Dann sind nach 5.2.2 gleich: die Stufenwinkel, die g und h mit a bilden und die Stufenwinkel, die h und k mit a bilden, also auch die Stufenwinkel, die g und k mit a bilden. Nach 5.2.2 sind dann auch g und k parallel. 5.3 Nichteuklidisches (hyperbolisches) Parallelenaxiom Erinnerung: Axiom V’: Zu jeder Geraden g und zu jedem Punkt P ∈ / g gibt es mindestens zwei Geraden h1, h2 mit P ∈ h1 ∩ h2 und g ∩ h1 = ∅ = g ∩ h2. Kann man auch verlangen: Je zwei verschiedene Geraden haben mindestens einen Punkt gemeinsam? Es gibt Geometrien, in denen das gilt, z.B. die euklidische sphärische Geometrie, wenn man Großkreise als Geradenersatz nimmt, die ebene projektive Geometrie, die ebene elliptische Geometrie aber in all diesen Geometrien gelten nicht alle Axiomgruppen I bis IV. In der absoluten Geometrie gibt es nichtschneidende Geraden. Zurück zur hyperbolischen Geometrie: Die hyperbolische Geometrie ist widerspruchsfrei, wie man anhand von Modellen zeigen kann. Auch in der ebenen hyperbolischen Geometrie gilt der Fahnensatz. In der ebenen hyperbolischen Geometrie gilt zum Beispiel: Die Parallelität von Geraden ist keine Äquivalenzrelation. Die Winkelsumme im Dreieck ist kleiner als zwei Rechte. Je größer die Dreiecksfläche, desto kleiner die Winkelsumme. Trägt man auf den Loten zu einer Geraden g nach einer Seite von g gleiche Abstände 6= 0 auf, so erhält man Punkte auf einer Abstandslinie. Abstandslinien sind keine Geraden! Es gibt keine Rechtecke, also auch keine Quadrate. Ein Viereck ABCD (nicht überschlagen) heißt (in der hyperbolischen Ebene) Parallelogramm, wenn je zwei Gegenseiten gleich lang sind. In einem Parallelogramm halbieren einander die Diagonalen. In einem Parallelogramm mit gleich langen Diagonalen sind alle vier Innenwinkel gleich groß. In einem rechtwinkligen Dreieck ∆ABC mit dem rechten Winkel bei C gilt der Lehrsatz des Pythagoras: cosh c = cosh a · cosh b Schneiden einander zwei Mittelsenkrechte eines Dreiecks, dann schneiden einander alle drei Mittelsenkrechten des Dreiecks, und das Dreieck besitzt einen Umkreis. Schneiden einander zwei Höhen eines Dreiecks, dann schneiden einander alle drei Höhen des Dreiecks. Die Höhen eines spitzwinkligen Dreiecks schneiden einander stets im Inneren des Dreiecks. Es gibt stumpfwinklige Dreiecke mit und stumpfwinklige Dreiecke ohne Höhenschnittpunkt.