1/3 Wissenschaftliche Grundlagen Auswirkungen des Klimawandels in der Schweiz Factsheet 1 Beobachtete Klimaänderungen in der Schweiz Die Erwärmung in der Schweiz ist eindeutig nachweisbar. Beim Niederschlag sind langfristige Veränderungen wegen der grossen natürlichen Schwankungen erst langsam erkennbar. Im Winter und Herbst sind seit Beginn des 20. Jahrhunderts intensive Niederschlagsereignisse nördlich des Alpenhauptkammes um 15 bis 70 Prozent häufiger geworden (OcCC, 2008, S.15-16). 1.1 Temperatur Die mittleren Temperaturen sind seit 1970 um rund 1,5°C angestiegen. Bis 2100 muss mit einer Zunahme der Sommertemperaturen von 3,5 bis 7°C gerechnet werden. Ein Durchschnittssommer wird dann in etwa dem Hitzesommer 2003 entsprechen. In Abbildung 1 können während der letzten 150 Jahre starke jährliche Schwankungen im Temperaturverlauf festgestellt werden. Diese Schwankungen sind in den letzten Jahren von einer deutlichen Erwärmungstendenz überlagert und in den letzten 20 Jahren wurden fast ausschliesslich positive Abweichungen von der Norm (1961-1990) registriert. Ausserdem fallen die fünf wärmsten Jahre allesamt in die letzten zehn Jahre. Unter der Annahme eines linearen Temperaturtrends lässt sich sagen, dass die mittlere Temperatur in der S chweiz seit 1970 um ca. 1,47 °C angestiegen ist; das entspricht einer rund 1,5-mal höheren Geschwindigkeit der Erwärmung als auf der Landoberfläche der Nordhalbkugel (0,87 °C). Eine saisonale Betrachtung der Temperaturentwicklung über die letzten rund 50 Jahre zeigt, dass sich die klimatischen Veränderungen im Sommer stärker als im Winter auswirken. Die Jahresmittelwerte der Tageshöchsttemperaturen sind in den letzten 50 Jahren gestiegen (0,4 bis 0,5 °C), eine Erhöhung der Jahresmittelwerte kann auch bei den Tagesminima beobachtet werden (0,3 bis 0,4 °C). Abbildung 1: Abweichung der mittleren Jahrestemperaturen in der Schweiz relativ zur Norm 1961-1990 (rot = positive, blau = negative Abweichungen). Dargestellt sind Durchschnittswerte aus 12 verschiedenen Messstationen in verschiedenen Höhenlagen der Nord- und Südschweiz (Quelle: MeteoSchweiz, 2008, in: OcCC, 2008, S. 15). E-Dossier Klimawandel: Wissenschaftliche Grundlagen PHBern 2012, www.phbern.ch 2/3 Auch die Anzahl Hitzetage hat in den letzten Jahrzehnten klar zugenommen. Beispielsweise hat sich die mittlere Anzahl Hitzetage in Zürich und Genf innerhalb von 50 Jahren vervierfacht (B AFU, 2007, S. 31). Die Anzahl Frosttage hat hingegen deutlich abgenommen. Weitere Klimaindikatoren wie Anzahl Tautage, Tropennächte oder auch die Schneebedeckung im Schweizer Mittelland belegen den Trend zu wärmeren Temperaturen in der Schweiz (OcCC, 2008, S.15-16). 1.2 Niederschlag Für den mittleren Jahresniederschlag über die ganze Schweiz lassen sich zum heutigen Zeitpunkt keine eindeutigen Trends beobachten (Abb.2). Trotz weitgehend unveränderten Jahresmengen gibt es Anzeichen für jahreszeitliche und regionale Veränderungen. So haben die Jahresniederschläge im 20. Jahrhundert um rund 120 mm (8%) zugenommen. Diese signifikante Niederschlagszunahme ist vor allem auf die Zunahme der mittleren Winterniederschläge vor allem in den nördlichen und westlichen Landesteilen zurückzuführen, welche um 20-30% angestiegen sind. Auch die Niederschlagsintensität hat im Herbst und Winter zugenommen. Abbildung 2: Abweichungen der mittleren Jahresniederschläge in der Schweiz relativ zur Norm 1961-1990 (blau = positive, orange = negative Abweichungen). Dargestellt sind Durchschnittswerte aus 12 verschiedenen Messstationen in verschiedenen Höhenlagen der Nordund Südschweiz (Quelle: MeteoSchweiz, 2008, in: OcCC, 2008, S. 16). Es zeigt sich also, dass verschiedene Indikatoren eine signifikante Veränderung des Schweizer Klimas während der letzten Jahrzehnte zur Folge haben. Die Erwärmung in der Schweiz ist dabei eindeutig nachweisbar. Beim Niederschlag sind langfristige Veränderungen erst langsam erkennbar. Wie stark der Einfluss des Menschen auf die Klimaänderung in der Schweiz ist, lässt sich heutzutage noch nicht eindeutig sagen. Es ist aber davon auszugehen, dass die beobachtete Erwärmung wahrscheinlich auf die vom Menschen verursachte Zunahme von Treibhausgasen zurückzuführen ist (OcCC, 2008, S. 15-16). E-Dossier Klimawandel: Wissenschaftliche Grundlagen PHBern 2012, www.phbern.ch 3/3 2 Auswirkungen des Klimawandels in der Schweiz Ein gewisser Wandel des Klimas ist bereits deutlich messbar geworden. Dies betrifft die Schweiz besonders, weil bislang die mittlere Erwärmung in der Schweiz etwa doppelt so stark ausfällt wie im 1 globalen Mittel. Der Klimawandel wirkt sich in der Schweiz direkt oder indirekt auf alle Sektoren aus. Obwohl viele Auswirkungen der Klimaänderung erst verzögert auftreten, können bereits jetzt Veränderungen auf viele physikalische und biologische Systeme beobachtet werden. Regionale Untersuchungen haben nicht nur Veränderungen in physikalischen und biologischen Systemen festgestellt, sondern es wurde eine Beschleunigung der Veränderungsprozesse beobachtet. Beispielsweise haben sich die Schwund- und Zerfallstendenz der alpinen Gletscher deutlich beschleunigt. Die Verlustrate stieg von anfänglich 0.5 Prozent (bis 1980) auf heutige 2 bis 3 Prozent an. Seit im Extremsommer 2003 5 bis 10 Prozent des Gletschereises verloren ging, sind die Schmelzprozesse nun gegenüber der Zeit vor 2003 verstärkt (Staubeintrag färbt Eisoberflächen zusätzlich dunkel, dadurch wird das Rückstrahlungsvermögen reduziert). Seit Mitte der 1980er Jahre beträgt der Massenverlust gemittelt über die Gesamtfläche der Schweizer Gletscher jährlich 0,5 m bis 2 1 m Wasseräquivalent. Werden die Verluste Jahr für Jahr addiert, ergibt sich zwischen 1980 und 2005 ein kummulativer Verlust von knapp 20 m Wasseräquivalent (BAFU, 2007, S. 38). Beobachtungen der Bohrlochtemperaturen im Hochgebirgspermafrost zeigen eine deutliche Erwärmung der Bergflanken bis in eine Tiefe von rund 60 bis 70 Meter. Die Wassertemperaturen von sämtlichen grösseren Fliessgewässern in der Schweiz zeigen seit den 1960er Jahren einen deutlich steigenden Trend. Die Flüsse werden nicht nur wärmer, sondern sie weisen auch über eine längere Zeit im Jahr eine erhöhte Temperatur auf. Steigende Wassertemperaturen haben negative Folgen für die Fischpopulation, was sich beispielsweise in den Beständen der Bachforelle zeigt (vgl. BAFU, 2007; S. 44-45). Für die schweizerische Landwirtschaft bedeutungsvoll ist die Beobachtung, dass sich allein zwischen 1951 und 1998 die Vegetationsperiode signifikant um fast zwei Wochen (2,7 Tage pro Jahrzehnt) verlängert hat. Auch der Spross- und Blühzeitpunkt hat sich um durchschnittlich 11.5 Tage vorverschoben. Beispielsweise kann eine Vorverschiebung der Blütezeit der Kirschbäume um 15 bis 20 Tage erkannt werden (Daten aus Liestal) und die Ausbreitung der Hanfpalme (stammt aus Nord Indien, Nord-Thailand und China) in der Südschweiz ist auf vermehrt auftretende milde Wintertage ohne Frost zurückzuführen (BAFU, 2007, S. 47). Als weitere Folge der Erhöhung der Temperaturen ist die Nullgradgrenze in den letzten 50 Jahren in den Wintermonaten um 67 m pro Jahrzehnt gestiegen. Die Zahl Tage, an welchen es schneit nimmt ebenfalls ab. Auch in den Voralpen, wie z.B. in Einsiedeln (882 m.ü.M) ist die Abnahme deutlich (pro Winterhalbjahr 20 Tage weniger Schnee als noch vor 50 Jahren) (BAFU, 2007, S. 37). Quellenangaben: o o OcCC (2008): Das Klima ändert – was nun? Der neue UN-Klimabericht (IPCC 2007) und die wichtigsten Ergebnisse aus Sicht der Schweiz; S. 5, 15-16, 21-23. OcCC – Organe consultatif sur les changements climatiques, Bern. BAFU (2007): Klimaänderung in der Schweiz. Indikatoren zu Ursachen, Auswirkungen, Massnahmen; S. 30-49. BAFU – Bundesamt für Umwelt, Bern. 1 Mit indirekten Auswirkungen sind insbesondere Auswirkungen auf unsere Nachbarländer, auf Europa und auf die ganze Welt gemeint. Werden z.B. Küstengebiete von Deutschland überflutet, kann dies zu asylsuchenden Flüchtlingsströmen in der Schweiz führen, womit die Schweiz auch als Binnenland betroffen wäre. 2 Die Massenbilanz von Gletschern wird in Wasseräquivalent ausgedrückt. Das Wasseräquivalent gibt in der Masseinheit Millimeter bzw. Meter an welchen Wassergehalt der geschmolzene oder neu dazugekommene Eiskörper hat (1 mm entspricht 1 Liter Schmelzwasser pro Quadratmeter). Dabei wird berücksichtigt, dass die Dichte von Eis und Firn von Ort zu Ort und mit der Tiefe variieren kann, im gleichen Volumen also unterschiedliche Mengen an Wasser gespeichert sein können. E-Dossier Klimawandel: Wissenschaftliche Grundlagen PHBern 2012, www.phbern.ch