111. Zum Erscheinungsbild der Sozialen Arbeit in der Öffentlichkeit An die Bedeutung und die Funktionen von Sozialarbeit sind von der Politik, der Wissenschaft sowie der Praxis Sozialer Arbeit unterschiedliche Einschätzungen gebunden. Einmal wird Soziale Arbeit als ein Problemlösungsinstrumentarium gewertet, manchen Positionen gilt sie als Instrument zur Handlungsforschung oder als handlungsorientierte Zusammenfassung verschiedener Basiswissenschaften; es mag unreflektierte Positionen geben, die sie als überflüssig einschätzen, andere werten sie als Beitrag zum sozialen Frieden oder zur gesellschaftlichen Veränderung, als selbstverständliche Alltagspraxis oder als intermediäre Instanz oder aber ganz allgemein als reine Hilfestellung in besonders schwierigen Lebenslagen. Um welche dieser Sichtweisen es sich auch handeln mag, ihnen ist gemeinsam, dass weder der Blick der Sozialarbeiter auf ihr Klientel wie auch die Bilder der Klientel von der Sozialarbeit, noch die Vorstellungen der Bevölkerung von Sozialarbeit und Klientel in einem wechselseitigen Austausch aufeinander bezogen sind. Zudem sind sämtliche dieser Blickrichtungen wenig erforscht. In einem ersten Schritt werden empirische Befunde vorgestellt, um dann, weil die Datenbasis dünn ist, das Fremdbild der Sozialen Arbeit zu untersuchen, wie es sich in Fachpublikationen und der Publikumspresse als Ausdruck öffentlicher Meinungsbildung spiegelt. A Empirische Untersuchungen 1. Skiba: Der Fürsorger und die Fürsorgerin Bis vor wenigen Jahren gab es nur eine einzige empirische Untersuchung' zum Fremdbild der Sozialen Arbeit, die aus dem Jahr 1969 stammte' und deren Material mit Hilfe einer repräsentativen Befragung' der Bevölkerung der damaligen Bundesrepublik gewonnen wurde. Da sich diese Studie zwar auch aktuell noch häufig zitiert' findet, soll sie mit einigen wenigen Strichen skizziert werden'. Der Autor Ernst-Günther Skiba sah sich zu dieser ' Skiba 1972 ' Der Untersuchungszeitraum (einschließlich Voruntersuchung) erstreckt sich von 1962 bis 1967; die erste Veröffentlichung der Studie erschien 1969. ' Vgl. Skiba 1972, 221 4 Siehe beispielsweise Hamburger 2002; 1999; Straub 2001; Markert 1995; Flösser 1 994b Untersuchung, so stellt er in seinem Vorwort klar, aufgrund von Diskussionen veranlasst, die in der Gilde Soziale Arbeit' über die Situation des fürsorgerischen Berufes geführt worden waren. „In den Diskussionsbeiträgen wurde immer wieder auf Primärerfahrungen des Einzelnen und Vermutungen über den Beruf und den Berufsträger zurückgegriffen, weil empirisch gewonnenes Material nicht zur Verfügung stand. Die Aussagen über den Beruf des Fürsorgers blieben notwendigerweise spekulativ.` Kurioserweise fragt Skiba in seiner Stichprobe' nicht nach dem Beruf des Sozialarbeiters, sondern nach dem des Fürsorgers: Seine Voruntersuchungen hatten nämlich ergeben, dass zum Zeitpunkt der Pre-Tests' gerade einmal die Hälfte der Befragten mit dem Begriff Sozialarbeiter' etwas anzufangen wusste, aber sich beinahe alle' unter dem Begriff Fürsorger' (noch) etwas vorstellen konnten. „Mit der offiziellen Umbenennung des Fürsorgeberufes in Sozialarbeiter... wird in den letzten 48 Jahren zum vierten Male die Berufsbezeichnung geändert":` Man wollte mit der Verabschiedung des Begriffes Fürsorger auch das negative und einseitige Bild des Fürsorgers abbauen und dadurch das Image des Berufsträgers positiv verändern und das soziale Ansehen des Berufes verbessern.' 1 Unter methodischen Gesichtspunkten spricht sicher einiges dagegen, das Public Image eines Berufsstandes Sozialarbeit' über die Bezeichnung ,Fürsorger' zu erfassen, zumal, wie Skiba einräumt, bei den Befragten unterschiedliche Assoziationen zu den Begriffen Sozialarbeiter und Fürsorger existierten - und er aus diesem Grund die zweite, sachlich richtige Bezeichnung Sozialarbeiter gar nicht mehr abgefragt hatte. Streng genommen wurde also in dieser einen und hoch gehaltenen Untersuchung das Berufsbild Sozialarbeiter nicht untersucht, was aber bedeuten würde, dass es für Jahrzehnte nicht einmal diese eine empirische Studie gegeben hätte. Zumindest für den Beruf des Fürsorgers kann Skiba Aussagen zu seiner Forschungsfrage machen, nämlich zu Stellung und Funktion des Fürsorgers 5 Skiba 1972, 8 Ebd. Insgesamt wurden über tausend Menschen befragt (n = 1049). s Vgl. Skiba 1972, 12 9 nämlich 95, 2 Prozent der Grundgesamtheit, vgl. Skiba 1972, 70 1 0 Das Zitat weiterführend: „Obgleich die Bezeichnung Sozialarbeiter bereits 1918 den entsprechenden Ministerien vorgeschlagen wurde, setzte sie sich erst nach dem 2. Weltkrieg unter dem Einfluß der angloamerikanischen Sozialarbeit durch. In der Zwischenzeit hieß dieser Beruf: Fürsorger, Wohlfahrtspfleger, Volkspfleger und nach 1 945 wiederum Fürsorger und Wohlfahrtspfleger. In der Praxis bestehen heute noch alle vier Bezeichnungen nebeneinander weiter, selbst der aus der Zeit zwischen 19331 945 stammende Volkspfleger bewahrt sein Dasein..." (Skiba 1972, 10). Vgl. Skiba 1972, 10 ' 6 58 in der damaligen Gesellschaft. Er kommt zum Ergebnis`, dass der Beruf bestens bekannt ist, eine berufsqualifizierende Ausbildung generell als notwendig angesehen wird, wobei die Qualität der Berufsausbildung jedoch deutlich unterschätzt` wird. „Das von der Bevölkerung gezeichnete RealBild des Fürsorgers hebt insbesondere die Eigenschaften hilfsbereit, freundlich, gerecht, ausgeglichen, geduldig und besonnen hervor. Die innere wie äußere Schlichtheit und Solidität des Berufsträgers wird betont, wobei der Fürsorgerin aber das Interesse an modischen Attributen abgesprochen wird. Weiblichen und männlichen Berufsträgern wird keine Welt- und Lebensfremdheit unterstellt, und auch die Weiblichkeit der Fürsorgerin bzw. die Männlichkeit des Fürsorgers wird nicht bezweifelt." 1 a Aus heutiger Sicht wäre eine Folgeuntersuchung nicht zuletzt auch unter einem Gender-Aspekt wünschenswert, hat doch die Gegenüberstellung von Real- und Ideal-Bild der Bevölkerung nur eine Differenz ergeben: Neben einer allgemeinen Zunahme von positiven und einer Abnahme der negativen Eigenschaften unterscheidet sich das Ideal-Bild vom Real-Bild danach, ob die Befragten von einem Mann oder einer Frau ausgehen. Dem „Zusammenhang mit den Funktionen nähert sich das Bild der idealen Fürsorgerin dem von Hilfe' und das des idealen Fürsorgers dem von ,Erziehung"``. Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Befragung: Der Beruf wird als letzter Ausfallbürge sozialer Sicherung hoch geschätzt, aber drei Viertel der Befragten möchten ihn nicht selbst ausüben. „Es ist offensichtlich, daß eine der sozialen Funktionen des Berufsträgers die Entlastung eines erheblichen Teiles der Bevölkerung von der sozialen Verpflichtung" 16 ist, Verantwortung für die sozial schwachen Mitglieder der Gesellschaft zu übernehmen. Für diese Entlastungsfunktion wird dem Sozialarbeiter als Äquivalent „ein hohes Maß an Prädikatierungen zugestanden. Die Einstellungen zum Berufsträger sind jedoch äußerst ambivalent: der Prädikatierung steht die Diskriminierung durch den Umgang mit einem sozial verachteten Objekt gegenüber."" Das diskriminierte Objekt, die Hilfeempfänger, färbt quasi auf die Profession ab, indem es Funktionen herausfordert, „die objektgebunden auch das handelnde Subjekt in Mitleidenschaft ziehen"". Das heißt, die zugestandene Gratifikation gegenüber dem Motiv des Helfers findet in der Einschätzung der sozialen Stellung der Berufsträger keine Entsprechung, außerdem werden individueller Erfolg oder soziale Integrität der Fürsorger angezweifelt. 12 Aus dem Bündel der Untersuchungsergebnisse interessieren hier nur solche Antworten, die unter dem Blickwinkel meiner Forschungsfragen relevant sind. 13 Vgl. Skiba 1972, 226 14 Skiba 1972, 227 15 Skiba 1972, 227 16 Skiba 1972, 227 1' 1972, 227 ls Skiba Skiba 1972, 228 59 Als erstes Fazit lässt sich resümieren, dass das repräsentative Fremdbild den Beruf des Fürsorgers als eine karitativ hoch geschätzte Funktion bewertet, die gut beleumundet ist, wobei aber die eigentliche Tätigkeit bezüglich ihrer sozialen Effektivität in Frage gestellt wird.` Insgesamt deutet sich an, dass die Entlastungsfunktion Sozialer Arbeit als gesellschaftlicher Stabilitätsfaktor angesehen wird.` Man bewegt sich zwar auf dem weiten Feld der Mutmaßungen, wenn man davon ausgeht, dass sich eine aktuelle Untersuchung zum Bild des Sozialarbeiters in ihren Aussagen nur wenig von den alten Ergebnissen zum Fürsorger abheben würde, und doch könnte es sich um eine plausible Hypothese handeln, wie weitere Studien zeigen sollen. 2. DBSH.- Der Sozialarbeiter, die Sozialpädagogin und der Heilpädagoge Der Berufsverband für Sozialarbeiter` hat 1999 eine empirische Untersuchung zu der Frage in Auftrag gegeben`, wie sich Stellenwert und Funktionen der Sozialen Arbeit im Bewusstsein der Bevölkerung spiegeln. Leider erfragt die Studie nur Kategorien zum Image der Sozialen Arbeit und zu den Einstellungen der Bevölkerung, nicht aber Bewertungen von Kompetenzprofil, Professionalität und Effizienz. Der Berufsverband startete die Befragung „in einer Situation, in der der politische Diskurs, aber auch Teile der Medien, die Sinnhaftigkeit und Akzeptanz Sozialer Arbeit und Sozialer Sicherung in Frage gestellt haben"". Die Befragungsthesen, auf die ein repräsentativer Ausschnitt der deutschen Bevölkerung eine Antwort geben sollte, bewegten sich um die Komplexe, ob sich die Soziale Arbeit wirklich im Schatten vermeintlich wichtigerer Probleme bewegt und in der Sicht der Vgl. Skiba 1972, 229 Vgl. Skika 1972, 231 f. 21 Der Deutscher Berufsverband für Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Heilpädagogik (DBSH) e.V., Essen hat die gültigen Ethischen Grundlagen der Sozialarbeit-Prinzipien und Standards' der International Federation of Social Workers - IFSW - als berufsethische Prinzipien des DBSH national konkretisiert. Im Grundsatzdokument wird zum Verhältnis der Sozialen Arbeit zur Öffentlichkeit formuliert a) unter allgemeinen Grundsätzen beruflichen Handelns': „Die Mitglieder des DBSH haben den beruflichen Auftrag, die strukturell bedingten Ursachen sozialer Not zu entdecken, öffentlich zu machen und zu bekämpfen", weiter „Die Mitglieder des DBSH erforschen soziale Not. Gestützt auf die Erkenntnisse der Sozialforschung machen sie öffentlich auf individuelle wie kollektive Problemlagen aufmerksam" (S. 13) und schließlich „Die Mitglieder des DBSH dokumentieren die in Ausübung ihres Berufes gewonnenen Erkenntnisse und getroffenen Maßnahmen." (S. 14); b) unter Verhalten in der Öffentlichkeit': „Die Mitglieder des DBSH machen ihren Auftrag, die Grundlagen und die Durchführung ihrer Arbeit sichtbar und transparent. Dabei stellen sie die Leitung ihres Berufsstandes in der Öffentlichkeit positiv dar und vertreten diesen nach außen." (S. 17) 22 DBSH 1999 und 2002 23 DBSH 2002, 2 19 2° 60 Bevölkerung so unbekannt und zweifelhaft dasteht, „wie von Teilen der politischen Bühne behauptet wird "2' . Das wesentliche Ergebnis: Die Zustimmung der Bevölkerung zur Sozialen Arbeit ist höher, als von der Politik vermutet wird. Außerdem sind der Bevölkerung nicht nur der Begriff Soziale Arbeit', sondern auch einzelne Arbeitsfelder sehr gut bekannt: Die Bevölkerung versteht Soziale Arbeit zunächst als Hilfsangebot in besonderen Lebenslagen (individuelle Perspektive), das sich als Tätigkeit in und als Arbeit von sozialen und öffentlichen Organisationen (institutionelle Perspektive) vollzieht und als Beitrag zur Lösung aktueller gesellschaftlicher Probleme (strukturelle Perspektive) gesehen wird .2' Eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung 2' hält die Soziale Arbeit für wichtig, allerdings liegt die Bedeutung nicht darin, Rechte für Benachteiligte und Minderheiten durchzusetzen oder aufgrund von Fachkompetenz bei sozialpolitischen Themen mitzubestimmen, sondern beizutragen zur Vermeidung sozialer Konflikte, der Milderung von Folgen des Konkurrenzkampfes in der Gesellschaft und der Vermeidung von Kriminalität'`. Diese Einschätzung bestätigt das Ergebnis der Untersuchung von Skiba21, der für die Soziale Arbeit eine bedeutsame sozialstabilisierende Aufgabe identifiziert. Für die Mehrheit der Befragten erfüllt eine starke Wirtschaft die gleiche Funktion, wobei darin kein Gegensatz zur Sozialen Arbeit, sondern eine Ergänzung gesehen wird. Damit werden, so der DBSH, Sinn und Zweck der Sozialen Arbeit ganz überwiegend positiv bewertet. 29 Unter dem Gesichtspunkt spezifischer sozialarbeiterischer Fachlichkeit ist nach meinem Dafürhalten diese Gleichschaltung jedoch weniger positiv zu sehen, denn die gute Bewertung gilt nur für soziale Fachkräfte, nicht aber für deren Klienten und Methoden?' Wie auch bei Skiba ist dagegen die Anerkennung, die von der Bevölkerung der Person des Sozialarbeiters und der Person der Sozialpädagogin entgegenbracht wird, hoch"; allerdings, und hier zeigt sich ein ambivalentes Verhältnis, möchten, wie Skiba zeigen konnte, die wenigsten diesen Beruf selbst ausüben, und ein Großteil der Befragten würde auch seine Kinder bei einer entsprechenden Berufswahl nicht uneingeschränkt unterstützen 32: „Die berufliche Tätigkeit der Sozialarbeiter wird von einer übergroßen Mehrheit in der Bevölkerung bewundert. Bemerkenswert ist, daß sich diese Bewun2' DBSH 2002, 2 Vgl. DBSH 2002, 2 26 94 Prozent der Bevölkerung halten die Soziale Arbeit für wichtig: besonders wichtig = 59 Prozent, auch noch wichtig = 35 Prozent; vgl. DBSH 1999 2' Vgl. DBSH 1999,19 28 Vgl. Skiba 1972, 229ff. 29 Vgl. DBSH 1999,21 30 Vgl. DBSH 1 999,22 31 Vgl. DBSH 2002 32 Vgl. Skiba 1972 25 61 derung nicht über Status oder Einkommen zu definieren scheint, sondern über den Einsatz für Schwache und Ausgegrenzte."" Genau wie bei Skiba ist das Bild, das sich die Bevölkerung von den Schwachen und Ausgegrenzten selbst macht, sehr ambivalent. Ein Drittel der Befragten meint, dass es unter den Beziehern und Bezieherinnen von Sozialhilfe zu viele Simulanten und Faulpelze' gebe, und noch einmal ein weiteres Viertel hält diese Behauptung für eher zutreffend'?' Das heißt, der Beruf des Sozialarbeiters ist positiv zu bewerten, vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass er gesellschaftsstabilisierende Funktion hat und soziale Aufgaben bewältigt, mit denen die wenigsten der Befragten beruflich zu tun haben möchten. eine bundesweite Repräsentativerhebung" durchführen lassen, um das Meinungsbild der Bevölkerung zur Wohlfahrtspflege abzufragen." Obwohl Wohlfahrtspflege weder inhaltlich noch strukturell mit Sozialer Arbeit gleichzusetzen ist, gibt die Untersuchung doch indirekt Antwort auf einen Teilaspekt der hier behandelten Fragestellung. Denn im Rahmen von Expertengesprächen wurde zur Vorbereitung der Befragung unter anderem das Thema Öffentlichkeitsarbeit behandelt. Dies geschah im Hinblick darauf, dass etwaige sich in der Expertenrunde abzeichnende Empfehlungen zur Handlungsstrategie in der Repräsentativbefragung auf ihre Akzeptanz in der Bevölkerung hin überprüft werden sollten.` Überraschend oder nicht: die DBSH-Studie, die mehr als dreißig Jahre nach der Skiba-Untersuchung das Bild der Sozialen Arbeit in der Öffentlichkeit beleuchtet, bestätigt in ihren wesentlichen Aussagen die Ergebnisse ihrer einzigen Vorläuferin. Da sich aber Soziale Arbeit im Verlauf der letzten Jahrzehnte praktisch, konzeptionell und theoretisch stark verändert hat, muss man zu der Annahme gelangen, dass sich weder die fachlichen Entwicklungen der Profession noch die Disziplin im öffentlichen Meinungsbild niederschlagen. Darum ist der Schlussfolgerung in der Studie zuzustimmen, dass Soziale Arbeit ihre Erfolge und ihre gesellschaftliche Funktion über moralische und ethische Ansprüche hinaus gegenüber der Gesellschaft deutlicher machen muss." Das Ergebnis der Expertengespräche: Die geäußerten Einschätzungen zeichnen insgesamt ein kritisches Bild sowohl der Arbeitsweise als auch des Images von Wohlfahrtsverbänden. Es ist zwar nicht zulässig, daraus zu schließen, dass die Einschätzungen zur Sozialen Arbeit, wäre danach gefragt worden, das gleiche Ergebnis zeitigten. Da aber Wohlfahrtsverbände als Träger Sozialer Arbeit implizit Einstellungen zu ihrer Tätigkeit mittransportieren, können Aussagen über Wohlfahrtsverbände zumindest tendenziell auch auf ihren Gegenstand, die Soziale Arbeit, bezogen werden. Die Studie von Skiba und die des Berufsverbandes, die Aufschluss darüber geben können, wie Image, Aufgabe und Tätigkeit der Sozialen Arbeit von der Öffentlichkeit bewertet werden, sind in der Forschungslandschaft isoliert geblieben. Zu nennen sind lediglich zwei weitere Arbeiten, deren Untersuchungsgegenstand aber nicht mehr zentral die Soziale Arbeit betrifft. Die Rede ist von der Infas-Studie` und der Prognos-Studie"; beider Fokus richtet sich auf Wohlfahrtspflege bzw. Wohlfahrtsverbände. Implizite Aussagen zur Sozialarbeit lassen aber bescheidene Rückschlüsse auf die Resonanz zu, die Soziale Arbeit in der Öffentlichkeit erzeugt. Im Folgenden soll zunächst die sogenannte Infas-Studie näher betrachtet werden. Am eindrücklichsten sind die Ergebnisse zum Bekanntheitsgrad": Am bekanntesten ist in der Bevölkerung das Deutsche Rote Kreuz, gefolgt von der Caritas; das Schlusslicht bilden der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Bezüglich der unterschiedlichen Tätigkeitsfelder` der Freien Wohlfahrtspflege stehen die traditionellen Bereiche Sozialer Arbeit, wie Betreuung von behinderten und kranken, alten oder bedürftigen Menschen, für die meisten Befragten im Vordergrund. Während der Caritas, dem Diakonischen Werk und der Arbeiterwohlfahrt die Altenhilfe als wichtigstes Arbeitsfeld zugeordnet wird, werden für das Rote Kreuz Katastrophenhilfe und Krankenpflege genannt. Einen deutlichen Hinweis darauf, wie sehr die Bedeutung der Wohlfahrtsverbände in der Öffentlichkeit unterschätzt wird, zeigen die Antworten zu den Größenordnungen: Die Annahmen zu den Zahlen der hauptberuflich Beschäftigten liegen weit unter den tatsächlichen Datenaa 3. Infas: Die Freie Wohlfahrtspflege im Spiegel der Öffentlichkeit Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege` hat im Herbst 1992 durch das Institut für angewandte Sozialwissenschaft (Infas) 33 D13SH 2002, 7 3a Vgl. DBSH 2002, 7 35 Vgl. D13SH 1 999,21 36 Vgl. Institut für angewandte Sozialwissenschaft (Infas) 1993 37 Vgl. Prognos 1984 38 In der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAG FW) arbeiten folgende sechs Spitzenverbände zusammen: Arbeiterwohlfahrt (AWO), Deutscher Caritasverband (DCV), Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband (DER PARI62 TÄTISCHE), Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Diakonisches Werk der EKD (DW der EKD), Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST). 39 Vgl. a° I Infas 1993 m Hintergrund standen verschiedene Fragen, einmal die Marktsituation und -perspektive der Wohlfahrtsverbände, dies insbesondere vor den Herausforderungen des europäischen Sozialraumes und der (sozial-)politischen Situation in Deutschland nach der Wende. 41 Vgl. Infas 1993 4' Vgl. Infas 1 993,4 43 Vgl. Infas 1993, 5 44 Vgl. Infas 1993, 6 63 Obwohl die Wohlfahrtsverbände in der Bevölkerung insgesamt recht positiv eingeschätzt werden, äußern sich die Befragten doch zu einer Reihe von Fragen kritisch. So wird von den Wohlfahrtsverbänden neben der Erfüllung ihrer klassischen Aufgaben ein deutlicheres Engagement in aktuellen sozialen Belangen erwartet: „Dies betrifft in erster Linie öffentlich vorgebrachte Stellungnahmen. Sie bieten einerseits die Chance, eine profilierte Position zu beziehen. Andererseits sind sie mit intensiven Informationen über die gegenwärtig geleistete Arbeit verknüpfbar."" Die Befragten sehen nämlich ein eindeutiges Missverhältnis zwischen der Leistungsqualität und der Berichterstattung: Zwei Drittel der Befragten wollen über die (insgesamt als positiv eingeschätzte) Arbeit der Wohlfahrtsverbände besser informiert sein und kennzeichnen damit die Kommunikation der Wohlfahrtsverbände als defizitär. Dies ist gleichzeitig der am stärksten hervorgehobene Kritikpunkt; ihm folgt, allerdings schon mit deutlichem Abstand, die Forderung, Wohlfahrtsverbände sollten im Inland aktiver auftreten. „Das Verlangen nach einer intensiveren Berichterstattung und die von einem Drittel erhobene Forderung nach mehr inländischen Aktivitäten bilden einen wichtigen Hinweis für die zukünftige Gestaltung der Öffentlichkeitsarbeit. Er deutet auf ein starkes Schwergewicht in der bisherigen öffentlichen Wiedergabe auf die internationalen Tätigkeiten. Zu ihren Gunsten wurden in der Vergangenheit offenbar die zahlreichen nationalen Aktivitäten in der Außendarstellung vernachlässigt. Nur so lässt sich die Diskrepanz zwischen der Bürgerkritik und dem tatsächlichen Umfang inländischer Tätigkeitsfelder hinreichend erklären: Ähnlich wie die befragten Experten wünschen sich die Bürger mehr Transparenz in die konkrete Arbeit der Wohlfahrtsverbände innerhalb der Bundesrepublik." Die Expertise empfehlt darum`, die Arbeit der Wohlfahrtsverbände den Bürgern erfahrungsnäher zu vermitteln. Ferner fordert sie einen stärkeren lokalen Bezug der Öffentlichkeitsarbeit, der gezielt an örtliche Aktivitäten anknüpfen soll.` Diesem Rat steht jedoch ein Ergebnis der Befragung direkt entgegen: Die eher lokal bedeutsamen Informationsformen haben in der Untersuchung niedrige Erinnerungswerte. „Zu ihnen zählen Zeitungsberichte und vor al- lern Aktivitäten in den Gemeinden und Stadtteilen, die nur von 14 Prozent genannt werden. Den niedrigen Werten für diese Berichtsformen stehen der hohe Anteil von etwa einem Drittel der Befragten gegenüber, die sich in gar keinem Zusammenhang an einen Bericht oder eine andere Art der Information über die Freie Wohlfahrtspflege erinnern konnten." Die meisten der im Zusammenhang mit Wohlfahrt erinnerten Informationen sind nicht mit einem thematischen Schwerpunkt verknüpft, sondern nur mit der Botschaft ,Spenden' konnotiert; die wesentlichen Informationsquellen sind den Befragten Fernsehberichte und Spendenaufrufe, dann folgen Blutspendetermine und erst an vierter Position Zeitungsberichte". Als Fazit kann eine erkennbare Erwartung der Bevölkerung gegenüber den Wohlfahrtsverbänden festgehalten werden, die sich in einer komfortablen Dreiviertelmehrheit ausdrückt: Die Wohlfahrtsverbände machen alles in allem gute Arbeit, aber zu wenige Menschen erfahren davon. „Dies deckt sich mit der Position der befragten Experten und bestätigt die unterstellten Chancen für positive Veränderungen: Eine intensivere Öffentlichkeitsarbeit würden viele Bürger nicht als Belastung empfinden, sondern als wichtige Information über die Erfüllung sozial bedeutsamer Aufgaben." Ob allerdings die Expertise in ihren Empfehlungen den Bürgerwunsch trifft, wenn sie vorschlägt, dieses Defizit mit Image verbessernden Maßnahmen` zu beheben, darf bezweifelt werden; nach meiner Lesart monieren die Befragten nicht ein fehlendes Image, sondern fehlende Information. Insgesamt kommt die Untersuchung zum Ergebnis, dass die Freien Wohlfahrtsverbände als sozial unverzichtbare und relativ leistungsfähige Einrichtungen gewertet werden, die aber deutliche Defizite im Bereich der Organisation und, noch stärker, im Bereich der Kommunikation aufweisen.` 4. Prognos: Entwicklung der Freien Wohlfahrtspflege Neben der Studie der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege existiert unter den dünn gesäten Studien eine weitere, die Fremdbilder, also Außenwahrnehmungen der Wohlfahrtsverbände reproduziert. Gemeint ist die sogenannte Prognos-Studie` von 1983 55; ihr Auftrag war, den Spitzen49 4s Infas 1993, 14 Infas 1993, 15 47 In diesem Fall ist auch ein anderer Schluss denkbar. Möglicherweise wird in der Befragung deshalb der Aspekt Internationale Betätigung ist im Verhältnis zur national en überbewertet' so stark kritisiert, weil der bekannteste und am häufigsten genannte Wohlfahrtsverband, das Deutsche Rote Kreuz, mit einem Teil seiner Aufgaben in die internationale Katastrophenhilfe eingebunden ist. 48 Vgl. dazu jedoch Projektgruppe Öffentlichkeitsarbeit 1997; die Untersuchung einer Studiengruppe um Franz Hamburger kommt zu dem Ergebnis, dass die additive Berichterstattung zu lokalen Begebenheiten das Wesen Sozialer Arbeit nicht medial transportiert und die Bedeutung folglich nicht widerspiegelt. 46 64 Infas 1993, 18 Erst an vierter Stelle stehen Zeitungsberichte, an die sich Befragte (zu 24 Prozent) für den Untersuchungszeitraum erinnern; vgl. Infas-Sozialforschung 1993, 19 51 Infas-Sozialforschung 1993, 21 52 Vgl. Infas-Sozialforschung 1993, 18 53 Vgl. Infas 1993, 17 54 Es handelt sich um ein Gutachten mit dem Titel „Entwicklung der Freien Wohlfahrtspflege bis zum Jahr 2000", das die Bank für Sozialwirtschaft dem Köln-Basler Forschungsinstitut Prognos 1983 in Auftrag gegeben hatte. ss Um zu tragfähigen empirischen Aussagen zu gelangen, bleibt nur der Rückgriff auf wenige Untersuchungen, wobei das Datum ihrer Veröffentlichung dann eine untergeordnete Rolle spielen muss. 5° 65 verbänden die wichtigsten Tendenzen für ihre Arbeit aufzuzeigen, indem sie die wahrscheinlichen Entwicklungsverläufe` der Freien Wohlfahrtspflege` bis zum Jahrtausendwechsel prognostizieren sollte, aus denen sich i mplizite Handlungsempfehlungen für die Soziale Arbeit würden ableiten lassen. Die 1983/84 veröffentlichten Aussagen der Prognos-Studie muss man vor dem Hintergrund der damaligen Zeit sehen. Zwar zeichneten sich die Grenzen des Sozialstaates bereits ab, es war die Rede vom Ende des sozialdemokratischen Zeitalters` und von notwendigen Einsparungen bei den Sozialleistungen, die durch „neues" ehrenamtliches Engagement` und die Unterstützung der Selbsthilfe` aufgefangen werden müssten. Dennoch waren die Verhältnisse aus der Sicht der Wohlfahrtsverbände noch paradiesisch: Das wohlfahrtsstaatliche Prinzip galt in der Bevölkerung noch weitgehend unangefochten, wenn auch die großen Wohlfahrtsverbände wegen ihrer Behäbigkeit, Undurchsichtigkeit und patriarchalischen Strukturen gegenüber den Selbsthilfebewegungen und deren wendigen Gruppen insbesondere im Bereich der Heimpädagogik und Behindertenbewegung in die Kritik geraten waren." Vor diesem Szenario bewegten sich die Kernfragen des Gutachtens um die Aspekte, ob Aufgabenspektrum und Schwerpunkte der freien Wohlfahrtspflege zukunftsgerecht und die aktuellen wie zukünftigen Aufgaben finanzierbar wären. Es ging im Weiteren darum, welche Potentiale (per Ehrenamt und Spendenakquisition) genutzt werden könnten und vor allem, ob und wodurch die Wohlfahrtsverbände ihre gesellschaftliche Position würden behaupten können. Eine ganze Reihe der Prognos-Vorhersagen erwiesen sich, wie im Folgenden zu zeigen ist, schlichtweg als Fehlprognose, wieder andere waren zutreffend, aber sehr allgemein und deshalb wenig aussagefähig. Manche 56 Eine weitere Prognos-Studie im Auftrag der Bank für Sozialwirtschaft erschien 1991 zu den Herausforderungen der Freien Wohlfahrtspflege aufgrund der Veränderungen durch den europäischen Sozialraum; der Titel der Studie: „Freie Wohlfahrtspflege im zukünftigen Europa. Herausforderungen und Chancen im Europäischen Binnenmarkt". 57 Die abweichende Schreibweise der „Freien (oder freien) Wohlfahrtspflege" liegt in den Zitierrichtlinien begründet. 58 Vgl. Niedrig 2000, 210 59 Vgl. zum Beispiel Evers 1984a und 1984b 60 Vgl. u. a. Fink 1984. Ulf Fink, damaliger CDU-Sozialsenator in Berlin und späterer Vorsitzender der CDA-Sozialausschüsse, war einer der ideologischen Vorreiter dieses Gesellschaftsverständnisses (,Hilfe zur Selbsthilfe'). Skizzen einer so verstandenen neuen Humanität hat er beispielsweise in der Zeitschrift Sozialmagazin entworfen. 61 Als ein Beispiel für die abnehmende Akzeptanz der großen unbeweglichen Wohlfahrtsverbände kann die damalige Behindertenbewegung, die sogenannte Krüppelbewegung mit ihrem Protagonisten und Thesengeber Franz Christoph, gelten, die für alternative Selbsthilfenetze und Selbstbestimmung der Lebensführung auch Schwerstbehinderter Jenseits der Anstaltsmauern" eingetreten ist; vgl. dazu: Christoph 1980 und 1981 66 Aussagen formulierten das Offensichtliche und wirken somit heute banal. So rechnete Prognos bis zum Jahrtausendwechsel auf der Nachfrageseite der Bürger, Kunden oder Klienten mit einem Rückgang der sozialen Bedarfe. Für das Jahr 2000 schätzte Prognos die Zahl der registrierten Arbeitslosen (für Westdeutschland) auf wenig mehr als eine Million Menschen. 12 Tatsächlich lag die Arbeitslosenzahl zum Milleniumwechsel für Gesamtdeutschland bei vier Millionen, wo sie sich auch aktuell wieder bewegt`, wobei die Differenz längst nicht allein aufgrund der Arbeitslosenzahlen in Ostdeutschland zustande kommt. Ähnlich unterschiedliche Zahlen ergeben sich zwischen Vorhersage und Empirie auch für die Kostenseite sozialer Leistungen. Gegenüber der Ausgangslage von rund achtzehn Milliarden Mark an Geldleistungen für Arbeitslosen-, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosenhilfe und Arbeitsmarktförderung in 1981/82 und der Prognose für 2000 mit zwanzig Milliarden Mark betrugen die Ausgaben tatsächlich das Viereinhalbfache." Auch für die Ausgabenfelder Kindergeld und Sozialhilfe lagen die Prognos-Berechnungen weit daneben.` Insgesamt lässt sich resümieren, dass die Genauigkeit der vorhergesagten Zahlen nicht hoch gewesen ist, in weiten Bereichen sogar grob falsch, was sich mit der nicht vorhersehbaren Veränderung durch die Wiedervereinigung nicht erschöpfend erklären lässt. Denn die tatsächliche Entwicklung der Freien Wohlfahrtspflege verlief ganz anders als prognostiziert. Heinz Niedrig stellt das wichtigste Ergebnis heraus: „Trotz vieler negativer Gegenströmungen, Finanzierungskalamitäten, staatlichen Gegenwindes und gleichsam revolutionärer oder krisenhafter Strukturveränderungen der Verbände gehört sie seit Jahren zu den wenigen Wachstumsbranchen mit stetiger Aufwärtstendenz, was sektorale Einbrüche bzw. Schließung etlicher Einrichtungen und Dienste einschloss."" Diese Tendenz wird von den Zahlen der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege für alle sechs Wohlfahrtsverbände bestätigt. 17 Mit dem Stichtag 1.1.2000 sind in der Freien Wohlfahrtspflege 93.566 soziale Einrichtungen und Dienste aller Arten mit rund 3,3 Millionen Betten bzw. Plätzen angeschlossen; hierin sind nicht 62 63 64 65 66 67 Vgl. Prognos 1984, 13 Vgl. Aufnacher der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 6.9.02 (N. 207/36 R*), S. 1: „Mehr als vier Millionen Arbeitslose auch im August" Laut Statistischem Bundesamt beliefen sich die entsprechenden Zahlen in 1998 auf 91,62 Milliarden Mark; vgl. www.statistik-bund.de ; Statt der geschätzten 30,5 Milliarden Mark schlugen in 1997 40,47 Milliarden zu Buche, und bei der Sozialhilfe sind statt der errechneten 17,9 Milliarden Mark 1997 in Wirklichkeit 44,55 Milliarden Mark angefallen. (Quelle der aktuellen Zahlen für 1 997/98: Statistisches Bundesamt, www.statistik-bund.de) Niedrig 2000, 210 Vgl. die Gesamtstatistik der Bundesarbeitsgemeinschaft freie Wohlfahrtspflege zum 01.01.2000: 67 enthalten zusätzliche soziale Maßnahmen, Aktivitäten der Auslands- und Katastrophenhilfe, Betreuungskapazitäten der Beratungsstellen und der mobilen Dienste sowie die etwas mehr als 28.000 Selbsthilfe- und Helfergruppen. Mit annähernd 1,2 Millionen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, von denen etwas mehr als zwei Fünftel als Teilzeitarbeitskräfte tätig sind, beschäftigen die Wohlfahrtsverbände über drei Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland. Die Zahl der Bürgerinnen und Bürger, die sich freiwillig und ehrenamtlich in der Freien Wohlfahrtspflege, ihren Hilfswerken und Initiativen sowie in den ihnen angeschlossenen Selbsthilfegruppen engagieren, wird auf zweieinhalb bis drei Millionen geschätzt." Da sowohl die Zahl der Einrichtungen, der Klientel als auch der Beschäftigten im Bereich der Freien Wohlfahrtspflege seit 1984 kontinuierlich angestiegen` ist, kann von einem „Wandel ohne Expansion", den die Prognos-Gutachter angenommen hatten, keine Rede sein": Die durchschnittlichen Gesamtzahlen sind für die Sektoren Jugend- und Familienhilfe, Altenhilfe, Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten - im krassen Gegensatz zur Annahme in der Studie - nicht etwa entschieden kleiner` geworden, sondern weisen i m Gegenteil die größten Zuwachsraten für Mitarbeiter, Einrichtungen und Klienten auf` Dass die Prognose in weiten Teilen so falsch war, führt Niedrig nicht - wie sonst gerne geschehen - auf die Umstände im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung, sondern auf die unbekümmerte Art der Datensammlung und -auswertung zurück. Die Studie beruhe nämlich im Wesentlichen „auf Literaturauswertungen, Fachgesprächen, Statistiken und methodisch altfränkisch vor allem auf ,Einschätzungen', die nicht immer einschätzbar, ableitbar, nachvollziehbar"" gewesen wären. Als Fazit kann gelten: Soziale Arbeit und Freie Wohlfahrtspflege haben sich, entgegen einschlägiger Prognosen, kontinuierlich zu einem bedeutenden Wirtschaftsektor und sozialpolitisch unverzichtbaren Funktionssystem der Gesellschaft weiterentwickelt, auch wenn sich diese empirische Tatsache im öffentlichen Bild der Sozialen Arbeit nicht realitätssicher niederschlägt, wie beispielsweise das Ergebnis der Infas-Studie` schon gezeigt hat und die Untersuchung zum Image der Jugendhilfe` noch zeigen wird. B Zur Thematisierung Sozialer Arbeit in den Medien 1. Die Darstellung Sozialer Arbeit in der Tagespresse Das Bild der Sozialen Arbeit in der Öffentlichkeit, also ihr Image, ist, wie mehrfach erläutert, bisher kaum Gegenstand von Untersuchungen gewesen. Eine der wenigen Ausnahmen bildet die Studie der Projektgruppe Öffentlichkeitsarbeit". Die Arbeitsgruppe, 1995 aus dem Mainzer Seminar Sozialarbeit und Öffentlichkeitsarbeit` hervorgegangen, betrachtet Öffentlichkeit als ein praktisches Element der professionellen Berufstätigkeit.'' Um analysieren zu können, wie Soziale Arbeit in den Medien dargestellt wird, das heißt, wie über Sozialarbeit berichtet wird, entwickelte die Gruppe einen Erhebungsbogen für Tageszeitungen. Es ging dabei im Wesentlichen darum, Berichte, die Soziale Arbeit thematisieren, nach Platzierung, Stilform, lokalem Bezug, inhaltlichem Schwerpunkt, institutionellfunktionaler Zuordnung, Adressaten, Träger und Arbeitsformen zu untersuchen. Gegenstand der Untersuchung waren fünf Tageszeitungen über einen Zeitraum von drei Wochen.` Während die formalen Merkmale leicht zu erfassen sind, verhält sich das mit dem Gegenstand und der institutionellen wie funktionalen Zuordnung anders: „Das Abgrenzungskriterium wirft alle systematischen Probleme der Bestimmung Sozialer Arbeit selbst auf," Also entscheidet sich die Projektgruppe für den pragmatischen Weg und definiert Sozialarbeit als das, „was Sozialarbeiter/ Sozialpädagoginnen tun, was in sozialpädagogischen Einrichtungen geschieht und was als solches bezeichnet wird"". Die Analyse der Zeitungen zeigt auffallende Unterschiede. Während die regionalen Zeitungen und die Regionalteile der größeren Ausgaben hauptsächlich über die Alltagspraxis Sozialer Arbeit berichten, stehen bei der einzigen untersuchten überregionalen Zeitung sozialrechtliche Entscheidungen und sozialpolitische Gegebenheiten auf der Agenda." Das heißt: die große Politik' spielt sich im überregionalen Teil ab, während die konkrete Praxis sich im Lokalteil findet. Generell ist die Tendenz auszumachen, dass die Lokalpresse deutlich häufiger über Soziale Arbeit berichtet als die überregionale, wobei bei Letzterer die sozialen Themen zudem im " Vgl. Projektgruppe Öffentlichkeitsarbeit 1997 79 68 Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege 2001, 7 69 Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege 2001, 13 7° Vgl. Prognos 1984, 83-85 ' 1 Vgl. auch Goll 1991 72 Vgl. Prognos 1984, 67-81 73 Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege 2001, 14-15 74 Niedrig 2000, 209 75 Unter Abschnitt 111. A 3 76 Vgl. Flösser 1984b in Abschnitt 111. B 4 68 Pädagogisches Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ~ Vgl. Projektgruppe Öffentlichkeitsarbeit 1997, 4 8° Die ausgewählten Tageszeitungen waren: Mainzer Rhein Zeitung, Allgemeine Zeitung Mainz, Wiesbadener Tagblatt, Süddeutsche Zeitung und die BILD-Zeitung; der Untersuchungszeitraum erstreckte sich über drei Wochen, und zwar jeweils die dritte Woche der Monate Juli, August und September 1995; es wurden dreihundert Berichte (n = 305) analysiert; vgl. Projektgruppe 1 997, 4, 5 und 12. 82 Projektgruppe Offentlichkeitsarbeit 1997, 1 1 82 83 a Projektgruppe Öffentlichkeitsarbeit 1997, 1 1 Vgl. Hamburger 1999, 87 69 Lokalressort abgehandelt werden." In jedem fünften Fall sind soziale Themen aber durchaus auch Aufinacher" und gelten somit als wichtiger Aspekt des kommunalen Lebens. Auch ist zu beobachten, dass die Soziale Arbeit in den Medien ein Konjunkturgeschäft' darstellt. So waren es in den Sommermonaten des Untersuchungszeitraumes vor allem die Darstellungen von Ferienfreizeiten, die besonders lebendig aufzumachen sind und deren „moralisches Prestige sie interessant macht für Politiker und Sponsoren"". Auch umfangreichere Beiträge gehen mitunter auf die Öffentlichkeitsarbeit der Einrichtungen zurück; das zeigt, dass Soziale Arbeit diese Aufgabe sehr wohl wahrnimmt und auch Erfolg damit hat. Problematischer sind jedoch die Anlässe: „In vielen Fällen wird der , Sozialabbau' thematisiert, aktivieren drohende finanzielle Kürzungen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zur öffentlichen Selbstdarstellung und vor allem dazu, Bedrohliches an die Wand zu malen."" Aber Themen wie Gewaltbereitschaft und Perspektivlosigkeit, die mit der Gefährlichkeit des Klientels' operieren, tragen nicht zur Glaubwürdigkeit Sozialer Arbeit bei, sondern eher zur aktiven Stigmatisierung von Adressaten Sozialer Arbeit. „Wie die Soziale Arbeit sich als gesellschaftlich nützliche Tätigkeit darstellen kann, ohne die Adressaten ihrer praktischen Handlungen zu diskreditieren und sich als wohltätige Freizeitveranstaltung oder Problem(gruppen)beseitiger zu reduzieren, ist ein Balanceakt, der nur professionell bewältigt werden kann." aa Zumindest setzt er den Verzicht auf billige soziale und emotionale Effekte voraus, worauf Soziale Arbeit im übrigen dann nicht angewiesen ist, wenn sie, statt auf Larmoyanz zu setzen, die Adressaten als aktiv Handelnde mit sozialen Rechten darstellt. Insgesamt kommt die Untersuchung zum Ergebnis, dass sich Soziale Arbeit in der Öffentlichkeit wesentlich in ihrem Tagesgeschäft spiegelt, und zwar mit der Summe der kleinteiligen Aktivitäten"; Soziale Arbeit wird nicht als soziales Funktionssystem zur Bereitstellung kontinuierlicher, sozialstaatlicher Leistungen präsentiert. Inhaltlich wird Soziale Arbeit in der Öffentlichkeit vor allem mit Kindern und Jugendlichen in Verbindung gebracht; dabei erfüllt Soziale Arbeit eine doppelte Funktion: Einmal hat ihre Darstellung moralisch wertvollen, aber unterhaltenden Charakter, etwa bei der Schilderung von Jugendfreizeiten, zum anderen dient sie als Feld politi84 Projektgruppe 1997, 20 85 Vgl. Hamburger 1 999, 87 86 Hamburger 1999, 88; sprödere Themen, die die alltäglichen Arbeitsformen ausmachen, wie Beratung, Ausbildungsfragen oder Forschung, scheinen sich hingegen als Aufmacher weniger zu eignen. 87 Hamburger 1999, 88 88 Projektgruppe 1997, 32 89 Als Beispiele seien Tage der Offenen Tür angeführt: So wird sich die Veranstaltung x von der Veranstaltung y nicht wesentlich unterscheiden, und auch die Summe vieler partikularer Medienereignisse wird zum Verständnis von Sozialer Arbeit in der Öffentlichkeit nicht nachhaltig beitragen können. 70 scher Profilierung und verkaufsfördernder Imagepflege." Dies ist etwa dann der Fall, wenn sozialpädagogische Anlässe Politikern die Möglichkeit geben, sich - im Wortsinne - ins rechte Bild zu setzen oder aber, wenn diese Anlässe unter Aspekten des Socialsponsorings geschaffen werden, um anschließend mit Blick auf Marktgängigkeit und Auftraggeberinteressen darüber zu berichten. Unter dem Adressatengesichtspunkt wird das Ergebnis der Skiba-Studie in Teilen bestätigt: Während über Arbeitslose, Rentner, Behinderte und misshandelte Kinder häufig berichtet wird, stehen Klienten, die Randgruppen angehören, wie Strafentlassene, Bewohner von sozialen Brennpunkten, Suchtkranke, Nichtsesshafte usw. auch in der Berichterstattung am Rande. Am häufigsten berichtet die BILD-Zeitung über Sozialhilfeempfänger, die im Blatt auffallend negativ etikettiert werden.` Die gleiche Beobachtung haben auch die wenigen Untersuchungen mit dem Forschungsfokus Empfänger sozialer Leistungen' gemacht: Medien zeichnen ein eher negatives Bild der Sozialhilfeempfänger (,unmotiviert', ,uninformiert').` Die Organisationen der Sozialen Arbeit werden zumindest ambivalent wahrgenommen: Zum einen verbürgen sich die Einrichtungen für menschliche Hilfe, andererseits wirken sie wie unkontrollierte - vielleicht sogar wie unkontrollierbare - Sektoren. Die Medien sehen sich und agieren in Fällen von Finanzkorruption als Garant der öffentlichen Kontrolle, die Interessen von Klientel und (spendendem) Publikum gleichermaßen schützend. Eine Gleichheit ganz merkwürdiger Art macht übrigens Franz Hamburger für Klienten- und Verbändeinteressen aus: „Die Einrichtungen der Sozialen Arbeit sind (in den Medien, R.P.) ebenso Bittsteller wie ihre Klientinnen; sie fallen zur Last, klagen über unzureichende Geldmittel, drohen mit Gefahr oder Rebellion - in jedem Fall mit größeren Übeln, wenn ihre Subsistenz nicht wenigstens auf Mindestniveau gesichert wird."" Die verwendeten sozialpädagogischen Sprachbilder der Skandalisierung und Dramatisierung, die Soziale Arbeit in ihrer Öffentlichkeitsarbeit methodisch und systematisch nutzt, wenn sie mit der Gefährlichkeit und Hilfsbedürftigkeit der Klientel die Unverzichtbarkeit der Profession legitimiert, werden von den Medien aufgegriffen und verstärkt. Damit tragen sowohl die Soziale Arbeit als auch die Medien zur Stigmatisierung benachteiligter Bevölkerungsgruppen bei." Soziale Arbeit gilt, so das Ergebnis der Untersuchung, als konfliktmindernder und selbstverständlicher Bestandteil des Gemeinwesens. Die quantitativen Befunde verweisen auf die Alltagsnähe der sozialarbeiterischen Ange9o Vgl. Hamburger 1999, 91 Hamburger 1999, 89 Vgl. Henkel/ Pavelka 1985 und Kreft 1997 93 Hamburger 2002, 766 94 Vgl. Hamburger 2002, 767 9' 92 71 bote, die von der Bevölkerung auf selbstverständliche Weise wahrgenommen und angenommen werden. Sozialpädagogik scheint im Nachfrageverhalten ihrer Adressaten und Adressatinnen ein Element moderner Sozialisations- und sogar Freizeitkultur zu spiegeln.` Was die Mainzer Studie bezüglich der Normalisierung' Sozialer Arbeit, nämlich der qualitativen wie quantitativen Ausdehnung sozialpädagogischer Problemlagen und ihrer Lösungen in der untersuchten Presseberichterstattung beobachtete und als vorsichtiges Teilergebnis formulierte, wurde von mir im Rahmen einer Zeitschriftenanalyse zur Popularisierung sozialpädagogischer Themen` klar und differenziert belegt. 2. Die Darstellung Sozialer Arbeit in Publikumszeitschriften Die Untersuchung` ging den Fragen nach, ob sich von einer Präsenz sozialpädagogisch relevanter Themen in Zeitschriften sprechen lässt und, wenn ja, inwieweit die vorgefundenen Themen sozialpädagogisch konnotiert sind. Wie sich die theoretisch analysierte Normalisierung Sozialer Arbeit' in der Publikationslandschaft niederschlägt, wurde zunächst an die Präsenz sozialpädagogisch relevanter Themen in Publikumszeitschriften" geknüpft, um dann die Fundstellen nach sachlich-fachlichen Aspekten, publizistischer Aufbereitung und normativer Gewichtung zu beurteilen. Theoretische Überlegungen, was unter sozialpädagogisch relevanten Themen" in Abgrenzung zu alltagspraktischer Hilfe und Ehrenamt zu verstehen sei"", markieren dabei ebenso wenig das Zentrum des Interesses wie das öffentliche Bild der Profession und ihrer Akteure. Vergleichbar dem Forschungspragmatismus ähnlicher Studien` wurde der Zugang zu Sozialer Arbeit' als das definiert, „was Sozialarbeiter/ Sozialpädagoginnen tun, was in sozialpädagogischen Einrichtungen geschieht und was als solches bezeichnet wird"."' Bezüglich der Verbreitung sozialpädagogischen Wissens im öffentlichen Raum wurde vor dem Hintergrund der Normalisierungsdebatte davon ausgegangen, dass auf dem Zeitschriftenmarkt, als einem öffentlichen Raum der Meinungsbildung und des Meinungstausches, soziale Probleme verhandelt und sozialpädagogische Lösungen angeboten werden. Vgl. Hamburger 2002, 767 Puh12002a 97 Vgl. Puhl 2002a 98 Publikumszeitschriften sind nach Noelle-Neumann Publikationen, die sich ohne fachliche Voraussetzungen an einen breiten unspezifischen Leserkreis wenden. Die Zeitschriften sind auflagenstark und überall erhältlich, sie dienen wesentlich der Unterhaltung, Information und Beratung; vgl. Noelle-Neumann u.a. 2000) 99 Zum Gegenstand Sozialer Arbeit vgl. Puhl et. al 1996; Pfaffenberger 1993, 2000; 2001 ~°° Vgl. Bauer 2000c, zu den Zielgruppen Sozialer Arbeit siehe Bauer, 2000c, 13f. ~ ° Vgl. ausdrücklich Hamburger 1 999, 85 °z 1 Projektgruppe 1 997, 1 1 95 96 72 Es sei eine methodische Notiz vorangestellt: Bei meiner Zeitschriftenanalyse als einer empirischen Untersuchung handelt es sich nicht um eine quantitative Forschung und keinesfalls um eine repräsentative Studie. Die Untersuchung ist eine qualitativ angelegte Medienanalyse, deren Ergebnisse die Formulierung von Trends und Auffälligkeiten zulassen. Die Auswahl deutscher Publikationen, in denen nach sozialpädagogischen Themen gesucht werden sollte, fiel auf vier große wöchentlich erscheinende Zeitschriften, die unterschiedliche Leserinteressen bedienen, nämlich den Spiegel als auflagenstärkstes Politik-, Wirtschafts- und Kulturmagazin Deutschlands, den Stern als größte aktuelle Illustrierte mit einem Akzent auf Sozialpolitik und (Sozial-)Reportagen; die Bunte als zweitgrößte aktuelle Illustrierte mit einem Schwerpunkt auf gesellschaftlichem Leben und Lifestyle und als Letztes die Bravo als führende Kinder- und Jugendzeitschrift. Keine der Zeitschriften besitzt ein eigenes Ressort Soziales, das heißt, die sozialpädagogischen Themen sind analog zu ihrer Schwerpunktsetzung den Ressorts Politik, Wirtschaft, Deutschland, Kultur, Modernes Leben usw. zugeordnet. Der Untersuchungszeitraum erstreckte sich über mehr als fünfzehn Monate von Anfang des Jahres 2000 bis Mitte April 2001 `°3 und umfasste, da alle vier untersuchten Zeitschriften wöchentlich erscheinen, jeweils 67 Ausgaben. Die Ergebnisse für das Magazin Der Stern' werden im Folgenden näher vorgestellt. Nach den sozialpädagogisch relevanten Themen konnte im Stern` mittels einer Datenbankrecherche gesucht werden; die Stichworte waren: Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Jugend, Jugendhilfe, Jugendarbeit, Kinder, Familie, Familienhilfe, Ausländer und Armut. Im Stern waren die eigentlichen Quellenbegriffe Sozialarbeit' und Sozialpädagogik' mit nur acht Fundstellen schwach vertreten. Da von diesen wenigen Nennungen zwei ausschieden (Werbung), es sich bei zwei anderen Beiträgen um die Stern-Kampagne „Gegen rechte Gewalt" handelte und es bei einer weiteren Nennung um einen Wohlfahrtsverbände-Skandal ging, blieben nur drei Einträge mit genuin sozialpädagogischen Inhalten übrig, nämlich: Medienpädagogik, Kindeswohl („Anwältin des Kindes") und die Einrichtung eines Sterbehospizes für Kinder. Neben den schon benannten Stichworten wurden auch die sehr eingegrenzten Begriffe „Kinder- und Jugendhilfegesetz" und „Kinderarmut" abgefragt, es fanden sich aber keine Einträge. Dennoch war die Ausbeute an sozialpädagogischen Themen aus 67 Ausgaben des Stern nicht unergiebig. Sozialpädagogische Themen fanden sich zwar nicht unter den einschlägigen Stichworten, wohl aber unter anderen inhaltlichen Zuordnungen, wie beispielsweise Medienpädagogik"'. Weitere Beiträge des Stern, die sich - nicht namentlich, aber inhaltlich - um sozialpädagogische Aufgaben rankten, konnten nach ihren thematischen Fokussierungen ge°3 Der genaue Untersuchungszeitraum lag zwischen dem 1. Januar 2000 und dem 15. April 2001 04 www,stern.de/Magazin/Archiv: Recherche vom 1 0./12./19.4.2001 i °' Vgl. Stern vom 1 4.12.2000 1 73 bündelt werden in: Sorgerecht`, Heimunterbringung"', Kindeswohl"', Straßenkinder` und rechte Gewalt' 10 . Für den Stern lässt sich feststellen, dass es sich bei den Beiträgen, die unter den genannten Stichworten aufgerufen wurden, zu einem kleineren Teil um genuin sozialpädagogische Themen handelt, die von Hintergrundwissen und Beratungskompetenz leben.` Die anderen Beiträge mit sozialpädagogisch relevantem Inhalt verteilen sich im Wesentlichen auf die Themengruppen sexueller Missbrauch', Drogen' und ,Armut'. Einen Großteil unter den gesuchten Stichworten machen Beiträge zum Umfeld rechter Gewalt aus: Hier soll jedoch keine Einschätzung vorgenommen werden, ob ,rechts orientierte Gewalt' zu den sozialpädagogisch relevanten Themen zu zählen ist oder ob es sich um ein peripheres Arbeitsfeld, quasi eine Bindestrich-Sozialpädagogik, handelt. Bei sozialpädagogisch relevanten Themen, die im Stern publizistisch bearbeitet werden, fällt auf, dass die Positionen aus der Perspektive der Sozialpädagogik formuliert sind. „Wenn beschrieben wird, womit Sozialpädagogen es zu tun haben, wie sie es tun und warum sie es so tun (begründen), dann handelt es sich um klare sozialpädagogische Sachverhalte, die in das allgemeine (Publikums- oder Alltags)Verständnis übertragen werden." "' Der Zugang ist auch insofern ,sozialpädagogisch', als in den Sozialreportagen des Stern immer eine reale Person in den Mittelpunkt der Information gerückt ist, über deren konkretes Problem, die Umstände, die Hilfen und die Lösungen der Leser im Verlauf seiner Lektüre etwas erfährt und mehr: Es entsteht beim Leser und der Leserin der Eindruck, die geschilderte Person zu kennen - fast als nähme man eine Beziehung zu ihr auf - um sie lesend in ihrem problematischen Alltag zu begleiten, dann die vorgeschlagenen Lösungen zu akzeptieren und endlich die Freude über gelingendes Leben mit ihr zu teilen. Während die Illustrierte Bunte generell keine sozialpädagogischen Themen publiziert`, haben die beiden anderen untersuchten Magazine ihre je eigenen Zugänge. Im Spiegel` finden sich die Schnittstellen von Sozialarbeit und ihren Bezugswissenschaften publizistisch informativ bearbeitet; das heißt, es werden übergreifende sozialpädagogische Themen mit Bezug zu sozialpädagogischem Referenzwissen (Hintergrundberichte), wie Familienrecht, Soziologie, Politikwissenschaft transportiert. Die Bravo ... als Jugendzeitschrift für die Altersgruppe der Zwölf- bis Fünfzehnjährigen legt Schwerpunkte in der Heftkonzeption auf Information, Beratung und Unterstützung nicht nur von pubertätsbedingten Problemen und Fragestellungen ihrer Leser, sondern durchaus auch von sozialen Konflikten. So finden sich einfühlsame Erörterungen und hilfreiche Hinweise mit nachgerade sozialpädagogischem Impetus für so gravierende Probleme wie Magersucht oder sexuellen Missbrauch.' 1 6 Das Untersuchungsergebnis aus vier Publikationen steht quer zu der ursprünglichen Arbeitshypothese, es fände sich bei der Zeitschrift und ihrer Art der Themenpräsentation ein sehr niedriges Informationsniveau mit unzulässig vereinfachten Sachbezügen, die neben dem Thema Sexualität womöglich nur die Musik-, Medien- und Konsumwelt der Jugendlichen beträfen. Als Fazit kann festgehalten werden, dass der erste Teil der untersuchungsleitenden Frage: , Sind sozialpädagogisch relevante Themen in Zeitschriften präsent' generell bejaht werden darf": Die sogenannte Normalisierung Sozialer Arbeit dokumentiert sich auf dem Zeitschriftenmarkt, was gleichzeitig belegt, dass sozialpädagogisches Wissen eine Verbreitung in den öffentlichen Raum gefunden hat. Aber diese Präsenz scheint wesentlich stärker für die sozial-pädagogischen Themen als für die Profession zuzutreffen, was die Beantwortung des zweiten Teils der Ausgangsfrage Sind die Themen sozialpädagogisch konnotiert' schwieriger macht. Denn bei der Analyse der Beiträge mit sozialpädagogischem Inhalt oder Bezug ist eine Besonderheit aufgefallen: Werden bei Beiträgen mit sozialpädagogisch relevanten Themen Sachverständige um Informationen gebeten oder interviewt, so handelt es sich dabei in den allerwenigsten Fällen um die tatsächlichen Experten, nämlich SozialpädagogInnen, sondern um Juristen, (Innen)Politiker, Mediziner, Psychologen oder Polizisten. Werden dennoch einmal Sozialpädagogen oder Sozialarbeiter als direkte Experten befragt, dann eher unter der Berufsbezeichnung ,Suchtexperte', , Drogenexperte', ,Familienhelfer' usw. 106 Vgl. Stern vom 21.9.2000 ' °' Vgl. Stern vom 5.10.2000 ' °$ Vgl. Stern vom 5.10.2000 i09 Vgl. Stern vom 16.1 1.2000 "° Vgl. Stern vom 17.8.2000 "' Siehe Puhl 2002a, 787 "' Puhl 2002a, 787 113 In der Zeitschrift Die Bunte' ist während des Untersuchungszeitraumes kein einziges sozialpädagogisch relevantes Thema behandelt worden. " 4 Siehe hierzu ausfihrlicher Puhl 2000a, 789-791. Auch im Spiegel konnten die sozialpädagogisch relevanten Themen aufgrund einer Datenbankrecherche ermittelt werden: www.spiegel.de/Archiv : Recherche vom 10./12./19.4.2001. Dabei waren die Suchbegriffe und die Suchkriterien die gleichen wie beim Stern. 74 Eine weitere Beobachtung: Themen zum sozialadministrativen Kern Sozialer Arbeit sind rar. Es zeigt sich, dass beispielsweise die Termini , Jugendamt' und ,Jugendhilfe' trotz der angestrebten Dienstleistungsorientierung in 1 15 Siehe hierzu ausführlicher Puhl 2002a, 787-789 " 6 Vgl. zum Thema Magersucht bei Mädchen: Bravo 45/2000; zu sexuellem Missbrauch: Bravo 25/2000 1 17 Allerdings werden sozialpädagogisch relevante Themen in drei der vier untersuchten Zeitschriften sehr unterschiedlich aufgegriffen, und entsprechend different stellen sich die Ergebnisse dar. 75 der Welt der Zeitschriften begriffliche Tabus geblieben sind - ein Ergebnis, das, wie in Abschnitt vier dieses Kapitels noch zu zeigen ist, auch von anderen Studien bestätigt wird.` Zudem erfährt der Leser in Zeitschriften so gut wie nichts zu Rechtsansprüchen von Sozialleistungen.` 3. Ausgewählte Felder Sozialer Arbeit im Spiegel der Medien'° Weniger rar als Untersuchungen bzw. Medienanalysen zur Präsenz und zum Image Sozialer Arbeit sind Fallstudien, die Teilaufgaben, Adressatengruppen oder auch bestimmte Problemstellungen der Sozialen Arbeit im Licht der Medien reflektieren.` Um zwei Beispiele zu nennen: Unter dem Aspekt des Gegenstandes Sozialer Arbeit hat Karl-Heinz Reuband` sich mit der Wiedergabe des Kriminalitätsgeschehens in den Medien beschäftigt e', und Franz Hamburger` hat unter Adressatenbezug' 25die Art der Berichterstattung' 26 für eine bestimmte ethnische Minderheit' untersucht' 28. " 8 Vgl. Flösser 1994b "9 Auch dieses Ergebnis wird von einer anderen Studie, die im folgenden Abschnitt vorgestellt wird, bestätigt. 120 Nicht untersucht werden im Folgenden Fachzeitschriften, da es sich bei dieser Form der Publikation um ein Instrument interner Kommunikation handelt, das nicht für die , allgemeine Öffentlichkeit' gedacht ist und sie auch nicht erreicht; vgl. hierzu Puhl 2001b; Günther/ Timp 1999; Hamburger 2002. Vgl. die Übersicht der wichtigsten Fachzeitschriften für Soziale Arbeit in Kreft/ Mielenz 1996. 1 21 Allerdings handelt es sich dann häufig nur um Fallstudien, wie im Folgenden zu zeigen ist. 1 22 Reuband 1999 123 Karl-Heinz Reuband widmet sich in seiner großen sozialwissenschaftlichen Studie (1999) der Frage, wie das Kriminalitätsgeschehen in den Medien repräsentiert wird, und kommt zu dem Schluss, dass lokale Medien Umfang und Struktur der Delikte nicht proportional zum tatsächlichen Kriminalitätsgeschehen wiedergeben. Insbesondere über Gewaltverbrechen wird überproportional häufig berichtet, während jedoch der Anteil ausländischer Täter nicht übertrieben hoch dargestellt wird. 1 24 Bohn et al. 1992 125 Eine Gruppe um Franz Hamburger belegt anhand der Dortmunder Presseberichterstattung für die Dauer des Untersuchungszeitraumes 1982 bis 1984, dass über die ethnischen Minderheiten Sinti und Roma stigmatisierend berichtet wird: „Die Analyse der Thematisierung von Sinti und Roma in der Lokalpresse am Beispiel der Berichterstattung in Dortmund hat ergeben, daß diese Menschen als kriminelles Kollektiv dargestellt werden. Die Zuschreibung von Eigenschaften wie ,bedrohlich', ,kriminell' und gewalttätig' ermöglichen eine Ausgrenzung dieser Gruppe. Die ethnischen Benennungen stellen darüber hinaus sicher, daß alle Sinti und Roma von diesem Prozeß betroffen sind." (Bohn et al. 1992, 269) 126 Vgl. auch Heft 2/98 der Zeitschrift Migration und Soziale Arbeit mit dem Themenschwerpunkt: Medien und Migration. 127 Vgl. auch die Veröffentlichung des kommentierten Pressespiegels von April 1980 bis Februar 1981, den das Projekt „Sinti in der Bundesrepublik" von Rudolph Bauer an der Universität Bremen herausgegeben hat, siehe Universität Bremen 1981 1 28 Es sind in der Sozialen Arbeit hauptsächlich die Kontexte studentischer Projekt- und Forschungsgruppen, aus denen zu dieser Fragestellung kleinere Untersuchungen mit 76 Es sind aber nicht Sozialpädagogik oder Sozialarbeitswissenschaft, die am ehesten Aufschluss darüber geben, wie Aufgaben und Adressaten der Sozialen Arbeit in der Öffentlichkeit dargestellt werden; es ist vor allem die Kommunikationswissenschaft. Auch sie forscht zu diesen Fragen, die allerdings in der kommunikationswissenschaftlichen Empirie, etwa gegenüber Forschungsfragen zum Wählerverhalten oder insgesamt zum Politikverständnis von Bürgern und Parteien`, eine entschieden nachgeordnete Bedeutung haben. In der Kommunikationswissenschaft gruppieren sich Forschungsfragen um die Rezeptions- und Meinungswirkungsforschung oder bezogen auf gesellschaftspolitische Themen - um die Politik-, Wahl- und Parteienforschung.' 3° Am Beispiel von ausgesuchten Problemfeldern Sozialer Arbeit - nämlich Armut, Asyl, Migration, Kriminalität, Gewalt, Prävention und Kindeswohl - lassen sich kommunikationswissenschaftliche Untersuchungen` benennen, die sich im Kern mit sozialen bzw. sozialpädagogischen Fragestellungen befassen`. Auch zum Bild verschiedener sozialpädagogischer Arbeitsfelder in den Medien liegen Ausführungen vor, so etwa zu den Bereichen ,Jugendarbeit', Jugendverbandsarbeit', Heilerziehungspflege' und Allgemeiner Sozialer Dienst'. Den Bildausschnitten Sozialer Arbeit in den Medien ist gemeinsam, dass die Profession auch in ihren spezifischen Ausprägungen den ,Charme des Dilettantismus''" behält: gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Im Folgenden soll das Arbeitsfeld ,Jugendhilfe' näher betrachtet werden. 4. Das Bild Sozialer Arbeit am Beispiel der Jugendhilfe Mit dem Inkrafttreten des Kinder- und Jugendhilfegesetzes vor gut zehn Jahren wurde die Jugendhilfe` mit allen sozialrechtlichen Voraussetzungen ausgestattet, um ihren repressiven Charakter ablegen und sich in ein „belastbares, leistungsfähiges und sensibel reagierendes System zur Unterstützung von Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern""' verwandeln zu können. Ob oder inwiefern sich der jetzt mögliche Imagewandel der Jugendhilfe tatsächlich vollzogen hat, war 1992 Gegenstand einer repräsentalokalem Bezug entstehen; mir scheint jedoch, dass deren Ergebnisse kaum Eingang in die systematische wissenschaftliche Bearbeitung finden, sondern recht isoliert, sogar wie zufällig, nebeneinander stehen. 129 Vgl. die Zeitschrift Publizistik, Jahrgänge 1992-2000 131 Prokop 1985 und Burkart 1995 '3' Vgl. Vgl. zu Bildausschnitten sozialpädagogischer Themen in den Medien beispielhaft ,Armut': Boettner 1993a und 1993b; , Kriminalität': Derwein 1995; Scharf et al. 1 999, sexuelle Gewalt': Fröhlich 1998; ,Prävention': Langer/ Brink Lund 2000 132 Siehe hierzu Puhl 2002b, 17-19 133 Bauer 2000c, 18 134 Vgl. Maas 1989; 1990; 1992 1 35 Puhl 2001 a, 38 77 tiven Untersuchung zum Public Image' der Jugendhilfe" 6.Es wurde ein Erhebungsinstrument entwickelt, das die Einstellungen und Meinungen der Bevölkerung zur Jugendhilfe, insbesondere der öffentlichen, wiederspiegeln sollte. l3' Die Autorin Gaby Flösser` fragt für das sozialarbeiterische Teilsegment Jugendhilfe danach, ob sich die Ausgangsbedingungen, die nach ihrer Einschätzung wesentlich durch das öffentliche Erscheinungsbild geprägt sind, seit der Untersuchung Skibas` verändert haben. „Es kam darauf an zu überprüfen, inwieweit die von Skiba herausgearbeiteten Einstellungen und Meinungen gegenüber der Sozialen Arbeit validiert werden können oder aber Modernisierungsprozessen unterworfen worden sind." Flösser nennt vier zentrale Kriterien gesellschaftlichen Wandels, die im Unterschied zur Skiba-Untersuchung hervorzuheben sind, weil sie eine Veränderung des Jugendhilfe-Images mitbewirken könnten. Das sind (a) die quantitativ wie qualitativ gewachsenen Handlungsfelder und Leistungskataloge, (b) heterogene Abnehmergruppen jenseits des klassischen Klientels im Zuge der sogenannten Normalisierung, (c) die Finanzkrise der öffentlichen Haushalte und (d) die Professionalisierung der Jugendhilfe selbst. Im Hinblick auf die Skiba-Studie zeigte sich ein erstes, nicht erwartetes Ergebnis, dass nämlich das öffentliche Erscheinungsbild der Jugendhilfe grundsätzlich positiv wahrgenommen wird"'. Bei genauerer Betrachtung lässt sich ein Unterschied im Bekanntheitsgrad der Begrifflichkeit ausmachen: Während der Begriff ,Jugendamt' sehr bekannt und der Begriff ,Jugendfürsorge' gut bekannt ist, verbindet weniger als ein Drittel der Befragten mit dem Begriff ,Jugendhilfe' präzise Inhalte.` Der Terminus, obwohl schon 1961 im Zuge der Novellierung des Jugendwohlfahrtsgesetzes eingeführt, hat kaum Eingang in den alltäglichen Sprachgebrauch gefunden." Daher kann es auch nicht verwundern, dass die Angebotspalette der Jugendhilfe wenig differenziert wahrgenommen wird. Es sind unspezifische Hilfeleistungen und nicht weiter konkretisierte Problemlagen, die die Be- 1 36 1 37 1 38 1 39 1 4o 1 41 142 1 43 78 Die Untersuchung wurde im Rahmen des Projektes Präventive Jugendhilfe' des Sonderforschungsbereiches 227 „Prävention und Intervention im Kindes- und Jugendalter" der Universität Bielefeld durchgeführt. Als methodische Notiz zur Untersuchung: Die Grundgesamtheit bildete die Bevölkerung Nordrhein-Westfalens im Alter von vierzehn und mehr Jahren. Es wurde eine Stichprobe von n = 718 verwertbaren Interviews realisiert. Die Untersuchung wurde von einem beauftragten Sozialforschungsinstitut durchgeführt; vgl. Flösser 1994b, 49 Vgl. Flösser 1994b, 49 Vgl. Flösser 1994b Vgl. den Abschnitt A 1 dieses Kapitels Flösser 1994b, 47 Vgl. Flösser 1994b, 50 Vgl. Flösser 1994b, 51 Vgl. Flösser 1994b, 52 fragten mit der Jugendhilfe verbinden; Jugendhilfe wird nicht im Kontext mit Organisationsformen Sozialer Hilfen, wie etwa Jugendamt, Jugendhaus usw., gesehen. Auch verfügt Jugendhilfe bezüglich ihrer sozialpolitischen I mplikationen nur über einen geringen Bekanntheitsgrad. 1 4' Bezüglich des Leistungsspektrums wird am häufigsten die Drogenberatung genannt, es folgen die Hilfen für Straffällige und schulschwierige Kinder. Erst dann werden Erziehungshilfen angeführt. Im weiteren Feld folgen unter anderem Ferienspiele, Heimerziehung und als allerletzte Nennung die Trennungsund Scheidungsberatung. Die tatsächliche Vielfalt der Leistungen wird von denjenigen Befragten genannt, die sie schon einmal in Anspruch genommen haben. Das Jugendamt wird zwar im Hinblick auf jugendspezifische Probleme als adäquate Behörde identifiziert, aber die meisten Befragten schreiben die jeweilige Problemlösung anderen Institutionen und Unterstützungssystemen zu. Immerhin deutet sich zaghaft ein Imagewandel von Jugendhilfe an, „der die Assoziationen von Abweichung und Armut, die nach wie vor wirksam sind, in den Hintergrund drängt' 1 45. Das heißt, die Jugendhilfe mit ihren innovativen Konzepten ist in der Bevölkerung wenig bekannt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Image der Jugendhilfe ihren vielfältigen Leistungen nicht entspricht. „Schlimmer noch: Jugendhilfe als institutionalisierte, rechtlich abgesicherte, methodisch innovative soziale Dienstleistung ist vom Begriff her wie auch von den sie leitenden Prinzipien in der Bevölkerung nicht hinreichend bekannt." Obwohl die Studie zu dem Ergebnis kommt, dass Jugendhilfe als gesellschaftlich bereitgestellte Hilfeleistung wahrgenommen und entsprechend positiv` bewertet wird, betont die Autorin, „dass sich konkreter Handlungsbedarf im Sinne der ,Öffentlichkeitsarbeit""" für die Jugendhilfe ergibt, weil ihr Bekanntheitsgrad schwach und die Angebotsstruktur der spezifischen Hilfen nur wenig bekannt ist. Es ergibt sich auch unter einem weiteren fachlichen Gesichtspunkt, nämlich dem der Jugendhilfeplanung, Handlungsbedarf für Öffentlichkeitsarbeit in der Jugendhilfe: „Jugendhilfeplanung ist das angemessene Verfahren der Jugendhilfe, weil es den konzeptionellen Teil Sozialer Arbeit, nämlich Entwicklung von Zielen und Qualitätskriterien, mit dem operativen Teil, also Bedarfsermittlung, Planung, Umsetzung und Evaluation, verbindet." So ist nach Joachim Merchel Jugendhilfeplanung zu gestalten als ein öffentlicher, unter größtmöglicher Beteiligung verlaufender Prozess der Willens1 44 1 45 1 46 14' 1 48 1 49 Vgl. Flösser 1994b, 55 Flösser 1994b, 65 Straub 2001, 270 Die grundsätzlich positive Bewertung zeigt sich auch an der nur geringen Neigung zu Stiginatisierungen und negativen Typisierungen derjenigen Menschen, die Jugendhilfeleistungen in Anspruch nehmen oder genommen haben, vgl. Flösser 1994b, 50 ff. Flösser 1994b, 65 Puh1 2001 a, 39 79 bildung sowie der Aushandlung von Interessen und Problemdefinitionen. Eine ganz entscheidende Aufgabe des professionell arbeitenden Jugendhilfeplanersbesteht in der Gestaltung eines Dialogs mit den politischen Entscheidungsträgern, mit freien Trägern und Initiativgruppen, mit Kindern, Jugendlichen und Eltern sowie mit den Fachkräften der öffentlichen und freien Träger. " Das heißt, sogar die Jugendhilfeplanung als Steuerungsinstrument` der Jugendhilfe ist als ein kommunikativer Prozess zu verstehen und wäre damit ein Teil von Öffentlichkeitsarbeit. C Zusammenfassung Abbild sozialer Themen forscht. Dass jedoch sozialpädagogisches Wissen auch Eingang in den öffentlichen Raum gefunden hat, ist ein weiteres überraschendes Ergebnis: So belegt eine Medienanalyse, dass sozialpädagogisch relevante Themen in Publikumszeitschriften durchaus präsent sind, wenn auch unter falschem Namen. Denn selbst eindeutige sozialpädagogische Themen werden anderen gesellschaftlichen Bereichen oder Problemlösungen zugeordnet, seien es Innenpolitik, Justiz, Medizin oder Psychologie. Soziale Arbeit als gesellschaftliches Funktionssystem hat in der Öffentlichkeit, so lässt sich das Fazit benennen, bisher keine realitätsangemessene Abbildung gefunden. Es gibt nur sehr wenige empirische Studien zum Bild der Sozialen Arbeit in der Öffentlichkeit; allen fehlt die Perspektive, wie sich die Säulen der Triade Sozialarbeit, Klienten, Öffentlichkeit' wechselseitig in der Blick nehmen. Da die Untersuchungen so rar sind, behalten alt(gedient)e Studien lange ihre Bedeutung. Interessanterweise ist das Ergebnis einer Studie aus den sechziger Jahren auch Jahrzehnte später noch einmal bestätigt worden: Sozialarbeit gilt als gesellschaftlich sinnvoll, weil sie geeignet ist, soziale Konflikte abzufangen, Kriminalität zu vermeiden und die Folgen des Konkurrenzkampfes zu mildern. Dennoch wirkt sie nur mäßig effektiv. Die Motive der Sozialarbeiter werden sehr positiv bewertet, dieses jedoch im Unterschied zu Methoden und Klientel; das Image des Berufes ist nicht besonders hoch. Bezüglich den Trägern Sozialer Arbeit, den Wohlfahrtsverbänden, hat die Bevölkerung kein realitätssicheres Bild; allerdings wird in Befragungen auch ein Defizit an verbandlicher Transparenz und Kommunikation bemängelt, es bestehe ein eindeutiges Missverhältnis zwischen Leistungsqualität und Berichterstattung'. Das heißt: Soziale Arbeit erfüllt ihre Aufgabe gut, aber zu wenige Menschen erfahren davon. Anders ausgedrückt: Empirische Untersuchungen kommen bezüglich des allgemeinen Bildes Sozialer Arbeit im Hinblick auf Wohlfahrtsverbände zu dem Schluss, dass es sich um sozial unverzichtbare, relativ leistungsfähige Systeme handelt, die aber deutliche Defizite im Bereich der Organisation und Kommunikation aufweisen. Ein weiteres Ergebnis ist auffallend: Soziale Arbeit gilt als selbstverständlicher Bestandteil des Gemeinwesens für jedermann und besitzt den Charakter der Sozialisations- und Freizeitkultur moderner Gesellschaften; sie ist nicht mehr nur Ausfallbürge, zuständig für Notfälle oder die Belange von Randgruppen. Kurioserweise stammen etliche der aussagefähigen Fallstudien zu Problemen, Feldern, Adressatengruppen und Methoden Sozialer Arbeit nicht etwa von der Sozialarbeitswissenschaft als der dafür zuständigen Disziplin, sondern von der Kommunikationswissenschaft, die ebenfalls zum medialen iso Merchel 1992a, 99 I51 Vgl. Puhl 2001a 80 81