Faktenbox Medikamentöse Therapie bei Generalisierter Angststörung

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Faktenbox Medikamentöse Therapie bei Generalisierter
Angststörung
Nutzen und Risiken im Überblick
Jede medizinische Behandlung bringt Nutzen und Risiken mit sich. Diese Faktenbox kann Sie bei Ihrer Entscheidung und der Vorbereitung des Arztbesuchs unterstützen. Die folgenden Informationen und Zahlen basieren
auf den derzeit besten wissenschaftlichen Erkenntnissen für die Bewertung der Behandlung bei Generalisierter
Angststörung mit Medikamenten.
Was passiert bei einer Behandlung
mit Angstmedikamenten?
Im Gehirn verlaufen Nervenbahnen, die man sich wie Kabel in einem elektrischen Gerät vorstellen kann. Die Nachrichtenübertragung im Gehirn
verläuft sowohl auf elektrischem wie auch auf biochemischem Wege. Die
Übertragung am Übergang zwischen zwei Nervenzellen kann hierbei
gestört sein. Diese Übertragung geschieht mit Hilfe von Botenstoffen,
sogenannten „Neurotransmittern“, wie zum Beispiel Serotonin oder Noradrenalin. Angstmedikamente greifen an dieser Stelle ein, indem sie die
gestörte Nervenübertragung beeinflussen.
Welche Unterschiede gibt es bei
Angstmedikamenten?
Die wichtigsten Gruppen der Angstmedikamente sind Antidepressiva wie:
·
·
·
·
Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)
Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI)
Trizyklische Antidepressiva (TZA)
Moclobemid
Das bedeutet aber nicht, dass Sie – wenn Sie damit behandelt werden –
auch gleichzeitig eine Depression haben. Es hängt damit zusammen, dass
bei Angst und Depressionen ähnliche Botenstoffe im Gehirn beteiligt sind.
Deshalb wirken diese Medikamente bei beiden Erkrankungen.
Außerdem werden folgende Medikamente verschrieben:
· Pregabalin
· Opipramol
· Buspiron
Wichtig: Manche Ärzte verschreiben bei Ängsten zunächst Beruhigungsmittel (sogenannte Benzodiazepine). Diese reduzieren Ängste sehr
schnell, können aber abhängig machen und werden daher nicht empfohlen.
Sie sollten nur in Ausnahmefällen (z. B. bei schweren Herzerkrankungen,
wenn Standardmedikamente nicht geeignet sind oder bei Suizidgedanken)
und nicht länger als vier Wochen eingenommen werden.
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Für wen kommt die Behandlung
mit Angstmedikamenten infrage?
Angststörungen können gut behandelt werden. Ob eine Behandlung mit
Angstmedikamenten infrage kommt, sollte mit dem Arzt in einem Informationsgespräch besprochen werden. Besonders folgende Aspekte sollten
dabei eine Rolle spielen:
· Wirkeintritt (z. B. wie schnell ein Medikament anfängt zu wirken oder
wie lange die Wirkung anhält)
· Nachhaltigkeit,
· unerwünschte Wirkungen und
· Verfügbarkeit.
Die Behandlung kann neben einer medikamentösen Therapie auch durch
psychotherapeutische Verfahren erfolgen. Beides kann auch kombiniert
werden. Natürlich spielen auch persönliche Wünsche und Vorstellungen
eine entscheidende Rolle bei der Wahl der Behandlung.
Nutzen und Vorteile
Bei wie vielen Betroffenen haben sich die Beschwerden nach 8 bis 28 Wochen Behandlung verbessert?
Behandlung mit einem Placebo
Behandlung mit Angstmedikamenten
100
54
50
38
0
54
Bei
von 100 Patienten
haben sich die Beschwerden nach
der Behandlung verbessert.
38
Bei
von 100 Patienten
haben sich die Beschwerden nach
der Behandlung verbessert.
Angstmedikamente wirken gut. Bei knapp über der Hälfte der Patienten, die eine Behandlung mit einem Angstmedikament erhalten haben, haben sich die Beschwerden (Sorgen, Zittern, Herzrasen, Schwindel, Übelkeit,
Muskelverspannungen) gebessert. Bei Patienten, die ein Placebo (Scheinmedikament) erhalten haben, war es
ein kleinerer Teil.
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Weitere Vorteile:
· Angstmedikamente wirken im Vergleich zu Psychotherapie relativ schnell – bereits nach zwei bis drei Wochen.
(Bei einer Psychotherapie tritt die Wirkung nach rund vier bis fünfzehn Wochen ein.)
· Die Behandlung erfordert im Vergleich zur Psychotherapie wenig Zeitaufwand.
Untersuchungen zeigen weiterhin, dass sowohl die Behandlung mit Medikamenten als auch eine kognitive Verhaltenstherapie (Psychotherapie) bei Patienten mit einer generalisierten Angststörung gleich wirksam sind.
Risiken und Nachteile
Angstmedikamente können – wie alle Medikamente – unerwünschte Wirkungen haben. Sprechen Sie mit Ihrem
Arzt über die möglichen Nebenwirkungen (u. a. Mundtrockenheit, Benommenheit, Schlafstörungen). Durch die
individuelle Auswahl eines geeigneten Medikaments kann man es häufig erreichen, dass die Behandlung mit nur
wenigen oder sogar ohne Nebenwirkungen abläuft.
Wie wahrscheinlich ist ein Rückfall, wenn die Behandlung fortgesetzt wird?
Um zu untersuchen, ob es hilft, Angstmedikamente, die in der akuten Phase gewirkt haben, weiter zu nehmen,
wenn die Symptome abgeklungen sind, wurden Patienten in einer Untersuchung entweder 6 Monate mit dem
Angstmedikament (SSRI oder SNRI) oder einem Placebo (Scheinmedikament) weiterbehandelt.
Behandlung mit einem Placebo
Behandlung mit Angstmedikamenten
100
50
45
14
0
14
von 100 Patienten
hatten einen Rückfall, wenn sie die Angstmedikamente über die Akuttherapie hinaus
zur Vermeidung eines Rückfalls einnahmen.
45
von 100 Patienten
hatten einen Rückfall, wenn sie das Placebo
über die Akuttherapie hinaus zur Vermeidung
eines Rückfalls einnahmen.
Die Zahlen zeigen, dass von den Patienten, die mit einem Angstmedikament behandelt wurden, weniger Patienten
einen Rückfall bekommen haben, als Patienten, die mit einem Placebo behandelt wurden. Auch wenn es Patienten
wieder besser geht, sollten die Medikamente weiter eingenommen werden. Sind die Symptome ganz verschwunden, ist es trotzdem hilfreich, das Angstmedikament zur Verhinderung eines Rückfalls mindestens ein halbes Jahr
weiter zu nehmen.
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Die wichtigsten Fakten
· Angstmedikamente wirken gut bei Generalisierter Angststörung.
· Die Wirkung setzt schnell ein – meist nach 2-3 Wochen.
· Medikamentöse Therapie ist in etwa genauso wirksam wie Psychotherapie.
· Es können Nebenwirkungen auftreten.
· Es ist wichtig, die Angstmedikamente nach dem Rückgang der Angstsymptome noch mindestens
sechs Monate weiter einzunehmen, damit Rückfälle sicherer vermieden werden.
· Patienten erhalten möglicherweise keine Anleitung/Unterstützung, wie sie mit aufkommenden
Ängsten und Sorgen umgehen können.
Eine Entscheidungshilfe, die Sie Schritt für Schritt bei der Wahl der für Sie richtigen Behandlung unterstützt,
finden Sie auf den Seiten von psychenet.de: http://entscheidungshilfen.psychenet.de
Zusätzliche Informationen
Diese Faktenbox wurde erstellt in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf – Institut
und Poliklinik für Medizinische Psychologie.
Autoren
PD Dr. Rüya-Daniela Kocalevent, MPH (Diplom-Psychologin und Master of Public Health)
Sarah Liebherz (Diplom-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin)
Dr. Jörg Dirmaier (Diplom-Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut)
Prof. Dr. Dr. Martin Härter (Arzt, Diplom-Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut)
Beteiligte Experten
Prof. Dr. med. Borwin Bandelow
Dr. Dipl.-Psych. Jörg Angenendt
Angaben zur Aktualität und Gültigkeit
Diese Faktenbox wurde im November 2015 erstellt.
Weiterführende Informationen
www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/051-028p_S3_Angstst%C3%B6rungen_2015-01.pdf
www.psychenet.de
Verwendete Quellen
Alle Informationen entsprechen dem aktuellen Stand der Forschung und wurden aus den aktuellen Versorgungsleitlinien (www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/051-028p_S3_Angstst%C3%B6rungen_2015-01.pdf) entnommen, die von Vertretern vieler Fachgesellschaften erarbeitet wurden (Bandelow et al., 2014a, 2014b).
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Haftungshinweis:
Diese Faktenbox wurde mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt. Dennoch können wir keine Gewähr für die
Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität der Inhalte geben. Gleiches gilt insbesondere für die Inhalte externer
Links. Insbesondere ersetzt die Faktenbox keinen Arztbesuch oder eine ärztliche Beratung und Untersuchung.
Die in den Faktenboxen veröffentlichten Informationen sollen Ihnen als Unterstützung für die Vorbereitung
des Arztgespräches dienen.
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