9) Die Elektronenstrahl-Ionenquelle / -falle (EBIS / EBIT) Die Electron Beam Ion Source (EBIS) oder Elektronenstrahl-Ionenquelle wurde 1968 von E.D. Donets in Dubna, Russland entwickelt. Unterdessen haben viele Arbeitsgruppen weltweit die EBIS weiterentwickelt. In einer EBIS werden Ionen durch die Wechselwirkung von Atomen mit den Elektronen eines intensiven Elektronenstrahls produziert. Die Elektronen werden im Gegensatz zu Plasmaanode solenoid Ionenquellen aus einer barrier electron electrode Elektronenkanone repeller gewonnen und nicht aus der Plasmaentladung. Der Einschluss der Ionen in die axiale Richtung geschieht durch die Potentialverteilung, welche durch Ringelektroden die Barriereelektroden generiert werden. U(z) Die Extraktion von Ionen geschieht durch Pulsen der Kollektorbarriere oder des Ionisationsraumes. WS2011/12 electron beam ion beam drift tubes electron collector ionisation extraction Z 9.1 Nach dem gleichen Prinzip arbeitet die EBIT (Electron Beam Ion Trap), wobei kein homogenes Solenoidfeld für die Fokussierung des Elektronenstrahls sorgt, sondern das Feld eines Helmholtzspulenpaares. Der radiale Einschluss geschieht durch das Raumladungspotential des intensiven Elektronenstrahls. Wichtige Größen sind: bis zu 5000 A/cm2 Elektronenstromdichte je: Strahlströme Ie: bis 10 A in BNL RHIC Test EBIS Strahlenergie E: bis 300 keV in LLNL Super EBIT WS2011/12 9.2 Betrachten wir nun den Potentialverlauf innerhalb eines intensiven Strahls geladener Teilchen: r ρ div E = − ε0 r r ρ ⇒ ∫ E ⋅ dF = − ∫ dV E (r ) ⋅ 2π ⋅ rh = − F ρ π ⋅ r 2h ε0 ⇒ E (r) = − A: r < R V ε0 ρ ⋅r 2ε 0 ρ R2 ⇒ E (r) = − 2ε 0 r B: r > R Daraus erhält man das Potential: r U ( r ) = − ∫ E ( r )dr + U 0 0 A: ρ ⋅ r2 ⇒ U (r) = +U0 4ε 0 WS2011/12 (9.1a) 9.3 B: ρ ⋅ R2 ⎛ r ⎞ ρ ⋅ R2 ⇒ U (r) = ln⎜ ⎟ + U ( R ) = 2ε 0 4ε 0 ⎝R⎠ ⎡ ⎛r⎞ ⎤ 2 ln ⋅ ⎜ ⎟ + 1⎥ + U 0 ⎢ ⎝R⎠ ⎦ ⎣ Ist das Potential für r = rWand , Uwand festgelegt, so erhält man für die Potentialdifferenzen zwischen Strahlrand und Strahlachse, bzw. Strahlachse und Wand respektive: ρ ⋅ R2 ∆U = U ( R ) − U 0 = 4ε 0 ρ ⋅ R2 ∆U W = 4ε 0 (9.1b) UW U(R) , ∆U ⎡ ⎛ rW ⎞ ⎤ ⎢2 ⋅ ln⎜ R ⎟ + 1⎥ ⎝ ⎠ ⎦ ⎣ U0 R rW r Die Raumladungsdichte kann man auch durch den Strahlstrom ausdrücken: j = ρ ⋅ vz = I π ⋅ r2 ⇒ ρ= I π ⋅ r 2vz mit vz = 2q(U start − U 0 ) m , (9.2) Ustart = Quellen- oder Kathodenpotential WS2011/12 9.4 Bei konstantem Strom variiert die Raumladungsdichte mit vz. Aufgrund der Potentialdepression variiert vz und damit auch die Raumladungsdichte über den Querschnitt. Daher gilt die obige Betrachtung nur in Näherung. Wird das Raumladungspotential so groß, dass Elektronen zur Kathode zurück reflektiert werden, dann nennt man dies die Bildung einer virtuellen Kathode. Damit ist der maximale Strom im Strahl begrenzt und aufgrund des logarithmischen Verlaufs von U(r) zwischen R und rw am höchsten wenn rw = R ist. Da die Dichte der Teilchen mit r variiert, kann das Stromlimit nur numerisch exakt ermittelt werden. Für das so genannte Perveanzlimit gilt: Pmax = 32.4 ⋅10−6 A / V 3 / 2 Die maximale Perveanz bestimmt bei gegebener Beschleunigungsspannung, wie viel Strom durch eine Röhre transportiert werden kann deren Radius gerade dem Strahlradius entspricht. Die Speicherkapazität: je = ρ e ve ⇒ j I ρe = e = e 2 ve π ⋅ r0 me 2eU e Q− eN − ρe = = V π ⋅ r02l Dabei ist V das Strahlvolumen, l die Länge des eingeschlossenen Bereichs (confinement). Für die Anzahl der Elektronen im Strahl gilt damit: N− = WS2011/12 Ie me l ⋅ ⋅ = 3 2e Ue me ⋅ l ⋅ P ⋅U e 3 2e mit P = Strahlperveanz (9.3) 9.5 Damit gilt für die Anzahl der speicherbaren Ionen im Ladungszustand q: N− N = f⋅ q + q wobei f der Kompensationsgrad (0 ≤ f ≤ 1) ist. Für einen Strahl mit Ie = 1 A, l = 1 m und Ue = 10 kV folgen N- = 1.05*1011 Ladungen Welche Prozesse finden nun in einer EBIS statt? Die Elementarprozesse in Plasmen sind im Kapitel 2 eingehend beschrieben worden und lassen sich vor allem bei der EBIS gut studieren. WS2011/12 9.6 Die Prozesse bestimmen die Produktionsraten im Elektronenstrahl. Die Zeit, welche die Ionen im Strahl verweilen bestimmt, wie die Ladungszustandsverteilung bei Extraktion dann aussieht (siehe Graphik). Eine typische Ladungszustandsentwicklung kann durch einen Code wie z.B. CBSIM, in dem die verschiedenen Prozesse modelliert sind berechnet werden. Ein Beispiel für eine typische Entwicklung der Ladungszustände von Blei bei verschiedenen Prozessen. % % LEAD 80 LEAD 80 54 60 60 54 40 40 14 36 46 14 20 36 46 20 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 log(J*TAU) -3 -2 -1 0 1 2 3 4 log(J*TAU Links: Ionisation von Blei bei einer Energie von 5025 eV, welches die Ionisation in den Zustand Pb55+ verhindert, jedoch beeinflusst durch Radiative Rekombination. Rechts: Ionisation von Blei bei 5025 eV und zusätzliche Umladungen mit dem Restgas bei einem Druck von 10-11 mbar. WS2011/12 9.7 Will man nun Wirkungsquerschnitte aus gemessenen Raten extrahieren so muss man vereinfachte Annahmen zu der Geometrie machen. Allgemein überlegt man sich einen Ionenstrahl mit homogener Dichte ni und Radius ri und der Geschwindigkeit vi. Elektronenstrahl mit homogener Dichte ne und Geschwindigkeit ve und 100% Überlapp mit dem Ionenstrahl. R = α ⋅ ne ni 3 2 d r = α ⋅ n n ⋅ π ⋅ r e i i l target ∫ Vion α = ∫ σ (vr )vr δ (v − vr )dv = σ (vr )vr v r vi (9.4) Î r ve (9.5) vr = ve2 + vi2 Falls ve >> vi ist, dann gilt: α = σ (ve )ve r vr R = σ (ve ) ⋅ ve ne ni ⋅ π ⋅ ri 2 l target = je I ion l targetσ (ve ) 2 e q vi Oder wenn man daraus den Wirkungsquerschnitt ermitteln will, gilt die Beziehung: R e 2 q vi σ (ve ) = l target je I ion WS2011/12 (9.6) 9.8 Für das Design einer EBIS müssen die zu produzierenden Spezies vorher klar sein. Beispiele: Ar kann mit 10 keV Elektronen vollständig ionisiert werden, Ionen der schweren Elemente mit bis zu 100 keV Elektronen und Uran mit bis zu 150 keV Elektronen. Daraus resultierende Werte für die Ionisationsenergie, Wirkungsquerschnitte und Ionisationsfaktoren sind in nebenstehender Tabelle aus Kapitel 2 zusammengefasst. Raumladungskompensation: Änderung des Raumladungspotentials mit dem Kompensationsgrad: ∂ 2U 1 ∂U − ρe + ρion + = 2 ∂r r ∂r ε0 mit ρe = I π ⋅R 2 e m 2 U und ρion ⎡ e(U − U 0 ) ⎤ = − f comp ⋅ ρe exp ⎢ ⎥ kT ion ⎦ ⎣ fcomp ist der Kompensationsgrad und Tion die Ionentemperatur, welche sich durch Stöße mit den Elektronen ständig ändert. Die Gleichung muss numerisch gelöst werden. Dazu definiert man zwei Parameter: Die Potentialdifferenz zwischen Strahlrohrwand und Strahlachse in Einheiten der thermischen Ionentemperatur. WS2011/12 µt = e[U ( rWand ) − U (0)] kTion 9.9 Die Potentialdifferenz im unkompensierten Strahl zwischen Strahlrand und Strahlachse in Einheiten der thermischen Ionentemperatur. Man erhält den Kompensationsgrad und die Normierte Potentialtiefe (Restpotential) µt in µb = e[U ( R) − U (0)] kTion fc µt fc 0.8 8 µt Abhängigkeit von der reziproken Ionentemperatur, die in µb auf die Potentialtiefe des 0.6 6 0.4 4 0.2 2 unkompensierten Strahls normiert ist. Man erkennt, dass fc mit steigender IonenTemperatur (geringerem µb) abnimmt. Ebenso nimmt das Restpotential mit steigender Ionen- 1 1.6 2.5 4.0 temperatur ab. Die Rechnungen sind für 6.3 10 25 16 µb rWand / R = 1 durchgeführt worden. Die entsprechenden radialen Ionenverteilungen sind nachfolgend dargestellt: WS2011/12 9.10 ρi ρ e [%] U-U0 V 3.16 80 100 40 16 6 100 10.0 60 40 31.6 100 16 40 6 1 20 2.5 316 1 2.5 without compensation 10 20 30 40 Radius in % of tube radius 10 20 30 40 Radius in % of tube radius Radiales Potential (links) und Ionenladungsverteilung in einem Elektronenstrahl mit 1A/10 kV, der vollständig kompensiert ist mit Ionen verschiedener Temperatur (in Abhängigkeit von µb)= 1, 2.5, 6 …). Hier beträgt rWand / R = 10. Die gestrichelten Linien zeigen jeweils das Potential, welches kTion/e WS2011/12 9.11 oberhalb des Strahlachsenpotentials liegt. Man erkennt die ausgedehnteren Ionenverteilungen für höhere Temperaturen. Kompensation Æ heißere Ionen gehen verloren Æ diese nehmen Energie aus Stößen mit höhergeladenen Ionen mit (wie beim Verdampfen) Æ evaporative Cooling Dadurch wandern die hochgeladenen Ionen näher zur Strahlachse. Die Änderung der radialen Ionenenergie durch elastische Stöße mit Elektronen ergibt sich zu me C Λ e ∆E⊥ = ⋅ 16πε 02 mion Ee −beam q −1 ∑σ i =0 (9.7) Ein entsprechendes Restpotential muss vorhanden sein, um die Ionen i 2 i → i +1 Ion energy (eV) 4 10 3 10 2 CNO Ne Ar Kr Ar Xe Pb Kr Xe Ne 10 1 10 0 Pb im Elektronenstrahl zu halten. 10 -1 0 10 20 Dem Heizen wirken die Stöße der Ionen Charge states untereinander entgegen, in dem Ionen verloren gehen (vor allem niedrig geladene Ionen mit geringem Z) und damit Energie aus der Ionenverteilung herausnehmen. WS2011/12 30 9.12 Gemessener Effekt der Ionen-Ionen Kühlung auf Ar-Ionen: Gun barrier ‘hot‘ ion ‘cold‘ ion 0.050 Lowering Lowering the theextraction extractionbarrier barrier Potential PotentialUUff q+ Ar 0.025 16 15 14 13 12 11 UF = 5 V ~~45% 45%in inthe the16+ 16+ charge chargestate state TOF Signal (a. u.) Extraction-0.000 barrier 0.050 UF = 10 V 0.025 0.000 0.050 UF = 15 V 0.025 0.000 0.050 UF = 20 V 0.025 0.000 0.050 UF = 40 V 0.025 0.000 12 13 14 15 16 17 18 19 20 TOF (µs) WS2011/12 9.13 C on fin em en t region ∆ U in In jected ion extraction U E lectron beam ∆U ExB-drift E-field parabolic B-field strong O uter potential barrier Inner potential barr Zur Extraktion der Ionen gibt es mehrere Möglichkeiten, im Allgemeinen geschieht die gepulst. U b arrier barrier U in passive extraction U leaky extraction B-field small, beam non neutralized Rosettenbahn U fast extraction gun side Akzeptanz / Emittanz der EBIS Uext = Extraktionspotential ∆U = Restpotential der kompensierten Strahls (9.5) WS2011/12 barrier trap collector side 2 2 ⎡ q ⋅ B 2r 2 q B re−beam ∆U ⋅ e −beam α x, x' = re−beam ⎢ 2mU + 8mU + U ⎢⎣ ext ext ext Magnetfeld ⎤ ⎥ ⎥⎦ Raumladungspotential 9.14 Kathoden für EBIS/T: Elektronen werden von Kathoden emittiert, entweder durch thermionische Emission oder Feldemission. Die Emitter nennt man Kathoden. Deren maximale Emissionsstromdichte ergibt sich aus der Richardson-Dushman Beziehung Gl.(8.4). Beispiele für Materialien zeigt die unten stehende Tabelle: Es gibt verschiedenen Kathodenformen, je nach Anwendung. Die einfachsten und verbreitesten sind die Drahtkathoden aus W, Tl etc. Diese sind meistens direkt geheizt. Dispenserkathoden bewahren einen dünnen Film des emittierenden Materials durch Nachschub aus einem Reservoir in einem porösen Träger (Matrix) der meistens aus Wolfram besteht. Reservoirmaterialien sind z.B. Thorium, BaO, CaO… WS2011/12 9.15 Die Bezeichnungen der Kathoden sind: W-Matrix Coated W-Matrix B, S-type M oder CD-type Einkristall-Kathoden LaB6, IrCe Dispenserkathoden jmax < 10 A/cm2 Einkristall-Kathode Æ jmax bis zu 100 A/cm2 In Dispenserkathoden baut sich vor der Oberfläche eine Dipolschicht aus Ionen des Dispensermaterials auf, welches die Austrittsarbeit reduziert. Dispenserkathoden werden oft mit Osmium (M-type) oder Scandium überzogen, um die Austrittsarbeit bis auf 1.4-1.8 eV zu reduzieren. WS2011/12 9.16 Die Sättigungsstromdichte in Abhängigkeit von der Temperatur zeigt die nebenstehende Graphik. WS2011/12 9.17 Beispiele für existierende EBIS/T: Die REX-EBIS (ISOLDE/CERN) • • • • • • Magnetfeldstärke 2 T Elektronenstromdichte ~200 A/cm2 Max. Strahlstrom ~500 mA Max. Strahlenergie 5-6 kV Länge 0.8 m HV-Plattform kann bis 60 kV gepulst werden • Ladungsbrüter Æ externe Injektion WS2011/12 9.18 Typische Spektren: 22 80 85 9+ Efficiency Cs32+ Ne 40 6+ A/q=2 33+ 32+ 31+ 29+ 30+ 28+ 27+ Ion current pA 18+ 19+ Ne 60 t = 158 ms 7+ Trap to RFQ=7.3% 4+ Ne 0 90 95 Magnetic field mT WS2011/12 Ne 80 20 0 75 23.05.02 35+ Ne5+ 20 Trap to RFQ=8.7% 28+ 27+ 26+ 25+ Ar 9+ 40 4+ Efficiency Cs23+ N3+ Ion current pA 60 Ne t = 18 ms 21+ 20+ 24+ 80 100 22.05.02 22+ 3+ C 4+ O 5+ Ne 8+ 34+ 23+ Ne 100 105 110 55 60 65 70 75 80 85 90 95 Magnetic field mT 9.19 Q / pulse (10 fC) Die Dresden EBIS/T Familie Xe extraction spectra B (mT) WS2011/12 9.20 Die TITAN EBIT (MPI-K Heidelberg und TRIUMF, Vancouver) WS2011/12 9.21 • Magnetfeldstärke 6 T • Elektronenstromdichte 15-50 kA/cm2 • Max. Strahlstrom ~5 A • Max. Strahlenergie 80 kV • Länge 0.1-0.2 m example: TITAN EBIT WS2011/12 9.22 Die BNL-RHIC EBIS (Brookhaven National Lab) Elektronenstrahl wird gepulst • • • • Magnetfeldstärke 5 T Max. Strahlstrom ~10 A Strahlenergie 20 kV Länge 1.5 m * Ladungskapazität Qel 1.1*1012 * Elektronenstromdichte 575 A/cm2 WS2011/12 9.23 I(e) = 6.6 A, 4.2 ms 9+ 17.2 ms 14+ 1.8 mA; 2.2x1011 charges/pulse, 15.3 ms confinement WS2011/12 9.24 Die ReA3 Ladungsbrüter EBIS, NSCL/Michigan State University e-beam extended split ion-beam coil coil Magnetfeld Elektronenstrom Max. Elektronenenergie Stromdichte WS2011/12 6T < 1.5 A < 30 keV ~104 A/cm2 9.25