- Klinikum Stuttgart

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Persönlichkeitsstörungen
Prof. Dr. med. Michael Günter
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
g
p y
und
Psychotherapie
Allgemeine diagnostische Kriterien für eine
Persönlichkeitsstörung
l hk
1
A Ein überdauerndes Muster von innerem Erleben und Verhalten,
A.
Verhalten das
merklich von den Erwartungen der soziokulturellen Umgebung
abweicht.
Dieses Muster manifestiert sich in mindestens zwei der folgenden
Bereiche:
(1) Kognitionen (also die Art, sich selbst, andere Menschen und
Ereignisse wahrzunehmen und zu interpretieren),
(2) Affektivität (also die Variationsbreite, die Intensität, die Labilität und
Angemessenheit emotionaler Reaktionen),
(3) Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen,
(4) Impulskontrolle
B. Das überdauernde Muster ist unflexibel und tiefgreifend in einem weiten
Bereich persönlicher und sozialer Situationen.
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Allgemeine diagnostische Kriterien für
eine Persönlichkeitsstörung 2
C Das überdauernde
C.
überda ernde Muster
M ster führt in klinisch bedeutsamer
bede tsamer Weise zu
Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder
g Funktionsbereichen.
anderen wichtigen
D. Das Muster ist stabil und langdauernd, und sein Beginn ist
zumindest bis in die Adoleszenz oder ins frühe Erwachsenenalter
zurückzuverfolgen.
E. Das überdauernde Muster lässt sich nicht besser als
M if t ti
Manifestation
oder
d
F l
Folge
einer
i
anderen
d
psychischen
hi h
Stö
Störung
erklären.
F Das überdauernde Muster geht nicht auf die direkte körperliche
F.
Wirkung einer Substanz (z.B. Droge, Medikament) oder eines
medizinischen Krankheitsfaktors (z.B. Hirnverletzung) zurück
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nach DSM IV
Grad der sozialen De
ekompen
nsation
Diagnose einer Persönlichkeitsstörung
Persönlichkeitsstörung
normal
Schwere Dauerhaftigkeit und Vielgestaltigkeit der Symptome
Schwere,
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Heidelberger Schulstudie: Häufigkeit v. Adoleszenzkrisen
und Borderline – Konfiguration im Alter von 15 Jahren
5.66
Prozen
nt
4
6
(Resch, Haffner, Parzer, Steen, Roos, Klett et al., 2005)
0
2
1.61
ADO-Krise
nach Brunner 2006
BPD
Heidelberger Schulstudie: Häufigkeit v. Adoleszenzkrisen
und Borderline – Konfiguration im Alter von 15 Jahren
54.39
Prozzent
20
40
60
(Resch, Haffner, Parzer, Steen, Roos, Klett et al., 2005)
24.66
11.45
0
5.25
0
1
2
3
2.64
4
1.01
0.38
0.15
0.07
5
6
7
8
Anzahl erfüllter Kriterien
nach Brunner 2006
Diagnostische Kriterien für eine Borderline Persönlichkeitsstörung
li hk i
1
Ein tiefgreifendes Muster von Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen,
Beziehungen im
Selbstbild und in den Affekten sowie von deutlicher Impulsivität. Mindestens 5
der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:
(1) verzweifeltes Bemühen, tatsächliches oder vermutetes Verlassenwerden zu
vermeiden.
(2) Ein Muster instabiler, aber intensiver zwischenmenschlicher Beziehungen, das
durch einen Wechsel zwischen den Extremen der Idealisierung und Entwertung
gekennzeichnet
ge
e
e c et ist.
st
(3) Identitätsstörung: ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbstbildes oder
der Selbstwahrnehmung.
g
(4) Impulsivität in mindestens zwei potentiell selbstschädigenden Aktivitäten .
DSM IV dt.
DSM-IV,
dt Fassung,
F
S 175 f.
S.
f
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Diagnostische Kriterien für eine Borderline Persönlichkeitsstörung 2
(5)
Wiederholte
suizidale
Handlungen
Handlungen,
Selbstmordandeutungen
Suiziddrohungen oder Selbstverletzungsverhalten.
oder
(6) Affektive Instabilität infolge einer ausgeprägten Reaktivität der Stimmung (z.
(z B.
B
hochgradige episodische Dysphorie, Reizbarkeit oder Angst, wobei diese
Verstimmungen gewöhnlich einige Stunden und nur selten mehr als einige Tage
andauern).
andauern)
(7) Chronische Gefühle von Leere.
(8) Unangemessene, heftige Wut oder Schwierigkeiten, die Wut zu kontrollieren.
((9)) Vorübergehende,
g
durch Belastungen
g
ausgelöste
g
paranoide Vorstellungen
p
g
oder
schwere dissoziative Symptome.
DSM-IV, dt. Fassung, S. 175 f.
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Laufersche Kriterien für die Einschätzung des
S h
Schweregrades
d einer
i
EEntwicklungsstörung
t i kl
tö
1
(Laufer 1995)
1 Ist
1.
I der
d Sog
S zu kindlichen
ki dli h Verhaltensweisen
V h l
i
so stark,
k dass
d
di Gefahr
die
G f h
besteht, dass der Versuch oder der Wunsch, erwachsenere
Verhaltensweisen zu entwickeln aufgegeben wird?
2. Ist das Verhalten des Adoleszenten so rigide, dass er sich ein zeitweises
Entspannen von den Anforderungen
Anforderungen, die an ihn gestellt werden nicht
erlauben kann (totale Kontrolle)?
3. Dienen soziale Beziehungen dazu, Kindheitsbeziehungen fortzusetzen
oder unterstützen sie den Jugendlichen in seinem Wunsch sich ins
E
Erwachsenenalter
h
lt zu entwickeln
t i k l ?
4. Spielen Freunde und Gleichaltrige im Leben des Jugendlichen eine
größere Rolle als die Eltern?
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Laufersche Kriterien für die Einschätzung des
S h
Schweregrades
d einer
i
EEntwicklungsstörung
t i kl
tö
2
(Laufer 1995)
5 Hat der Jugendliche die Fähigkeit
5.
Fähigkeit, angemessen seine Gefühle
auszudrücken und zu erleben oder gibt es erhebliche Diskrepanzen
zwischen dem Ereignis und der Art seiner Reaktion darauf?
6. Gibt es irgendwelche Einschränkungen in der Fähigkeit des
Jugendlichen Reaktionen der Außenwelt zu beurteilen und sie von
seinen eigenen „Erzeugnissen“ zu unterscheiden?
7. Wie stellt sich der Jugendliche zu seiner Zukunft? Sieht er sie als etwas,
worauf er sich freut, oder als etwas Bedrohliches?
8. Gibt es irgend welche Fantasien, die die Funktionsfähigkeit des
Jugendlichen ernsthaft beeinträchtigen oder ist der Jugendliche fähig,
mit unterschiedlichen ängstigenden Fantasien umzugehen, ohne den
Wunsch aufzugeben, erwachsen zu werden?
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Diagnostik
 Spezifität der Übertragungs-/Gegenübertragungssituation
Übertragungs /Gegenübertragungssituation → z.B.
zB
Gegenüber wird nicht als Objekt wahrgenommen, Diagnose der inneren
Dynamik typ.
Dynamik,
typ Gegenübertragungsphänomene (resultierend aus primitiven
Abwehrmechanismen),
projektive
Identifikation,
primitiver
Hass,
narzisstische Kälte, Desorientiertheit, Verwirrung, extrem konträre
(projektiv identifikatorisch ausgelöste) Identifizierungen, unreflektierte
Ablehnung der Eltern, Idealisierungen etc.
 D
Dynamik
ik der
d Eltern-Kind-Beziehungen
Elt
Ki d B i h
und
d der
d sonstigen
ti
problematischen
bl
ti h
Beziehungsstruktur
 Verstehen und Beschreiben der spezifischen Formen des “Agierens”
Agierens →
welche Abwehrfunktion hat z.B. aggressives Ausagieren, Thrillsuche,
p
g
etc.
emotionale Kälte und Empathielosigkeit
 Reflective functioning (vgl. Bleiberg 2001)
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Diagnostik bei selbstverletzendem
Verhalten
•
Vorgeschichte selbstschädigender Handlungen
Handlungen, Familienanamnese
selbstschädigenden Verhaltens
•
Alter bei Beginn, Verlauf, freie Intervalle, Veränderung
•
Häufigkeit und Art der Selbstbeschädigungen
•
Substanzgebrauch vor und während der Handlung
•
Behandlungserfahrung (psychotherapeutisch und pharmakologisch),
pharmakologisch) Medizinische
Komplikationen oder Interventionen
•
Suizidale Impulse, Zeitliche Beziehung zu suizidalen Ideen/Verhalten
•
Motive, emotionale Zustände, Trigger
•
Zuvor bestehender Drang/Impulsivität
•
Empfinden/Verhalten unmittelbar und später nach der Verletzung
•
Dystonizität (Wunsch aufzuhören)
•
Kontrolle (Erfolgreiches Beenden)
(nach Simeon und Hollander 2001)
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Prinzipien therapeutisch
therapeutisch-pädagogischer
pädagogischer
Arbeit 1
 Klare Struktur des Setting,
Setting keine Absprachen hinter dem Rücken des
Patienten, aber
 Absprachen mit Bezugspersonen i.d.
i d Regel notwendig: Statuserhebung,
Statuserhebung
soziale Integration/Desintegration, Drogen, Dissozialität, Schule etc.,
insbesondere auch bei suizidalen Krisen
 Keine falsche Harmonie mit Patienten (cave!: Projektive Identifikation)
 Keine übertriebenen Hoffnungen, die dann in Enttäuschung und
Resignation/Ablehnung münden, jedoch Versuch, die Dynamik zu
verstehen und vorsichtig und verständnisvoll zu konfrontieren,
insbesondere im aktuellen Verhalten gegenüber der Therapie
(Übertragungsagieren)
p
 Teamrückhalt/Reflexion/Supervision
 Therapie/Beratung in der Regel nur ein Baustein in einem Gesamtsetting
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Thesen
1
1.
Die "Eingangssituation" ist entscheidend für das Joining mit dem
Jugendlichen. Klärung der Ängste, manipuliert zu werden. Therapeut als
"Werkzeug" der Eltern, des Jugendamtes etc.
Vertrauen in einen Erwachsenen
Erwachsenen, der Interesse hat
hat, zuhört
zuhört, nicht
Verbrüderung.
Vorsicht vor "Kreuzidentifikationen"
2.
Verantwortung der Eltern! (z.B. wenn Jugendliche nicht mit kommen!)
3.
Scham spielt eine große Rolle im Kontext der adoleszenten Entwicklung.
Dimensionen der Scham:
Schwäche und Versagen in Rivalitätssituationen
Verlust der Kontrolle über Körperfunktionen und Gefühle
Das Gefühl
Gefühl, verachtenswert,
verachtenswert ekelig und schmutzig zu sein
Das Gefühl der eigenen Defekthaftigkeit und der mangelhaften geistigen und
physischen Ausstattung
Exhibitionismus und Schaulust sind gefährlich und werden bestraft
Sexuelle Erregung durch sadomasochistische Fantasien und Betätigungen
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Thesen
4.
Ansprechen von Misshandlungs- und Missbrauchserfahrungen.
Neutral, offen, kompetent
5.
Vorsicht vor Mitagieren insbesondere im institutionellen Kontext.
projektive Identifikationen
6
6.
Einschätzung des Funktionsniveaus des Jugendlichen (z.B.
(z B Laufersche
entwicklungsorientierte Kriterien)
7.
Arbeit im „Verbund“
Eltern/Wohngruppe; Jugendamt; verteilte Rollen
8.
Dissozialität: nicht alles, was (auch) psychische Hintergründe hat, ist
psychotherapeutisch
h th
ti h zu behandeln
b h d l
Verhältnis von Psychotherapie und Pädagogik/Sozialarbeit
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Prof. Dr. med. Michael Günter
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Klinikum Stuttgart
Zentrum
Z
t
für
fü Seelische
S li h G
Gesundheit
dh it
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin – Olgahospital (kooptiert)
Prießnitzweg 24
70374 Stuttgart
E-Mail: [email protected]
www.klinikum-stuttgart.de
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