IX.3 Energie und Impuls des elektromagnetischen Feldes

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IX.3 Energie und Impuls des elektromagnetischen Feldes
IX.3 Energie und Impuls des elektromagnetischen Feldes
Genau wie mechanische Systeme trägt das elektromagnetische Feld Energie (§ IX.3.1) und Impuls
(§ IX.3.2). Lokal lassen sich diese Größen durch entsprechende Dichten und Stromdichten charakterisieren, die zugehörigen Bilanzgleichungen genügen.
IX.3.1 Energiedichte und -stromdichte des elektromagnetischen Feldes
IX.3.1
a Bilanzgleichung für die Energie
::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
Bildet man das Skalarprodukt von der Maxwell–Faraday-Gleichung (IX.1c) und der magneti~ r), so kommt
schen Induktion B(t,~
~
~ r) · ∇
~ × E(t,~
~ r) + B(t,~
~ r) · ∂ B(t,~r) = 0.
B(t,~
∂t
Wiederum lautet das Skalarprodukt aus Maxwell–Ampère-Gleichung (IX.1d) und elektrischem Feld
~ r)
E(t,~
~
~ r).
~ r) · ∇
~ × B(t,~
~ r) − 0 µ0 E(t,~
~ r) · ∂ E(t,~r) = µ0~el. (t,~r) · E(t,~
E(t,~
∂t
Die letztere Gleichung kann dann von
Dabei kann man auf der
der ersteren abgezogen werden.
~
~
~
~
~
~
~
~
~
linken Seite die Identität B · ∇ × E − E · ∇ × B = ∇ · E × B verwenden. Es ergibt sich
~
~ r)2 r)2 B(t,~
∂ 0 E(t,~
~ r).
~
~
~
+
= −µ0~el. (t,~r) · E(t,~
(IX.22)
∇ · E(t,~r) × B(t,~r) + µ0
∂t
2
2µ0
Die Struktur der linken Seite dieser Gleichung, mit der Summe aus der Zeitableitung eines
Skalarfelds und der Divergenz eines Vektorfelds, ist ähnlich jener der Kontinuitätsgleichung (IX.7),
d.h. allgemeiner einer lokalen Bilanzgleichung. Dies weist darauf hin, dass
ee.m.(t,~r) ≡
~ r)2
~ r)2 B(t,~
0 E(t,~
+
2
2µ0
(IX.23a)
der Dichte einer Größe entspricht, während der Poynting (am) -Vektor
~
~
~e.m.(t,~r) ≡ E(t,~r) × B(t,~r)
S
µ0
(IX.23b)
die assoziierte Stromdichte ist. Da die Dichte ee.m.(t,~r) im stationären Fall ohne magnetisches Feld
mit der elektrostatischen Energiedichte [vgl. Gl. (VII.17)] übereinstimmt, möchte man sie gerne als
~e.m.(t,~r) die
Energiedichte des elektromagnetischen Feldes interpretieren. Dementsprechend wäre S
zugehörige Energiestromdichte und die aus Gl. (IX.22) folgende Gleichung
∂ee.m.(t,~r) ~ ~
~ r).
+ ∇ · Se.m.(t,~r) = −~el. (t,~r) · E(t,~
∂t
(IX.23c)
sollte eine (lokale) Bilanzgleichung für die Energie darstellen.
Bemerkungen:
∗ Die Gleichung (IX.23c) wird auch (differentielle Form von dem) Satz von Poynting genannt —
wobei die Integralform die Gl. (IX.24) unten ist.
~ r)2 /2µ0 , kann als die im magnetischen Feld gespei∗ Der zweite Term in der Energiedichte, B(t,~
cherte Energiedichte betrachtet werden.
(am)
J. H. Poynting, 1852–1914
170
Zeitabhängige elektromagnetische Felder
IX.3.1
b Interpretation der Energiebilanzgleichung
:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
Sei ein Volumen V des Raums mit Oberfläche ∂ V . Das Integrieren der Bilanzgleichung (IX.23c)
über dieses Volumen ergibt
I
Z
Z
d
3
2~
~ r) d3~r,
~
(IX.24)
ee.m.(t,~r) d ~r +
Se.m.(t,~r) · d S = − ~el. (t,~r) · E(t,~
dt V
∂V
V
wobei der Integralsatz von Gauß benutzt wurde, um den zweiten Term umzuschreiben.
Zur Deutung dieser Gleichung, insbesondere des Terms auf deren rechten Seite, kann man einen
elektrischen
betrachten, der aus bewegten Punktladungen besteht, was einer LadungsstromP Strom (3)
dichte a qa~va (t)δ (~r − ~ra ) entspricht. Mit dieser Stromdichte gilt
Z
X0
~ ra ),
~ r) d3~r = −
qa~va (t) · E(t,~
− ~el. (t,~r) · E(t,~
V
a
wobei der Strich neben dem Summenzeichen bedeutet, dass die Summe nur über die Punktladungen
läuft, die sich im Volumen V befinden.
Die gesamte kinetische Energie dieser Punktladungen zur Zeit t ist
X0 ma~va (t)2
Emat.(t) =
a
2
entsprechend der Summe deren kinetischen Energien. Daraus folgt
dEmat.(t) X0
d~va (t)
=
~va (t) · ma
.
dt
dt
a
Laut dem zweiten newtonschen Gesetz (I.14) ist der Term in eckigen Klammern genau gleich der
Kraft auf die Punktladung a. Bei der letzteren handelt es sich um die durch das elektromagnetische
Feld verursachte Lorentz-Kraft, d.h.
n h
io
dEmat.(t) X0
~ ra ) + ~va (t) × B(t,~
~ ra ) .
=
~va (t) · qa E(t,~
dt
a
~ auf der rechten Seite verschwindet, so dass
Das Spatprodukt ~va · ~va × B
dEmat.(t) X0
~ ra )
=
qa~va (t) · E(t,~
dt
a
übrig bleibt. Definiert man dann
Z
Ee.m.(t) ≡
ee.m.(t,~r) d3~r,
(IX.25a)
V
die sich als Energie des elektromagnetischen Feldes in V zur Zeit t interpretieren lässt, im Einklang
mit der Deutung von ee.m. , so wird die Gleichung (IX.24) zu
I
dEe.m.(t)
~e.m.(t,~r) · d2 S~ − dEmat.(t) .
=−
(IX.25b)
S
dt
dt
∂V
Die Interpretation dieser Gleichung ist ziemlich klar: die (Rate der) Änderung der Feldenergie im
Volumen V — Term auf der linken Seite — besteht aus der durch die Oberfläche ∂ V — erster Term
im rechten Glied — und der Energie, die auf die Ladungen übertragen wird.
Somit stellt wirklich Gl. (IX.23c) eine lokale Bilanzgleichung für die Energie dar, in welcher
~e.m. die Energiedichte und -stromdichte des
die in Gl. (IX.23a) und (IX.23b) definierten ee.m. und S
elektromagnetischen Feldes sind.
171
IX.3 Energie und Impuls des elektromagnetischen Feldes
IX.3.2 Impulsdichte und -stromdichte des elektromagnetischen Feldes
Ausgehend aus den Maxwell-Gleichungen lässt sich eine weitere Bilanzgleichung herleiten, wobei die „erhaltene“ Größe jetzt vektoriell ist, und kann als Impuls des elektromagnetischen Feldes
interpretiert werden.
Man definiert das Vektorfeld
~ r) × B(t,~
~ r),
~ge.m.(t,~r) ≡ 0 E(t,~
(IX.26a)
das hiernach als Impulsdichte interpretiert wird, und den Maxwell’schen Spannungstensor σ e.m. mit
kartesischen Komponenten(72)
ij
σe.m.
(t,~r)
i
1 ij h ~
2
2
2~
≡ 0 E (t,~r)E (t,~r) + c B (t,~r)B (t,~r) − δ E(t,~r) + c B(t,~r) .
2
i
j
2
i
j
(IX.26b)
σe.m. , d.h. mit Komponenten
Dazu kann man noch den Tensor zweiter Stufe T e.m. = −σ
ij
ij
Te.m.
(t,~r) ≡ −σe.m.
(t,~r),
(IX.26c)
einführen: die Komponente ij dieses Tensors wird die Dichte des Stroms in Richtung i von der j-ten
Komponenten des Impulses vom elektromagnetischen Feld modellieren.
Dann gilt die Bilanzgleichung
3
j
ij
∂ge.m.
(t,~r) X ∂Te.m.
(t,~r)
+
= −fLj (t,~r) für j = 1, 2, 3,
∂t
∂xi
(IX.26d)
i=1
~ + ~el. × B
~ auf die Ladungen
wobei fLj (t,~r) die j-te Komponente der Lorentz-Kraftdichte f~L = ρel. E
und Ströme, die das elektromagnetische Feld verursachen, bezeichnet. Diese Kraftdichte stellt die
Dichte des Impulses dar, der pro Zeiteinheit auf die Ladungen übertragen wird — laut dem zweiten
newtonschen Gesetz ist nämlich die Kraft gleich der Rate der Impulsänderung. Daher hat die Gleichung (IX.26d) genau die gleiche Form wie die Energiebilanzgleichung (IX.23c): auf der linken Seite
steht die Summe aus der Zeitableitung von Dichte und der Divergenz der Stromdichte, die nur das
elektromagnetische Feld betreffen; auf der rechten liegt ein Term, der die Wechselwirkung zwischen
dem Feld und dessen Quellen berücksichtigt.
Herleitung der Gl. (IX.26d): der Kürze halber werden die Variablen (t,~r) durchaus weggelassen.
Unter Verwendung der Maxwell–Gauß und der Maxwell–Ampère-Gleichungen (IX.1a), (IX.1d)
lässt sich die Lorentz-Kraftdichte als
~
1 ~
∂E
~
~
~
~
~
~
~
~
fL = ρel. E + ~el. × B = 0 ∇ · E E +
∇ × B − 0
×B
µ0
∂t
umschreiben. Dabei kann der letzte Term gemäß
~
~
∂E
~ = ∂ E
~ ×B
~ −E
~ × ∂B = ∂ E
~ ×B
~ +E
~× ∇
~ ×E
~
×B
∂t
∂t
∂t
∂t
transformiert werden, wobei die letzte Gleichung aus der Maxwell–Faraday (IX.1c) folgt. Somit
gilt
h
i
~ ·E
~ E
~ −E
~× ∇
~ ×E
~ − 1B
~× ∇
~ ×B
~ − ∂~ge.m. ,
f~L = 0 ∇
µ0
∂t
(72)
Der Maxwell’sche Spannungstensor wird manchmal mit der umgekehrten Zeichenkonvention, also wie der Tensor
T e.m. , definiert, z.B. in den frühen Auflagen (vor etwa 1985) von Landau & Lifschitz [14, 28]. Die hier verwendete
Konvention ist also die der späteren Auflagen von Refs. [14, 28] sowie von Jackson [11, 12, Gl. (6.120)].
172
Zeitabhängige elektromagnetische Felder
wobei Definition (IX.26a) benutzt wurde. Mithilfe der Maxwell–Thomson-Gleichung (IX.1b)
~ und B
~ erhöhen:
kann man die Symmetrie der Terme mit den Feldern E
h
h
i
i
~ ·E
~ E
~ −E
~× ∇
~ ×E
~ + 1 ∇
~ ·B
~ B
~ −B
~× ∇
~ ×B
~ − ∂~ge.m. .
f~L = 0 ∇
µ0
∂t
~ × ∇×
~ V
~
Betrachte man die i-te Komponente dieser Gleichung. Für die zwei Terme der Form V
gilt(73)
3
3
3
h
X
X
X
i i
j ∂V m
∂V m
il jm
im jl
~ × ∇
~ ×V
~
V
=
=
ijk V j
klm
δ
δ
−
δ
δ
V
∂xl
∂xl
j,k=1
=
3
X
j=1
V
l,m=1
j
j
j,l,m=1
i
∂V
∂V
−
∂xi
∂xj
∂
=
∂xi
~ 2 X
3
V
∂V i
−
Vj j.
2
∂x
j=1
~ ·V
~ V
~ kommt
Nach Abziehen der i-ten Komponente von ∇
h
ii
~ × ∇
~ ×V
~ − ∇
~ ·V
~ V
~ = ∂
V
∂xi
∂
=
∂xi
~ 2 X
3
3
V
∂V i X i ∂V j
−
V
Vj j −
2
∂x
∂xj
j=1
j=1
~ 2 X
3
V
∂
V iV j .
−
j
2
∂x
j=1
Daher lautet die i-te Komponente der Lorentz-Kraftdichte
" 3
" 3
~ 2 #
~ 2 #
X ∂
∂
E
1 X ∂
∂
B
∂g i
i
i j
i j
f L = 0
EE −
+
BB −
− e.m.
j
i
j
i
∂x
∂x
2
µ0 j=1 ∂x
∂x
2
∂t
j=1
= 0
3
3
i
X
~2
~ 2 ∂ge.m.
1 X ∂
∂
i j
ij E
i j
ij B
E
E
−
δ
+
B
B
−
δ
−
.
j
j
∂x
2
µ0 j=1 ∂x
2
∂t
j=1
Unter Berücksichtigung der Identität 0 µ0 c2 = 1 erkennt man den Maxwell’schen Spannungstensor
3
3
i
ij
X
X
∂ ij
∂ge.m.
∂Te.m.
∂g i
fLi =
σ
−
=
−
− e.m. .
e.m.
j
j
∂x
∂t
∂x
∂t
j=1
j=1
ij
unter dem Austausch der beiden Indizes ist diese Gleichung,
Wegen der Symmetrie von Te.m.
nach Umbenennung der Indizes i ↔ j, genau die Bilanzgleichung (IX.26d).
2
Bemerkungen:
∗ Offensichtlich hängt die Impulsdichte (IX.26b) mit dem Poynting-Vektor (IX.23b) einfach über
~e.m.(t,~r).
~ge.m.(t,~r) = 0 µ0 S
(IX.27)
zusammen.
∗ Die Spur des Maxwell’schen Spannungstensors bzw. des Tensors T e.m. und die Energiedichte (IX.23a) genügen der einfachen Beziehung
11
22
33
Tr T e.m.(t,~r) = Te.m.
(t,~r) + Te.m.
(t,~r) + Te.m.
(t,~r) = ee.m.(t,~r).
(73)
2
~
~ × ∇
~ ×V
~ =∇
~ V
~ ·∇
~ V
~.
In vektorieller Form lautet diese Gleichung V
− V
2
(IX.28)
179
IX.4 Elektromagnetische Wellen im Vakuum
IX.4.2
c Energie des Feldes einer elektromagnetischen Welle
::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
Betrachte man der Einfachheit halberdie Felder (IX.45) für
den Fall einer monochromatischen
~ 0 /(iω0 ) mit E
~ 0 ∈ R3 und ω0 ≡ ω~ :
ebenen Welle mit Polarisationsvektor ~ε ~k = (2π)3 δ (3) ~k − ~k0 E
k0
da die Richtung des elektrischen Feldes — und daher auch der magnetischen Induktion — konstant
bleibt, handelt es sich um eine linear polarisierte Welle. Es gelten dann
~ r) = E
~ 0 cos ω0 t − ~k0 · ~r
E(t,~
(IX.49a)
und
~0
~e~k0 × E
~0
~k0 × E
cos ω0 t − ~k0 · ~r ,
(IX.49b)
cos ω0 t − ~k0 · ~r =
c
ω0
wobei ~e~k0 ≡ ~k0 /|~k0 | den Einheitsvektor in Propagationsrichtung bezeichnet. Aus der Orthogonalität
~ 0 = E
~ 0 , womit sich die Gleichung (IX.48) wiederfinden
~ 0 = ~e~ E
~ 0 folgt ~e~ × E
von ~k0 und E
k0
k0
lässt.
Setzt man diese Felder in die Energiedichte (IX.23a) ein, so ergibt sich
~2
~2 0 E0
E
0
ee.m.(t,~r) =
cos2 ω0 t − ~k0 · ~r
+
2
2
2µ0 c
~ r) =
B(t,~
d.h. unter Verwendung der Beziehung 0 µ0 c2 = 1
~ 2 cos2 ω0 t − ~k0 · ~r .
ee.m.(t,~r) = 0 E
0
(IX.50)
Interessant ist auch der über die Zeit gemittelte Wert — definiert für eine beliebige periodische
Funktion f durch
Z
1 T
hf i ≡
f (t) dt
(IX.51)
T 0
mit T der Periode der Funktion — von der Energiedichte. Im Fall der letzteren ist die Periodendauer
T = 2π/ω0 : da der Mittelwert von cos2 über eine Periode 12 beträgt, gilt
~2
0 E
0
.
2
Diese zeitgemittelte Energiedichte ist auch unabhängig vom Ort.
hee.m.(~r)i =
(IX.52)
Mit den Feldern (IX.49) wird der Poynting-Vektor (IX.23b) zu
~ 0 × ~e~ × E
~0
E
k
0
~e.m.(t,~r) =
S
cos2 ω0 t − ~k0 · ~r .
µ0 c
~ 0 × ~e~ × E
~0 = E
~ 0 2 ~e~ − E
~ 0 · ~e~ E
~ 0 verschwindet der zweite
Im doppelten Kreuzprodukt E
k0
k0
k0
Term wegen der Transversalität der elektromagnetischen Welle im Vakuum. Somit gilt
~2
~e.m.(t,~r) = E0 cos2 ω0 t − ~k0 · ~r ~e~ .
S
k0
µ0 c
(IX.53)
Dieser Vektor ist entlang der Ausbreitungsrichtung ~e~k0 gerichtet, wie es intuitiv der Fall sein soll.
Gemittelt über die Zeit ergibt sich
D
E
~2
~2
~e.m.(~r) = E0 ~e~ = 0 E0 c~e~ ,
S
k0
2µ0 c k0
2
d.h. nach Vergleich mit der zeitgemittelten Energiedichte (IX.52)
D
E
~e.m.(~r) = hee.m.(~r)i c~e~ .
S
k0
(IX.54)
Dies entspricht der mit einer Dichte hee.m.(~r)i assoziierten Stromdichte, die sich mit der (gerichteten)
Geschwindigkeit c~e~k0 ausbreitet.
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