X.3 Energie und Impuls des elektromagnetischen Feldes

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X.3 Energie und Impuls des elektromagnetischen Feldes
169
X.3 Energie und Impuls des elektromagnetischen Feldes
Genau wie mechanische Systeme trägt das elektromagnetische Feld Energie (§ X.3.1) und Impuls
(§ X.3.2). Lokal lassen sich diese Größen durch entsprechende Dichten und Stromdichten charakterisieren, die dann Bilanzgleichungen genügen.
X.3.1 Energiedichte und -stromdichte des elektromagnetischen Feldes
X.3.1
a Bilanzgleichung für die Energie
:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
Bildet man das Skalarprodukt von der Maxwell–Faraday-Gleichung (X.1c) und der magnetischen
~ r), so kommt
Induktion B(t,~
~
~ r) · ∇
~ × E(t,~
~ r) + B(t,~
~ r) · ∂ B(t,~r) = 0.
B(t,~
∂t
Wiederum lautet das Skalarprodukt aus Maxwell–Ampère-Gleichung (X.1d) und elektrischem Feld
~ r)
E(t,~
~
~ r) · ∇
~ × B(t,~
~ r) − 0 µ0 E(t,~
~ r) · ∂ E(t,~r) = µ0~el. (t,~r) · E(t,~
~ r).
E(t,~
∂t
170
Zeitabhängige elektromagnetische Felder
Die letztere Gleichung kann dann von
Dabei kann man auf der
der ersteren
abgezogen werden.
~
~
~
~
~
~
~
~
~
linken Seite die Identität B · ∇ × E − E · ∇ × B = ∇ · E × B verwenden. Es ergibt sich dann
~
2
2
~
~ · E(t,~
~ r) × B(t,~
~ r) + µ0 ∂ 0 E(t,~r) + B(t,~r) = −µ0~el. (t,~r) · E(t,~
~ r).
∇
(X.22)
∂t
2
2µ0
Die Struktur der linken Seite dieser Gleichung, mit der Summe der Zeitableitung einer skalaren
Größe mit dem Gradienten eines Vektorfeldes, ist ähnlich jener der Kontinuitätsgleichung (X.7),
d.h. allgemeiner einer lokalen Bilanzgleichung. Dies weist darauf hin, dass
ee.m.(t,~r) ≡
~ r)2 B(t,~
~ r)2
0 E(t,~
+
2
2µ0
(X.23a)
der Dichte einer Größe entspricht, während der Poynting (an) -Vektor
~
~
~e.m.(t,~r) ≡ E(t,~r) × B(t,~r)
S
µ0
(X.23b)
die assoziierte Stromdichte ist. Da die Dichte ee.m.(t,~r) im stationären Fall ohne magnetisches Feld
mit der elektrostatischen Energiedichte [vgl. Gl. (VIII.17)] übereinstimmt, möchte man sie gerne als
~e.m.(t,~r) die
Energiedichte des elektromagnetischen Feldes interpretieren. Dementsprechend wäre S
zugehörige Energiestromdichte und die aus Gl. (X.22) folgende Gleichung
∂ee.m.(t,~r) ~ ~
~ r).
+ ∇ · Se.m.(t,~r) = −~el. (t,~r) · E(t,~
∂t
(X.23c)
sollte eine (lokale) Bilanzgleichung für die Energie darstellen.
Bemerkungen:
∗ Die Gleichung (X.23c) wird auch (differentielle Form von dem) Satz von Poynting genannt —
wobei die Integralform die Gl. (X.24) unten ist.
~ r)2 /2µ0 , kann als die im magnetischen Feld gespei∗ Der zweite Term in der Energiedichte, B(t,~
cherte Energiedichte betrachtet werden.
X.3.1
b Interpretation der Energiebilanzgleichung
::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
Sei ein Volumen V des Raums mit Oberfläche ∂ V . Das Integrieren der Bilanzgleichung (X.23c)
über dieses Volumen ergibt
Z
I
Z
d
~e.m.(t,~r) · d2 S~ = − ~el. (t,~r) · E(t,~
~ r) d3~r,
ee.m.(t,~r) d3~r +
S
(X.24)
dt V
∂V
V
wobei der Integralsatz von Gauß benutzt wurde, um den zweiten Term umzuschreiben.
Zur Deutung dieser Gleichung, insbesondere des Terms auf deren rechten Seite, kann man einen
elektrischen Strom
bestehend aus bewegten Punktladungen betrachten, entsprechend der LadungsP
stromdichte a qa~va (t)δ (3)(~r − ~ra ). Mit dieser Stromdichte gilt
Z
X0
~ r) d3~r = −
~ ra ),
− ~el. (t,~r) · E(t,~
qa~va (t) · E(t,~
V
a
wobei der Strich neben dem Summenzeichen bedeutet, dass die Summe nur über die Punktladungen
läuft, die sich im Volumen V befinden.
(an)
J. H. Poynting, 1852–1914
X.3 Energie und Impuls des elektromagnetischen Feldes
171
Die gesamte Energie dieser Punktladungen zur Zeit t ist
X0 ma~va (t)2
Emat.(t) =
2
a
entsprechend der Summe deren kinetischen Energien. Daraus folgt
d~va (t)
dEmat.(t) X0
~va (t) · ma
.
=
dt
dt
a
Laut dem zweiten Newton’schen Gesetz (I.14) ist der Term in eckigen Klammern genau gleich der
Kraft auf die Punktladung a. Bei der letzteren handelt es sich um die durch das elektromagnetische
Feld verursachte Lorentz-Kraft, d.h.
io
n h
dEmat.(t) X0
~ ra ) + ~va (t) × B(t,~
~ ra ) .
~va (t) · qa E(t,~
=
dt
a
~ auf der rechten Seite verschwindet, so dass
Das Spatprodukt ~va · ~va × B
dEmat.(t) X0
~ ra )
qa~va (t) · E(t,~
=
dt
a
übrig bleibt. Definiert man dann
Z
Ee.m.(t) ≡
ee.m.(t,~r) d3~r,
(X.25a)
V
die sich als Energie des elektromagnetischen Feldes in V zur Zeit t interpretieren lässt, im Einklang
mit der Deutung von ee.m. , so wird die Gleichung (X.24) zu
I
dEe.m.(t)
~e.m.(t,~r) · d2 S~ − dEmat.(t) .
=−
S
(X.25b)
dt
dt
∂V
Die Interpretation dieser Gleichung ist ziemlich klar: die (Rate der) Änderung der Feldenergie im
Volumen V — Term auf der linken Seite — besteht aus der durch die Oberfläche ∂ V — erster Term
im rechten Glied — und der Energie, die auf die Ladungen übertragen wird.
Somit stellt wirklich Gl. (X.23c) eine lokale Bilanzgleichung für die Energie dar, in welcher
~e.m. die Energiedichte und -stromdichte des
die in Gl. (X.23a) und (X.23b) definierten ee.m. und S
elektromagnetischen Feldes sind.
X.3.2 Impulsdichte und -stromdichte des elektromagnetischen Feldes
Ausgehend aus den Maxwell-Gleichungen lässt sich eine weitere Bilanzgleichung herleiten, wobei die „erhaltene“ Größe jetzt vektoriell ist, und kann als Impuls des elektromagnetischen Feldes
interpretiert werden.
Man definiert das Vektorfeld
~ r) × B(t,~
~ r),
~ge.m.(t,~r) ≡ 0 E(t,~
(X.26a)
das hiernach als Impulsdichte interpretiert wird, und den Maxwell’schen Spannungstensor σ e.m. mit
kartesischen Komponenten(49)
ij
σe.m.
(t,~r)
(49)
i
1 ij h ~
i
j
2 i
j
2
2~
2
≡ 0 E (t,~r)E (t,~r) + c B (t,~r)B (t,~r) − δ E(t,~r) + c B(t,~r) .
2
(X.26b)
Der Maxwell’sche Spannungstensor wird manchmal mit der umgekehrten Zeichenkonvention, also wie der Tensor
T e.m. , definiert, z.B. in den frühen Auflagen (vor etwa 1985) von Landau & Lifschitz [14, 26]. Die hier verwendete
Konvention ist also die der späteren Auflagen von Refs. [14, 26] sowie von Jackson [11, 12, Gl. (6.120)].
172
Zeitabhängige elektromagnetische Felder
σe.m. , mit Komponenten
Dazu kann man noch den Tensor T e.m. = −σ
ij
ij
Te.m.
(t,~r) ≡ −σe.m.
(t,~r),
(X.26c)
einführen: die Komponente ij dieses Tensors wird die Dichte des Stroms in Richtung i von der j-ten
Komponenten des Impulses vom elektromagnetischen Feld modellieren.
Dann gilt die Bilanzgleichung
3
j
ij
∂ge.m.
(t,~r) X ∂Te.m.
(t,~r)
+
= −fLj (t,~r) für j = 1, 2, 3,
∂t
∂xi
(X.26d)
i=1
~ el.× B
~ auf die Ladungen und
mit fLj (t,~r) der j-ten Komponente der Lorentz-Kraftdichte f~L = ρel. E+~
Ströme, die das elektromagnetische Feld verursachen. Da diese Kraftdichte die Dichte des Impulses,
der pro Zeiteinheit auf die Ladungen übertragen wird, darstellt — laut dem zweiten Newton’schen
Gesetz ist nämlich die Kraft gleich der Rate der Impulsänderung —, hat die Gleichung (X.26d) genau
die gleiche Form wie die Energiebilanzgleichung (X.23c): auf der linken Seite steht die Summe aus
der Zeitableitung von Dichte und der Divergenz der Stromdichte, die nur das elektromagnetische
Feld betreffen; auf der rechten liegt ein Term, der die Wechselwirkung zwischen dem Felde und den
Quellen berücksichtigt.
Herleitung der Gl. (X.26d): der Kürze halber werden die Variablen (t,~r) durchaus weggelassen.
Unter Verwendung der Maxwell–Gauß und der Maxwell–Ampère-Gleichungen (X.1a), (X.1d)
lässt sich die Lorentz-Kraftdichte als
~
1 ~
∂E
~
~
~
~
~
~
~
~
fL = ρel. E + ~el. × B = 0 ∇ · E E +
∇ × B − 0
×B
µ0
∂t
umschreiben. Dabei kann der letzte Term gemäß
~
~
∂E
~ = ∂ E
~ ×B
~ −E
~ × ∂B = ∂ E
~ ×B
~ +E
~× ∇
~ ×E
~
×B
∂t
∂t
∂t
∂t
transformiert werden, wobei die letzte Gleichung aus der Maxwell–Faraday (X.1c) folgt. Somit
gilt
h
i
~ ·E
~ E
~ −E
~× ∇
~ ×E
~ − 1B
~× ∇
~ ×B
~ − ∂~ge.m. ,
f~L = 0 ∇
µ0
∂t
wobei Definition (X.26a) benutzt wurde. Mithilfe der Maxwell–Thomson-Gleichung (X.1b) kann
~ und B
~ Feldern erhöhen:
man die Symmetrie der Terme mit den E
h
i
h
i
~ ×B
~ − ∂~ge.m. .
~ −B
~× ∇
~ ·E
~ E
~ −E
~× ∇
~ ×E
~ + 1 ∇
~ ·B
~ B
f~L = 0 ∇
µ0
∂t
~ × ∇×
~ V
~
Betrachte man die i-te Komponente dieser Gleichung. Für die zwei Terme der Form V
gilt(50)
3
3
3
h
m
X
X
X
i i
j ∂V m
ijk j
klm ∂V
il jm
im jl
~
~
~
V × ∇×V
=
V
=
δ
δ
−
δ
δ
V
∂xl
∂xl
j,k=1
3
X
l,m=1
j,l,m=1
~ 2 X
3
i
∂
V
j ∂V
=
V
=
−
V
.
∂xi 2
∂xj
j=1
j=1
~ ·V
~ V
~ kommt
Nach Abziehen der i-ten Komponente von ∇
~ 2 X
3
3
h
i
j
X
ii
∂
V
j ∂V
i ∂V
~
~
~
~
~
~
V × ∇×V − ∇·V V =
−
V
−
V
∂xi 2
∂xj j=1
∂xj
j=1
j
j
i
∂V
∂V
−
∂xi
∂xj
∂
=
∂xi
(50)
~ 2 X
3
∂
V
−
V iV j .
j
2
∂x
j=1
2
~
~ × ∇
~ ×V
~ =∇
~ V
~ ·∇
~ V
~.
In vektorieller Form lautet diese Gleichung V
− V
2
173
X.4 Elektromagnetische Wellen im Vakuum
Daher lautet die i-te Komponente der Lorentz-Kraftdichte
" 3
" 3
~ 2 #
~ 2 #
X ∂
E
B
∂
1 X ∂
∂
∂ge.m.
i
i j
i j
f L = 0
EE −
+
BB −
−
j
i
j
i
∂x
∂x
2
µ
∂x
∂x
2
∂t
0 j=1
j=1
= 0
3
3
X
~2
~ 2 ∂ge.m.
1 X ∂
∂
i j
ij E
i j
ij B
E
B
E
−
δ
+
B
−
δ
−
.
∂xj
2
µ0 j=1 ∂xj
2
∂t
j=1
Unter Berücksichtigung der Identität 0 µ0 c2 = 1 erkennt man den Maxwell’schen Spannungstensor
3
3
ij
X
X
∂ge.m.
∂ge.m.
∂ ij
∂Te.m.
i
fL =
σ
−
−
=
−
.
e.m.
j
j
∂x
∂t
∂x
∂t
j=1
j=1
ij
Wegen der Symmetrie von Te.m.
unter dem Austausch der beiden Indizes ist diese Gleichung,
nach Umbenennung der Indizes i ↔ j, genau die Bilanzgleichung (X.26d).
2
Bemerkungen:
∗ Offensichtlich hängt die Impulsdichte (X.26b) mit dem Poynting-Vektor (X.23b) einfach über
~ge.m.(t,~r) =
1 ~
Se.m.(t,~r).
c2
(X.27)
zusammen.
∗ Die Spur des Maxwell’schen Spannungstensor bzw. des Tensors Te.m. und die Energiedichte (X.23a) genügen der einfachen Beziehung
11
22
33
Tr T e.m.(t,~r) = Te.m.
(t,~r) + Te.m.
(t,~r) + Te.m.
(t,~r) = ee.m.(t,~r).
(X.28)
178
Zeitabhängige elektromagnetische Felder
X.4.2
c Energie des elektromagnetischen Feldes
:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
Betrachte man der Einfachheit halber die Felder (X.45) für
den Fall einer monochromatischen
~ 0 /(iω0 ) mit E
~ 0 ∈ R3 und ω0 ≡ ω~ :
ebenen Welle mit Polarisationsvektor ~ε ~k = (2π)3 δ (3) ~k − ~k0 E
k0
da die Richtung des elektrischen Feldes — und daher auch der magnetischen Induktion — konstant
bleibt, handelt es sich um eine linear polarisierte Welle. Es gelten dann
~ r) = E
~ 0 cos ω0 t − ~k0 · ~r
E(t,~
(X.49a)
und
~0
~e~k0 × E
~0
~k0 × E
cos ω0 t − ~k0 · ~r =
cos ω0 t − ~k0 · ~r .
(X.49b)
c
ω0
~ 0 folgt ~e~ × E
~ 0 = ~e~ E
~ 0 = E
~ 0 , womit sich die GleiAus der Orthogonalität von ~k0 und E
k0
k0
chung (X.48) wiederfinden lässt.
Setzt man diese Felder in die Energiedichte (X.23a) ein, so ergibt sich
~2
~2 E
0 E0
2
0
~k0 · ~r
+
cos
ω
t
−
ee.m.(t,~r) =
0
2
2µ0 c2
~ r) =
B(t,~
d.h. unter Verwendung der Beziehung 0 µ0 c2 = 1
~ 2 cos2 ω0 t − ~k0 · ~r .
ee.m.(t,~r) = 0 E
0
(X.50)
Interessant ist auch der über die Zeit gemittelte Wert — definiert für eine beliebige periodische
Funktion f durch
Z
1 T
hf i ≡
f (t) dt
(X.51)
T 0
mit T der Periode der Funktion — von der Energiedichte. Im Fall der letzteren ist die Periodendauer
T = 2π/ω0 : da der Mittelwert von cos2 über eine Periode 12 ist, gilt
~2
0 E
0
.
2
Diese zeitgemittelte Energiedichte ist auch unabhängig vom Ort.
hee.m.(~r)i =
Mit den Feldern?(X.49) wird der Poynting-Vektor (X.23b) zu
~0
~ 0 × ~e~ × E
E
k0
~e.m.(t,~r) =
S
cos2 ω0 t − ~k0 · ~r .
µ0 c
(X.52)
X.5 Klassische Theorie der Strahlung
179
~ 0 verschwindet der zweite
~ 0 · ~e~ E
~ 0 2 ~e~ − E
~0 = E
~ 0 × ~e~ × E
Im doppelten Kreuzprodukt E
k0
k0
k0
Term wegen der Transversalität der elektromagnetischen Welle im Vakuum. Somit gilt
~2
~e.m.(t,~r) = E0 cos2 ω0 t − ~k0 · ~r ~e~ .
S
k0
µ0 c
(X.53)
gerichtet entlang der Ausbreitungsrichtung ~e~k0 , wie es intuitiv der Fall sein soll.
Gemittelt über die Zeit ergibt sich
D
E
~2
~2
~e.m.(~r) = E0 ~e~ = 0 E0 c~e~ ,
S
k
k0
2µ0 c 0
2
d.h. nach Vergleich mit der zeitgemittelten Energiedichte (X.52)
D
E
~e.m.(~r) = hee.m.(~r)i c~e~ .
S
k0
(X.54)
Dies entspricht der Stromdichte assoziierte mit einer Dichte hee.m.(~r)i, die sich mit der (gerichteten)
Geschwindigkeit c~e~k0 ausbreitet.
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