Fachhochschule Dortmund FB Angewandte Sozialwissenschaften Bachelor-Studiengang Soziale Arbeit Sommersemester 2013 Die jugendliche Lebensphase und ihre Probleme - Darstellung in fiktionalen Kino- und Fernsehfilmen Bachelorarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Bachelor of Arts B.A. Michael Grönebaum Erstleser: Prof. Dr. Helmut Diederichs Zweitleserin: Dr. Anne Ziesenitz Abgabedatum: 08. Juli 2013 Inhaltsverzeichnis Inhalt Seite Einleitung 3 1. Jugend als eigenständige Lebensphase 5 1.1 Definition von Jugend und ihrer Lebensphase 5 1.2 Entstehung der „Lebensphase Jugend“ 7 1.3 Das Modell der produktiven Realitätsverarbeitung 9 1.4 Jugend und Soziale Arbeit 13 1.5 Jugendprobleme im Film 15 2. Jugend und Familie 2.1 Theoretischer Überblick Jugend und Familie 17 17 2.1.1 Leben in unterschiedlichen Familienformen 17 2.1.2 Konflikte in der Familie 20 2.1.3 Ablösung von den Eltern 23 2.1.4 Kernaussagen der Theorie 24 2.2 Kino- und Fernsehfilmanalyse Jugend und Familie 26 2.2.1 Leben in unterschiedlichen Familienformen 27 2.2.2 Konflikte in der Familie 30 2.2.3 Ablösung von den Eltern 34 2.2.4 Zusammenfassung 37 3. Jugend und Schule 38 3.1 Theoretischer Überblick Jugend und Schule 38 3.1.1 Sozialisation in der Schule 38 3.1.2 Gewalt in der Schule 40 3.1.3 Mobbing als besondere Gewaltform 42 3.1.4 Kernaussagen der Theorie 44 1 3.2 Kino- und Fernsehfilmanalyse Jugend und Schule 46 3.2.1 Sozialisation in der Schule 48 3.2.2 Gewalt in der Schule 49 3.2.3 Mobbing als besondere Gewaltform 50 3.2.4 Zusammenfassung 54 4. Jugend und Gleichaltrige 4.1 Theoretischer Überblick Jugend und Gleichaltrige 55 55 4.1.1 Freunde 55 4.1.2 Bedeutung der Gleichaltrigengruppe 57 4.1.3 Freizeitverhalten Jugendlicher 59 4.1.4 Kernaussagen der Theorie 61 4.2 Kino- und Fernsehfilmanalyse Jugend und Gleichaltrige 63 4.2.1 Freunde 64 4.2.2 Bedeutung der Gleichaltrigengruppe 66 4.2.3 Freizeitverhalten Jugendlicher 68 4.2.4 Zusammenfassung 69 5. Fazit 70 Literaturverzeichnis 73 Filmverzeichnis 76 Eidesstattliche Erklärung 77 2 Einleitung In der vorliegenden Bachelorarbeit geht es um „Die jugendliche Lebensphase und ihre Probleme – Darstellung in fiktionalen Kino- und Fernsehfilmen“. In der heutigen Gesellschaft gewinnt die „Lebensphase Jugend“ immer mehr an Bedeutung für die Entwicklung eines Menschen. Moderne Sichtweisen und gestiegene Freiräume führen dazu, dass den Jugendlichen viele neue Möglichkeiten in ihrer Persönlichkeitsentwicklung offen stehen. Sie ist somit zu einem festem Bestandteil der Gesellschaft geworden und daher auch für die Soziale Arbeit von besonderer Bedeutung. Die Arbeit mit Jugendlichen gehört zu einem großen Aufgabengebiet der Sozialarbeiter/Innen. Doch neben den Möglichkeiten, die sich in dieser Lebensphase ergeben, stehen die Jugendlichen auch vor vielen Problemen, die es zu lösen gilt. Auf dem Weg zu einem unabhängigen Erwachsenen kommt beispielsweise die Ablösung von den Eltern, soziale Integration in die Gesellschaft oder auch die Orientierung an Gleichaltrigen. Die behütete und weitestgehend sichere Umgebung der Kindheit wird immer mehr verlassen auf dem Weg zur Unabhängigkeit. Daher sehe ich den Lebensabschnitt zwischen der Kindheit und Erwachsen sein als sehr wichtig an. Die Auseinandersetzung mit der Thematik der jugendlichen Lebensphase und ihrer Probleme ist daher ein wichtiger Bestandteil Sozialer Arbeit und soll im Rahmen der Bachelorarbeit näher behandelt werden. Gleichzeitig spielen Medien eine immer größere Rolle. Wir konsumieren laufend mehr. Über Medien werden Meinungen und Denkweisen verbreitet, welche die Sichtweisen beeinflussen können. So entstehen schnell Vorurteile und Wertungen, welche nicht unbedingt den Tatsachen entsprechen. Im Rahmen der Bachelorarbeit möchte ich daher erarbeiten, wie die Probleme von Jugendlichen innerhalb der „Lebensphase Jugend“ in fiktionalen Kino- und Fernsehfilmen dargestellt werden. Nach einem einführenden Kapitel in die jugendliche Lebensphase widme ich mich im Rahmen der Bachelorarbeit den drei Sozialisationsinstanzen Familie, Schule und Gleichaltrige zu. Diese drei großen Kapitel sind jeweils aufgeteilt in einen theoretischen Teil, dessen zentrale Aufgabe die Herausarbeitung von Ana- 3 lysekriterien sein wird. Mit diesen werden dann in einem empirischen Teil die ausgewählten fiktionalen Kino- und Fernsehfilme analysiert. Meine essentielle Fragestellung ist daher: Welche Probleme können Jugendliche im Rahmen ihrer Persönlichkeitsentwicklung innerhalb der drei Sozialisationsinstanzen haben und wie werden diese in fiktionalen Kino- und Fernsehfilmen dargestellt? Bevor ich mich dieser Thematik zuwende muss zunächst geklärt werden, was eine jugendliche Lebensphase kennzeichnet und welche Besonderheiten sie auszeichnet. Zudem ist zu schauen, welchen Stellenwert die „Lebensphase Jugend“ genau für die Soziale Arbeit hat. Die Bachelorarbeit besteht somit aus einem einführenden Kapitel über das Thema Jugend als eigenständige Lebensphase. Anschließend kommen die drei Schwerpunkte der Arbeit, Jugend und Familie, Jugend und Schule sowie Jugend und Gleichaltrige. Abschließen werde ich das Ganze mit einem Fazit. 4 1. Jugend als eigenständige Lebensphase Bevor die einzelnen Schwerpunkte dieser Bachelorarbeit zum Thema „Lebensphase Jugend“ genauer beleuchtet werden, gilt es zunächst, diese Lebensphase zu definieren und zu beschreiben. In diesem ersten Kapitel kläre ich daher, wie Jugend aus rechtlicher und wissenschaftlicher Sicht definiert ist und welche Kriterien von Bedeutung sind. Gleichwohl ziehe ich eine Abgrenzung zwischen der „Kindheitsphase“ und dem „Erwachsen sein“, wobei auch die Entwicklung der „Lebensphase Jugend“ als eigenständiger Abschnitt beleuchtet wird. Im Anschluss daran werde ich auf die umfassende Sozialisationstheorie von Klaus Hurrelmann eingehen. Er hat mit dem „Modell der produktiven Realitätsverarbeitung“ ein metatheoretisches Modell entwickelt, welches die grundlegenden Theorien der Sozialisation vereint. Zudem werde ich einen Überblick über Jugend und Soziale Arbeit geben sowie einen grundlegenden Einstieg in die Thematik Jugendprobleme in fiktionalen Kino- und Fernsehfilmen. 1.1 Definition von Jugend und ihrer Lebensphase Nach deutschem Recht ist ein Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist. Im Jugendgerichtsgesetz (JGG) ist dies beispielsweise in §1 Absatz 2 näher geregelt: „Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist.“1 Daneben ist im Sinne des achten Buches des Sozialgesetzbuches ein „Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist, junger Volljähriger, wer 18, aber noch nicht 27 Jahre alt ist:“2 Bernhard Schäfers weist in seinem Buch „Soziologie des Jugendalters“ darauf hin, dass Jugend, je nach Fachrichtung (z.B. Soziologie, Psychologie oder Pädagogik) einen unterschiedlichen Bedeutungsinhalt hat. Für eine soziologische Definition nennt er mehrere Elemente, die in der heutigen Gesellschaft von Bedeu1 Vgl. NomosGesetze: Gesetze für die Soziale Arbeit. Baden Baden, Nomos Verlagsgesellschaft, §1 Absatz 2 JGG, 2011. S. 1098. 2 Vgl. NomosGesetze: Gesetze für die Soziale Arbeit, §7 Absatz 1 Nr.2,3 SGB VIII a.a.O. S. 1773 5 tung sind. Er definiert Jugend als eine Altersphase eines jeden Menschen, die mit der Pubertät (ca. 13. Lebensjahr) beginnt. Vorausgegangen ist die Kindheit und anschließen wird das Erwachsensein. Zweitens setzt er einen zeitlichen Rahmen für die Altersgruppe vom 13. bis ca. zum 25. Lebensjahr, in der aus soziologischer Sicht besonders die typischen Verhaltensweisen und Eigenschaften der Jugendlichen hervorstechen. Ferner erwirbt das Individuum in der „Lebensphase Jugend“ die Voraussetzungen für selbstständiges Handeln in den gesellschaftlichen Bereichen. Jugend ist als eine Teilstruktur (Subkultur) zu verstehen, mit einem speziellen Wert für die Gesellschaft: der Jugendlichkeit.3 In der aktuellen 16. Shell Jugendstudie aus dem Jahr 2010 werden für die Befragungen beispielsweise Jugendliche im Alter zwischen 12 und 25 Jahren herangezogen.4 Die neueste JIM-Studie [Jugend, Information, (Multi-) Media] aus dem Jahr 2012 befragt für ihre Untersuchungen Jugendliche im Alter zwischen 12 und 19 Jahren.5 Darüber hinaus schreiben Klaus Hurrelmann und Gudrun Quenzel davon, dass Jugend nicht allein über die körperliche Entwicklung definiert ist, sondern eine durch verschiedene Faktoren bestimmte Phase im Lebenslauf des Menschen ist. So wird diese individuell durch kulturelle, wirtschaftliche, soziale und ökologische Faktoren beeinflusst. Daraus folgt, dass Länge und Ausgestaltung der „Lebensphase Jugend“ individuell betrachtet werden kann.6 3 Vgl. Schäfers, Bernhard: Soziologie des Jugendalters. Eine Einführung. 6., aktualisierte und über- arbeitete Auflage, Opladen, Leske+ Budrich Verlag, 1998. S. 21. 4 Vgl. Shell Deutschland Holding GmbH (Hrsg.): 16. Shell Jugendstudie, Jugend 2010, Frankfurt am Main, S. Fischer Verlag GmbH, 2010. 5 Vgl. JIM Studie 2012, hrsg. v. Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest, Online: http://www.mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf12/JIM2012_Endversion.pdf (Stand: 04.06.2013) 6 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend. Eine Einführung in die sozial- wissenschaftliche Jugendforschung. 11., vollständig überarbeitete Auflage, Weinheim und Basel, Beltz Juventa Verlag, 2012. S. 11. 6 1.2 Entstehung der „Lebensphase Jugend“ Vor der Industrialisierung gehörten Kinder, im Sinne von Nachwuchs, zum täglichen Leben dazu. Sie wurden als Reichtum angesehen, da sie später den elterlichen Betrieb übernehmen und so zur Alterssicherung beitragen sollten. Im Zuge der Industrialisierung zerfiel dieser Gedanke immer mehr. Durch die wohlfahrtsstaatliche Veränderung wechselte die Bedeutung von Kindern: „Sie waren unter den neuen Bedingungen für die wirtschaftliche und soziale Sicherung ihrer Eltern nicht mehr notwendig[…] Ihr Unterhalt kostete sehr viel Geld […].“ 7 Daraus re- sultierte ein Rückgang von Familien mit Kindern. Heutzutage werden Kinder nicht mehr aus ökonomisch/ pragmatischen Gründen geboren, sondern vielmehr nach gründlicher Überlegung, ob ein Kind als eine soziale und persönliche Bereicherung angesehen wird.8 Neben dieser demografischen Veränderung und der Tatsache, dass die Lebenserwartung immer länger wird, kam es im 20. Jahrhundert zu einer veränderten Bevölkerungsdynamik.9 Durch kulturelle, ökonomische und soziale Veränderungen mischten sich die Lebensphasen neu. Zwischen der Kindheit und dem Erwachsenenalter bildete sich ab 1900 eine immer größer werdende Lebensphase des Jugendalters heraus. Gleichzeitig entstand ein Seniorenalter, welches dem Erwachsenenalter folgt.10 In seinem Buch „Risikogesellschaft“ schreibt Ulrich Beck von einer „Enttraditionalisierung“ und einer „Individualisierung“ innerhalb der Gesellschaft. Dies bedeutet, dass sich in den entwickelten Ländern, wie Deutschland, vorherrschende Lebensformen, Denkweisen, Traditionen etc. immer mehr verändern. Die Gesellschaft löst sich von ihnen und schafft so einen Individualisierungsprozess. Bestimmte früher traditionelles Denken unser Handeln, ist heute jede Situation von einer individuellen Entscheidung geprägt.11 Als Beispiel sei die klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau genannt. Berufstätige Frauen waren frü7 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O. S. 12. 8 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O. S. 12. 9 Vgl. Schäfers, Bernhard: Soziologie des Jugendalters, a.a.O. S. 71. 10 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O. S. 16f. 11 Vgl. Beck, Ulrich: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag, 1986. 7 her eine große Ausnahme; heutzutage ist dies völlig normal. Es ist also zu einer Enttraditionalisierung der Geschlechterrollenidentität gekommen. Durch diese Individualisierung der Lebensgestaltung gewinnen auch die einzelnen Lebensphasen (Kindheit, Jugend, Erwachsenenalter, Senioren) an Bedeutung. Eine einzelne Lebensphase ist nicht mehr ausschlaggebend für die Persönlichkeitsentwicklung. Durch viele unterschiedliche Lebensabschnitte ergeben sich immer neue Gestaltungs- und Änderungsmöglichkeiten des persönlichen Lebens. Durch diese Spielräume verschwimmen die Übergänge einzelner Phasen immer stärker, wodurch eine Orientierung an symbolischen Vorgaben der Lebensphase schwerer möglich wird. Durch die Individualisierung nimmt gleichzeitig der Freiheitsgrad innerhalb der Lebensphase zu. „Die Orientierungskraft der traditionellen Vorstellungen der Lebensgestaltung schwindet, so dass diese lange nicht mehr so verbindlich sind, wie sie einmal waren.“12 Seit dem 20. Jahrhundert ist die jugendliche Lebensphase zur Realität in der menschlichen Entwicklung geworden. War eine „Lebensphase Jugend“ vorher kaum wahrnehmbar oder überhaupt nicht vorhanden, nahm ihr Stellenwert kontinuierlich zu.13 Hurrelmann und Quenzel führen die Herausbildung einer eigenständigen Lebensphase primär auf die Einführung der Bildungspflicht in Schulen zurück. Durch die Schulzeit kam es zu einer Zeit, die nicht durch familiale Bindung oder berufliche Tätigkeit bestimmt war. In diesem neu entstandenen Entwicklungs- und Entfaltungsraum sieht er die Geburtsstunde. Dieser neue Bereich brachte spezifische Anforderungen hervor, die nicht mehr mit dem Erwachsensein übereinstimmten wie z.B. der allgemeinen Schulpflicht.14 12 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O. S. 18. 13 Vgl. Schäfers, Bernhard: Soziologie des Jugendalters, a.a.O. S. 22f. und Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O. S. 19f. 14 Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O. S. 21ff. 8 1.3 Das Modell der produktiven Realitätsverarbeitung Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beschäftigen sich seit rund 200 Jahren damit, wie der Mensch seiner Umwelt gegenübertritt. Der Mensch (Subjekt) wird als erlebendes, denkendes und handelndes Individuum gesehen, welches sich in seiner Umwelt und den darin enthaltenen materiellen, sozialen und kulturellen „Objekten“ beweisen muss. Dieses Spannungsverhältnis steht im Vordergrund der Sozialisationstheorie. „Wie schafft es eine Gesellschaft, die in ihr lebenden Menschen zu sozialen Wesen zu machen, die sich in die sozialen Strukturen integrieren? Wie gelingt es den Menschen in einer Gesellschaft, sich die Freiheiten für ihre persönliche Entwicklung und Lebensgestaltung zu erschließen und zu autonomen Individuen zu werden?“15 Mit dem Modell der produktiven Realitätsverarbeitung (MpR) hat Klaus Hurrelmann ein metatheoretisches Modell beschrieben, in dem er wesentliche soziologische und psychologische Theorien der Sozialisation vereint. Die Sichtweise auf die Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen ist nun nicht mehr einseitig auf das Individuum oder die Gesellschaft gelegt, sondern zu gleichen Teilen auf die beiden Erklärungseinheiten verteilt. So entsteht eine große gemeinsame Schnittmenge, in der sich die beiden Perspektiven treffen. Durch dieses Wechselspiel zwischen den gesellschaftlichen und individuellen Einflüssen, basierend auf den unterschiedlichen Erkenntnissen der vielen Theorien, lässt sich eine interdisziplinäre Analyse von Sozialisation herstellen. 16 Im Folgenden werden die 10 Thesen des MpR kurz dargestellt und auf die „Lebensphase Jugend“ übertragen. Im Buch „Lebensphase Jugend“ von Hurrelmann/Quenzel werden diese Thesen durch 10 Maximen ausgedrückt. Diese Maximen korrespondieren mit den 10 Thesen des MpR.17 15 Vgl. Hurrelmann, Klaus: Sozialisation. 10., vollständig überarbeitete Auflage, Weinheim und Basel, Beltz Verlag, 2012. S. 12. 16 Vgl. Hurrelmann, Klaus: Sozialisation, a.a.O. S. 42f. 17 Vgl. Hurrelmann, Klaus: Sozialisation, a.a.O. S. 53. 9 In der ersten These18 wird diese Entwicklung als Verhältnis zwischen innerer und äußerer Realität verstanden. Damit ist ein Wechselspiel zwischen Anlage und Umwelt gemeint. Persönlichkeitsentwicklung vollzieht sich demnach als ein stetiger Verarbeitungsprozess von persönlichen anlagebedingten Faktoren und äußeren sozialen Umwelteinflüssen. Für Jugendliche bedeutet dies insbesondere: Das Wechselspiel zwischen ihrer genetischen Veranlagung, wie Geschlecht, körperliche Statur sowie der sozialen und physischen Umwelt in Form von Größe der Familie oder auch soziale Lage/Wohnsituation. Es lassen sich also unterschiedliche innere und äußere Einflüsse zur Persönlichkeitsentwicklung bei Jugendlichen feststellen. Mit der zweiten These der Produktion der eigenen Persönlichkeit ist gemeint, dass jeder seine eigene Persönlichkeit im Lebenslauf entwickelt. Menschen verarbeiten während ihres ganzen Lebens die innere und äußere Realität, wodurch sich die Persönlichkeit formt. Im Jugendalter erreicht diese Produktion eine besonders intensive Phase, da hier viele körperliche, soziale und psychische Veränderungen auf die Jugendlichen wirken, sodass sie stetig dem Auseinandersetzungsprozess zwischen innerer und äußerer Realität gegenüberstehen. Mit einer fortschreitenden, selbstverantwortlichen Lebensführung werden sie zu Konstrukteuren ihrer eigenen Persönlichkeit. Zur Persönlichkeitsentwicklung gehört auch das Bewältigen von Entwicklungsaufgaben (dritte These). Diese sind, von der Gesellschaft erwartete, Verarbeitungen der inneren und äußeren Realität. Jugendliche müssen ihre körperlichen Veränderungen akzeptieren und ihr eigenes Verhalten darauf abstimmen. Sie versuchen, die persönlichen Bedürfnisse und die gesellschaftlichen Erwartungen in Einklang zu bringen. Alle Entwicklungsaufgaben haben die Auseinandersetzung zwischen persönlicher Individuation und sozialer Integration gemeinsam. Daher entsteht ein Spannungsverhältnis von Individuation und Integration (vierte These). Damit ist der Aufbau einer eigenen Persönlichkeit gemeint, mit unverwechselbaren körperlichen, psychischen und sozialen Merkmalen sowie die Anpassung und Integrierung an die Gesellschaft mit ihren Normen und Wertvorstellungen. 18 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Hurrelmann, Klaus: Sozialisation, a.a.O. S. 53- 76. Wenn von Jugendlichen und der „Lebensphase Jugend“ geschrieben wird, beziehen sich diese Ausführungen auf Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O. S. 90-101. 10 Dazu passt die fünfte These zur Bildung einer Ich-Identität. Wenn das Spannungsverhältnis zwischen Individuation und Integration ausgleichend gestaltet wird, entwickelt sich eine Ich-Identität. Diese ist die Grundvoraussetzung für autonome Handlungsfähigkeit und psychische Gesundheit des Menschen. Jugendliche haben in ihrer Lebensphase die Möglichkeit, ihre Ich-Identität zu entwickeln. Durch Austarieren zwischen ihren persönlichen Bedürfnissen und Entwicklungen (Individuation) sowie den Wert- und Normvorstellungen, die sie durch soziale Interaktion erfahren (Integration), bauen sie ihre Ich-Identität auf. Um dieses Spannungsverhältnis besser ausgleichen zu können, sind personale und soziale Ressourcen (sechste These) notwendig. Unter personale Ressourcen fallen die individuellen Bewältigungskompetenzen eines jeden Individuums wie günstige körperliche und psychische Merkmale, während zu den sozialen Ressourcen die Unterstützungsleistungen der sozialen Umwelt in Form von einer gesicherten und stabilen Herkunftsfamilie gehören. Jugendliche brauchen zur Bewältigung der Entwicklungsaufgaben und des Spannungsverhältnisses von Individuation und Integration eben diese personalen und sozialen Ressourcen. Besitzen Jugendliche solche Ressourcen nicht in ausreichender Menge, kann es zu Persönlichkeitsstörungen kommen. Im Rahmen der Persönlichkeitsentwicklung ist die Bedeutung der Sozialisationsinstanzen (siebte These) sehr hoch. Primär ist die Familie der wichtigste Unterstützer. Allerdings werden auch sekundäre Sozialisationsinstanzen, wie Kindertagesstätten oder Schulen, immer wichtiger. Die Gruppe der tertiären Sozialisationsinstanzen, in Form von Freunden und Partnerschaften, haben ebenfalls Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung. Jugendliche werden also insbesondere von der eigenen Familie, aber auch von Schule, Freunden und Partnerschaften in ihrer Entwicklung beeinflusst. So orientieren sie sich beispielsweise an der Lebensführung der Eltern, auch nehmen Freunde des Öfteren Einfluss auf ihren Konsum- und Lebensstil. Für den Entwicklungsprozess der Jugendlichen ist es gerade bei diesen beiden Faktoren wichtig, dass hier kein übergroßes Spannungsverhältnis zwischen den einzelnen Instanzen entsteht, da sich so die Sozialisationsimpulse eher ergänzen und nicht gegeneinander wirken. Wie zuvor schon erwähnt, entwickelt sich die Persönlichkeit im Lebenslauf (achte These) eines Menschen. Dies ist ein stetiger Prozess von aufeinander folgenden Lebensphasen, die spezifische Aufgaben an die Persönlichkeitsentwicklung stel11 len. Durch Veränderungen von sozialen, kulturellen oder ökonomischen Bedingungen haben sich auch die Lebensphasen verändert. Aus heutiger Sichtweise muss die „Lebensphase Jugend“ als eigenständiger Abschnitt mit ihren spezifischen Anforderungen betrachtet werden. Für die Entwicklung einer Persönlichkeit ist ebenfalls der soziale Status von Bedeutung. Der Sozialisationseffekt sozialer Ungleichheit (neunte These) beschreibt, dass Menschen mit einem höheren sozioökonomischen Status von Geburt an ein reichhaltigeres Ausmaß an Ressourcen zur Verfügung stehen als Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status. Bessere Voraussetzungen durch den Status bedeuten auch bessere Chancen auf Persönlichkeitsentwicklung und Ausdifferenzierung der Ich-Identität. Diese Ungleichheiten führen in der „Lebensphase Jugend“ zur Spaltung der Lebenswelten. Sozial besser gestellte Familien ermöglichen ihren Kindern umfangreichere Unterstützung zur Bewältigung der Entwicklungsaufgaben innerhalb der Jugendzeit wie beispielsweise Förderunterricht oder Mitgliedschaften in Vereinen. Sozial benachteiligte Familien haben die Möglichkeiten häufig nicht, daher fehlt diese Unterstützung den Jugendlichen. Bildungsinstitutionen und gleichaltrige Gruppen können diese Benachteiligungen kaum ausgleichen, sodass sie sich in der Regel auch im weiteren Lebenslauf fortsetzen. Die zehnte und letzte These zur weiblichen und männlichen Realitätsverarbeitung handelt davon, dass die Zugehörigkeit zum weiblichen oder männlichen Geschlecht auch die Bewältigung der Entwicklungsaufgaben beeinflusst. Bei der Realitätsverarbeitung lassen sich typisch männliche und typisch weibliche Verhaltensmuster erkennen. Bei den heutigen Jugendlichen haben sich insbesondere die weiblichen bessere Ausgangschancen verschafft. Frauen haben in der Regel den besseren Schulabschluss, wohingegen die männliche Leistung eher stagniert. Die Bewältigung der Entwicklungsaufgaben ist durch die Geschlechtszugehörigkeit geprägt. 12 1.4 Jugend und Soziale Arbeit Das berufliche Handlungsfeld für die Arbeit mit Jugendlichen ist die Kinder- und Jugendhilfe. Rechtliche Grundlage bietet das achte Sozialgesetzbuch „Kinderund Jugendhilfe“. Hier heißt es im „§1 Recht auf Erziehung, Elternverantwortung, Jugendhilfe: (1) Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. (2) 1 Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. ²Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. (3) Jugendhilfe soll zur Verwirklichung des Rechtes nach Absatz 1 insbesondere 1. junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen, 2. Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten und unterstützen, 3. Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen, 4. dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen.“ 19 Die Kinder- und Jugendhilfe umfasst mehrere Leistungen und Arbeitsbereiche, welche im Folgenden näher erläutert werden.20 Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit sind Leistungen nach den §§11-13 SGB VIII. Angebote der Jugendarbeit sind grundsätzlich freiwillig. Sie orientieren sich an den Interessen und Bedürfnissen von Jugendlichen. Dabei wird ihnen ein hohes Mitbestimmungs- und Gestaltungsrecht eingeräumt. In den meisten Fällen werden diese Leistungen durch ehrenamtlich organisierte Arbeit in Jugendverbänden übernommen, allerdings können auch professionelle Sozialarbeiter/Innen tätig werden, wie beispielsweise in Jugendhäusern oder Jugendzentren. Jugendsozialarbeit ist ein Sammelbegriff für Leistungen der Jugendhilfe zur Sicherung 19 Vgl. NomosGesetze: Gesetze für die Soziale Arbeit, §1 SGB VIII, a.a.O. S. 1771. 20 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf: Jordan, Erwin/ Maykus, Stephan/ Stuckstätte, Eva C.: Kinder und Jugendhilfe. Einführung in Geschichte und Handlungsfelder, Organisationsformen und gesellschaftliche Problemlagen. 3., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage, Weinheim und Basel, Beltz Juventa, 2012. S. 90-301. Für die rechtlichen Grundlagen siehe: NomosGesetze: Gesetze für die Soziale Arbeit, §§11-60 SGB VIII, a.a.O. S. 1774-1792. 13 der sozialen und beruflichen Integration junger Menschen. Hierzu zählen Leistungen, wie Schulsozialarbeit, Jugendberufshilfe, Jugendwohnen und Integrationshilfe für junge Menschen mit Migrationshintergrund. Schulsozialarbeit hat sich seit rund drei Jahrzehnten in der Schule etabliert. Schulsozialarbeiter/innen kommen heute in allen Schulformen vor und unterstützen dabei die Schüler/innen bei ihrer persönlichen und sozialen Entwicklung. Zum Aufgabenspektrum gehören Beratung, Einzelfallhilfen, Gruppen-, Freizeit- und Betreuungsangebote, Berufsorientierung, sozialräumliche Arbeiten und Vernetzungstätigkeiten mit Behörden und Ämtern. Förderung der Erziehung in der Familie §§16-21 SGB VIII sind Leistungen zur besseren Erziehung von Kindern. Hierzu gehören insbesondere: Vorbereitende Angebote der Familienbildung und Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung oder Ausübung der Personensorge. Hinzu kommen noch Angebote der Familienfreizeit und Familienerholung. Ein weiterer großer Aufgabenbereich ist die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (§§22-26 SGB VIII). Die jeweiligen Jugendämter haben die Gesamtverantwortung dafür, dass die notwendigen Dienste und Einrichtungen zur Verfügung stehen. Eltern haben einen Rechtsanspruch auf diese Leistungen, die sie gegenüber dem Jugendamt gelten machen können. Die Leistungserbringung kann sowohl durch öffentliche Träger wie kommunale Kindertagesstätten oder durch freie Träger, wie einem Wohlfahrtsverband, geschehen. Kindertagespflege richtet sich dabei in erster Linie an die Betreuung von Kindern unter drei Jahren. Einen quantitativ größeren Teil nimmt die Förderung der Kinder in Kindertagesbetreuungen ein. Ein zentrales Handlungsfeld der Kinder- und Jugendhilfe sind die Hilfen zur Erziehung (§§27-35 SGB VIII). Hier haben ebenfalls die Jugendämter die Gesamtverantwortung. Leistungen können von freien und öffentlichen Trägern erbracht werden. Die Hilfen zur Erziehung lassen sich in ambulante/teilstationäre und stationäre Hilfen aufteilen. Zu Ersterem gehören die Erziehungsberatung, soziale Gruppenarbeit, Erziehungsbeistand, sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH) und die Erziehung in einer Tagesgruppe zur Entlastung der elterlichen Betreuungs- und Versorgungspflicht. Besonders die SPFH hat im Rahmen familienorientierter Hilfe an Bedeutung gewonnen. Dazu heißt es im § 31 SGB VIII: 14 „1Sozialpädagogische Familienhilfe soll durch intensive Betreuung und Begleitung Familien in ihren Erziehungsaufgaben, bei der Bewältigung Von Alltagsproblemen, der Lösung von Konflikten und Krisen sowie im Kontakt mit Ämtern und Institutionen unterstützen und Hilfe zur Selbsthilfe geben. ²Sie ist in der Regel auf längere Dauer angelegt und erfordert die Mitarbeit der Familie.“21 Zu den stationären Hilfen gehören die Vollzeitpflege, die Heimerziehung und sonstige betreute Wohnformen sowie die intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung. Eine wichtige Aufgabe des Jugendamtes und deren Mitarbeiter/Innen ist der in §8a SGB VIII formulierte „Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung“. Demnach muss das Jugendamt, wenn es von einer Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen erfährt, mit mehreren Fachkräften eine Abschätzung dieser Gefahr vornehmen. Zur Abwehr kann das Jugendamt den Sorgeberechtigten Hilfen zur Erziehung anbieten. Reichen diese Hilfen nicht aus oder nehmen Eltern diese nicht war, kann das Familiengericht eingeschaltet werden, welches über das weitere Vorgehen entscheidet. In akuten Fällen darf das Jugendamt auch ohne die Entscheidung des Familiengerichts die Kinder in Obhut nehmen. 1.5 Jugendprobleme im Film Prof. Dr. Helmut Diederichs, seit 1999 an der Fachhochschule Dortmund im Fach Medienpädagogik tätig, betreibt seit 2003 sein Lehrforschungsprojekt „Arbeitsfelder der Sozialpädagogik und Sozialarbeit in fiktionalen Kino- und Fernsehfilmen“. Im Rahmen dieses Projektes hat Diederichs eine umfangreiche OnlineDatenbank der sogenannten „SozPäd-Movies“ zusammengestellt. Diese beinhaltet über 2700 Kino und Fernsehfilme, kategorisiert nach bestimmten Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit.22 In dieser Datenbank „SozPäd-Movies“ sind fiktionale Kino- und Fernsehfilme, die sich inhaltlich mit der Sozialen Arbeit auseinandersetzen und einen konkreten 21 Vgl. NomosGesetze: Gesetze für die Soziale Arbeit, §31 SGB VIII, a.a.O. S. 1781. 22 Vgl. Fachhochschule Dortmund, Prof. Dr. Helmut Diederichs: Biographie, Online: http://www.fh- dortmund.de/de/studi/fb/8/personen/lehr/diederichs/vitae.php (Stand: 18.06.2013) 15 sozialarbeiterischen oder sozialpädagogischen Handlungsbedarf haben. Fiktional meint in diesem Zusammenhang, dass es sich nicht um einen Dokumentarfilm handelt, sondern um fiktive Filmhandlungen.23 Innerhalb der Spielfilme zeigt sich vor allem in der Darstellung des Jugendamtes und deren Mitarbeiter/Innen, dass sich die Filmemacher allgemeiner klischeehafter Darstellungen bedienen, die den Zuschauer in seiner Meinung bestätigen. So wird die Mitarbeiterin des Jugendamtes häufig als strenge, autoritäre Persönlichkeit dargestellt, meistens noch mit einer Brille auf der Nase. Professionell handelnde Sozialarbeiter/Innen kommen in fiktionalen Kino- und Fernsehfilmen nur in Ausnahmefällen vor.24 Aus der Gesamtliste an „SozPäd-Movies“25 habe ich letztlich aus den Unterkategorien, sortiert nach den Arbeitsfeldern „Jugendarbeit/Jugendhilfe“ und „Sozialarbeit in der Schule“ 25 Filme ausgewählt, die sich schwerpunktmäßig mit den Themenbereichen Jugend und Familie, Jugend und Schule, Jugend und Gleichaltrige sowie Jugend und Identitäts-/ sexuelle Entwicklung befassen. Dabei habe ich darauf geachtet, dass der jeweilige Themenbereich in den Filmen eine wesentliche Rolle einnimmt. Alle ausgewählten Filme wurden in der Zeit zwischen 1996 und 2011 gedreht, somit ist die Aktualität der Filme gewährleistet. Aufgeteilt sind sie in zwei Tragikomödien, einer Komödie, einem Krimi. Die restlichen 21 Filmgenres sind Dramen, Sozialdramen, Jugenddramen- im Folgenden allgemein als Drama bezeichnet. Ein weiteres Auswahlkriterium war das Produktionsland. Lediglich ein Film wurde nicht in Europa produziert, sondern in den USA. Ein Film kommt aus Großbritannien, drei aus Schweden und alle anderen aus Deutschland. Dadurch ist der Bezug zur Sozialen Arbeit in Deutschland vorhanden. Aus dieser 25 Filme umfassenden Liste werde ich letztlich die Filme bearbeiten, welche sich inhaltlich mit den Analysekriterien der drei Sozialisationsinstanzen auseinandersetzen. 23 Vgl. Fachhochschule Dortmund, Prof. Dr. Helmut Diederichs: Konzept SozPäd-Movies, Online: http://www.asw.fh-dortmund.de/diederichs/sozpaed-movies/listen/konzept.htm (Stand: 18.06.2013) 24 Vgl. Diederichs, Prof. Dr. Helmut: Geregelte Verhältnisse. Soziale Arbeit in Kino- und Fernsehfil- men – Arbeitsfelder, Protagonisten und Stereotypen. Online: http://www.avenirsocial.ch/sozialaktuell/82917_sa_12_029_033.pdf (Stand: 18.06.2013) 25 Vgl. http://www.asw.fh-dortmund.de/diederichs/sozpaed-movies/listen/kritiken.htm 16 2. Jugend und Familie Nach einer allgemeinen Einführung in das Thema Jugend als eigenständige Lebensphase geht es nun darum, Jugendliche in verschiedenen gesellschaftlichen Teilsystemen und -bereichen näher zu beschreiben. Da die Familie für die Jugendlichen die primäre Sozialisationsinstanz ist, beschäftige ich mich in diesem Kapitel zunächst mit ihr. Dazu werde ich einen theoretischen Überblick verschaffen. Innerhalb dessen werde ich Kriterien herausarbeiten die für die Analyse der ausgewählten Kino- und Fernsehfilme relevant sind. 2.1 Theoretischer Überblick Jugend und Familie Bei der theoretischen Analyse von Jugend und Familie beziehe ich mich auf drei Hauptaspekte: Leben in unterschiedlichen Familienformen, Konflikte in der Familie und Ablösung von den Eltern. Diese sind drei wesentliche Punkte mit denen sich Jugendliche innerhalb der Familie auseinandersetzen müssen um in ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Ich werde die Aspekte zunächst ausführlich darstellen und beschreiben und abschließend zu Kernaussagen zusammenfassen. 2.1.1 Leben in unterschiedlichen Familienformen In Deutschland ist die überwiegende Familienform die sogenannte Kernfamilie. Sie zeichnet vor allem aus, dass Eltern in einem Haushalt mit ihren erziehungsund unterhaltspflichtigen Kindern unabhängig und eigenständig von Großeltern und anderen zusammen leben. Weitere Verwandtschaftssysteme, wie dies früher der Fall war, kommen in diesem Haushalt nicht vor.26 26 Vgl. Schäfers, Bernhard: Soziologie des Jugendalters, a.a.O., S. 119f. 17 Klaus Hurrelmann und Gudrun Quenzel führen an, dass sich diese Normalform in einem Wandlungsprozess befindet. Verschiedene Merkmale spielen in diesem Prozess eine wichtige Rolle: Für viele Menschen ist die Ehe als Lebensform der Eltern nicht mehr zwingend notwendig, Kinder müssen nicht unbedingt leiblich sein, die Arbeitsteilung von Männern und Frauen wandelt sich sowie die steigende Zahl der Trennungen und Scheidungen. All diese Merkmale verdeutlichen, dass in der heutigen Gesellschaft viele neue Formen des Zusammenlebens möglich sind, beispielsweise die nichteheliche Lebensgemeinschaft, alleinerziehende Eltern oder Patchwork- Familien. Hinzu kommt, dass sich die Mehrzahl an Paaren für ein oder maximal zwei Kinder entscheidet. Familien mit mehr Kindern werden daher immer seltener. Heutzutage leben etwa drei Viertel der Jugendlichen in einer Kernfamilie und ein Viertel in den unterschiedlichsten Familienformen.27 In den meisten Fällen ist die Familie die wichtigste Bezugsgruppe für die Jugendlichen. In ihr erwerben sie wichtige Fähigkeiten für ihr späteres Leben, erfahren das Zusammenleben in der Gesellschaft, und durch die Zugehörigkeit zu einer Familie erlangen sie auch eine soziale Position innerhalb der Gesellschaft.28 „Die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern sind nach allen vorliegenden Untersuchungen heute eng und vertrauensvoll, und die Jugendlichen orientieren sich in allen wesentlichen Fragen ihrer Lebensgestaltung stark an den Eltern.“29 Die Familie hat vor allem durch folgende Aspekte großen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung der Jugendlichen: Sozioökonomische Bedingungen, wie die Wohnsituation, die soziale Zusammensetzung der Familie, das Sprach- und Bildungsniveau der Eltern, Einstellungen der Eltern zu Kultur, Politik und Gesellschaft sowie die Potenziale der Eltern an Zeit oder auch ökonomischen Mitteln.30 Aus der aktuellen Schell-Jugendstudie 2010 geht hervor, dass Jugendliche ihre Eltern als Vorbilder in der Erziehung sehen und mit dieser weitestgehend einverstanden sind. So würden 16% der Befragten ihre Kinder genauso erziehen, wie sie erzogen wurden, 57% würden es so ähnlich machen, 19% würden etwas mehr ändern und nur 7% würden ihre Kinder komplett anders erziehen. Auffällig 27 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O., S. 143f. 28 Vgl. Scherr, Albert: Jugendsoziologie. Einführung in Grundlagen und Theorien. 9., erweiterte und umfassend überarbeitete Auflage, Wiesbaden, VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2009. S. 134f. 29 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O., S. 145. 30 Vgl. Scherr, Albert: Jugendsoziologie, a.a.O., S. 135. 18 bei dieser Frage ist aber auch, dass nur 40% der Jugendlichen aus der sozialen Unterschicht ihre Kinder genauso oder ungefähr so erziehen würden. In der Mittelschicht sind es rund 77% und in der Oberschicht sogar 81%.31 Jugendliche haben in den überwiegenden Fällen ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern. Die Shell-Jugendstudie 2010 zeigt, dass über 90% der Befragten bestens bis gut mit ihren Eltern auskommen, 7% sich oft nicht verstehen und nur 1% ein schlechtes Verhältnis zu ihren Eltern haben. Die soziale Herkunftsschicht hat dabei einen besonderen Einfluss auf das Verhältnis zwischen Jugendlichen und ihren Eltern. Nur jeder siebte Jugendliche (14%) aus der Unterschicht kommt bestens mit seinen Eltern klar, aus der Mittel- und Oberschicht sind es jeweils 39%.32 Die Einstellung der Eltern zu eigenen Kindern hat das Verhältnis zwischen ihnen zum Positiven verändert. Eltern entscheiden sich nicht mehr aus wirtschaftlichen Gründen für ein Kind, sondern aus emotionalen Gründen. Durch eigene Kinder geben Eltern ihrem Leben eine neue Perspektive und sie widmen sich aktiv und mit viel Mühe ihrer Sozialisation. Daher haben Eltern zu ihren Kindern bis ins Jugendalter eine intensive Beziehung, in der sie ihre Erziehungsaufgaben sehr ernst nehmen. In Familien mit einem höheren sozioökonomischen Status tauschen sich Jugendliche und Eltern besonders intensiv aus. Eltern werden häufig als Berater für Schule, Beruf oder persönliche Angelegenheiten befragt. Das Konfliktpotential ist eher gering. Es geht oft um harmlose Themen, wie Kleidung, Frisur, Musik und seltener um ernstere Schwierigkeiten, wie Kriminalität oder Drogenkonsum. Je ungünstiger allerdings der sozioökonomische Status der Eltern ist, umso stärker ist die Beziehung zwischen Eltern und Kindern belastet. Jugendliche sehen ihre Eltern nicht so sehr als Vorbild an. Daher kommt es häufiger zu Konflikten und Auseinandersetzungen.33 31 Vgl. Shell Deutschland Holding GmbH: 16. Shell Jugendstudie, a.a.O., S. 63ff. 32 Vgl. Shell Deutschland Holding GmbH: 16. Shell Jugendstudie, a.a.O., S. 65ff. 33 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O., S. 146ff. 19 2.1.2 Konflikte in der Familie Konflikte und Krisen innerhalb der Familie entstehen insbesondere durch Arbeitslosigkeit, die Auswirkungen relativer Armut, Trennung und Scheidung der Eltern sowie Gewalt- und Misshandlungstaten.34 Wie schon beschrieben, ist die wirtschaftliche und soziale Lebenslage der Familie von besonderer Bedeutung für das Verhältnis zwischen Eltern und Jugendlichen. Der Großteil der Jugendlichen findet solche günstigen Bedingungen in seiner Familie. Durch wirtschaftliche Krisenentwicklungen kommt es allerdings seit den 80er Jahren zum Wachstum ökonomischer Ungleichheiten. Durch den Anstieg schlechter materieller Lebensbedingungen sind die Rahmenbedingungen für die Persönlichkeitsentwicklung der Jugendlichen beeinträchtigt.35 Der Grund für die steigende ökonomische Ungleichheit ist die anhaltende Arbeitslosigkeit der Eltern. Mangelnde finanzielle Mittel führen zu ungünstigen materiellen Bedingungen, welche die Entwicklungsbedürfnisse der Jugendlichen nicht ausreichend decken können. Durch die Arbeitslosigkeit der Eltern entsteht ein tiefer Schnitt im System Familie. Jugendliche spüren im besonderen Maße die Verunsicherung der Eltern, die sich aus der neuen Situation ergibt. Gleichzeitig stellen sie Werte, wie Sicherheit und Verlässlichkeit ihrer Bezugspersonen in Frage. Das hat eine soziale Verunsicherung zur Folge, die auch dann spürbar wird, wenn mit dem Wegfall des Jobs die ökonomischen Mittel geringer werden und ein sozialer Statusverlust drohen kann.36 Armut hat wesentliche Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung und den Sozialisationsprozess von Jugendlichen. Sie wird in Deutschland durch das Konzept relativer Armut definiert: „Relative A. herrscht, wenn die Lebenslage der Betroffenen bzw. ihr verfügbares Einkommen so weit unter den in einem Land herrschenden durchschnittlichen Lebensverhältnissen liegt, dass sie ausgegrenzt (marginalisiert) werden, selbst wenn sie über das zum Überleben notwendige 34 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O., S. 149-153. 35 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O., S. 149. 36 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O., S. 149ff. 20 verfügen, also nicht absolut arm sind.“37 Diese Grenze liegt bei 60% des Medianeinkommens. In Deutschland sind besonders Kinder und Jugendliche von relativer Armut betroffen. Sie stehen an der Spitze der Altersgruppen, die am Häufigsten betroffen sind. So sind dies im Jahr 2008 beispielsweise rund 21% der Jugendlichen zwischen 13-18 Jahren und im Alter von 19-25 Jahren sogar 24%. Besonders von Armut bedroht sind Jugendliche in getrennt lebenden Familien, in Ein-Elternfamilien, in Großfamilien (mehr als drei Geschwister), mit bildungsfernen Eltern oder mit arbeitslosen Eltern.38 „Die Auswirkungen relativer Armut auf den Sozialisationsprozess der Jugendlichen zeigen sich auf verschiedenen Ebenen.“39 So beeinträchtigt Armut die körperliche Gesundheit, wie beispielsweise durch ungesundes Verhalten der Mutter während der Schwangerschaft oder schlechte Ernährung der Jugendlichen. Neben diesen körperlichen Merkmalen kommt es häufig zu Nachteilen im Selbstbild, Wohlbefinden oder zu gesteigertem Problemverhalten. Von Armut betroffene Jugendliche klagen über Benachteiligungen und Minderwertigkeitsgefühle. Diese wirken sich auf die emotionale Belastung der Jugendlichen aus und führen zu Verhaltensauffälligkeiten, wie Depressivität, Traurigkeit oder zu Aggressivität und Feindseligkeit. Der erhöhte finanzielle Druck der Eltern spiegelt sich in einem angespannten Erziehungsverhältnis wider. Armut wirkt sich ebenfalls auf soziale Beziehungen aus. Jugendliche sind weniger in Vereinen aktiv und haben weniger Kontakt zu Gleichaltrigen. Aufgrund von mangelnden ökonomischen Mitteln müssen diverse Einschränkungen im Leben vorgenommen werden wie beispielsweise die Mitgliedschaft in Vereinen, wodurch letztlich Kontakte schwerer geknüpft werden. Letztlich führt Armut auch zur Beeinträchtigung der Intelligenzentwicklung und der schulischen Entwicklung durch geringere Fördermöglichkeiten. Jugendliche mit guten personalen und sozialen Ressourcen haben durchaus die Möglichkeit diese Missstände auszugleichen.40 37 Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. : Fachlexikon der sozialen Arbeit. 7., völlig überarbeitete und aktualisierte Auflage, Baden – Baden, Nomos Verlag, 2011. S. 59. 38 Vgl. Dittmann, Jörg/ Holz, Gerda/ Laubstein, Claudia: Jugend und Armut. Forschungsstand und Untersuchungsdesign der AWO-ISS Langzeitstudie „Kinder- und Jugendarmut IV“. Online: http://www.bagkjs.de/media/raw/Jugend_und_Armut_ZWISCHENBERICHT.pdf(Stand: 16.05.2013) 39 40 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O., S. 150. Vgl. Walper, Sabine: Sozialisation und Armut. In: Grundmann, Matthias, Hurrelmann, Klaus, Walper, Sabine: Handbuch Sozialisationsforschung. 7., vollständig überarbeitete Auflage, Wein- 21 Ein weiterer Konflikt zwischen Jugendlichen und ihren Familien entsteht durch Beziehungskrisen der Eltern. So sind rund ein Drittel der Jugendlichen von Trennung und Scheidung der Eltern betroffen. Daraus können starke psychische und soziale Belastungen folgen. Gleichzeitig können durch einen Beziehungskonflikt der Eltern, die Jugendlichen emotional gestört werden, wodurch ihre Beziehungsfähigkeit Schaden nehmen kann. Zu dem getrennt lebenden Elternteil erlischt in vielen Fällen die Beziehung, und so bauen Jugendliche ein intensiveres Verhältnis zum hauptsächlich erziehenden Elternteil auf. Alleinerziehende Eltern gelangen häufig in finanzielle Bedrängnisse, wodurch sich das Verhältnis zu ihren Kindern eintrüben kann. Durch Berufstätigkeit können sie in soziale Distanz zum Jugendlichen geraten, durch Arbeitslosigkeit droht dann die Armut. Neue Paarbeziehungen des alleinerziehenden Elternteils bedeuten für die Jugendlichen eine neue emotionale Orientierung. Sie müssen die damit verbundenen Beziehungskonflikte von Akzeptanz und Ablehnung bewältigen und lernen, den neuen Partner im familialen Leben zu tolerieren.41 Neben den wirtschaftlichen Krisenlagen und Trennungen können auch gestörte Partnerbeziehungen der Eltern oder Alkohol- und Drogenprobleme zu Störungen der Persönlichkeitsentwicklung bei Jugendlichen führen. Bei den Eltern kommt es zu unkontrollierten Erziehungsstilen und zum Gefühl, die Kontrolle über den Jugendlichen zu verlieren. Durch langanhaltende Alkohol- und Drogenprobleme sind die sozialen Regeln und Rollenvereinbarungen gestört. Jugendliche erfahren neben emotionaler Zuneigung auch Vernachlässigung und psychische Ablehnung oder sind heftigen Aggressionen ausgesetzt. Diese Erfahrungen können zu Depressionen und anderen Störungen der Psyche, wie Ängstlichkeit, Schuldgefühlen oder auch Minderwertigkeitskomplexen führen. Sexuelle Gewalt gegenüber Jugendlichen ist eine weitere ernste Problematik. Bis zu 20 Prozent der Jugendlichen sind solchen Handlungen ausgesetzt. In den meisten Fällen sind eigene Väter oder männliche Verwandte sowie Bezugspersonen die Täter. Der private Bereich ist somit gefährlicher einzustufen als der Öffentliche. Die Folgen sexueller Gewalt beeinflussen die Jugendlichen ein Leben lang. So kommt es neben körperlichen Entwicklungsproblemen zu depressiven Syndromen, Drogenmissbrauch oder emotionalen Störungen. Insbesondere der Vertrauensbruch heim und Basel, Beltz Verlag, 2008. S. 203-212 und Dittmann, Jörg/ Holz, Gerda/ Laubstein, Claudia: Jugend und Armut. Online, a.a.O., S. 38-73. 41 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O., S. 151f. 22 von Bezugspersonen sorgt bei vielen Jugendlichen für eine langanhaltende Traumatisierung.42 Arbeitslosigkeit, relative Armut, Trennung und Scheidung der Eltern sowie Gewalt- und Misshandlungenstaten haben somit einen erheblichen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen. 2.1.3 Ablösung von den Eltern Bernhard Schäfers und Albert Scherr beschreiben zum Ablösungsprozess vom Elternhaus ein Modell von Helm Stierlin, der idealtypisch drei unterschiedliche Beziehungsmodi zwischen Jugendlichen und ihren Eltern unterscheidet: dem Bindungsmodus, den Delegationsmodus oder den Ausstoßungsmodus. Herrscht der Bindungsmodus vor, wird eine Ablösung möglichst lange hinausgezögert. Die Befriedigung der wesentlichen Bedürfnisse wird durch die Familie gestillt. Eltern binden die Jugendlichen an sich, indem sie ihnen ihre Definition von Bedürfnissen und Empfindungen aufzwingen. So verwöhnen sie ihre Kinder oder machen ihnen deutlich, dass sie nur für ihr Wohl leben. Folgen des Bindungsmodus sind häufig Schuldgefühle des Jugendlichen, wenn er sich ablöst. Beim Delegationsmodus übertragen Eltern ihre Wünsche auf die Jugendlichen. Kinder sollen Erfahrungen der Eltern machen, die diese versäumt haben, als sie selber noch jung waren. Herrscht der Ausstoßungsmodus vor, sehen Eltern die Jugendlichen als Behinderung für ihr eigenes Leben. Hier versuchen Eltern den Ablösungsprozess zu beschleunigen. Das hat häufig zur Folge, dass die Jugendlichen vernachlässigt werden.43 Klaus Hurrelmann und Gudrun Quenzel beschreiben die Ablösung als einen Prozess auf unterschiedlichen Ebenen. Zunächst identifizieren sie eine psychische Ebene, in der die Jugendlichen ihre Einstellungen und Handlungen nicht mehr an den Eltern, sondern vielmehr an der eigenen Generation orientieren. Auf der 42 Vgl. Nave Herz, Rosemarie: Ehe- und Familiensoziologie. Eine Einführung in Geschichte, theore- tische Ansätze und empirische Befunde. 3., überarbeitete Auflage, Weinheim und Basel, Beltz Juventa, 2013. S. 210-214 und Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O., S. 153. 43 Vgl. Schäfers, Bernhard: Soziologie des Jugendalters, a.a.O., S.138f. 23 emotionalen und intimen Ebene sind nicht mehr die Eltern zentrale Objekte der jugendlichen Liebe, sondern verstärkt eigene Partner und Partnerinnen. Jugendliche entwickeln während des Ablösungsprozesses auch einen persönlichen Lebensstil, sodass sie sich auf einer kulturellen Ebene von den Eltern ablösen. Daneben kommt es auf der räumlichen Ebene zu einer Ablösung, indem Jugendliche aus dem Elternhaus ausziehen. Häufig ist dies der Fall, wenn auch auf der materiellen Ebene der Ablösungsprozess fortgeschritten ist, d.h. Jugendliche finanziell unabhängig geworden sind. Festzuhalten bleibt auch, dass die verschiedenen Ebenen der Ablösung zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in einer bestimmten Abfolge stattfinden. Während psychische, emotionale/intime und kulturelle Ablösungen in den meisten Fällen heutzutage schon relativ früh geschieht, verlagert sich die materielle Ablösung eher weiter nach hinten, da Jugendliche, z.B. durch ein Studium, erst spät ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit erreichen können. Der räumliche Ablösungsprozess erfolgt hingegen in langsamen Schritten, da viele Jugendliche ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern haben und dementsprechend lange bei ihnen wohnen wollen.44 2.1.4 Kernaussagen der Theorie Die vorherrschende Familienform in Deutschland ist die sogenannte Kernfamilie, bestehend aus den leiblichen Eltern und ihren Kindern. Allerdings ist diese Form im Wandel, sodass bei der heutigen Lebensform viele neue Familienkonstellationen denkbar sind. Die Familie ist die wichtigste Bezugsgruppe und hat große Einflussmöglichkeiten auf die Jugendlichen. In den überwiegenden Fällen sehen Jugendliche ihre Eltern als Vorbilder an und haben ein gutes Verhältnis zu ihnen. Allerdings ist dieses Verhältnis besonders in der sozialen Unterschicht getrübt und es kommt häufiger zu Konflikten zwischen den beiden Parteien. 44 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O., S. 154f. 24 Größere Krisen und Konflikte entstehen hauptsächlich durch Arbeitslosigkeit, relative Armut, Trennung und Scheidung oder Gewalthandlungen innerhalb der Familie. Langanhaltende Arbeitslosigkeit führt zu steigender ökonomischer Ungleichheit und somit zu mangelnden materiellen Bedingungen. Arbeitslosigkeit bedeutet einen tiefen Schnitt im Familienleben und stellt gleichzeitig Werte wie Sicherheit und Verlässlichkeit der Bezugspersonen in Frage. Kinder und Jugendliche sind die Personen, die am häufigsten von Armut betroffen sind. Dies wirkt sich auf verschiedenen Ebenen negativ auf die Persönlichkeitsentwicklung und den Sozialisationsprozess aus. Trennung und Scheidung der Eltern führen zu psychischen und sozialen Belastungen bei Jugendlichen, hingegen können neue Partnerschaften des alleinerziehenden Elternteils zu emotionalen Beziehungskonflikten führen. Alkohol- und Drogenmissbrauch der Eltern beeinflusst die Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen. Durch unkontrollierte Erziehungsstile sowie gestörte soziale Regeln und Rollenvereinbarungen zeigen Jugendliche häufig ein gestörtes psychisches Verhalten, in Form von Depressionen, Schuldgefühlen oder auch Aggressionen. Bis zu 20% der Jugendlichen sind sexuell ungewollten Handlungen ausgesetzt, welche in den meisten Fällen innerhalb der Familien vorkommen. Folgen dieser Taten sind ein Leben lang spürbar. Beim Ablösungsprozess zwischen Jugendlichen und den Eltern kann idealtypisch zwischen den Beziehungsmodi der Bindung, der Delegation und der Ausstoßung unterschieden werden. Differenzierter betrachtet ist das Ablösen von den Eltern ein Prozess auf verschiedenen Ebenen, wobei jede zu unterschiedlichen Zeitpunkten stattfindet. Jugendliche durchlaufen die Ebenen der psychischen, emotionalen/intimen, kulturellen, räumlichen sowie materiellen Ablösung von den Eltern. 25 2.2 Kino- und Fernsehfilmanalyse Jugend und Familie Aus der Fachliteratur wird deutlich, welchen Einfluss die Familien auf die Entwicklung von Jugendlichen haben. Anhand der gesammelten Kernaussagen möchte ich nun prüfen, inwieweit diese in den ausgewählten Kino- und Fernsehfilmen dargestellt werden. Im Folgenden werden die Filme kurz beschrieben. Der Film „Keine Angst“ (Deutschland, Drama, 2009) handelt von der 14-jährigen Becky, die zusammen mit ihren drei jüngeren Geschwistern bei ihrer alleinerziehenden Mutter lebt. Die Familie wohnt in einer Hochhaussiedlung in einem sozialen Brennpunkt. Aufgrund des ständigen Alkoholkonsums der Mutter und dem mangelnden Interesse an ihren Kindern, kümmert sich Becky um die familialen Angelegenheiten. Eines Tages lernt sie einen Jungen (Bente) kennen und verliebt sich in ihn. Es kommt zu einem Zwiespalt zwischen erster großer Liebe und Verantwortung für die Familie. Nach einem sexuellen Übergriff durch den neuen Lebenspartner der Mutter ist Becky so verstört, dass sie sich bis zur Bewusstlosigkeit trinkt und von Bente widerbelebt werden muss. Der Film „Fish Tank“ (Großbritannien, Drama, 2009) handelt von der 15-jährigen Mia, die zusammen mit ihrer kleineren Schwester und ihrer Mutter in einer Hochhaussiedlung wohnt. Die angespannten Familienverhältnisse versucht Mia durch Break Dance zu kompensieren. Durch einen neuen Lebenspartner der Mutter scheinen sich die Wogen zwischen ihr und ihren Töchtern zu glätten, so unternehmen sie einen gemeinsamen Ausflug und der Freund kümmert sich um die Töchter. Doch nachdem Mia und der neue Freund in sexuellen Kontakt geraten, bricht er die Beziehung ab. Mia findet heraus, dass er bereits Vater eines eigenen Kindes ist, welches sie spontan entführt- abends aber wieder zurückbringt. Um nicht auf ein Internat zu müssen, fährt sie mit ihrem Freund nach Wales. Im Film „Bessere Zeiten“ (Schweden, Drama, 2010) geht es um eine Familie, die aufgrund besserer Lebensumstände von Finnland nach Schweden zieht. Doch mangelnde finanzielle Mittel und ständiger Alkoholkonsum der Eltern führen dazu, dass sich die Familiensituation verschlechtert. Gewalteskapaden des Vaters gegenüber der Mutter und den Kindern gehören immer mehr zum Alltag. Die Geschichte wird aus der Erinnerung Leenas erzählt, der ältesten Tochter der Familie. Sie kümmert sich um ihren jüngeren Bruder und sucht im Schwimmsport ei26 nen Ausgleich zu den Konflikten zu Hause. Die Situation zu Hause schaukelt sich so lange hoch, bis das Jugendamt letztlich die Kinder aus der Familie nimmt und der Kontakt zwischen Leena und den Eltern abbricht. „Die brennende Schnecke“ (Deutschland, Drama, 1996) handelt vom 14-jährigen Peter, der bei seiner alleinerziehenden Mutter lebt. In der Schule ist er ein Außenseiter. Auch die berufstätige Mutter hat nicht sehr viel Zeit für ihn. Als die Mutter einen neuen Mann kennenlernt und Peter noch weniger Aufmerksamkeit erhält, sucht er sich seine Bestätigung in einer Jugendgruppe. Er zeigt seiner Mutter und ihrem Freund gegenüber respektloses Verhalten und versucht, durch immer größere Beweise, das Vertrauen der Jugendgruppe zu erlangen, so tötet er beispielsweise auf Geheiß des Anführers seine Ratte oder zündet zum Schluss des Films den in Benzin stehenden Freund der Mutter an. In „Northern Star“ (Deutschland, Drama, 2003) lebt die 18-jährige Anke zusammen mit ihrer Mutter in einer Norddeutschen Kleinstadt. Das Verhältnis zur Mutter ist angespannt, da Anke sie für den Selbstmord des Vaters verantwortlich macht. Zudem kommt sie mit der neuen Beziehung der Mutter nicht zurecht, was zu weiteren Spannungen führt. Als Anke Ulf kennen lernt und sich langsam in ihn verliebt, beschließen beide mit einem Boot wegzufahren. Auf ihrem Weg endlich „aussteigen“ zu können, bringt Anke viele Opfer, so tötet sie beispielsweise ihren Hund. Doch muss sie letztlich erkennen, dass Ulf es mit ihr und der Reise nicht ernst meint. So entscheidet Anke ihre Reise alleine anzutreten und alle zurück zulassen. 2.2.1 Leben in unterschiedlichen Familienformen In vier der fünf analysierten Filme leben die jugendlichen Hauptdarsteller zusammen mit einer alleinerziehenden Person, in allen Fällen ist es die Mutter. Lediglich im Film „Bessere Zeiten“ wird eine Familie mit beiden Elternteilen und zwei Kindern gezeigt, die aufgrund besserer Lebens- und Arbeitsbedingungen von Finnland nach Schweden ziehen. Zunächst sieht der Zuschauer eine glückliche Familie, die voller Zuversicht in ihr neues Leben startet. Der Film greift die zuvor beschriebene Wichtigkeit der Familie als Bezugsgruppe und das Verhältnis zwischen Jugendlichen und ihrer Familie auf. Anfangs haben die jugendliche 27 Leena und ihr kleinerer Bruder ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern, sie gehen gemeinsam Einkaufen und Leena hilft der Mutter bei der Arbeit. Sie orientiert sich an der Mutter und lässt sich beim gemeinsamen Kleiderkauf beraten. Durch mangelnde finanzielle Mittel und erhöhtem Alkoholkonsum innerhalb der Familie kommt es zu einem sozialen Absturz. Dieser belastet zunehmend die familiale Situation und es kommt häufiger zu Streitigkeiten. In den Filmen „Keine Angst“ und „Fish Tank“ greifen die Filme den Wandel der Familienform auf. In beiden Filmen werden alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern in sozial benachteiligten Lebenssituationen gezeigt. So zeigt der Film „Keine Angst“ eine alleinerziehende Mutter mit ihren vier Kindern. Über den Vater erfährt man lediglich, dass er nicht mehr zu Hause wohnt und anscheinend arbeitslos ist. Die Mutter ist ebenfalls arbeitslos und kümmert sich wenig um ihre Kinder, da sie unter ständigem Alkoholeinfluss steht und tagsüber hauptsächlich fernsieht. Das schwierigere Verhältnis zwischen Jugendlichen und ihren Eltern in unteren sozialen Schichten zeigt der Film darin, dass die 14-jährige Hauptfigur Becky kaum Kontakt zur Mutter sucht und sie in ihre Befindlichkeiten wie beispielsweise der Verliebtheit in einen Jungen nicht einweiht oder das es häufig zu Streitigkeiten zwischen Mutter und Tochter kommt in denen es darum geht, wer sich um die kleineren Geschwister kümmern soll und diese z.B. abends aus der Sozialstation abholt. Die Einflüsse der Familie auf die Persönlichkeitsentwicklung werden im Film ebenfalls deutlich. Durch das geringe Bildungsniveau der Mutter und ihre mangelnde Unterstützung und Hilfe besucht Becky lediglich eine Hauptschule. Passend zu den aus der Literatur herausgearbeiteten unterschiedlichen Verhältnissen zwischen Jugendlichen und ihren Eltern in sozialen Schichten, ist die Darstellung der Familiensituation von Beckys Freund Bente. Er lebt in einer intakten Familie mit Vater sowie Mutter und verfügt über ausreichende finanzielle Mittel. Der sozioökonomische Status der Familie hat sich positiv auf die Entwicklung des Jungen ausgewirkt, er ist gut in der Schule, möchte später Biologie studieren und Arzt werden. Das Verhältnis zwischen ihm und seinen Eltern ist positiv zu bewerten. Sie kümmern sich um ihren Sohn und wollen ihm in seiner Lebensführung helfen und unterstützen. Der Film stellt somit die Einflussmöglichkeiten der Familie auf die Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen in sozial benachteiligten 28 alleinerziehenden Familien als negativ dar. Im Kontrast dazu wird in Zwei-Eltern Familien der Einfluss positiv dargestellt. Eine ähnliche Familiensituation wie bei Becky zeigt der Film „Fish Tank“. Hier lebt die 15-jährige Mia mit ihrer kleineren Schwester und ihrer alleinerziehenden Mutter in einer Hochhaussiedlung. Das Verhältnis zwischen der Mutter und Mia kann nicht als positiv beschrieben werden. Die Mutter feiert lieber Partys und kümmert sich um ihren neuen Partner. Mia gegenüber reagiert sie meistens kühl und aggressiv. Die schlechte soziale Situation drückt sich auch hier negativ auf das Verhältnis zwischen Familie und Jugendlicher aus. Die Alkohol konsumierende Mutter ist durch ihr Verhalten ein schlechtes Vorbild, sodass auch Mia schon Alkohol trinkt, raucht und aggressiv auf ihre Mitmenschen reagiert. In den beiden Filmen „Die brennende Schnecke“ und „Northern Star“ wird die familiale Lebenssituation trotz alleinerziehender Mütter anders dargestellt. In diesen Filmen leben die jugendlichen Einzelkinder auch mit ihren alleinerziehenden Müttern zusammen. Diese sind allerdings berufstätig, so dass sie es sich leisten können, in einer „besseren Gegend“ zu wohnen. Der 14-jährige Peter (Die brennende Schnecke) lebt in einem stabilen sozialen Umfeld. Seine Mutter ist für ihn eine wichtige Bezugsperson, und er sucht ihre Aufmerksamkeit. Aufgrund ihrer Berufstätigkeit kann sie sich allerdings nur selten um ihren Sohn kümmern. Im Film „Northern Star“ entstand die Lebenssituation der Familie aufgrund eines Suizids des Vaters als die 18-jährige Anke noch ein kleines Mädchen war. Seit diesem Vorfall ist die Beziehung zwischen der Mutter und ihrer Tochter angespannt, da Anke sie für den Tod des Vaters verantwortlich macht. Daher kommt es häufiger zu Konflikten zwischen den beiden. Durch dieses Verhältnis ist auch die Bedeutung der Familie für die Persönlichkeitsentwicklung von Anke eine andere. Anke orientiert sich nicht am Verhalten der Mutter und fragt auch nicht nach Hilfe bei sozialen Fragen oder Problemen. Sie geht ihren Weg lieber alleine und ist so zu einer eigenbrötlerischen Jugendlichen geworden, der die Beziehung zur Mutter scheinbar nicht mehr viel bedeutet. 29 2.2.2 Konflikte in der Familie Die analysierten Filme greifen unterschiedliche Konflikte zwischen Jugendlichen und ihren Eltern auf. Sie legen dabei verschiedene Schwerpunkte auf die jeweiligen Konflikte. Die Filme „Keine Angst“, „Fish Tank“ und „Bessere Zeiten“ thematisieren vor allem die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit innerhalb der Familie und die Folgen von Armut. Hinzu kommen Gewalthandlungen gegenüber den Jugendlichen. In den beiden anderen Filmen „Die brennende Schnecke“ und „Northern Star“ spielen diese Konflikte eine untergeordnete Rolle. Hier geht es vielmehr um die Auswirkungen von Trennung und Scheidung auf die familiale Lebenssituation. Im Film „Keine Angst“ leiden Becky und ihre Familie unter den Folgen der Arbeitslosigkeit. so kümmert sich die Mutter lieber um ihren Alkoholkonsum und den Fernseher als um ihre Familie oder einen neuen Job. In diesem Verhalten wird auch die Bedeutung der Werte Sicherheit und Verlässlichkeit deutlich. Die Mutter kümmert sich nicht mehr um die Familie und ist daher keine verlässliche Bezugsperson. Becky hat gegenüber der Mutter eine veränderte Einstellung zu ihrem Verhalten und weiß, dass auf ihre Mutter weniger Verlass ist. Sie übernimmt diese Verantwortung, indem sie beispielsweise die jüngeren Geschwister regelmäßig in die Sozialstation bringt und sie dort abends wieder abholt und sich auch zu Hause um sie kümmert. Ein weiterer Konflikt ist der anhaltende Alkoholkonsum der Mutter, welcher sich auf die Entwicklung von Becky auswirkt. Becky wirkt im Film sehr schüchtern und zurückhaltend. Zudem sind die sozialen Regeln und Rollenvereinbarungen vollständig aufgehoben, da sie sich um ihre jüngeren Geschwister kümmern muss. Dadurch rutscht die älteste Tochter in die Rolle der Ersatzmutter. Sie übernimmt die Verantwortung für ihre Geschwister und gibt sich die Schuld, wenn etwas schief geht, wie beispielsweise als sich die kleine Schwester am Herd verbrennt und Becky nicht da ist um dies zu verhindern. All dies sind Indizien für ein gestörtes psychisches Verhalten, hervorgerufen durch den Alkoholmissbrauch der Mutter. Die Auswirkungen von Armut sind ebenfalls präsent. Auf der emotionalen Ebene wird dies vor allem durch Beckys depressive und traurige Lebenseinstellung 30 deutlich. So lehnt sie zunächst einen geschenkten Luftballon ab weil sie kein Geld hat und auch sonst verhält sie sich schüchtern und zurückhaltend. Daneben wirkt sich die Armut auch auf die soziale Beziehung Beckys und ihre Intelligenzentwicklung aus. Im Film werden keine Szenen gezeigt, in denen Becky in einem Verein tätig ist oder eine schulische Förderung erfährt. Die Familie hat kein Geld zur Verfügung und Beckys soziale Kontakte beschränken sich daher auf ihre Wohn und Schulumgebung. Auf der Hauptschule gehört sie zudem nicht zu den Besten. Der Konflikt der durch Trennung und Scheidung der Eltern entstehen kann, wird im Film lediglich dadurch aufgegriffen, dass die Mutter in finanziellen Nöten steckt, ob dies aufgrund der Scheidung passiert ist, wird nicht deutlich. Durch eine neue Beziehung eines Elternteils müssen Jugendliche sich emotional neu orientieren. Im Film gelingt Becky dies schnell. Sie akzeptiert den neuen Partner und hofft dadurch, dass sich die Konflikte innerhalb der Familie entspannen. Er kümmert sich um die Familie, indem er für sie angeln geht und sich einen Job sucht. Zunächst glättet sich die familiale Beziehung, doch letztlich kommt es zu einem weiteren Konflikt, nämlich den der sexuellen Gewalthandlung. In diesem Fall ist der Täter der neue Partner der Mutter und Opfer ist Becky. Somit greift der Film den häufigsten Ort dieser Gewalthandlung auf, den privaten Bereich. Die Folgen wie emotionale Störungen oder depressiven Syndromen zeigen sich unmittelbar am Verhalten von Becky, sie läuft verstört durch die Straßen und sucht Halt und Hilfe. Sie ist so verstört durch den Übergriff, dass sie sich bis zur Bewusstlosigkeit betrinkt. Der Film „Fish Tank“ zeigt in ähnlicher Art die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit und Armut auf die Entwicklung der jugendlichen Mia. Sie lebt aufgrund der finanziellen Verhältnisse, ähnlich wie Becky, in einer Hochhaussiedlung. Die Beziehung zu ihrer Mutter ist ebenfalls stark beeinträchtigt, da diese sich auch nicht um Ihre Kinder kümmert und ihnen mit Aggressivität begegnet. Stattdessen trinkt sie lieber und sucht sich einen neuen Partner. Im Gegensatz zu Becky ist Mia allerdings nicht schüchtern und zurückhaltend. Sie ist im Film überwiegend alleine unterwegs. Ihren Mitmenschen gegenüber verhält sie sich feindselig und aggressiv. Insbesondere dieses Verhalten scheint ein Ergebnis der mütterlichen Erziehung zu sein. Zu Hause erfährt sie wenig Zuneigung. Es herrscht ein rauer 31 Umgangston, so nennt die jüngere Tochter ihre Mutter Hure, ohne dass diese darauf reagiert. In diesem Film tritt ebenfalls ein neuer Partner ins Familienleben. Der Beziehungskonflikt von Mia zwischen Akzeptanz und Ablehnung des neuen Partners wird anschaulich dargestellt. Zunächst begegnet sie ihm mit einigem Misstrauen und lässt keine engere Bindung zu. Der neue Freund ist aber bemüht, die Familie zu unterstützen und so entspannt sich langsam das Verhältnis. Doch auch hier kommt es zu einem sexuellen Übergriff. In diesem Fall verliebt sich die Tochter allerdings in den Freund der Mutter. Dieser erwidert das Bedürfnis und es kommt zu einer sexuellen Handlung. Somit ist auch hier der Täter eine Bezugsperson. Die Auswirkungen der Tat werden nicht gezeigt. Als drittes zeigt auch der Film „Bessere Zeiten“ die Auswirkungen von Alkoholmissbrauch und mangelnde finanzielle Mittel auf die Beziehung zwischen Jugendlichen und ihrer Familie. Durch die immer schlechter werdende finanzielle Lage beginnen die Eltern zu trinken. Gerade hier liegen letztlich die Konflikte zwischen Leena und ihren Eltern. Wie beschrieben, kann es durch übermäßigen Alkoholkonsum zu unkontrollierten Erziehungsstilen und zur Aufhebung sozialer Rollenvereinbarungen kommen. Genau dieses erfährt Leena im Film. Die Erziehung der Eltern wendet sich von einem liebevollen, unterstützenden Stil hin zu einem gewalttätigen und ignorierenden Verhalten. Der Vater schlägt zunächst die Mutter und wird später auch aggressiv Leena gegenüber um seine Erziehung durchzusetzen. Mit steigendem Alkoholkonsum kümmern sich die Eltern immer weniger um die Kinder. So interessieren sie sich nicht mehr für Leenas Schwimmleistungen oder ob die Kinder zur Schule gehen. Dadurch kommt es ähnlich wie im Film „Keine Angst“ zu einer Verschiebung der Rollen. Leena übernimmt die elterliche Pflicht für ihren kleineren Bruder und kümmert sich um ihn. Diese Erfahrungen der Vernachlässigung und psychischer Ablehnung hinterlassen bei Leenas Persönlichkeitsentwicklung ihre Spuren. Sie gibt sich die Schuld für die damaligen Ereignisse und spricht davon, nicht ausreichend dagewesen zu sein um den Bruder und die Familie zu schützen. Bei der theoretischen Beschreibung hat sich gezeigt, dass dies ein Indiz für eine Störung der Persönlichkeit ist, welche durch Alkoholprobleme innerhalb der Familie in Erscheinung tritt. Das Hauptproblem im Film „Northern Star“ ist die belastete Beziehung zwischen Mutter und Tochter. Diese entstand durch den Suizid des Vaters aufgrund einer 32 familialen Beziehungskrise. Anke ist durch dieses Ereignis, beidem sie dabei war, psychisch belastet. Sie hängt auch Jahre später sehr an ihrem Vater und gibt der Mutter die Schuld für seinen Tod. Daher hat sich auch das Verhältnis zwischen den beiden verschlechtert. Entgegen der Theorie, dass zu dem hauptsächlich erziehenden Elternteil ein intensiveres Verhältnis aufgebaut wird, haben Anke und ihre Mutter keine gute Beziehung zueinander. So provoziert sie ihre Mutter, hört nicht mehr auf sie und möchte am Liebsten von zu Hause weg. Nach außen wirkt Anke ziemlich selbstständig und selbstbewusst. Gleichaltrigen gegenüber reagiert sie auch schon mal aggressiv, was als Auswirkungen ihres eigenbrötlerischen Verhaltens, hervorgerufen durch ihre Beziehung zur Mutter, gesehen werden kann. Der Film greift zwei weitere Aspekte auf, die durch eine Trennung und Neuorientierung der Familie entstehen können. Einmal die Tatsache, dass alleinerziehende Eltern durch ihre Berufstätigkeit in soziale Distanz zu ihren Kindern gelangen können. Ankes Mutter ist durch ihre Arbeit wenig für die Tochter da und bekommt daher nicht mit, ob sie zur Schule geht oder nicht. Als eine Lehrerin Anke und ihre Mutter auf das Fehlen der Tochter anspricht, schützt sie allerdings ihre Tochter, um so das Verhältnis zu bessern. Zweitens den Beziehungskonflikt von Akzeptanz und Ablehnung eines neuen Partners. Als der neue Freund der Mutter, der Pfarrer der Gemeinde und Ehemann von Ankes Lehrerin ist, bei beiden einziehen soll, eskaliert die Situation. Anke steckt hier in eben diesem Beziehungskonflikt, da sie noch am Vater hängt und so den neuen Partner nicht toleriert. Auf der einen Seite sucht sie den Kontakt zum Freund und führt eines Abends ein Gespräch mit ihm über das Fremdgehverhalten der Mutter. In anderen Situationen provoziert sie weiter, sodass es letztlich der Mutter reicht und Anke die Wohnung verlassen muss. Der Film „Die brennende Schnecke“ thematisiert auf ähnliche Art die Problematik welche durch eine Trennung und Scheidung der Eltern entstehen kann. So hängt der 14-jährige Peter sehr an seiner Mutter und sucht ihre Nähe und Aufmerksamkeit. Diese ist allerdings berufstätig und kann sich daher nicht ausreichend um den Sohn kümmern. Zwischen den beiden hat sich eine soziale Distanz entwickelt. Peter kann dies nicht begreifen und versteht auch nicht, dass er nicht der alleinige Mittelpunkt im gemeinsamen Familienleben ist. So kommt es auch hier zum Beziehungskonflikt, als die Mutter einen neuen Partner kennenlernt und lieber Zeit mit ihm verbringt. Peter akzeptiert diesen nicht, da er so seine Beziehung 33 zur Mutter in Gefahr sieht und reagiert ihm gegenüber mit Ablehnung und Zorn. Hierdurch werden die negativen Aspekte des Beziehungskonfliktes deutlich. Im Film kommt es zu einer Umorientierung von Peter, weg von der Mutter hin zu einer Gleichaltrigengruppe die ihm neuen Halt gibt.45 Der Film macht deutlich, dass der Auseinandersetzungsprozess bei neuen Partnerschaften für jugendliche problematisch verlaufen kann. Hier enden dieser Prozess und auch der Film damit, dass Peter den neuen Freund endgültig loswerden will und ihn daher anzündet. Die Filme thematisieren auf unterschiedliche Art die verschiedenen Beziehungskonflikte zwischen Eltern und Jugendlichen. Diese werden in einigen Filmen sehr dramatisch dargestellt. Es lassen sich aber einige Parallelen zwischen Ausarbeitung der Literatur und Darstellung in den Filmen erkennen. 2.2.3 Ablösung von den Eltern Die analysierten Filme zeigen die Ablösung der Jugendlichen von ihren Eltern auf verschiedenen Ebenen. In einigen Filmen ist der Prozess schon weit fortgeschritten und in anderen beginnt die Ablösung gerade. Leena hat im Film „Bessere Zeiten“ eine sehr enge Beziehung zu ihren Eltern. Sie geht mit der Mutter einkaufen und lässt sich von ihr z. B. Kleidung aussuchen. In einigen kurzen Nebensequenzen wird eine Freundschaft zur Nachbarstochter gezeigt, mit der sie gemeinsam ein Magazin mit nackten Frauen anschaut. Dies deutet daraufhin, dass sie sich langsam auf einer emotionalen/intimen Ebene von den Eltern ablöst. Ein plötzliches Herausnehmen der Kinder aus der Familie durch das Jugendamt führt zu einem Kontaktverlust. Leena hat ihre Eltern für tot erklärt und will keinen Kontakt. Diese rasche Ablösung ist zurückzuführen auf die schlechte familiale Lebenssituation. Das Verhalten der Eltern deutet daraufhin, dass es sich idealtypisch um eine Delegation der eigenen Wünsche handelt. Die Mutter projiziert den verpassten Traum nach einem besseren Leben auf ihre Tochter und der Vater fordert von Leena, dass sie sich im Sport anstrengen soll, damit er stolz auf sein „finnisches“ Mädchen sein kann. 45 Eine ausführlichere Bearbeitung dieser Sozialisationsinstanz erfolgt in Kapitel 4. 34 Der Ablösungsprozess im Film „Die brennende Schnecke“ ist noch nicht sehr weit vorangeschritten. Peter hat eine enge emotionale Bindung zur Mutter. Erst durch den neuen Lebenspartner beginnt hier ein erster Konflikt zwischen Bindung und Ablösung von dieser. Die Neuorientierung an der Jugendgruppe bringt Peter dazu, sich langsam auf einer psychischen und kulturellen Ebene von der Mutter zu lösen. Er passt sich den Handlungsweisen der Gleichaltrigen an und orientiert sich verstärkt an ihnen. So entwickelt er ebenfalls ein kriminelles Verhalten, indem er letztlich den Freund der Mutter anzündet. Eine räumliche und materielle Ablösung wird in diesem Film nicht thematisiert. Im Film „Fish Tank“ ist die Ablösung schon ein Stück weiter. Mias Beziehung zur Mutter ist ziemlich schwach ausgeprägt. Hier liegt der Beziehungsmodus der Ausstoßung vor. Die Mutter sieht sie und auch ihre kleinere Schwester als Störung für ihr eigenes Leben. So befiehlt sie den beiden beispielsweise, sich abends zu „entfernen“, da sie Besuch bekommt. Außerdem will sie Mia in ein Internat schicken, damit sie Ruhe von ihr hat. Auf den verschiedenen Ebenen der Ablösung, hat sich Mia ebenfalls schon von der Mutter entfernt. Sie orientiert ihr Verhalten und ihre Kleidung an denen Gleichaltriger und holt sich keinen Rat mehr von ihrer Mutter. Auf der emotionalen/intimen Ebene beginnen im Film die Ablösungsschritte. So findet sie ihren ersten Freund, mit dem sie einige Zeit verbringt und am Ende des Films auch „durchbrennt“. Gleichzeitig entsteht bei ihr auch ein emotionales Verhältnis zum Freund der Mutter und sie entwickelt Gefühle für ihn, die über ein normales Bezugspersonenverhältnis hinausgehen. Trotz finanzieller Abhängigkeit endet der Film mit der räumlichen Ablösung, indem sie mit ihrem Freund nach Wales verschwindet. Beckys Beziehung zur Familie im Film „Keine Angst“ ist sehr eng. Hier steht insbesondere der Ablösungsprozess auf einer emotionalen/intimen Ebene im Vordergrund. Auf der einen Seite fühlt sich Becky für ihre Familie verantwortlich. Andererseits baut sie zum ersten Mal in ihrem Leben eine Beziehung zu einem gleichaltrigen Jungen auf. Dementsprechend ist Becky zwischen familialer Verbundenheit und ihrer ersten großen Liebe hin und her gerissen. So vergisst sie ihre Geschwister aus der Sozialstation abzuholen, da sie den Tag mit Bente verbringt oder sie muss plötzlich los, um eben dieses zu erledigen. Um sich Rat in Sachen Jungs zu holen, wendet sie sich lieber an ihre beste Freundin anstatt an ihre Mutter. Dies deutet daraufhin, dass sich Becky auch auf einer psychischen Ebene von der Mutter löst. Den Beziehungsmodi konkret zuzuordnen, ist auf35 grund mangelnder Situationen nicht leicht. Am wahrscheinlichsten ist der Ausstoßungsmodus, da sich die Mutter wenig um die Bedürfnisse der Tochter kümmert und mehr mit ihrem eigenen Leben beschäftig ist. Im Film „Northern Star“ ist die Ablösung zwischen Tochter und Mutter am weitesten fortgeschritten. Sie haben kein gutes Verhältnis zueinander. Dadurch sieht die Mutter ihre Tochter als Bedrohung für ihr eigenes Leben, sodass sie Anke aus der gemeinsamen Wohnung wirft, was dem Verhalten nach dem Ausstoßungsmodus zuzuordnen ist. Auf den verschiedenen Ebenen der Ablösung ist Anke ebenfalls weit fortgeschritten. Auf der psychischen, emotionalen/intimen und kulturellen Ebene hat sie sich von ihrer Mutter gelöst. Anke hat einen eigenen Kleidungs- und Lebensstil entwickelt, orientiert sich in ihrer Lebensführung schon länger nicht mehr an ihrer Mutter und sucht den Kontakt zu Gleichaltrigen. Hauptaspekt des Filmes ist die räumliche Ablösung von der Mutter. Durch den Kontakt zu einem alten Schulfreund, entschließt sie sich von zu Hause auszuziehen und mit ihm eine Reise zu unternehmen. Die finanziellen Mittel hat Ulf durch eine Erbschaft. Nach dem Rauswurf der Mutter, kümmert sich Anke um die Vorbereitungen für ihre Bootsreise und hat nur wenig Kontakt zur Mutter. Gegen Ende des Filmes gibt es eine kurze Abschiedsszene, die noch einmal das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter beschreibt. Anke singt auf dem Gemeindefest ein Lied vor ihrer Mutter und dem Freund. Sie unterbricht das Lied und möchte von ihrer Mutter den Schlüssel für die Wohnung haben, um ein paar letzte Angelegenheiten zu klären. In der darauf folgenden Szene wirft sie alle Erinnerungen an ihren Vater wie Fotos oder alte Gegenstände und an ihren toten Hund weg. Somit zieht sie einen Schlussstrich und löst sich von ihrem bisherigen Leben. Dass sie mit der Situation zu Hause abgeschlossen hat, wird auch dadurch deutlich, dass sie ohne Ulf mit dem Boot los fährt. 36 2.2.4 Zusammenfassung Die Filme unterstreichen die Wichtigkeit der Familie als Sozialisationsinstanz. In den fünf analysierten Werken werden die Auswirkungen der Familie auf die Persönlichkeitsentwicklung und Sozialisation mit unterschiedlichen Schwerpunkten aufgezeigt. Bei der Darstellung der Familienform zeigen die Filme überforderte alleinerziehende Mütter oder Eltern, die sich nicht ausreichend um ihre Kinder kümmern. Gleichzeitig leben die Familien häufig in sozial benachteiligten Familienverhältnissen. Aufgrund moderner Lebensformen ist diese Darstellung durchaus als realistisch zu beurteilen. Die Filme greifen die Probleme von Jugendlichen auf, die in den neuen Lebenssituationen entstehen können und verarbeiten diese wirklichkeitsnah. Die Filme setzen unterschiedliche Schwerpunkte bei der Thematisierung von Konflikten innerhalb der Familie. Der Vergleich zwischen der Literatur und den Filmen hat gezeigt, dass die dargestellten Konflikte mit den herausgearbeiteten Punkten übereinstimmen. Insbesondere das angespanntere Verhältnis von Familien in sozial benachteiligten Situationen greifen die Filme auf, was sich ebenfalls mit der Literatur vereinen lässt. Hier zeigen die Filme auch, welche Auswirkungen solche Problemlagen auf die Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen haben können. Die Ablösungsprozesse thematisieren die Filme auf unterschiedlichen Ebenen. Es lassen sich aber klare Verbindungen zwischen der Theorie und der Darstellung herleiten. In jedem Film können einzelne Ebenen des Ablösungsprozesses den Jugendlichen zugeordnet werden. 37 3. Jugend und Schule In diesem Kapitel geht es um die sekundäre Sozialisationsinstanz für Jugendliche: Die Schule. In ihr verbringen sie den Großteil ihrer Jugend und lernen neben allgemeiner Bildung, auch gewünschtes Sozialverhalten innerhalb einer Gesellschaft. Hier stehen die Jugendlichen ebenso vor zahlreichen Problemen. Neben schulischem Leistungsdruck ist dies vor allem beim sozialen Umgang untereinander spürbar. Ich beleuchte in diesem Kapitel auf der einen Seite die theoretische Problemlage von Jugendlichen und Schule um anschließend zu schauen, wie diese in den ausgewählten Kino- und Fernsehfilmen dargestellt werden. 3.1 Theoretischer Überblick Jugend und Schule Anhand dreier Aspekte werde ich die theoretische Darstellung von Jugend und Schule näher beschreiben. Als erstes werde ich die Sozialisationsfunktion der Schule darstellen und anschließend auf die Problemlage der Gewalt an Schulen eingehen, mit einem gesonderten Blick auf den Amoklauf. Abschließend werde ich mich ausführlich mit der Gewaltform des Mobbing an Schulen befassen. Auch hier wird es eine Zusammenfassung zu Kernaussagen geben. 3.1.1 Sozialisation in der Schule Durch Veränderung des Lebenslaufes hin zu einem immer späteren Berufseinstieg begleitet Schule die Jugendlichen heute praktisch während der gesamten Lebensphase Jugend. Dabei geht der Trend zu immer längeren Schulzeiten. Für Jugendliche nimmt die Wichtigkeit eines hohen Bildungsabschlusses zu, sodass sie tendenziell länger in der Schule verweilen, als dies früher der Fall war. Dieser Trend zu höheren Schulabschlüssen führt zu einer Bildungsexpansion. Ein Hauptschulabschluss verliert immer mehr an Bedeutung und auch das Abitur ist 38 keine Garantie für eine gesicherte Zukunft. Durch steigende Abiturzahlen erhöhen sich auch die Zulassungsbeschränkungen an den Hochschulen.46 Durch diese Veränderung der Bildungsentwicklung hat auch der Stellenwert der Schule zur Sozialisation Jugendlicher zugenommen. „Heute bestimmen Bildungseinrichtungen oft bis an das Ende des dritten Lebensjahrzehnts bei allen Angehörigen der jungen Generation den zeitlichen Tages-, Wochen-, und Jahresplan und prägen die sozialen Einstellungen.“47 Die Schule ist zu einem Ort kognitiven, intellektuellen und sozialen Lernens geworden. Ihre Lern- und Sozialisationswirkung erzielt sie dabei nicht nur durch ihre Leistungsansprüche im Unterricht, sondern viel mehr auch durch soziale Interaktion im gesamten Schulleben, beispielsweise in den Pausen. Gerade hier kommt es zu intensiven sozialen Kontakten zu Gleichaltrigen, welche Spannungs- und Konfliktpotenzial bieten. Im Unterricht spielt neben der formalen Leistungserbringung, die soziale Erfahrung eine unterschwellige Rolle. Jugendliche lernen durch ihre Mitarbeit im Unterricht soziale Verhaltensweisen und Regeln kennen. Sie lernen mit Erfolgen oder Enttäuschungen richtig umzugehen.48 Aus bildungssoziologischer Sicht lassen sich für das System Schule folgende Funktionen festhalten: Sie hat eine Qualifikationsfunktion, in der Jugendliche grundlegende Kenntnisse der Gesellschaft lernen. Diese Reproduktion von Wissen reicht von dem Erlernen von Sprache und Schrift bis hin zu sozialer Werteorientierung sowie der Erwerb bestimmter beruflicher Qualifikationen. Da Kinder und Jugendliche eine erhebliche Zeit in der Schule verbringen, wird dieser eine Aufbewahrungsfunktion zugeschrieben, die Eltern in ihrer Betreuungspflicht entlastet. Hinzu kommt die Sozialisationsfunktion. Hier geht es um das Erlernen gesellschaftlich erwünschten Verhaltens. Gleichzeitig wird die Persönlichkeitsentwicklung Jugendlicher beeinflusst. Die zugeschriebene Selektionsfunktion meint, dass Schülerinnen und Schüler (SuS) mit unterschiedlichen Abschlüssen ausgestattet werden. Dies führt unweigerlich zu differenzierten Berufsmöglichkeiten. Schule schafft hier die Reproduktion sozialer Positionsverteilung. Daneben wird der Schule eine Legitimationsfunktion zugewiesen. Diese übergeordnete Funktion führt zur Stabilisierung sozialer und politischer Verhältnisse. So werden durch Schulen beispielsweise die soziale Ungleichheit als gerechtfertigt oder unver46 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O., S. 110ff. 47 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O., S. 113. 48 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O., S. 113. 39 meidlich erlebt und als Folge von unterschiedlichen Begabungen oder Leistungsbereitschaft verstanden. Letztlich hat die Schule auch eine Normalisierungsfunktion, durch die gesellschaftliche Vorstellungen repräsentiert und dargestellt werden, was als normal angesehen wird. So führt die Verweisung auf eine Förderschule zu sozialer Ausgrenzung.49 „Aufgrund dieser Funktionen ist die Schule eine in modernen Gesellschaften unverzichtbare und in allen modernen Gesellschaften existierende Institution.“50 Positiv formuliert lassen sich aus diesen Funktionen für die Jugendlichen Ansatzpunkte der eigenen Persönlichkeitsentwicklung ableiten. So erhalten sie die Chance zur Stärkung der Autonomie in Denken und Handeln. Durch den Erwerb von Wissen und Fähigkeiten kann eine selbstständige berufliche Lebensführung erreicht werden. Durch eigene Lernanstrengungen können Jugendliche ihre berufliche Zukunft beeinflussen; durch die Integration erlangen sie eine soziale Bindung und entwickeln eine eigene Identität.51 3.1.2 Gewalt in der Schule Zum Thema Gewaltentstehung gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Theorien. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen einem psychologischen Ansatz, welcher vor allem durch trieb-, instinkt-, emotionsgesteuertes Verhalten oder durch Lerntheorien die Entstehung von Gewalt beschreibt und einem soziologischen Ansatz. Dieser sieht den Ursprung vielmehr in Konflikt-, Entspannungs-, Etikettierungs-, Definitions-, oder sozialen Kontrolltheorien. Die psychologischen Theorien setzen somit bei der genetischen Einstellung eines Menschen, seiner Persönlichkeit und der Wechselwirkung zwischen dieser und den Umweltfaktoren an. Soziologische Theorien gehen stärker auf die Umwelteinflüsse sowie soziale Strukturen beispielsweise Familie und Schule ein. Jede einzelne Theorie sucht sich ihren eigenen Ansatzpunkt und hebt dabei auf unterschiedliche Art die Be- 49 Vgl. Vgl. Scherr, Albert: Jugendsoziologie, a.a.O., S. 141f und Ecarius, Jutta/ Eulenbach, Marcel/ Fuchs, Thorsten/ Walgenbach, Katharina: Jugend und Sozialisation. Wiesbaden, VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2011. S. 81ff. 50 Vgl. Vgl. Scherr, Albert: Jugendsoziologie, a.a.O., S. 141. 51 Vgl. Ecarius, Jutta etc. Jugend und Sozialisation, a.a.O., S. 85. 40 deutung der Persönlichkeit und der Gesellschaft hervor. Daher kann festgehalten werden, dass nicht eine Theorie zur Entstehung von Gewalt richtig ist, sondern dass alle zu berücksichtigen sind, da meist ein bestimmtes Zusammenspiel von Persönlichkeitsmerkmalen, Umweltbedingungen sowie ein spezifischer Anlass Grund für eine gewalttätige Handlung ist.52 „Es gibt nicht die eine Erklärung oder die Theorie, sondern eine Reihe von Theorien bzw. Erklärungsmodellen für Aggression und Gewalt, die sich gegenseitig ergänzen bzw. die miteinander konkurrieren. Erst die Vielfalt der Perspektiven wird dem komplexen Phänomen Gewalt gerecht.“53 Jeder Mensch besitzt die angeborene Eigenschaft der Aggressivität. In manchen Bereichen, wie etwa im Sport beim Boxen, ist es förderlich, ein aggressiveres Verhalten zu zeigen. Darüber hinaus kann diese Eigenschaft negativ belastet sein. Nämlich dann, wenn spezifische und zielgerichtete Handlungsweisen zur Schädigung von Personen, Gegenständen oder einem selbst ausgeübt werden. Aus psychologischer Perspektive spricht man hier von Aggression. Gewalt gegenüber Mitschüler/Innen ist somit eine extreme Aggressionsform, da auch sie sich zielgerichtet auf die Schädigung von Personen konzentriert.54 Im schulischen Kontext kann von unterschiedlichen Gewalttaten ausgegangen werden. Prinzipiell wird zwischen einer individuellen und einer institutionellen Ebene der Gewalt unterschieden. Formen der Gewalt auf der individuellen Ebene sind vor allem physische Gewalt, wie körperliche Angriffe, Schlagen, Treten und psychische, verbal auch nonverbal oder indirekte Gewalt, wie Abwertung, Abwendung, Ablehnung, Beschimpfungen und Beleidigungen oder Gerüchte verbreiten. Darüber hinaus gibt es noch Vandalismus z.B. Zerstörung von Schuleigentum, schwere Gewalt wie den Amoklauf, fremdenfeindliche Gewalt die gegen bestimmte Herkunftsgruppen gerichtet wird, geschlechterfeindliche Gewalt oder auch sexuelle Gewalt. Auf der Seite der institutionellen Gewalt wird zwischen legitimer Ordnungsgewalt wie dem Leistungsprinzip oder der Rolle von SuS und Lehrern, illegitime strukturelle Gewalt wie die Beeinträchtigung der Selbstentfal- 52 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Bründel, Heidrun: Gewalt an Schulen. Pädagogische Antworten auf eine soziale Krise. Weinheim und Basel, Beltz Verlag, 2007. S. 33-50 53 Vgl. Schubarth, Wilfried: Gewalt und Mobbing an Schulen. Möglichkeiten der Prävention und Intervention. Stuttgart, Kohlhammer GmbH, 2010. S. 51. 54 Vgl. Schubarth, Wilfried: Gewalt und Mobbing an Schulen, a.a.O., S. 16ff. 41 tung und Selbstbestimmung sowie kollektiver politischer Gewalt in Form von Kritik ungerechter Machtverhältnisse unterschieden.55 Besonders der Amoklauf, als schwerer Gewaltakt, hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Trat er früher nur sehr vereinzelt auf, kam es in den letzten Jahren zu einem Anstieg und ist zuletzt auch an deutschen Schulen wie z.B. Erfurt 2002, Emsdetten 2006) vorgekommen. Abgesicherte Forschungen zu diesem Thema gibt es nicht. Auffällig ist aber, dass alle Täter männlich waren, einen anspruchsvollen Bildungsweg gingen und durch Leistungsversagen und Schulabbrüche auffielen. Gleichzeitig waren sie sozial eher isoliert und verbrachten viel Zeit am Computer, insbesondere mit sogenannten „Killerspielen“. Sie hatten Kontakt zu Waffen. Ihre Taten planten sie minutiös aus und kündigten diese vorher an. Ein Amoklauf ist eine Beziehungstat, da sich diese an Personen richtet, mit denen der Täter vorher in Kontakt stand. Allgemein ist der Amoklauf allerdings weiterhin ein seltenes und extremes Phänomen.56 3.1.3 Mobbing als besondere Gewaltform Mobbing ist in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit gelangt, insbesondere durch die gravierenden Folgen des Mobbings, in Form von Depressionen, Angst, Isolation oder auch Suizid(-gedanken). Drei wesentliche Aspekte sind für das Mobbing zu benennen: Es muss eine (1) zielgerichtete Handlung zur Schädigung einer Person vorliegen, die über einen (2) bestimmten Zeitraum gehen und eine bestimmte Intensität haben muss. Dabei ist (3) das Opfer nicht in der Lage, sich selber aus dieser Situation zu befreien. In aller Regel ist Mobbing ein gruppendynamischer Prozess, der sich gegen Schwächere richtet. Dabei hat die Mobbingforschung verschiedene Rollen innerhalb dieses Prozesses herausgearbeitet. Auf der einen Seite stehen die Mobbingtäter, Assistenten der Täter, sie halten z.B. Schüler fest und die Verstärker der Täter wie Zuschauer welche die Situation anheizen. Auf der anderen Seite gibt es die Opfer und deren Verteidiger. Die größte Gruppe ist allerdings die der Außenstehen55 Vgl. Schubarth, Wilfried: Gewalt und Mobbing an Schulen, a.a.O., S. 19-21 und Hurrelmann, Klaus/ Bründel, Heidrun: Gewalt an Schulen, a.a.O., S. 63-92. 56 Hurrelmann, Klaus/ Bründel, Heidrun: Gewalt an Schulen, a.a.O., S. 70f. 42 den, welche nicht helfend eingreifen. Formen des Mobbings können auf physischer Ebene in Form von Schlagen, Treten, auf verbaler Ebene durch Beschimpfen, Hänseln, nonverbal durch Gesten oder auch indirekt durch Ignoranz und Ausgrenzung auftreten. Im Schulalltag kommt es häufig zu Mischformen.57 Die Mobbingopfer lassen sich zwischen einem passiven und einem provozierenden Opfer unterscheiden. Passive Opfer fallen dadurch auf, dass sie ängstlich und still sind, Sprachauffälligkeiten oder Behinderungen haben, körperlich eher schwach sind und nicht im Modetrend liegen. Bei Mobbingattacken wehren sie sich nicht und ziehen sich zurück. Sie haben ein negatives Selbstbild, meist einen niedrigen sozialen Status und stammen häufig aus überbehüteten Familien. Daneben gibt es die provozierenden Opfer. Diese sind Opfer und Täter zugleich. Sie zeigen eine Kombination aus ängstlichem sowie aggressivem Verhalten. Dies führt dazu, dass sie häufig unbeliebt sind. Sie zeigen mangelnde soziale Kompetenzen und haben ebenfalls eher einen niedrigen sozialen Status.58 Der Mobbingtäter stammt meist aus einer Gruppe Jugendlicher mit einem selbstbewussten Auftreten. Er ist bei seinen Mitschülern eher beliebt. Mobbingtäter sind meistens männlich und älter als ihre Opfer. Sie weisen eine niedrige Frustrationstoleranz auf und haben geringere empathische Fähigkeiten. Täter verfügen häufiger über geringere Konfliktlösungskompetenzen.59 Im Zuge der Entwicklung neuer Medien kam es auch zu der Entstehung neuer Mobbingphänomene. „Cyberbulling“ ist beispielsweise eine neue Form des Mobbing unter Hinzunahme moderner Medien wie dem Bloßstellen im Internet oder dem Verschicken von peinlichen Videos. Durch die Nutzung der Medien erreicht das Mobbing eine quantitative und qualitative Erweiterung. Auf der einen Seite haben die Täter mehr Möglichkeiten und auf der anderen Seite wird die demütigende Wirkung der Opfer größer. Sie sind nun nicht mehr im privaten Bereich geschützt, wodurch sich weniger Rückzugsräume ergeben. Gleichzeitig verbreiten sich die Inhalte unüberschaubar schnell und das Publikum wird dabei immer größer. SuS sprechen häufig nicht ihre Eltern oder Lehrer an, da sie sich nicht trauen oder sogar befürchten, die Situation zu verschlimmern. Gleichzeitig 57 Vgl. Schubarth, Wilfried: Gewalt und Mobbing an Schulen, a.a.O., S. 78-83. 58 Vgl. Schubarth, Wilfried: Gewalt und Mobbing an Schulen, a.a.O., S. 81f und Hurrelmann, Klaus/ Bründel, Heidrun: Gewalt an Schulen, a.a.O., S. 77ff. 59 Vgl. Schubarth, Wilfried: Gewalt und Mobbing an Schulen, a.a.O., S. 81f und Hurrelmann, Klaus/ Bründel, Heidrun: Gewalt an Schulen, a.a.O., S. 79f. 43 schützt die Anonymität der Medien die Täter. „Cyberbulling“ ist neben dem Schulmobbing zu einem festen Bestandteil des Alltags von Schülern geworden, sodass Die Schule sensibel und vorbereitet auf das Thema reagieren muss.60 3.1.4 Kernaussagen der Theorie Der Stellenwert der Schule ist für die Jugendlichen größer geworden. Immer mehr Jugendliche streben einen höheren Bildungsabschluss an wodurch es zu einer Bildungsexpansion kommt. Durch diesen Trend verliert beispielsweise der Hauptschulabschluss seine Wertigkeit. Schule ist zu einem Ort sozialer Interaktion geworden. Diese begleitet die Jugendlichen nicht nur während des Unterrichtes, sondern verstärkt im gesamten Schulleben, wie in den Pausen, zwischen den Stunden oder auf dem Schulweg. Diese sozialen Kontakte bergen häufig ein Spannungs- und Konfliktpotenzial. Die Schule hat für die Jugendlichen die Funktionen der Qualifikation, Aufbewahrung, Sozialisation, Selektierung, Legitimation und Normalisierung. Diese stellt die Jugendlichen vor unterschiedliche Voraussetzungen, welche auf die Persönlichkeitsentwicklung einwirken. Gewalt entsteht aus einem Zusammenspiel von Umweltfaktoren, Persönlichkeitsmerkmalen und einem spezifischen Anlass. Individuelle Gewaltformen an Schulen sind psychische und physische, Vandalismus, Amoklauf, Fremdenfeindlichkeit, Geschlechterfeindlichkeit und sexuelle Übergriffe. Insbesondere der Amoklauf hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Dieser wurde noch nicht abgesichert erforscht. Die Täter weisen aber Gemeinsamkeiten in der Persönlichkeit und der sozialen Interaktion auf. Mobbing ist eine besondere Form von überwiegend psychischer Gewalt, die zielgerichtet über einen bestimmten Zeitraum und mit einer bestimmten Intensität 60 Vgl. Schubarth, Wilfried: Gewalt und Mobbing an Schulen, a.a.O., S. 84-87. 44 einer Person schadet. Das Opfer ist nicht in der Lage, sich aus dieser Situation zu befreien. Mobbing ist ein gruppendynamischer Prozess. Auf der einen Seite stehen die Mobbingtäter, und die Verstärker. Auf der anderen Seite gibt es die Opfer und deren Verteidiger. Die größte Gruppe ist allerdings die der Außenstehenden. Mobbingopfer lassen sich zwischen einem passiven Opfer und einem provozierenden Opfer unterscheiden. Die passiven fallen durch Schüchternheit, Sprachproblemen, Behinderungen, altmodische Kleidung oder körperliche Merkmale auf. Die provozierenden Opfer zeigen eine Kombination aus ängstlichem und aggressivem Verhalten, welches häufig zu Unbeliebtheit führt. Mobbingtäter haben meist ein selbstbewusstes Auftreten und entstammen aus einer Gruppe Jugendlicher. Sie sind beliebt, meist männlich und älter als ihre Opfer. Sie selber weisen eine geringe Frustrationstoleranz auf und verfügen über geringere Konfliktlösungskompetenzen. 45 3.2 Kino- und Fernsehfilmanalyse Jugend und Schule Die Wichtigkeit der Schule wurde in Kapitel 3.1 herausgearbeitet. In diesem Kapitel geht es nun darum zu schauen, wie die drei Theorieschwerpunkte in den ausgewählten Filmen dargestellt werden. Die folgenden fünf Filme werden in der Filmanalyse berücksichtigt. „Ich hätte nein sagen können“ (Schweden, Drama, 1997) handelt von der 12jährigen Nora, die sich in ihrer Klasse neu orientieren muss. Auf der einen Seite möchte sie zur Gruppe um Sabina und Fanny gehören. Sie entwickelt aber auch Sympathien für Karin. So muss sie sich zwischen einer coolen Clique und der Freundschaft zur Außenseiterin Karin entscheiden. Sie lässt zu, dass Karin weiterhin gemobbt wird und unterstützt dieses wenn Fanny und Sabina dabei sind. Gleichzeitig trifft sie sich aber auch mit Karin und sie gehen beispielsweise gemeinsam mit Noras Hund Gassi. Dieser Zwiespalt entwickelt sich soweit, bis Karin auf einer Party dazu gebracht wird im Dunkeln ihre Bluse Auszuziehen. Als das Licht angemacht wird, rennt sie heulend davon. Nora erkennt, dass sie mit ihrem Verhalten zu weit gegangen ist und entscheidet sich letztlich für Karin. Im Tatort „Kinder der Gewalt“ (Deutschland, Krimi, 1999) geht es um einen Mord an dem 12-jährigen Jürgen, Schüler einer Kölner Gesamtschule. Zur Aufklärung des Falles arbeitet der Kommissar Max Ballauf inkognito und entdeckt ein Geflecht aus Angst, Gewalt und Kriminalität an der Schule. Dort herrscht ein Bandenkrieg zwischen einer Gruppe deutscher Schüler, die gleichzeitig Einbrüche verüben und einer Gruppe türkischstämmiger Mitschüler. Schwächere Schüler werden in der Klasse gewaltsam unterdrückt und den Lehrer/innen wird kein Respekt entgegen gebracht. Die Schule scheint nichts dagegen unternehmen zu können. „Der Ketchup-Effekt“ (Schweden, Drama, 2004) handelt von der 13-jährigen Sofie, die alleine bei ihrem Vater lebt. Auf einer Party betrinkt sie sich, bis sie bewusstlos wird. Die coolen Jungs der Schule machen daraufhin Fotos in zweideutigen Posen mit ihr, welche sie später in der Schule zeigen. Wut und Verzweiflung machen sich bei Sofie breit, da keiner ihr hilft. Bald wenden sich auch noch ihre beiden besten Freundinnen von ihr ab. Als ihr Vater und die Schule von den Fotos erfahren, geben sie Sofie eine Teilschuld. Sie fühlt sich immer mehr allein 46 gelassen und erfährt kaum noch Unterstützung. So entscheidet sie sich für einen Suizidversuch und springt während einer Party aus dem Fenster. Sie überlebt den Sturz. Der Vater und ihre Freundinnen erkennen, dass sie Hilfe braucht und suchen den Kontakt zu Sofie. Nachdem sie wieder an der Schule ist, rächt sie sich an ihren Peiniger Mouse indem sie ihn vor versammelter Schule bloßstellt. Der Film „Ihr könnt euch niemals sicher sein“ (Deutschland, Drama, 2008) handelt vom 17-jährigen Oliver, der leidenschaftlich gerne Rap-Texte verfasst. Einen solchen Zettel findet seine Deutschlehrerin, nachdem er 0 Punkte für eine Goethe-Interpretation erhalten hat. Der Text handelt von einer Morddrohung gegenüber der Lehrerin und von weiteren Morden an der Schule. Aus Angst vor einem Amoklauf, wird Oliver in einer Psychiatrie eingewiesen. Dort freundet er sich mit Katja an. Schnell wird er wieder entlassen, da es keine Anzeichen für eine gestörte Psyche gibt. Wieder zurück, will niemand dem Gutachten glauben. Familie und Schule wenden sich langsam von ihm ab. Den einzigen Halt geben ihm sein deutsch-russischer Freund Micha und seine erste Liebe Charlotte. Als Charlotte, auf Wunsch des Vaters, an eine Privatschule gehen soll und Katja in der Schule auftaucht, um Oliver zu rächen, eskaliert die Situation. Katja bedroht zunächst die Lehrerin mit einem Messer und verletzt diese damit. Oliver kann die Situation gerade noch retten indem er Katja davon abhält weiter auf die Lehrerin einzustechen. Der Film „Homevideo“ (Deutschland, Drama, 2011) handelt von dem pubertierenden Jakob der Aufgrund seiner selbstgedrehten Videos Opfer von Mobbing wird. Die familiale Situation Jakobs ist angespannt, da sich die Eltern trennen wollen. Darunter leiden auch seine schulischen Leistungen. Zu Hause dreht er mit seiner Videokamera kleinere Filme, so auch ein Video mit einer Liebesbotschaft an seine Mitschülerin Hannah oder eines beim masturbieren. Als die Mutter die Kamera an zwei Mitschüler verleiht, entdecken diese die Filme und stellen die peinlichen Aufnahmen ins Internet. Schnell verbreiten sich die Videos über die Handys der Mitschüler/innen und Jakob sowie Hannah werden Opfer von Verspottung und Mobbingattacken. Hannah distanziert sich daraufhin von Jakob und für ihn beginnt eine Zeit in der er sich mit der Schule und den Eltern auseinandersetzen muss. Trotz aller Bemühungen der Eltern wird Jakob von der Schule verwiesen. Die Situation belastet ihn letztlich so sehr, dass er mit der Pistole seines Vaters Selbstmord begeht. 47 3.2.1 Sozialisation in der Schule Alle analysierten Filme spielen hauptsächlich im schulischen Kontext. Sie wird als einer der zentralen Handlungsorte eingesetzt. Die Schwerpunkte der jugendlichen Problemlagen gehen aus Interaktion während der Schulzeit hervor. Den gestiegenen Stellenwert, den die Schule in der heutigen Zeit einnimmt greifen die Filme nicht auf. Lediglich in den Filmen „Der Ketchup Effekt“, „Homevideo“ und „Ihr könnt euch niemals sicher sein“ wird dieser am Rande thematisiert. Sofie wechselt mit ihren Freundinnen auf ein Gymnasium, um ihr Abitur zu machen, Jakob und Oliver kämpfen in ihren Filmen darum, nicht von der Schule verwiesen zu werden. In beiden Filmen geht es also darum, einen guten Bildungsabschluss zu erlangen. Dass Hauptaugenmerk liegt allerdings auf der Thematik „Gewalt an Schulen“. Weitere Darstellungen zum Stellenwert der Schule gibt es nicht. Insbesondere die Tatsache, dass Schule ein Ort für soziale Interaktion geworden ist, wird in den genannten Filmen deutlich. Die meisten Szenen spielen nicht während des Klassenunterrichtes, sondern in den Pausen, auf dem Schulgrundstück oder Schulweg. Trotzdem sind die gezeigten Prozesse auf den Kontext Schule zurückzuführen. In keinem der Filme wird die Schule als Sozialisationsinstanz positiv dargestellt. Vielmehr wird Schule als ein Ort der Gewalt gezeigt, der die Jugendlichen in ihrer Entwicklung beeinflusst. Seitens der Schule gibt es in den Filmen keine Unterstützung zur Bewältigung der spezifischen Problemlage. Bei den zugewiesenen Funktionen der Schule zeigt sich bei den Filmen, insbesondere bei der Sozialisationsfunktion, welche Problemlagen Jugendliche während ihrer Schulzeit erleben können. Wie schon erwähnt, wird in keinem der Filme die Schule positiv dargestellt. Im Film „Ihr könnt euch niemals sicher sein“ hat die Normalisierungsfunktion der Schule eine besondere Bedeutung. Oliver scheint durch seine Rap-Texte und seiner angeblichen psychischen Instabilität (Amokdrohung) nicht der „Norm“ der Gesellschaft zu entsprechen. Dies wird insbesondere durch das Verhalten von Charlottes Vater deutlich, der nicht möchte, dass Oliver in die Nähe seiner Tochter kommt. Daher wird Oliver von der Schule 48 verwiesen, obwohl ihm sogar von der Psychologin ein durchaus normales Verhalten prognostiziert wird. 3.2.2 Gewalt in der Schule Alle Filme behandeln unterschiedliche Aspekte von Gewalt unter Jugendlichen in der Schule. Die Filme „Kinder der Gewalt“ und „Ihr könnt euch niemals sicher sein“ werden in diesem Kapitel näher beleuchtet. In den weiteren Filmen spielt die Gewaltform des Mobbing eine zentrale Rolle, weswegen diese Filme in Kapitel 3.2.3 näher betrachtet werden. Der Film „Kinder der Gewalt“ zeigt insbesondere die Auswirkungen von psychischer und physischer Gewalt auf die Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen, in diesem Fall von Jürgen und Danny. Daneben kommt es auch zu Fremdenfeindlichkeit. Zu Beginn des Films wird das spätere Opfer Jürgen von der türkischen Gruppe auf der Straße angegriffen und beraubt. Später im Film kommt es immer wieder zu eskalierenden Situationen zwischen den beiden Gruppen, z. B. nach dem Sportunterricht oder der Schulstunde. Insbesondere Tobias genannt „Tucky“ zeigt deutlich viel Aggressionspotenzial gegenüber seinen Mitschülern und den Lehrern. Insbesondere Jürgen und Danny leiden darunter. Sie werden beide als zurückhaltende und schüchterne Schüler dargestellt mit einem geringen Selbstbewusstsein. Durch die Gewalt werden sie unterdrückt und so zum Diebstahl gedrängt. Letztlich führt ihre Angst dazu, dass Jürgen es nicht mehr aushält und sich selbst erschießt. Danny wird kurz vor seinem Selbstmordversuch gerettet. Als Auslöser für das kriminelle Verhalten von „Tucky“ lassen sich durch den Film einige Schlussfolgerungen ableiten: Zum einen ist es der Kontakt zu einem älteren, ehemaligen Schüler, der in den türkischen Mitschülern eine Bedrohung für die Deutschen sieht. Zum anderen lebt „Tucky“ in ärmlicheren Verhältnissen und zusammen mit einem gewaltbereiten Vater. Dies zeigt, dass Gewalt aus einem Zusammenspiel unterschiedlicher Gegebenheiten entstehen kann. Im Film „Ihr könnt euch niemals sicher sein“ wird Gewalt durch eine besonders drastische Form dargestellt: In einem eventuell drohenden Amoklauf des 17jährigen Schülers Oliver. Er erfüllt alle Kriterien der früheren Amoktäter. So ist er ein männlicher Schüler, welcher seine Freizeit mit Rap und Computerspielen, 49 insbesondere mit brutalem Inhalt, verbringt, anstatt sich mit Freunden zu treffen. Aufgrund eines Umzuges ist er noch sehr neu an der Schule. Dadurch ist seine Lehrerin nicht mit seinen kreativen Interpretationen, in Form von Rap-Texten, vertraut und gibt ihm 0 Punkte für eine Arbeit. Bei der Durchsuchung des Zimmers findet die Polizei zudem die alte Waffe seines verstorbenen Großvaters. Die Ankündigung seiner Tat sieht die Schule darin, dass sie den gefundenen RapText als Morddrohung einstuft. Somit passt Oliver perfekt in das Bild der bisher bekannten Amokläufer. Ob Oliver tatsächlich einen solchen Anschlag vorhat interessiert die Schule nicht. Gewaltausübung findet in diesem Film somit eher durch die Schule und die Deutschlehrerin statt. Sie hat kein Verständnis für Olivers Art und ist starr in ihrer Meinung, dass sie ihm gegenüber mit Ablehnung reagiert. Hier kann man noch von einer legitimen Ordnungsgewalt sprechen. Insbesondere aber nach seinem Aufenthalt in der Klinik und trotz der Prognose, dass er durchaus ein normaler und sensibler Schüler sei, stößt er an der Schule weiterhin auf Ablehnung. Es wird viel dran gesetzt, ihn von der Schule zu verweisen. Während einer Lehrerkonferenz wird aktiv darüber gesprochen, wie man sich Oliver gegenüber verhalten soll. Dabei zeigen die Schulleitung und die Deutschlehrerin ihr festgefahrenes Verhalten bzw. ihre Meinung gegenüber dem Schüler. Einzig ein weiterer Deutschlehrer erkennt das Potenzial Olivers und kann den Verweis vorzeitig abwenden. Letztlich muss Oliver aber doch die Schule verlassen. Hier wird von seitens der Schule eine illegitime strukturelle Gewalt angewendet, die zur Beeinträchtigung der Selbstentfaltung bei Oliver führt und somit seine Persönlichkeitsentwicklung beeinträchtigt. Oliver ist durch das Verhalten der Schule verstört und kann nicht nachvollziehen, warum so mit ihm umgegangen wird. Durch diese Erfahrungen trinkt Oliver häufiger und ist in seiner neu entstandenen Freizeit viel unterwegs. 3.2.3 Mobbing als besondere Gewaltform In den Filmen „Der Ketchup-Effekt“, „Homevideo“, „Ich hätte nein sagen können“ und der zuvor erwähnte Film „Kinder der Gewalt“ dreht es sich hauptsächlich um Mobbing als besondere Gewaltform mit seinen Folgen für die Persönlichkeits50 entwicklung und der Sozialisation der dargestellten Jugendlichen. Die Filme zeigen dabei sowohl weibliche wie auch männliche Opfer und Täter. „Homevideo“ greift zudem die moderne Mobbingform des „Cyberbulling“ auf. Der Film „Der Ketchup Effekt“ zeigt auf vielfältige Art, welche Folgen Mobbing für Jugendliche haben können. Die 13-jährige Sofie ist nach einer Party, auf der zweideutige Fotos von ihr geschossen wurden, den Mobbingattacken älterer Mitschüler ausgesetzt. Täter ist der Schüler Mouse. Er bekleidet die Täterrolle wie in der Theorie beschrieben. So tritt er als selbstbewusster und beliebter Schüler einer angesehenen Jungengruppe auf und er ist deutlich älter als Sofie. Als diese sich gegen Ende des Films den Mobbingattacken zur Wehr setzt, zeigt Mouse seine geringe Frustrationstoleranz und Konfliktfähigkeit, da er sofort aggressiv reagiert und Sofie beleidigt. Seine beiden Freunde Sebbe und Jens schlüpfen in die Rolle der Verstärker und unterstützen ihn. Durch die aufkommenden Gefühle zwischen Sofie und Sebbe, stellt dieser Mouses Verhalten aber immer mehr in Frage und wendet sich schließlich von ihm ab. Sofie lässt sich keiner genauen Opferrolle zuordnen. Im Film tritt sie ziemlich selbstbewusst auf, ohne jedoch überheblich oder aggressiv zu wirken. Die Mobbingtat ist durch Zufall entstanden. Täter und Opfer kannten sich vorher kaum, da Sofie und ihre Freundinnen erst seit kurzem an dieser Schule sind. Die Mobbingtat entsteht durch die Verbreitung von zweideutigen Fotos und erfolgt vor allem auf der psychischen, verbalen Ebene durch Hänseln, Verbreitung von Gerüchten oder Ausgrenzung von Sofie. Die Tat hat Auswirkungen auf die Persönlichkeit und die Sozialisation von ihr. So wenden sich neben den Mitschüler/innen auch ihre beiden besten Freundinnen von ihr ab und sie wird immer unglücklicher. Depression und Isolation treten verstärkt in Sofies Alltag auf, bis sich die Folge des Mobbings letztlich in einem Suizidversuch niederschlägt. Der Film zeigt hier, welche Folgen Mobbing haben kann und wie schwer es für die Opfer ist mit der Situation umzugehen bzw. welchen Ausweg es geben kann. Er zeigt aber auch, wie Jugendliche den Mobbingattacken begegnen können. Nachdem sich die Freundinnen und der Vater wieder unterstützend an Sofies Seite stehen hat sie neuen Mut aufgebracht und kann dem Täter aktiv gegenübertreten und so die Situation zu beenden. Es wird gezeigt, dass Rückhalt und Unterstützung wichtige Faktoren sind um aus dem Mobbing zu entkommen. 51 Der Film „Ich hätte nein sagen können“ handelt von der 12-jährigen Nora, die auf dem Weg zwischen Selbstfindung und Anpassung auf der Suche nach Freundschaft und Zugehörigkeit ist. Ihr Wunsch nach Anerkennung der Klassenschönheiten Fanni und Sabina und ihr gleichzeitiges Mitgefühl für Außenseiterin Karin belasten Nora. Karin ist in diesem Film das Mobbingopfer. Sie lässt sich einer passiven Opferrolle zuschreiben. Sie wirkt über weite Teile des Filmes eher ängstlich, still und traurig. Zudem trägt sie altmodische Kleider und ihre Körperstatur ist dicklicher als die der anderen Mädchen. Sie schämt sich, sich vor den anderen Mädchen auszuziehen. Das hat zur Folge, dass Karin mit Wasser nass gespritzt wird und sie durchnässt nach Hause gehen muss. Als Nora sie zu Hause besucht, sieht man eine sorgende Familie. Die Mutter zeigt ein überbehütetes Verhalten gegenüber Karin. So darf sie nicht zu einer schulischen Tanzveranstaltung oder auf erste Partys. Als Täter sind hauptsächlich Fanni und Sabina zu nennen, die mit ihrem Verhalten nach Anerkennung bei ihren Mitschülern suchen. Sie heben sich daher etwas von den üblichen Mobbingtätern ab. Sie sind durchaus angesehene und beliebte Schülerinnen der Klasse, doch sind sie weder männlich noch deutlich älter als Karin. Mobbing passiert hier in einer Mischform. Auf der einen Seite durch physische Gewalt, beispielsweise durch die Wasserattacke, aber auch auf verbaler Ebene durch Beleidigungen. Ausgrenzung und Ignoranz. So ist Nora z.B. an einem Tag freundlich und hilfsbereit gegenüber Karin und unternimmt etwas mit ihr; sobald jedoch eine ihrer anderen Freundinnen dabei ist und die Situation beobachtet, ist sie Karin gegenüber kühl und distanziert. Dies hat Auswirkungen auf Karins Persönlichkeit und Sozialisation. Sie ist schüchtern und zurückhaltend. So bleibt sie in den Pausen lieber in der Klasse und gießt die Blumen umso weiteren Hänseleien aus dem Weg zu gehen. Der 2011 erschienene Film „Homevideo“ behandelt die Folgen von Mobbing durch moderne Medien. Mobbingopfer ist der schüchterne Jakob, der sich in seine Mitschülerin Hannah verliebt und gerne Videos dreht. Diese teilweise peinlichen Videos finden ein paar Klassenkameraden und stellen sie zur Belustigung ins Internet. Hier greift der Film die quantitative und qualitative Erweiterung des Mobbing auf. Durch das Hochladen in das soziale Netzwerk werden über einen sehr kurzen Zeitraum viele Schüler/innen erreicht, welche die Wirkung der Tat unterstützen. Jakob ist dem Spott plötzlich und mit großer Intensität ausgesetzt. Cyberbulling greift hier auch den privaten Rückzugsraum von Jakob an, da er 52 ebenfalls in dem Netzwerk aktiv ist und dort mit Hannah chattet. Über diese Plattform bekommt er zusätzlich Drohungen und Beleidigungen wie beispielsweise „nimm dir n Strick psycho“. Ein weiteres Kriterium des Cyberbulling ist die Anonymität der Täter im Internet. Dadurch dass Namen frei wählbar sind und die Daten frei hochgeladen werden können, sind die Täter geschützt. Die Auswirkungen des Mobbing auf die Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen zeigt dieser Film ebenfalls auf. Durch die neue Situation wird Jakob auf der einen Seite aggressiv und versucht alles, um die Verbreitung aufzuhalten, auf der anderen Seite steigt aber auch seine depressive Stimmung. Er zieht sich vermehrt zurück und sucht keinen Kontakt zu seinen Eltern oder der Schule. Aufgrund des immer größer werdenden Publikums und der anonymen Beleidigungen und Drohungen sieht Jakob keinen andern Ausweg, als sich selbst zu erschießen. Der Film zeigt hier, welche Auswirkungen die Mobbingsituation auf Jakobs Entwicklung haben kann und welche drastischen Folgen daraus resultieren können. Einen letzten Punkt den der Film aufgreift, ist die veränderte Situation für die Schule. Durch die neue Mobbingform muss sich auch die Schule darauf einstellen und den Gefahren begegnen. Im Film ist die Schule mit der neuen Situation scheinbar überfordert. Sie gibt hier dem Druck vereinzelter Eltern nach, die ihre Kinder schützen und Jakob der Schule verweisen wollen. Anstatt sensibel mit dem Thema umzugehen und Jakob zu helfen, suspendieren sie ihn. In einer kurzen Sequenz versuchen Schulleiter und Lehrerin allerdings, etwas gegen das Video zu unternehmen und weisen auf die Gefahren moderner Medien hin. Allerdings bekennt sich niemand zu dem Hochladen des Videos und die Situation bleibt somit erfolglos. Der in Kapitel 3.2.2 analysierte Film „Kinder der Gewalt“ kann, aufgrund seiner gezeigten Gewaltentwicklung gegenüber Jürgen und Danny, ebenfalls in dieser Analysekategorie genannt werden. Beide Opfer weisen Merkmale des passiven Typs auf und „Tucky“ bedient mit seinem Verhalten Eigenschaften des Mobbingtäters. Hier werden die Folgen von Mobbing in zwei dramatischen Ausgängen gezeigt, in einem Suizid (Jürgen) und in einem Suizidversuch (Danny). 53 3.2.4 Zusammenfassung Der Sozialisationswert der Schule wird durch die Filme anschaulich dargestellt. Die überwiegenden Handlungen geschehen im schulischen Kontext, abseits des Unterrichts. Die gestiegene Bedeutung von Schule für die Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen wird dadurch deutlich. Die analysierten Filme zeigen die Gefahren von Gewalt an Schulen. Gewalt ist weit verbreitet und kann in diesem sozialen Raum Folgen für Jugendlichen haben. Insbesondere im Schulalltag entsteht und verbreitet sich Gewalt, was die Filme thematisch aufgreifen. Die Filme zeigen die Sozialisationsinstanz Schule als einen Ort der Gewalt. Dies führt zu negativen Eindrücken zum Schulleben. Hier fehlt es besonders an Gegenmaßnahmen seitens der Schule, z.B. durch Schulsozialarbeit. Unterstützungen seitens der Schule bei der Bewältigung von Problemen werden in den Filmen nicht thematisiert und auch Lehrer schreiten wenig in das Geschehen ein. Beim Thema Mobbing zeigen sich zwischen der Theorie und der Darstellung einige Gemeinsamkeiten, Täter und Opfer lassen sich ihren Rollen zuschreiben und auch die zum Teil großen Gefahren die durch Mobbing entstehen, werden entsprechend dargestellt. Zudem greifen die Filme neuere Thematiken wie den Amoklauf oder das „Cyberbulling“ auf und spiegeln dieses realitätsnah wieder. Es hat sich gezeigt, dass Mobbing eine ernste Angelegenheit ist, mit erheblichen Folgen für die Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen. Die Darstellungen dieser, werden in den Filmen ausführlich thematisiert. Der Fokus liegt hier besonders auf die immer größer werdende Spirale der Gefahren und Folgen. Hilfe und Unterstützung finden die gezeigten Opfer nur wenig und spät. 54 4. Jugend und Gleichaltrige In diesem Kapitel wende ich mich der dritten wichtigen Sozialisationsinstanz, den Freunden und Gleichaltrigen, zu. Soziale Beziehungen zu Gleichaltrigen haben für Jugendliche eine entscheidende Bedeutung. Hier lösen sie sich von der Familie und können sich frei von schulischen Normen und Wertvorgaben sozial orientieren. Zunächst geht es in diesem Kapitel um die theoretische Erarbeitung der Analysepunkte. Anhand derer werde ich dann im zweiten Teil des Kapitels die ausgewählten Kino- und Fernsehfilme näher beleuchten. 4.1 Theoretischer Überblick Jugend und Gleichaltrige Ich werde mich auf drei wichtige Sozialisationsaspekte von Jugendlichen im Umgang mit Gleichaltrigen beziehen. Zum einen auf Freunde und deren Sozialisationswert für Jugendliche; in einem weiteren Teil geht es um die Bedeutung der Gleichaltrigengruppe mit ihrer Rolle, den Umgangsformen und der sozialen Funktion. Im dritten Teil gehe ich auf das Freizeitverhalten Jugendlicher ein, unter Berücksichtigung der Formen, der Milieuzugehörigkeit und dem Risikoverhalten in der Freizeit. 4.1.1 Freunde Kontakte zu Gleichaltrigen und der Aufbau enger Freundschaften lösen in vielen Bereichen die Familie als Sozialisationsinstanz ab. Dadurch werden neue Bildungs- und Sozialisationsräume in der Freizeit geschaffen. Jugendliche orientieren sich in ihrem Freizeitverhalten verstärkt an der Freundin/dem Freund, wodurch diese Beziehungen einen großen Einfluss auf den Erwerb sozialer 55 Kompetenzen haben. Sie fördern die Verinnerlichung von Sach- und Fachkompetenzen. 61 Schon vor der Pubertät beginnen Kinder mit der Orientierung an Freundesgruppen. Diese gewinnt immer mehr an Bedeutung, sodass Jugendliche ihr soziales und emotionales Erleben immer stärker daran auslegen und sich von der Familie lösen. „Die Freundschaftsbeziehung [...] zeigt sehr deutlich, dass die Lern- und Entwicklungswelt Freundschaft Raum eröffnet für eine Vielfalt entscheidender Erfahrungen im Kindes- und Jugendalter.“62 In der Regel besteht der enge Freundeskreis aus bis zu fünf Personen des gleichen Geschlechts. Mit der besten Freundin/dem besten Freund entsteht ein noch engeres Verhältnis, und es wird eine noch intensivere persönliche Beziehung geführt. Zu diesem engeren Freundeskreis gesellt sich eine weitere lockerere Freundesgruppe von 10 bis 20 Personen hinzu.63 Freundschaften zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass man gemeinsame Aktivitäten hat und gleiche Interessen teilt. Hinzu kommen ähnliche Werte und Einstellungen. Sie leben von gegenseitiger Anerkennung und Zugehörigkeit. Darüber hinaus haben Freundschaften auch Verpflichtendes, nämlich dann, wenn es um Verlässlichkeit und daraus resultierendes Vertrauen geht. Sozialisation innerhalb dieser Freundesbeziehungen besteht darin, sich gegenseitig zu unterstützen und zu schützen. Durch das Erleben ähnlicher Lebenslagen und Entwicklungskrisen, z.B. Streit mit den Eltern oder Liebeskummer, teilt man Probleme mit Gleichgesinnten und entwickelt gemeinsam eine Lösungsstrategie. Fern von der Familie, in der es einen festgeschrieben Status des Kindes gibt, machen Jugendliche unter Gleichaltrigen erste Erfahrungen, eine eigene Position innerhalb dieses Gefüges zu erlangen. Freundschaftsbeziehungen beruhen auf einer Freiwilligkeit, sodass immer ein Risiko der raschen Auflösung besteht. Fehlende freundschaftliche Beziehungen können negative Konsequenzen in Form 61 Vgl. Böhm-Kasper, Oliver/ Harring, Marius/ Palentien, Christian/ Rohlfs, Carsten: Freundschaf- ten, Cliquen und Jugendkulturen. Peers als Bildungs- und Sozialisationsinstanzen. Wiesbaden, VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2010. S. 9. 62 Vgl. Böhm-Kasper, Oliver/ Harring, Marius/ Palentien, Christian/ Rohlfs, Carsten: Freundschaf- ten, Cliquen und Jugendkulturen, a.a.O., S. 67. 63 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O., S. 173. 56 von sozialer Isolation oder Einsamkeit haben. Dadurch entstehen Depressionen oder ein negatives Selbstbild und Wohlbefinden.64 4.1.2 Bedeutung der Gleichaltrigengruppe Neben dem engen vertrauensvollen Verhältnis von Freundschaften spielen feste Gruppen Gleichaltriger eine besondere Bedeutung bei jugendlicher Persönlichkeitsentwicklung. „Entsprechend können Gruppen als soziale Gebilde, in denen mehr als zwei Menschen wiederkehrend miteinander interagieren und sich dabei wechselseitig beeinflussen, definiert werden.“65 Gleichaltrigengruppen ermöglichen den Jugendlichen, einen für sie wichtigen sozialen Raum selbstständig zu gestalten und zu erkunden. Dadurch können sie sich innerhalb dieser Gruppe auch über bestehende Verbote, wie Konsum von Drogen oder Diebstahl, hinwegsetzen, ohne dass diese Konsequenzen durch Gleichaltrige nach sich ziehen. Daneben grenzen sie sich durch eigene Symbole und Stilelemente von Erwachsenen und auch von anderen Jugendgruppen ab.66 Albert Scherr führt zu den Merkmalen von Gleichaltrigengruppen an, dass sie den Ablösungsprozess der Herkunftsfamilie unterstützen, eine eigene Sozialisationsinstanz bilden und die Aktivitäten überwiegend im Freizeitbereich stattfinden. Daneben ist die Gruppe für den Austausch von Tabuthemen, wie erotische und sexuelle Bedürfnisse, ein wichtiger Kommunikations- und Begegnungsraum. Ein wichtiges Merkmal von Gleichaltrigengruppen ist auch die Reproduktion von sozialer Ungleichheit. Durch die Bildung von Gruppen innerhalb von Schulen oder Wohngebieten besteht die Gefahr der sozialen Ungleichheitsreproduktion und Abgrenzung.67 Die Bedeutung für den Sozialisationsprozess der Jugendlichen wird dadurch deutlich, dass Gleichaltrigengruppen die Möglichkeiten bieten, Handlungskompe64 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O., S.172ff und Böhm- Kasper, Oliver/ Harring, Marius/ Palentien, Christian/ Rohlfs, Carsten: Freundschaften, Cliquen und Jugendkulturen, a.a.O., S. 61-68. 65 Vgl. Scherr, Albert: Jugendsoziologie, a.a.O. S. 165. 66 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O. S. 174f. 67 Vgl. Scherr, Albert: Jugendsoziologie, a.a.O. S. 167. 57 tenzen zu entwickeln, die ihnen bei anderen Instanzen verwehrt bleiben. Die Jugendlichen gestalten und nehmen Rollen ein, die ihnen so in der Familie und in der Schule nicht möglich sind, da hier die Rollen (Kind, Schüler/in) festgeschrieben sind. Der Kontakt zu Gleichaltrigen mit ähnlichen gesellschaftlichen Themenschwerpunkten bedeutet Halt und Unterstützung in sensiblen Bereichen, was durch die Eltern so nicht möglich ist. Insbesondere vertrauliche Themen, wie Sexualität, werden häufig in familiärer Kommunikation ausgegrenzt und lieber unter Gleichaltrigen thematisiert. Gruppenbeziehungen fördern auch Kooperation und Verhandlung, da sie auf Freiwilligkeit und Gleichberechtigung beruhen. Ein Verhältnis, das in der Familie und Schule so ebenfalls nicht vorkommt. 68 Die Umgangsformen innerhalb der Gleichaltrigengruppen unterscheiden sich ebenfalls von denen der Familie und Schule. Ruppiges und hartes Verhalten ist genauso möglich wie Machtkämpfe und damit verbundene Erniedrigung und Diffamierung. Dadurch wird die Durchsetzungsfähigkeit, Enttäuschungsfestigkeit oder das Widerstandspotenzial von zwischenmenschlichen Interaktionen gefördert. Daneben haben sie, entgegen der Familie und Schule, keinerlei Beziehungs- oder Betreuungsaufgaben, wodurch ein offenerer, natürlicherer und durchaus auch rücksichtsloserer Umgang stattfindet. Sie sind nicht für das Wohlbefinden des Anderen verantwortlich. Das spiegelt sich beispielsweise darin wider, wenn Eltern ihre Kinder langsam an den Konsum von Alkohol heran führen, z.B. durch Probieren auf Feierlichkeiten. Jugendliche hingegen nutzen den Konsum als eine Art Mutprobe, in der es ums Betrinken geht. Eingegriffen wird hier erst bei akuter Gefahr.69 Eine Gleichaltrigengruppe stellt Übungs- und Trainingsmöglichkeiten für soziales Lernen und Handeln der Jugendlichen dar. Hier liegt besonderes soziales Kapital, auf das sie in kritischen Situationen zurückgreifen können. Allerdings können sich auch negative Dynamiken durch schlechten Einfluss entwickeln. Dadurch entstehen nicht automatisch bessere soziale Fähigkeiten bei den Jugendlichen. Mit der intensiven Auseinandersetzung innerhalb der Gleichaltrigengruppen kommen nicht alle Jugendlichen zurecht. Einige geraten in untergeordnete Rollen und werden so schnell zu Opfern von Verspottung, Hänseleien, Aggressionen, 68 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O. S. 176. 69 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O. S. 176f. 58 bis hin zu „Mobbing“. Dies führt viele Jugendliche in die Isolation und kann tiefe Folgen für die Persönlichkeitsentwicklung haben.70 4.1.3 Freizeitverhalten Jugendlicher Freizeit bedeutet ein Zeitraum im Alltag, der nicht durch fremd bestimmte Angelegenheit besetzt ist. Im Rahmen der Shell Jugendstudie wird seit 2002 Kindern und Jugendlichen die gleiche Liste vorgelegt, aus der sie die fünf Aktivitäten auswählen, die sie innerhalb einer Woche am Häufigsten machen. Im Jahresvergleich zeigt sich bei den meisten Aktivitäten kaum eine Veränderung. Lediglich der rasche Anstieg der Freizeitbeschäftigung „Im Internet surfen“ von 26% (2002) auf 59% (2010) ist bemerkenswert. Dies hat dazu geführt, dass nicht mehr „Sich mit Freunden treffen“ (2002: 62%, 2010: 59%) für Jugendliche die Freizeitbeschäftigung Nr. 1 ist. Daneben sind die weiteren „Top“-Freizeitbeschäftigungen „Musik hören“ (-10%) und „Fernsehen“ (-5%) ebenfalls zurückgegangen.71 Verschiedenes Freizeitverhalten wird insbesondere in unterschiedlichen Milieus deutlich. Generell ist Freizeit für alle Jugendlichen von großer Bedeutung. Hurrelmann und Quenzel führen anhand einiger jugendlicher Milieus, klassifiziert nach denen des Sinus Instituts72, typisches Freizeitverhalten von Jugendlichen an. Aus den unteren Schichten sind es vor allem die hedonistischen Jugendlichen und Konsum-Materialisten, für die Freizeit die größte Bedeutung hat. Konsum-Materialisten verbringen ihre Freizeit sehr gerne mit Gleichaltrigen. Sie beschäftigen sich in ihrer Freizeit weniger mit Problemen, sondern verstärkt mit DVDs oder gemeinsamen Computerspielen. Sie legen großen Wert auf die Anerkennung der Gruppe und geben dem Gruppenzwang häufiger nach.73 70 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O. S. 177f. 71 Vgl. Shell Deutschland Holding GmbH (Hrsg.): 16. Shell Jugendstudie, Jugend 2010, a.a.O. S. 96ff. 72 Das Sinus Institut ist ein privates Marktforschungsinstitut, welches eine Zielgruppe anhand spezi- fischer Milieus (Sinus-Milieus) klassifiziert und Ihnen bestimmte Verhaltensweisen zuschreibt. Vgl.: Sinus Markt- und Sozialforschung GmbH, Online: http://www.sinus-institut.de/ (Stand: 24.06.2013) 73 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O. S. 186. 59 Hedonistische Jugendliche leben nur für den Freizeitbereich. Für sie ist der Spaß oberste Priorität und sie blühen erst hier richtig auf. Der Alltag, wie Schule, Familie ist für sie nervig und belastend, da sie lieber möglichst spontan sein wollen. Durch Freizeitbeschäftigungen können sie ihrem Wunsch nach Spaß uneingeschränkt nachgehen. Sie haben eine ausgeprägte Mediennutzung, sind vielfach Teil einer Jugendszene und feiern ausgiebig mit Gleichaltrigen.74 Performer-Jugendliche sind in ihrer Freizeit eher eventorientiert und wollen alles machen, ohne etwas zu verpassen. Sie haben ein vielfältiges Freizeitangebot. Dagegen verbringen bürgerliche und traditionelle Jugendliche ihre Freizeit lieber mit der Familie. Postmaterielle Jugendliche haben eher einen Drang zu politischen und bildenden Freizeitbeschäftigungen.75 Vor allem in der Freizeit kommt es zu Risikoverhalten, z.B. durch Alkohol- und Drogenkonsum der Jugendlichen. Den Umgang mit diesen Risiken richtig zu erlernen und mit Herausforderungen umzugehen, sind wesentliche Entwicklungsaufgaben dieser Phase. Drei Ausprägungen von Risikoverhalten unter Jugendlichen gilt es dabei zu unterscheiden. Die erste Ausprägung richtet sich an das Austesten der eigenen körperlichen und psychischen Grenzen. Hierzu gehören erste Erfahrungen mit Zigaretten oder unkontrolliertes Trinken auf Partys. Dadurch lernen Jugendliche ihre eigenen Kompetenzen besser kennen. Die Anerkennung durch andere ist die zweite Ausprägung des Risikoverhaltens. Durch den Beweis bestimmter Qualitäten erlangen Jugendliche eine bestimmte soziale Position innerhalb der Gruppe. Hier geht es vor allem darum, die Aufmerksamkeit der Freunde auf sich zu ziehen, etwa durch Diebstahl oder Schulschwänzen. Die dritte Ausprägung sind gesundheitsgefährdende Verhaltensweisen, z.B. dem regelmäßigen Rausch-Trinken. Solche Verhaltensweisen zeigen vor allem tief sitzende Verunsicherungen und Identitätsprobleme.76 Im Bereich des jugendlichen Tabakkonsums zeigt die Shell Jugendstudie 2010, dass Jugendliche tendenziell weniger zur Zigarette greifen. So rauchen 2010 noch 7% der 12 bis 14-jährigen (2006: 10%) und 24% der 15 bis 17-jährigen (2006: 30%). Auffallend ist hierbei auch wieder, dass Rauchen eine Schichtangelegenheit ist. Jugendliche aus einfacheren sozialen Schichten greifen demnach 74 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O. S. 186. 75 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O. S. 186. 76 Vgl. Hurrelmann, Klaus/ Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend, a.a.O. S. 187f. 60 häufiger zur Zigarette als Jugendliche aus höheren Schichten. So rauchen rund 48% der Jugendlichen aus der sozialen Unterschicht und 25% der Oberschicht.77 Der Konsum von Alkohol ist bei Jugendlichen weiterhin stark verbreitet. Jeder sechste Jugendliche (17%) zwischen 12 und 14 Jahren trinkt ab und an Alkohol. Der Trend zum Alkoholkonsum steigt bei den älter werdenden Jugendlichen an. So trinken 13% der 18 bis 21 Jahre alten Jugendlichen mehrfach in der Woche Alkohol und 65% ab und zu. Weibliche Jugendliche trinken dabei öfter keinen Alkohol (42%) als männliche (32%). Im Alkoholkonsum gibt es keinen Unterschied zwischen den sozialen Herkunftsschichten. In allen Schichten trinken Jugendliche in gleichem Maße.78 4.1.4 Kernaussagen der Theorie Mit der Orientierung an Freunden/Freundinnen lösen sich Jugendliche langsam von der Familie ab und der Freundeskreis gewinnt immer mehr an Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung. Freundschaften beinhalten ein enges Beziehungsverhältnis mit gleichen Aktivitäten und Interessen. Sie leben von gegenseitiger Unterstützung und Wertschätzung. Dabei beruhen sie auf Freiwilligkeit, und es kommt daher manchmal zu plötzlichen Auflösungen. Fehlende Freundschaften führen zu sozialer Isolation. Gleichaltrigengruppen ermöglichen Jugendlichen die eigenständige Gestaltung eines sozialen Raumes. Dadurch können sie sich auch über Verbote hinwegsetzen, was sie an anderer Stelle nicht können. Der Kontakt zu Gleichaltrigen unterstützt den Ablösungsprozess, findet überwiegend im Freizeitbereich statt und reproduziert soziale Ungleichheiten. Sozialisationsprozesse der Gleichaltrigen geschehen durch das Entwickeln eigener Handlungskompetenzen, die Einnahme und Ausdifferenzierung einer eige77 Vgl. Shell Deutschland Holding GmbH (Hrsg.): 16. Shell Jugendstudie, Jugend 2010, a.a.O. S. 93f. 78 Vgl. Shell Deutschland Holding GmbH (Hrsg.): 16. Shell Jugendstudie, Jugend 2010, a.a.O. S. 93-96. 61 nen sozialen Rolle oder Unterstützung bei sensiblen Themenbereichen. Gleichzeitig fördern sie Kooperation und Verhandlungsgeschick. In Gleichaltrigengruppen herrscht häufiger ein rauer und ruppiger Umgangston. Durch freiwilliges Zusammenkommen entsteht ein offenerer, natürlicherer und rücksichtsloserer Umgang untereinander. Als Raum zum Üben von sozialem Verhalten hat die Gleichaltrigengruppe ein besonderes soziales Kapital, auf das Jugendliche zurückgreifen können. Durch schlechten Einfluss können sich so auch negative Dynamiken entwickeln. Zu den häufigsten Freizeitbeschäftigungen unter Jugendlichen im Jahr 2010 zählen das Internet, Freunde treffen, Musik hören und Fern sehen. Unterschiedliche jugendliche Milieus führen zu verschiedenem Freizeitverhalten. So legen Konsum-Materialisten besonderen Wert auf das Schauen von DVDs und Computerspiele oder Hedonisten auf Spaß. Sie messen der Freizeit die größte Bedeutung zu und leben dafür. Risikoverhalten von Jugendlichen findet insbesondere im Freizeitbereich statt. Unterschieden wird zwischen drei Ausprägungen: Dem Austesten eigener körperlicher und psychischer Merkmale, der Anerkennung durch Andere und gesundheitsgefährdende Verhaltensweisen, aufgrund mangelnder Beurteilungsfähigkeiten. Tabak- und Alkoholkonsum ist unter Jugendlichen stark verbreitet. Tabakkonsum tritt verstärkt in sozial niedrigeren Schichten auf, dagegen ist der Alkoholkonsum in allen Schichten gleichmäßig ausgeprägt ist. 62 4.2 Kino- und Fernsehfilmanalyse Jugend und Gleichaltrige Mit Hilfe der Literatur habe ich deutlich gemacht, welchen Stellenwert die Gruppe der Gleichaltrigen für die Jugendlichen hat. Dabei sind die drei miteinander verknüpften Bereiche Freundschaft, Gleichaltrigengruppe und Freizeitverhalten, wichtige Punkte der Persönlichkeitsentwicklung. In der folgenden Analyse möchte ich prüfen, wie diese in den ausgewählten Filmen dargestellt werden. Neben den, in vorherigen Kapiteln bearbeiteten, Filmen „Keine Angst“, „Die brennende Schnecke“ und „Der Ketchup-Effekt“ werde ich folgende Filme in die Analyse mit einbeziehen. Im Film „alaska.de“ (Deutschland, Drama, 2000) zieht die 16-jährige Sabine zu ihrem Vater nach Berlin in eine Hochhaussiedlung. Schon kurz nach ihrem Umzug findet sie einen niedergestochenen Jungen. Mit der Zeit lernt sie eine Gruppe um die Jungen Micha und Eddie kennen und freundet sich mit Eddie an. Beide sind an der Tat beteiligt und wollen herausfinden, was genau Sabine weiß, da sie Micha am Tatort gesehen hat. Die Situation eskaliert immer mehr und es kommt letztlich zu einem Zusammentreffen aller Protagonisten im Treppenhaus eines Hochhauses. Sabine möchte dem Druck ein Ende setzen und bedroht Micha mit dem Messer. Im Zuge des Streites löst sich ein Schuss aus Michas Pistole wodurch dieser tot umfällt. Die 16-jährige Julia, genannt „Kroko“, nach der der Film benannt ist (Deutschland, Drama, 2002), klaut und ist Mitglied einer Jugendgruppe. Als sie einen Unfall verursacht, wird sie zu 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. In der Behindertenwohngruppe kommt sie mit ihrer abwertenden Art nicht an. Erst langsam fasst sie in der ungewohnten Umgebung Fuß und distanziert sich immer mehr von ihrer alten Gruppe. So verändert sich im Verlauf des Filmes ihr Verhalten, und sie öffnet sich gegenüber der Wohngruppe und ihrem Leiter Micha. „Höhere Gewalt“ (Deutschland, Drama, 2009) handelt von einer Gruppe Jugendlicher, die ein gemeinsames Wochenende in einem Landhaus verbringen. Sexuelle Erfahrungen spielen ebenso eine Rolle, wie Aggressivität unter Jugendlichen. Zwischen den Jugendlichen entwickeln sich Spannungsverhältnisse unterschiedlicher Art. So fühlt sich einer der Jugendlichen genannt Betz durch „Stre- 63 cker“ dazu gedrängt Maike zu vergewaltigen. Dies wiederum veranlasst Maikes Schwester Jasmin dazu, sie zu rächen und Betz zu töten. 4.2.1 Freunde Der Film „Keine Angst“ zeigt die Wichtigkeit von Freundschaften für die Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen auf besondere Art. Zunächst wird die Freundschaft zwischen Becky und ihrer Nachbarin Melanie gezeigt. Beide geben sich in der Tristesse der Hochhaussiedlung gegenseitigen Halt. Becky ist ein schüchternes Mädchen mit geringem Kontakt zu Jungen. Melanie hingegen ist schon erfahrener, wird allerdings von der Hochhaus-Gang sexuell missbraucht und abwertend behandelt. Die Freundschaft der beiden scheint einer der wenigen Lichtblicke in ihrem Leben zu sein. Sie sprechen sich gegenseitigen Mut zu. Melanie gibt Becky Ratschläge, wie sie sich Jungen gegenüber verhalten soll. Der oben beschriebene Ablösungsprozess von den Eltern wird durch die Freundschaft der beiden Mädchen ebenfalls deutlich. Becky findet zu Hause wenig Aufmerksamkeit. Daher sucht sie keinen Kontakt zur Mutter, um mit ihr über Jungen zu reden, sondern wendet sich an ihre Freundin. Allgemein herrscht zwischen den beiden Mädchen ein offener Umgang, sie erzählen sich gegenseitig alles und unterstützen sich in ihrer Alltagsbewältigung. Als Becky allerdings Bente kennen lernt und sich in ihn verliebt, verändert sich die Beziehung der beiden Mädchen. Becky verbringt lieber Zeit mit ihrem neuen Freund. Dieser ist gebildet, wohnt in besseren Verhältnissen und hat deutlich mehr Geld als die beiden Mädchen. Melanie reagiert eifersüchtig, und es kommt in der Folge zu immer größeren Streitigkeiten zwischen den Freundinnen. Besondere als Becky ihrem Freund das geheime Versteck der beiden Mädchen zeigt, ist Melanie verärgert. Sie wirft beide heraus und verschließt das Versteck, sodass Becky später nicht zurückkehren kann. Hier wird die Freiwilligkeit deutlich. Die Freundschaft zwischen den beiden ist kein Zwang, sodass sie jederzeit beendet werden kann. Durch die Beziehung zwischen Bente und Becky wird sie auf eine Probe gestellt und droht zu zerbrechen, da Becky sich durch ihre Beziehung zu Bente umorientiert und sich weniger um Melanie kümmert. 64 Zum Ende des Films, als Becky missbraucht wird, sucht sie Hilfe. Während ihr Freund auf dem Weg zum Internat ist, wendet sie sich an ihre beste Freundin. Diese versteht sie, da auch sie das Gleiche durchgemacht hat. Gemeinsam betrinken sie sich, bis Becky ohnmächtig umfällt. Bente, der mittlerweile eingetroffen ist, wird von Melanie, aus Sorge um ihre Freundin, angeschrien Becky zu helfen, denn schließlich will er ja Arzt werden. Trotz der zwischenzeitlichen angespannten Situation zwischen den Mädchen wird hier deutlich, welchen Stellenwert Freundschaft für Jugendliche hat. Melanie und Becky brauchen sich gegenseitig, da sie sich halt geben und unterstützen. Die gemeinsame Freundschaft wird als sehr wichtig empfunden. Im Film „Kroko“ wird eine ähnliche Entwicklung der Persönlichkeit durch Orientierung an neue Freundschaften thematisiert. Kroko wird zunächst als cooles Mitglied einer Jugendgruppe dargestellt, welche kriminelles Verhalten zeigt. So erarbeitet sie sich den Respekt und das Ansehen innerhalb ihrer Gruppe. Die Freundschaft der Jugendlichen untereinander ist nicht besonders groß. Man teilt zwar gemeinsame Interessen, ein intensives Verhältnis untereinander entsteht allerdings nicht. Während ihrer gemeinnützigen Arbeit im Behindertenwohnheim entwickelt sich langsam ein freundschaftliches Verhältnis zu den Bewohnern und besonders zu dem im Rollstuhl sitzenden Thomas sowie dem Leiter Micha. Diese zwei verhalten sich Kroko gegenüber liebevoll und hilfsbereit. Durch die neuen Erfahrungen beginnt auch Kroko ihr Verhalten zu überdenken und ändert dieses schrittweise. Sie erkennt, dass ihr die Gruppe schadet und wendet sich von ihr ab. Gleichzeitig sucht sie mehr Kontakt zur Wohngruppe und vertraut sich Micha an. Der Film zeigt, wie Freundschaften den Sozialisationsprozess und die Persönlichkeitsentwicklung verändern. Ihr Freundeskreis beeinflusst Kroko zu kriminellem Verhalten. Der Umgang untereinander macht aus ihr einen egoistischen und vorlauten Jugendlichen. Erst durch den Kontakt zu der Wohngruppe und der Entwicklung von neuen Freundschaften beginnt sie, ihr Verhalten zu überdenken und zu ändern. Sie zeigt immer mehr ein mitfühlendes und liebevolles Verhalten den Bewohnern und auch zu Hause ihrer Schwester gegenüber. Ein drittes Bespiel für die Bedeutung der Sozialisationsfunktion von Freundschaften zeigt sich im Film „Der Ketchup-Effekt“. Sofie, Amanda und Emma sind beste Freundinnen. Gemeinsam unterhalten sie sich über alles, was sie bewegt und geben sich gegenseitigen Rat und Unterstützung in ihrem täglichen Leben. Als Sofie allerdings Opfer von Mobbing-Attacken wird, gerät auch die Freundschaft 65 der Mädels in Gefahr. Je größer das Gerücht wird, Sofie sei eine „Schul-Hure“, umso stärker wenden sich die zwei von ihr ab. Hier zeigt sich die Freiwilligkeit von Freundschaften, durch deren Verlust Sofie den sozialen Halt und Unterstützung verliert. Sie hat niemanden mehr, mit dem sie über ihre Situation sprechen kann. Ihren Vater will sie ebenfalls nicht in ihre Probleme einbeziehen. Sie gelangt immer mehr in die soziale Isolation. Die Bedeutung von Freundschaften wird auch dadurch deutlich, dass Sofie, nachdem Amanda und Emma aufgrund des Suizidversuches wieder zu ihr stehen und ihr helfen, neuen Mut fasst und sich letztlich gegen die Mobbingattacke wehren kann. 4.2.2 Bedeutung der Gleichaltrigengruppe Alle analysierten Filme zur Bedeutung der Gleichaltrigengruppe auf den Sozialisationsprozess von Jugendlichen zeigen einen negativen Einfluss. Alle Gruppen werden als gewalttätig, mit teils kriminellem Verhalten, dargestellt, in denen es zu häufigem Alkoholkonsum kommt. So verprügelt die Gruppe im Film „Keine Angst“ Bente auf der Straße, stiehlt ihm den MP3-Player, pöbelt auf der Straße andere Passanten an oder vergewaltigt Melanie, während die anderen zusehen. Alkoholkonsum wird häufig in den Szenen als Nebenbei-Handlung gezeigt und findet seinen Höhepunkt, als Becky sich gemeinsam mit der Gruppe betrinkt. Die Filme thematisieren somit vor allem die Freiräume, die Jugendliche in Gleichaltrigengruppen haben. Sie zeigen dabei lediglich negative Freiraumgestaltung, in Form von Grenzüberschreitungen oder delinquentem Verhalten. Positive Aspekte der Sozialisationsfunktion sind in den Filmen nicht vorhanden. Trotz dieser durchweg negativen Darstellung von Verhaltensweisen, zeigen die Filme diese auf realistische Art. Das Ausprobieren von Grenzen oder des Alkoholgenusses gehören ebenso dazu, wie der raue und offene Umgangston, den die Gruppen haben. Im Film „Die brennende Schnecke“ wird eine Gruppe Jugendlicher gezeigt, die keinen Respekt vor Erwachsenen hat und kriminell handelt. Peter fühlt sich von seiner Mutter vernachlässigt und sucht daher die Unterstützung in eben dieser Jugendgruppe. Besonders ihr Anführer Axel fordert die Anderen zu negativem Verhalten auf, so urinieren sie z.B. auf einen Obdachlosen. Peter möchte zwar 66 dazu gehören, findet jedoch das Verhalten Axels nicht gut. Das teilt er auch Detlef mit. Die Sozialisation durch die Gruppe zeigt sich darin, dass Peter sich immer mehr dem Verhalten der Gruppe und insbesondere von Axel anpasst. Er wird seiner Mutter und dem neuen Freund gegenüber immer abweisender und respektloser. Die Veränderung von Peter gipfelt im Finale des Films, als er den neuen Freund in Benzin stellt und anzündet. Im Film „Kroko“ wirkt sich die Sozialisationsfunktion der Gruppe ebenfalls negativ auf das Verhalten aus. Die Gruppe ist ebenfalls kriminell aktiv. So zieht Kroko mit ihnen durch Kaufhäuser und stiehlt dort Waren, die sie später verkauft. Ansonsten werden sie vor allem als feiernde und trinkende Gruppe dargestellt. Besonders Krokos Freund zeigt ihr gegenüber gewalttätige Ausbrüche, er schlägt sie beispielsweise. Die Umgangsformen innerhalb der Gruppe sind ziemlich hart und rau, besondere dem Außenseiter Rolle gegenüber, einem etwas korpulenteren Jungen, der eine Ausbildung machen möchte und auf Distanz zur Gruppe geht. Diese negativen Verhaltensweisen spiegeln sich auch in Krokos Verhalten wider. So ist sie zu Beginn der Wohngruppe gegenüber abweisend eingestellt und hat kein Interesse an deren Bedürfnissen. Zu Hause stiftet sie die kleinere Schwester zu einem Diebstahl im Kaufhaus an. Durch den längeren Kontakt zur Wohngruppe erkennt sie allerdings, welche Wirkung das Gruppenverhalten auf sie ausübt und beginnt ihr Verhalten zu ändern. So wendet sie sich von ihrer alten Gruppe ab und sucht neue Kontakte. Zwei extrem negative Beispiele für die Bedeutung der Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen durch Gleichaltrigengruppen zeigen die Filme „alaska.de“ und „Höhere Gewalt“. Im Film „alaska.de“ wird die Hauptdarstellerin Sabine als schlagfertige Jugendliche gezeigt, die offen gegenüber ihren Mitmenschen agiert. Im Verlaufe des Filmes hat sie allerdings immer mehr Kontakt zu einer gewaltbereiten Jugendgruppe um Eddie und Micha. Dadurch verändert sich Sabines Verhalten und sie schreckt letztlich nicht mehr von einem Mord zurück um der unangenehmen Situation zu entkommen. Im Film „Höhere Gewalt“ spielt Gewalt unter Jugendlichen, bis hin zum Mord, ebenfalls eine Rolle. Der Film zeigt auf dramatische Art die Wirkung von Gleichaltrigengruppen auf den Einzelnen. Der raue und tabulose Umgang der Jugendlichen untereinander führt zu Spannungsverhältnissen. Diese spitzen sich so zu, dass sie letztlich in zwei extremen Gewalthandlungen enden: Sexueller Missbrauch und Mord. 67 4.2.3 Freizeitverhalten Jugendlicher Das Freizeitverhalten von Jugendlichen wird in den analysierten Filmen realistisch dargestellt. Die Shell Jugendstudie 2010 hat herausgearbeitet, dass die Freizeitbeschäftigung Nr.1 der Jugendlichen „Im Internet surfen“ ist. Da die analysierten Filme allerdings zwischen 1996 und 2009 entstanden sind, ist dieser neue Trend nicht enthalten. Lediglich im 2011 erschienen Film „Homevideo“ kommt diese neue Freizeitbeschäftigung vor und nimmt einen zentralen Stellenwert ein79. Daher wird der Punkt „Freunde treffen“ als Hauptaspekt jugendlicher Interessen thematisiert. In allen Filmen geht es hauptsächlich darum, dass die Protagonisten sich in ihrer Freizeit mit Gleichaltrigen treffen und gemeinsame Zeit miteinander verbringen. Weitere Freizeitbeschäftigungen, wie Musik hören oder Fern sehen, finden als Handlung häufig nebenbei statt, beispielsweise trifft sich die Gruppe im Film „alaska.de“ und im Hintergrund läuft Musik. Die gezeigten Jugendlichen agieren überwiegend in Milieus der unteren sozialen Schichten. Für die Gleichaltrigengruppen in den Filmen „Die brennende Schnecke“, „Keine Angst“, „Kroko“, „alaska.de“ und „Höhere Gewalt“ steht in ihrer Freizeit vor allem der Spaß im Vordergrund. Das aktive Freizeitverhalten und der Spaß mit Gleichaltrigen sind für sie wichtig. Man sieht sie häufig beim Feiern oder beim Trinken. Sie können daher zu dem Freizeitverhalten der hedonistischen Jugendlichen gezählt werden, da diese ihrer Freizeit eine sehr große Bedeutung zukommen lassen. Familien- und Schulleben wird bei diesen Gleichaltrigengruppen gar nicht gezeigt. Lediglich die Charaktere aus dem Film „Die brennende Schnecke“ sowie die Hauptdarsteller Becky und Kroko der jeweiligen Filme agieren in diesen Kontexten. Zum Risikoverhalten Jugendlicher in ihrer Freizeit lässt sich vor allem festhalten, dass es häufig zu einem Austesten der eigenen Grenzen kommt. Insbesondere beim Alkohol und teilweise auch im Drogenkonsum erproben sich die Jugendlichen. Erste Partys, wie im Film „Der Ketchup-Effekt“, auf denen die Jugendlichen mit Alkohol in Kontakt kommen, führen zu diesem Verhalten. Häufig ist der Grund für Risikoverhalten auch die Anerkennung durch Andere. Sei es Peter, der im Film „Die brennende Schnecke“ raucht, um dazu zu gehören oder „Kroko“, die 79 Siehe hierzu: Kapitel 3.2.3 68 klaut, um bei der Gruppe den Status der angesehen coolen Jugendlichen behält. Als gesundheits- gefährdendes Risikoverhalten ist vor allem das schon erwähnte „Koma-Saufen“ von Becky zu erwähnen. Sie scheint im Vorfeld wenig Kontakt mit Alkohol gehabt zu haben. Aufgrund ihrer mangelnden Beurteilungsfähigkeit und der schlimmen Erfahrung, die sie gemacht hat, betrinkt sie sich bis zur Bewusstlosigkeit. Hier geht es weder um das Austesten der persönlichen Grenze noch um die Anerkennung der Gruppe. 4.2.4 Zusammenfassung Alle analysierten Filme spielen im Milieu unterer sozialer Schichten. Bei der Darstellung von Freundschaften zeigen die Filme auf realistische Art, wie sich Freundschaften entwickeln können und welchen besonderen Stellenwert sie beim Sozialisationsprozess für die Jugendlichen haben. So helfen sie bei der Bewältigung von sozialen Problemlagen und neue Freundschaften führen zu anderen Sichtweisen. Gleichzeitig bedeutet ein Verlust dieser eine soziale Verunsicherung bis hin zur Isolation. Die Darstellungen der Gleichaltrigengruppe sind in allen Filmen negativ belastet. Sie werden als trinkende, gewaltbereite und delinquente Jugendliche beschrieben, die schlechten Einfluss auf die Mitglieder haben. In keinem Film wirkt die Gruppe unterstützend auf den Sozialisationsprozess ein, sondern fördert sozial abweichendes Verhalten. Trotz dieser durchaus negativen Sichtweise muss festgehalten werden, dass Jugendliche gerade in diesem sozialen Umfeld erstmals die Möglichkeit haben, eigene Grenzen zu erfahren und Rollen selbstständig zu definieren. Dies thematisieren die Filme bleiben in ihrer Sichtweise aber zu einseitig bei den negativen Auswirkungen der Gleichaltrigengruppe, positive werden nicht dargestellt. Im Freizeitverhalten agieren die Jugendlichen in unteren sozialen Milieus. Bei ihnen steht der Spaß im Vordergrund, welches dem Verhalten der hedonistischen Jugendlichen entspricht. Die Filme thematisieren risikoreiches Verhalten als Austestend er eigenen Grenzen sowie der Suche nach Anerkennung der Gleichaltrigen. 69 5. Fazit In den vorherigen drei Kapiteln ging es um die Sozialisationsinstanzen, die Jugendliche in ihrer Lebensphase begleiten, welche Probleme auftreten können und wie diese in fiktionalen Kino- und Fernsehfilmen dargestellt werden. Im Rahmen des Fazits dieser Arbeit werde ich zu Beginn noch einmal auf das eingangs beschriebene Modell der produktiven Realitätsvereinbarung eingehen und dieses mit den drei Instanzen und ihrer Darstellung im Film verbinden. Im Anschluss daran gehe ich auf die Bedeutung für die Soziale Arbeit ein und ziehe abschließend ein Gesamtfazit der Arbeit. Das Modell der produktiven Realitätsverarbeitung erklärt innerhalb von 10 Thesen wie sich die Persönlichkeit eines Menschen aus individuellen und gesellschaftlichen Einflüssen entwickelt. Insbesondere die 7. These „Bedeutung der Sozialisationsinstanzen“ ist von zentraler Größe für die weiteren Kapitel und ich habe deutlich dargelegt, wie sich diese auf die Entwicklung der Jugendlichen auswirken. Die Filme haben dazu praktische Beispiele geliefert und den Wert dadurch unterstrichen. Die Wichtigkeit des sozialen Status, welcher sich in der 9. These dem „Sozialisationseffekt sozialer Ungleichheit“ wiederfindet, zeigt sich sowohl bei der Herausarbeitung der Analysekategorien wie auch bei der Darstellung in den Filmen. Hier nehmen die Filme den niedrigen sozialen Status zum Anlass um Problemlagen von Jugendlichen zu zeigen. Die weiteren Thesen wie „Produktion der eigenen Persönlichkeit“ oder das „Bewältigen von Entwicklungsaufgaben“ spielen bei der Ausarbeitung der Sozialisationsinstanzen und der Darstellung im Film ebenfalls ihre Rollen. Hervorheben möchte ich abschließend allerdings noch die 6. These „personale und soziale Ressourcen“. Soziale Ressourcen wie Familie, Schule und Gleichaltrige sind für die jugendliche Entwicklung von großer Bedeutung. Durch die Bearbeitung dieser, habe ich gezeigt, welchen Einfluss sie auf die Persönlichkeit und Sozialisation von Jugendlichen nehmen können. Die Filme thematisieren diese Einflussmöglichkeiten ebenfalls und zeigen dabei welche Folgen entstehen können. Im Rahmen der Sozialen Arbeit habe ich gezeigt, dass das Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendhilfe ein sehr vielfältiges ist und zentral für die Arbeit mit Jugendlichen. Die einzelnen Sozialisationsinstanzen lassen sich den Feldern zuordnen. So setzen sich die Aufgabenbereiche Förderung der Erziehung, Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege sowie Hilfen zur 70 Erziehung hauptsächlich mit der Arbeit in und um Familien auseinander. Wohingegen sich Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit hauptsächlich mit Jugendlichen innerhalb der Instanzen Schule und Gleichaltrigen beschäftigt. Gerade bei sozial benachteiligten Familien und Jugendlichen wären diese Hilfen angebracht. Wie die Literatur gezeigt hat, fehlt ihnen häufig die Unterstützung und Förderung. Die Filme greifen die Thematik leider nicht auf. Professionell handelnde Sozialarbeiter/Innen die den Familien und Jugendlichen helfen, kommen nicht vor. Die wenigen Filme in denen professionell handelnde Personen auftreten, bedienen dazu noch das klischeehafte Bild, welches ich bereits in Kapitel 1.5 näher beschrieben habe. Im Film „Keine Angst“ ist es besonders das strenge Auftreten und die Drohung, die Kinder aus der Familie zu nehmen welches das Bild der Öffentlichkeit über Soziale Arbeit wiederspiegelt. Im Film „Bessere Zeiten“ zeigen die zwei Mitarbeiter des Jugendamtes kein Interesse an den schlechten Zuständen innerhalb der Familie und kümmern sich nur darum, dass der Junge wieder zur Schule geht. Lediglich im Film „Kroko“ wird mit Micha, dem Leiter der Wohngruppe, eine Person gezeigt, die professionell und realitätsnah arbeitet. Welchen sozialen Beruf er genau ausübt, wird im Film allerdings nicht deutlich. Die Filme zeigen auf vielfältige Art die Problemlagen von Jugendlichen ohne jedoch geeignete Unterstützungen durch professionell handelnde Personen darzustellen. Einige Filme halte ich trotzdem für besonders geeignet um sie im Rahmen Sozialer Arbeit wie beispielsweise der Erarbeitung von Problemen innerhalb der Familie oder in der Schulsozialarbeit zum Thema Gefahren von Mobbing zu zeigen. So können besonders die Filme „Keine Angst“, „Der Ketchup-Effekt“ und „Homevideo“ dazu eingesetzt werden. Sie behandeln aktuelle Thematiken und bleiben in ihrer Darstellung nah an der Realität. Im Rahmen der Sozialisationsinstanz Familie hat sich gezeigt, dass die Familienform im Wandel ist und viele unterschiedlichste Formen denkbar sind. Die meisten Jugendlichen haben ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern doch kann es gerade in dieser Lebensphase auch zu einigen Konflikten kommen. Daneben spielt der Ablösungsprozess eine wichtige Rolle. Die Analyse der Filme hat gezeigt, dass sie die Thematik gut aufgreifen und nah an der Literatur bleiben. Dabei zeigen sie besonders die schlechteren Lebensverhältnisse sozial benachteiligter Familien, gerade hier liegt auch erhöhtes Konfliktpotenzial zwischen Jugendlichen und ihren Eltern. 71 Im Bereich Jugend und Schule hat sich gezeigt, dass der Schule eine größere Sozialisationsaufgabe zugeordnet wird. Hier kommt es zwischen den Jugendlichen zu unterschiedlichen Formen von Gewalt, angefangen bei leichter körperlicher Gewalt bis hin zu schwerem Mobbing oder Amoklauf. Die Filme spiegeln die Schule als einen Ort der Gewalt. Die Entstehung und der Verlauf von Gewalt werden dabei ebenfalls entsprechend der herausgearbeiteten Literatur gezeigt. Den gestiegenen Stellenwert der Schule als Sozialisationsinstanz greifen die Filme nicht auf. Meiner Meinung nach entsteht so ein negatives Bild über die Institution Schule, zumal den SuS auch keine Unterstützung entgegengebracht wird und die Lehrer als hilflos gezeigt werden. Durch die Literatur zum Thema Jugend und Gleichaltrige habe ich die besondere Bedeutung von Freundschaften für den Sozialisationsprozess herausgearbeitet und gezeigt, wie wichtig Gleichaltrigengruppen für die Persönlichkeitsentwicklung sind. Aufgrund des großen Freizeitgehaltes in diesem Bereich, liegt für die meisten Jugendlichen hier die Chance neue Erfahrungen zu sammeln die ihnen in den beiden anderen Instanzen verwehrt bleiben. Die Filme zeigen hier die Gleichaltrigengruppe als einen Ort an dem solche neuen Erfahrungen wie Alkoholkonsum möglich sind und auch Freundschaften werden als wichtiger Punkt bei der Persönlichkeitsentwicklung gezeigt. Aufgrund der anhaltenden Darstellung von trinkenden und gewaltbereiten Jugendlichen wird hier allerdings auch wieder ein Bild erzeugt, welches nur zum Teil der Realität entspricht. Zu schnell entsteht der Eindruck, dass Jugendliche allgemein „saufen“ und gewaltbereit sind. Durch die Bachelorarbeit habe ich aufgezeigt, wie wichtig die „Lebensphase Jugend“ für die Entwicklung ist und welche Probleme Jugendliche bei der Bewältigung der Phase haben können. Die Analyse der fiktionalen Kino- und Fernsehfilme hat gezeigt, dass viele Merkmale davon aufgegriffen und in den Filmen thematisiert werden. Nach meiner Einschätzung bleiben die Filme zu häufig bei negativen Betrachtungen und zeigen wenig Unterstützung. Besonders die Darstellung Sozialer Arbeit muss hier aus einer professionelleren Sicht geschehen. 72 Quellenverzeichnis: Beck, Ulrich: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag, 1986. Böhm-Kasper, Oliver/ Harring, Marius/ Palentien, Christian/ Rohlfs, Carsten: Freundschaften, Cliquen und Jugendkulturen. Peers als Bildungsund Sozialisationsinstanzen. Wiesbaden, VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2010. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. : Fachlexikon der sozialen Arbeit. 7. völlig überarbeitete und aktualisierte Auflage, Baden – Baden, Nomos Verlag, 2011. Diederichs, Prof. Dr. Helmut: Geregelte Verhältnisse. 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S. 203-216. 75 Filmverzeichnis alaska.de (D 2000) Bessere Zeiten (S 2010) Der Ketchup-Effekt (S 2004) Die brennende Schnecke (D 1996) Fish Tank (GB 2009) Höhere Gewalt (D 2009) Homevideo (D-TV 2010) Ich hätte nein sagen können (S 1997) Ihr könnt Euch niemals sicher sein (D 2008) Keine Angst (D 2009) Kroko (D 2002) Northern Star (D 2004) Tatort: Kinder der Gewalt (D 1999) 76 Eidesstattliche Erklärung Ich versichere an Eides statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig angefertigt und mich keiner fremden Hilfe bedient sowie keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Alle Stellen, die wörtlich oder sinngemäß veröffentlichten oder nicht veröffentlichten Schriften und anderen Quellen entnommen sind, habe ich als solche kenntlich gemacht. Diese Arbeit hat in gleicher oder ähnlicher Form noch keiner Prüfungsbehörde vorgelegen. Datum, Unterschrift Erklärung Mir ist bekannt, dass nach § 156 StGB bzw. § 163 StGB eine falsche Versicherung an Eides Statt bzw. eine fahrlässige falsche Versicherung an Eides Statt mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bzw. bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden kann. Datum, Unterschrift 77