Frau Batz-Kengel – Blinden- und Sehbehindertenverband Thüringen Fragen 1. Wurden bisher in Ihrem Verband/Institution/Einrichtung Kooperationen zwischen der Behindertenhilfe und der Jugendhilfe entwickelt? Inwiefern ist dabei das Gesundheitssystem einbezogen Die Zentrale Beratungsstelle des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Thüringen, Sitz in Gera, ist Anlaufpunkt für jeden blinden bzw. sehbehinderten Menschen und seine Angehörigen und somit auch für Eltern sehbehinderter und blinder Kinder und Jugendlicher. Auch letztere selbst werden von uns beraten. Die Beratung umfasst Themenbereiche der Aus- und Weiterbildung, der medizinischen und beruflichen Rehabilitation, der Berufsfindung, Unterstützung von Eltern und Kindern bei Fragen der Einschulung und bei Schwierigkeiten im Kontext der Schul- und Berufsausbildung psychologische Unterstützung bei der Bewältigung entsprechender Phasen der Behinderung, Unterstützung von Angehörigen erblindeter und sehbehinderter Menschen, Versorgung mit Hilfsmitteln und Hilfe bei der Aktivierung der Finanzierung dieser durch die entsprechenden Leistungsträger, Beratung bei der Antragstellungen Handhabung (Blindengeld, Schwerbehindertenausweis), Rehabilitationskliniken diverser Blindenhilfe, Vermittlung und Hilfsmittel, anderen zu Unterstützung bei Rentenanträge, Augenärzten oder gesundheitsfördernden bzw. therapeutischen Einrichtungen; Beratung Betroffener in ihrer unmittelbaren Lebenswelt (Hausbesuche, Wohnformen) etc. Besuche in Alten- und Pflegeheimen u. a. 2 Die Zentrale Beratungsstelle des BSVT stellt eine gesicherte Schnittstelle möglicher Zusammenarbeit der Behindertenhilfe und der Jugendhilfe dar. Allerdings ist die Arbeit mit sozialen Teilhabe- und Integrationsproblemen von Kindern und Jugendlichen eher im Bereich der Jugendarbeit des BSVT zu finden. Die Klientel der Zentralen Beratungsstelle besteht vorwiegend aus älteren und alten Menschen. Eher selten suchen Eltern betroffener Kinder und Jugendlicher Hilfe, die in den Bereich der Jugendhilfe gehört: Eltern und auch betroffene Jugendliche suchen vornehmlich Rat und Hilfe bei Fragen sehbehindertenspizifischer Problematik. An welchen Schnittstellen finden Kooperationen statt und welche Probleme werden in den Kooperationen deutlich? In selten auftretenden Überforderungssituationen von Eltern mit blinden oder sehbehinderten Kindern oder selbst von Sehbehinderung betroffener Eltern findet sich eine Schnittstelle zwischen der Beratungsstelle des BSVT und dem Jugendamt. Ganz eindeutige Probleme finden sich bei der Realisierung von Elternassistenz oder des Persönlichen Budgets. Es entsteht für mich der Eindruck, dass in Thüringen mit diesen beiden Hilfeformen von Seiten der Jugendhilfe noch kaum Erfahrungen bestehen. Eine weitere Schnittstelle befindet sich zwischen der Zentralen Beratungsstelle des BSVT und zahlreichen Bildungseinrichtungen und dem Schulamt. Die Zentrale Beratungsstelle (ZBS) führt regelmäßig Projekttage in den Grundund Regelschulen und den Gymnasien in Gera und Umgebung durch. Diese Projekttage dienen sowohl der Sensibilisierung der Kinder und Jugendlichen 3 für das Thema Sehbehinderung als auch der Vermittlung von Teilhabemöglichkeiten und Unterstützungssystemen. Schulungen für Pädagogen werden angeboten, jedoch eher selten angenommen. Durch-geführt werden Schulungen auch in der Ausbildung von Heilpädagogen, Heilerziehungs- pflegern, Erziehern, Krankenpflegern und Sozialassistenten. Die Integration und Teilhabe stellen dabei einen wesentlichen inhaltlichen Schwerpunkt dar. 2. Welche Hilfen benötigen Familien mit Kindern mit Behinderung/mit chronischen Krankheiten (bis 12 Jahren) und welche Zugänge brauchen die Familien zu den Systemen der Kinder- und Jugendhilfe, der Behindertenhilfe und der Gesundheit, um Teilhabe zu sichern, Überforderungen auszuschließen und die Gesundheit aller zu fördern? Familien mit von Behinderung betroffenen Kindern benötigen Frühförderung ihrer Kinder; Hilfe bei der Durchsetzung der Schulwahl (besonders auch integrative Beschulung); Unterstützung bei der Integration der Kinder in Freizeitaktivitäten; der Behinderung (bei Bedarf) Unter-stützung der Eltern bei der Bewältigung des Kindes; (bei Bedarf) Unterstützung bei der Alltagsbewältigung der Eltern mit von Behinderung betroffenen Kindern; (bei Bedarf) zeitweilige Entlastung der Eltern durch Elternassistenz, um Eltern vor Überforderung zu schützen oder aber, um die Eltern zu unterstützen, die selbst von Behinderung betroffen sind; hier gilt es auch, durch Elternassistenz die Teilhabemöglichkeiten der gesamten Familie am gesellschaftlichen Leben zu erweitern. 4 Wie könnten alle drei Systeme den Familien und den Heranwachsenden mehr Teilhabe ermöglichen? Welche Rolle kommt speziell der Kinder- und Behinderung, um Jugendhilfe dabei zu? (wurde nicht beantwortet) 3. Was brauchen Jugendliche/junge Erwachsene mit selbstständig leben und mit ihrer Behinderung/Krankheit umgehen zu können? Welcher Unterstützung der drei Hilfesysteme bedürfen sie, um ihr Wohlbefinden zu sichern und partizipativ Zukunft für sich entwickeln zu können? Welche Rolle kommt dabei speziell der Kinder- und Jugendhilfe zu? Behinderte Kinder und Jugendliche benötigen sowohl Integration als auch Möglichkeiten der speziellen Förderung. Eine Form spezifischer Förderung bei Kindern mit Sehbehinderung ist beispielsweise das Training lebenspraktischer Fähigkeiten, welches aus dem Hilfsmittelverzeichnis entfernt wurde und derzeit von den Krankenkassen nicht finanziert wird. Für sehr wichtig Gleichaltrigengruppen; halte ich auch denn der Umgang integrative mit Freizeitangebote Gleichaltrigen stärkt in das Selbstbewusstsein und vor allem die Selbstannahme, also auch die Annahme der Behinderung, und fördert einen konstruktiven Umgang mit derselben. 5 4. Wo versagen die vorhandenen Angebote und Strukturen von Behindertenhilfe – Kinder- und Jugendhilfe – Gesundheitssystem in Bezug auf Kooperation an den Schnittstellen und Ermöglichung von mehr Teilhabe der Betroffenen? Wo gibt es dagegen bereits Beispiele von Good Practice? Meines Erachtens versagen die vorhandenen Maßnahmen und durchaus sinnvollen Strukturen durch einen gewissen Mangel an einer angemessenen Kommunikation. Wenn eine solche interdisziplinäre Arbeit gelingen soll, ist die Einbeziehung Betroffener Personen unumgänglich, um deren Kompetenzen überhaupt nutzen zu können. Im Weiteren sollten die drei Bereiche offener gestaltet werden, so dass ein Einblick in die jeweilige Arbeit des anderen erleichtert und der Zugang vereinfacht wird. Transparenz in der Interaktion der Institutionen ist unbedingt erforderlich. Die Angebote jedes Bereiches müssen bekannt gemacht werden; denn Angebote können nur dann über den eigenen Arbeitsbereich hinaus wirksam werden, wenn sie auch für andere Institutionen transparent und somit einsichtig sind. 5. Reichen die vorhandenen Maßnahmen der Behindertenhilfe und Gesundheitshilfen aus, damit behinderte Eltern mit Kindern in ihrer Teilhabe unterstützt werden? Wo sehen Sie Handlungsbedarf der Jugendhilfe? 6 Ich denke, dass die Angebote der Jugendhilfe angemessen und ausreichend sind, jedoch unter Nutzung des Casemanagements spezieller auf den „Einzelfall“ zugeschnitten werden könnten. Meines Erachtens sollte auch die Elternassistenz ein flexibles Angebot der Jugendhilfe werden – ein Angebot, welches inhaltlich vom Assistenznehmer bestimmt werden kann. Vielleicht könnten hierdurch auch einige Fremdunterbringungen von Kindern mit Pflegebedarf vermieden werden. 6. Welche konkreten Vorschläge haben Sie zur weiteren Verbesserung der Kooperation der drei Systeme, damit integrierte Leistungen und Beratung aus einer Hand möglich werden? Unterscheiden Sie hierbei bitte Vorschläge, die das Land Thüringen beeinflussen kann und Vorschläge für die Ebene des Bundes. (nicht mehr beantwortet) Maren Batz-Kengel Dipl.Soz.päd./Fachberaterin BSVT