Laboratoriumsmedizin • Mikrobiologie • Transfusionsmedizin Institut für Medizinische Diagnostik Dr. Frank-Peter Schmidt, Dr. Volker von Baehr, Brita Gaida, PD Dr. Ferdinand Hugo, Dipl.-Med. Petra Anderssohn, Dr. Matthias Tregel, Dr. Anne-Sophie Endres Ärzte für Laboratoriumsmedizin / Mikrobiologie / Infektionsepidemiologie / Transfusionsmedizin / Hämostaseologie Diagnostik-Info 234 Eine genetische Variante des Serotonintransporters als ein Indikator für funktionellen Serotoninmangel bei Symptomen aus dem depressiven Formenkreis? Das endogene Peptidhormon Serotonin erfüllt wichtige physiologische Aufgaben im Verdauungstrakt, im Blutkreislauf aber auch im zentralen Nervensystem. Im Gehirn dient es als Neurotransmitter und leitet Signale zwischen Nervenzellen weiter. Beim Menschen entsteht Serotonin durch Biotransformation der Aminosäure L-Tryptophan. Depression durch Serotoninmangel? Stimmungseinengung, Verlust der affektiven Resonanz, Angst, Antriebshemmung und Schlafstörungen sind die wichtigsten Symptome bei Erkrankungen aus dem depressiven Formenkreis. Begründet durch die Komplexität neuropsychiatrischer Störungen und der Heterogenität der Krankheitsbilder wird bis heute darüber gestritten, ob Serotoininmangel kausal an der Pathogenese beteiligt ist (Serotoninhypothese, Coppen, 1967). Die Hypothese wird durch die Beobachtung gestützt, dass die Symptome häufig durch Steigerung des Serotoninspiegels gelindert werden können. Serotonin wird daher oft auch als „Glückshormon“ bezeichnet. Tatsächlich wirken viele Antidepressiva durch eine Verstärkung der Serotonin-vermittelten Neurotransmission. Der postulierte Serotoninmangel erscheint dabei multifaktoriell bedingt, und kann u.a. durch chronische Immunaktivierungen und Tryptophanmangel begünstigt werden. Die Aminosäure Tryptophan kann der Mensch nicht selbst produzieren. Sie wird aus Tryptophan-reichen Nahrungsmitteln aufgenommen, was v.a. bei gestörter Darmflora vermindert sein kann. A B Depressive Symptome trotz normalem Serotoninspiegel? Aktuellen Forschungsergebnissen zufolge könnte auch eine genetische Veranlagung, eine Variante des Serotonintransporters, die Entwicklung von Erkrankungen mit depressiven Symptomen begünstigen. Der Serotonintransporter ist ein Transportmolekül, das an der Synapse ausgeschüttetes Serotonin zurück in die Nervenzelle pumpt. Dadurch wird der Botenstoff aus dem synaptischen Spalt entfernt und für eine erneute Signalweiterleitung wieder aufbereitet. Der Serotonintransporter begrenzt auf diese Weise die Dauer des Serotonin-basierten Signals und sorgt für einen sparsamen Umgang mit dem zellulären Energiehaushalt. Eine verkürzte Variante des Serotonintransporter-Gens (Variante „K“) führt zu einer Verminderung der Anzahl an Serotonintransporter-Molekülen auf der Nervenzelle und somit zu einem funktionellen Serotoninmangel an der Synapse auf Grund einer geringeren Ansprechbarkeit. Assoziation der Genvariante mit Angsterkrankungen und depressiven Störungen Erklärbar durch seine Funktion in der Serotoninvermittelten Neurotransmission wurde ein Zusammenhang der genetischen SerotonintransporterVariante mit dem Auftreten von affektiven Störungen gefunden. Wissenschaftliche Studien konnten zeigen, dass Träger zweier varianter Genkopien (Genotyp K/K) häufiger an Angststörungen und Depressionen leiden (Lesch et al., 1996; Zalsman et al., 2006). Damit kann die molekulargenetische Analyse des Serotonintransporters als unterstützender Anhaltspunkt bei der Diagnostik von depressiven Symptomen, Schlaf- und Angststörungen sowie Antriebsstörungen genutzt werden. Da etwa 20% der Europäer homozygote Träger dieser Genvariente (Genotyp K/K) sind, wird deutlich, dass hier weitere auslösende Faktoren hinzutreten müssen. Chronische Immunaktivierungen werden in diesem Zusammenhang diskutiert. Indikationen für die Untersuchung • Abb.1: Nervenzelle A schüttet Serotonin (blau) in den synaptischen Spalt aus. Serotonin bindet an Rezeptoren auf Zelle B und leitet das Signal weiter. Der Serotonintransporter (rot) pumpt freies Serotonin zurück in Zelle A. Institut für Medizinische Diagnostik MVZ GbR Nicolaistraße 22, 12247 Berlin (Steglitz) Tel (030) 77 001 322, Fax (030) 77 001 332 / (030) 7719236 [email protected], www.IMD-Berlin.de • Verdacht auf Serotonin-assoziierte psychische Symptomatik trotz normalen Serotoninspiegels Verdacht auf funktionelle Serotonindefizienz bei andauernder und anderweitig nicht klassifizierbarer Chronic Fatigue-Symptomatik, Antriebslosigkeit, Stimmungseinengung, Verlust der affektiven Resonanz, Angst und Schlafstörungen. Akkreditiert nach DIN EN ISO 15189 und DIN EN ISO/IEC 17025:2005 in den Bereichen Medizinische Laboratoriumsdiagnostik und Forensische Genetik Untersuchungsmaterial Literatur 2 ml EDTA-Blut oder 2 Mundschleimhautabstriche (Abstrich bitte mit ausreichend Druck durchführen, damit für die Untersuchung genügend Material gewonnen wird) • Coppen A (1967). The biochemistry of affective disorders. Br J Psychiatry 113:1237-1264 • Lesch KP, Bengel D, Heils A, Sabol SZ, Greenberg BD, Petri S, Benjamin J, Müller CR, Hamer DH, Murphy DL (1996). Association of anxiety-related traits with a polymorphism in the serotonin transporter gene regulatory region. Science 274:1527-1531 • Serretti A, Kato M, De Ronchi D, Kinoshita T (2007). Meta-analysis of serotonin transporter gene promoter polymorphism (5-HTTLPR) association with selective serotonin reuptake inhibitor efficacy in depressed patients. Mol Psychiatry 12:247-257 • Zalsman G, Huang YY, Oquendo MA, Burke AK, Hu XZ, Brent DA, Ellis SP, Goldman D, Mann JJ (2006). Association of a triallelic serotonin transporter gene promoter region (5-HTTLPR) polymorphism with stressful life events and severity of depression. Am J Psychiatry 163:1588-1593 Abrechnung Die Analyse kostet 127,36 € (GoÄ 1,15fach). Private Krankenversicherungen übernehmen diese nach GOÄ abgerechnete Untersuchung. Der Test ermöglicht auch eine prognostische Aussage über die Wirksamkeit einer Therapie mit SSRI. Die variante Form des Serotonintransporter-Gens erscheint außerdem mit schlechtem Ansprechen auf selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (selective serotonine reuptake inhibitor, SSRI) assoziiert zu sein. Wirkstoffe aus dieser Gruppe sind Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin und Sertralin. Schon Patienten, die das variante Serotonintransporter Gen auf einem Chromosom tragen (Genotyp L/K), sprechen zeitlich verzögert auf eine SSRIBehandlung an. Liegt das variante Gen auf beiden Chromosomen vor (Genotyp K/K), zeigen die Patienten eine signifikant schlechtere Remissionsrate unter SSRI-Therapie (Serretti et al., 2007). Für Rückfragen steht Ihnen Dr. rer. nat. Katrin Dürr zur Verfügung (030-77001-220). Musterbefund: Ärztlicher Befundbericht Patient Tagebuch-Nr. Geburtsdatum 4521669 Eingang 15.09.08 Ausgang 19.09.08 Material: Institut für Medizinische Diagnostik Nicolaistrasse 22, 12247 Berlin (Steglitz) Tel. 77001-220 EDTA-Blut Untersuchung: Molekulardiagnostik/-Genetik Serotonintransporter-Promoter PCR Der Patient ist homozygoter Träger der kurzen Variante des Serotonintransporter-Promoters. Diese genetische Konstellation ist mit häufigerem Auftreten von Symptomen aus dem depressiven Formenkreis assoziiert. So wurde u.a. ein erhöhtes Risiko für Angststörungen und depressive Erkrankungen beschrieben. Auf molekularer Ebene führt die nachgewiesene genetische Variante zu einer reduzierten Synthese des Serotonintransporters. Dadurch kann das neurochemische Gleichgewicht an der Synapse verschoben werden und - trotz normaler peripherer Serotoninspiegel - die Serotonin-basierte Neurotransmission beeinträchtigt werden. Wir weisen außerdem darauf hin, dass der hier bestimmte Genotyp mit schlechterer Wirksamkeit selektiver Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) assoziiert ist.