Soziologische Aspekte der Gesundheit/Krankheit PD Dr. Karin Tritt ©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected] Was ist Medizinische Soziologie? • • • Def. von Soziologie nach Max Weber (1985): § 1. Soziologie (im hier verstandenen Sinn dieses sehr vieldeutig gebrauchten Wortes) soll heißen: ein Wissenschaft, welches soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will. „Handeln“ soll dabei ein menschliches Verhalten (einerlei ob äußeres oder innerliches Tun, Unterlassen oder Dulden) heißen, wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden. „Soziales Handeln“ aber soll ein solches handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist. Def. von Soziologie nach Pfaff & Janßen (2004): die Wissenschaft von den sozialen Systemen wie Gesellschaften, Organisationen, Gruppen und Interaktionen und dem in diesen Systemen stattfindenden sozialen Handeln. Die Medizinische Soziologie beschäftigt sich mit den Einflussfaktoren von sozialen Handlungen sowie Systemen auf die Krankheitsentstehung sowie Gesunderhaltung sowie den sozialen Umgang mit diesen Phänomenen. ©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected] Was ist eine Handlung – als Analyseeinheit? Handeln – als Prozess: Basiert auf einen Entwurf (die fertige Handlung wird fantasierend in die Zukunft projektiert). Ist zielgerichtet, intentional & sinnhaft (1. Sinnebene = Entwurf) Verständnis erfordert die Rekonstruktion des subjektiven Sinns Ist mehr oder minder erprobt Æ bis zur Bewusstlosigkeit erprobte Automatismen Handlung – als Resultat ©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected] Medizin als Wissens- und Handlungssystem • • • • • Die sibirischen Schamanen stellen historisch die ersten bekannten Vorfahren der heutigen Mediziner dar. Diese Professionalisierung stellt – soweit bekannt – auch die erste Form der sozialen Arbeitsteilung dar. Das jeweils in einer spezifischen kulturhistorischen Epoche gegebenen verfügbaren medizinische Wissen ist im gesellschaftlichen Wissensvorrat niedergelegt. Dieses Wissen wird nicht mit allen Mitgliedern einer Gesellschaft geteilt, sondern nur einige professionalisierte und entsprechend sozialisierte Mitglieder haben Zugang Æ Expertenwissen – orale/schriftliche Vermittlung. Dieser Wissensvorrat basiert auf tradierte Handlungsrezepte, die als typische Lösungen auf typische Probleme entstehen & sich einer mehr oder minder langen Prozess der Bewährung unterziehen mussten. Diese gelten bis auf weiteres, d.h. solange sie sich bewähren bzw. keine bessere Lösung vorhanden ist. Als solches sind die Rezepte wiederum selbst handlungsanleitend & einer ständig Prozess der Überprüfung unterzogen – obwohl sie den Nicht-Eingeweihten oft als Gewissheit präsentiert werden. Viele Rezepte, werden – auch von den Nicht-Spezialisten – routinisiert/automatisiert, (z.B. Zähneputzen), d.h. sie sind bis zur Bewusstlosigkeit erprobt und bedürfen keine Aufmerksamkeitszuwendungen. ©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected] Gesellschaftliche Einflüsse auf Gesundheit/Krankheit (Brähler et al. 2003) • • • Die Phänomene von Gesundheit und Krankheit lassen sich nicht ausschließlich biologisch verstehen, sondern müssen auch im Kontext einer spezifischen Kultur/Gesellschaft/Zeit, der individuellen Lebensgeschichte eines Individuums sowie seiner jeweiligen Lebenssituation verstanden werden. Z.B. vor 200 J. war es für Mägde üblich, ein Paar Stunden nach einer Geburt wieder auf dem Feld zu arbeiten. Jede Kultur hat spezifische Vorstellungen zur Bewertung von Krankheit entwickelt, die im Laufe der Zeit den Kindern & Jugendlichen im Rahmen des gesellschaftlichen Kontexts vermittelt (sozialisiert) werden - und von diesen internalisiert, als selbstverständlich anerkannt und selten hinterfragt. In Form von sozialen Normen, die auf diese Vorstellungen und Bewertungen basieren, erlernen die Mitglieder einer Gesellschaft, wie ein typischer Mitglieder dieser Gesellschaft in spezifischen Situationen zu handeln hat, d.h. was von ihm/ihr – sowie andere Mitglieder - in dieser Situation erwartet wird. ©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected] Soziale Normen (Buser & Kaul-Hecker, 2003) Beinhalten drei Wesensbestandteile. Sie • Erzeugen eine gewisse Gleichförmigkeit und Regelmäßigkeit des Verhaltens, • Enthalten eine Bewertung des Verhaltens und • Enthalten verbindliche Erwartungen oder Forderungen an das Verhalten. Definition: Normen regeln das Zusammenleben und müssen von allen aufeinander bezogenen und voneinander abhängigen Personen befolgt werden. Verbunden ist damit, u.a. die Überschaubarkeit des gegenseitigen Verhaltens. • Krankheit gilt gesellschaftlich als ein vom Normalfall des Gesundheitszustandes abweichender Zustand, für dessen Veränderung, d.h. Wiederherstellung des Gesundheitszustandes, klare Regelungen bestehen. Werden diese Regeln nicht erfüllt, sind positive oder negative Sanktionen zur Erreichung des angestrebten Verhaltens vorgesehen. ©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected] Dimensionen der Krankheit (Buser & Kaul-Hecker, 2003) • • • Die gesellschaftliche Betrachtung von Krankheit, d.h. die institutionelle Krankschreibelegitimation, die Leistungsminderung in gesellschaftlichen Aufgaben und die finanziellen Auswirkungen von Krankheit, wird mit dem englischen Begriff „sickness“ umschrieben. Mit dem Englishen Terminus „illness“ wird im Gegensatz dazu, die subjektive Betrachtung und Erfahrung des von der Krankheit Betroffenen bezeichnet. Neben diesen beiden Betrachtungsweisen von Krankheit (der gesellschaftlichen und der subjektiven), wird mit dem Begriff „disease“ die objektivierende Perspektive von Krankheit durch das Bezugssystem der Medizin & seiner Professionen betitelt. Hier wird Krankheit als ein objektiv nachweisbares Abweichen von physiologischer Regulation bzw. organischer Funktionen verstanden. Krankheit ist stets ein Produkt gesellschaftlicher Rahmenbedingungen, organischer und subjektiver Betroffenheit. ©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected] Die Krankenrolle I (Siegrist, 1995; Buser & Kaul-Hecker, 2003) Definition: Eine soziale Rolle stellt eine Bündelung von Normen dar, die sich auf eine bestimmte soziale Position beziehen. • • Wenn Sie z.B. selbst zum Arzt gehen und dieser Sie nach einem Film oder Ihre parteipolitischen Präferenzen fragen würde, würden Sie dies als unpassend = Rollenbruch empfinden. Eine Rolle bezieht sich nicht ganzheitlich auf das Individuum, sondern nur auf Einzelaspekte dieser Person. Selbstverständlich können Rollenkonflikte zwischen den Bedürfnissen des Individuums und seiner Rolle entstehen, z.B. als Arzt hat man zu behandeln – auch nach 48 Std. Dienst ohne Pause. Körperliche und psychische Veränderungen beeinträchtigen mehr oder weniger stark die Fähigkeit, soziale Rollen weiter auszuüben. Symptomträger handeln mit sich & anderen (mehr oder weniger aktiv bzw. bewusst) aus, ob die entsprechenden Symptome als Krankheitszeichen zu werten & als solche zu akzeptieren sind. Wird die Person als krank etikettiert, so wird ihm damit auch die im jeweiligen sozialen System definierte Krankenrolle zugeschrieben. ©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected] Die Krankenrolle II (Brähler et al., 2003) Parsons beschrieb folgende Aspekte der Krankenrolle: • • • • Eine Krankheit geht mit der Einbindung von bestimmten beruflichen & sozialen Rollenverpflichtungen sowie Verantwortung einher. Der Kranke ist von der Verantwortung für seinen Zustand befreit, da er im allgemeinen nicht in der Lage gesehen wird, die Entstehung & den Verlauf der Krankheit selbst zu steuern. Der Kranke verpflichtet sich zur Bemühung um Wiederherstellung seiner Gesundheit. Er muss also akzeptieren, dass Kranksein sozial unerwünscht ist & dass von ihm erwartet wird, das seine zur Überwindung der Krankheit beitragen. Dies zieht die Verpflichtung zur Kooperation mit Ärzten & zur Befolgung ärztlicher Handlungsanweisungen nach sich. Der Arzt bietet unter bestimmten Voraussetzungen seine Hilfe an. Der Beitrag des Kranken ist es, zu kooperieren. ©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected] Die Krankenrolle III (Buser & Kaul-Hecker, 2003) • • • • Die ersten 2 Punkte von Parsons Darstellung der Krankenrolle beziehen sich auf die zugestandene Rechte, die letzten 2 auf die erwarteten Pflichten. Inwieweit diese Rechten & Pflichten zugestanden werden bzw. variabel sind hangt ab von: Der aktuellen Schwere der Erkrankung. Dem aktuellen Umfang des Unvermögens für die Erfüllung bestimmter Aufgaben. Den institutionellen Rahmenbedingungen (Klinik oder zu Hause). Dem kulturellen, historischen Umfeld. Die Erfüllung der Kooperation mit dem Arzt (= compliance) setzt einige emotionale, kognitive & organisatorische Bedingungen voraus Æ Kommunikation. Non-compliance wird von ärztlicher Seite i.d.R. als erschwerend für die Arbeit und als was, was die positiven Wirkungen einer Behandlung erschweren oder gar verhindern. Unter dem Begriff der „intelligenten Non-compliance“ fallen Patienten & deren Verhaltensweisen, die ärztliche Anweisungen kompetent hinterfragen (z.B. Behandlungsfehler, Nebenwirkungen). ©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected] Akut & Chronisch Kranke: Krankheitsbewältigung I (Buser & Kaul-Hecker, 2003) • Ebenso wie lebensverändernde Ereignisse eine Krankheit auslösen kann – ist Krankheit selbst meist ein schwerwiegender life event. • Krankheiten können den Alltag mehr oder minder fundamental verändern. • Einbrüche durch akute, zeitlich begrenzte Erkrankungen mit begründeter Hoffnung auf baldige Genesung lassen sich meist relativ gut kompensieren. • Die Diagnose einer chronischen Krankheit kann hingegen für die Betroffenen & deren Angehörige existentielle Lebenskrisen auslösen. • Die bisherige Lebensweise wird grundlegend in Frage stellt. • Zukunftsperspektiven müssen aufgegeben werden bzw. neu entworfen werden. • In zahlreichen Untersuchungen wurde bei paliativen Diagnosen das Vorkommen von emotionaler Bewegtheit, Schock, Angst & Angst-Abwehrmechanismen bei den Betroffenen Angehörigen, Pflegepersonal & Ärzten nachgewiesen Æ Balintgruppen. Sollte man hier ehrlich Aufklären? ©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected] Akut & Chronisch Kranke: Krankheitsbewältigung II (Buser & Kaul-Hecker, 2003) Das Ausmaß der Beeinträchtigung durch eine Krankheit wird mitbestimmt durch: • Die objektive Ausgangslage: z.B. Sprechende Berufe sind von chronischer Heiserkeit stärker betroffen, finanzielle Ressourcen, etc. • Subjektive Bewertung der Situation durch den Betroffenen: Die Erkrankung eines Partners kann als nicht ertragbar oder als eine Chance, die die Beziehung stärker zusammenschweißt, erfahren werden. • Die Behandlung selbst: es ist z.B. weniger Aufwand Schmerzmittel einzunehmen anstatt täglich Krankengymnastik zu machen. • Diese Faktoren beeinflussen auch die Bewältigungsprozesse (Coping). ©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected] Faktoren, die Krankheit beeinflussen (Buser & Kaul-Hecker, 2003) • • • • Sekundäre Krankheitsgewinn: Begriff für die gesellschaftlichen Zugeständnisse/Gewinne im Krankheitsfall (Arbeitsbefreiung, zusätzliche Freizeit, Aufmerksamkeit...). Dies ist für manche Patienten derart hoch, dass es die Gesundung gefährden kann. Symptomtoleranz: Die Symptomschwere, die zum Besuch eines Arztes führen, können sehr unterschiedlich ausfallen & den Arzt sehr irritieren. Gerade die psychosomatischen Störungen stellen Irritantien für den Arzt dar, da unbewusste Mechanismen am Werke sind und die Patienten überzeugt sind, krank zu sein. Meistens übertragen wir unsere Sichtweise, was richtig /ausreichend ist, auf die Patienten. Gerade ausländische Patienten haben oft ein abweichendes Schmerzverständnis. Simulation/Dissimulation: zur Erreichung eines Ziels werden Symptom bewusst eingesetzt oder gar herbeigeführt (Erbrechen....) bzw. verschwiegen (Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes). Aggravation: tatsächlich vorhandene Krankheitssymptome werden zur Erreichung eines Ziels bewusst übertrieben präsentiert. ©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected] Subjektive Krankheitstheorien (Buser & Kaul-Hecker, 2003) • • • • • • • Ein Transportarbeiter wird versehentlich in ein Kühlwagon eingeschlossen, der sich auf die Reise von Chicago nach New York begab. Als man den Wagen in New York öffnete, fand man den Mann tot vor. In seinen Aufzeichnungen schilderte er genau, wie die Kälte an ihn hoch kroch; er lebte in der festen Überzeugung, den Erfrierungstod zu sterben. Und er starb auch – obwohl das Kühlaggregat gar nicht eingeschaltet war. Die bewussten & unbewussten Vorstellungen der Betroffenen über Krankheiten können einen gewichtigen Einfluss auf Genese, Verlauf, Compliance etc. haben & können viel zum Verständnis des Patienten & oft auch der Erkrankung beitragen. Folgende Krankheitserklärungen wurden bei Krebspatienten nachgeweisen: Gerechte Strafe für begangenes Unrecht (ÆBehandlungsverweigerung). Zugewiesenes Schicksal. Prüfung des Menschen durch ein höheres Wesen. Folge eines Fluches. Folge von Überarbeitung etc. Schuld eines anderen, z.B. eines Arztes Umweltverschmutzung. ©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected] Rechtliche Aspekte von Gesundheit/Krankheit I (Brähler et al. 2003) • Mit der Krankschreibung bezeichnet man die Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von einem Arzt, um dem Arbeitgeber und der Kasse gegenüber eine zeitlich begrenzte Freistellung von der Arbeit zu bescheinigen. Eine Rollenabweichung bzw. –erfüllung liegt z.B. dann vor, wenn der Versicherte seine Krankschreibung (nicht) in der vorgesehenen Frist dem Arbeitgeber bzw. Kasse vorlegt. • Im Rahmen des Lohnfortzahlungsgesetzes erhält der Versicherte während der ersten 6 Wochen seinen normalen Lohn/Gehalt weiter vom Arbeitsgeber, danach ein äquivalentes Krankengeld von seiner Kasse. Privatversicherte müssen hierzu eine eigene Krankengeldversicherung abschließen. • Die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) zahlt nicht nur Altersrenten, sondern auch Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten, die als Folge von Krankheiten auftreten. Mit der Gewährung von Rehabilitationsleistungen (Ziel: Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit) wird versucht, eine vorzeitige Berentung zu verhindern/hinauszuschieben. ©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected] Rechtliche Aspekte von Gesundheit/Krankheit II (Brähler et al. 2003) • • Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten auf weniger als die Hälfte einer gesunden Vergleichsperson herabgesunken ist. Erwerbsfähigkeit (EU) liegt vor, wenn infolge von Krankheit oder andere Gebrechen die körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausgeübt werden kann oder damit nur geringe Einkünfte erzielt werden können. Bei der soziokulturellen Bewertung von Gesundheit & Krankheit wird in der Regel Gesundheit positiv & Krankheit negativ bewertet. Durch ihr abweichendes Verhalten werden Kranke als störend erlebt, die nicht in üblicher Form zur Erhaltung und Entwicklung der Gesellschaft beitragen können. Im Kontext der nationalsozialistischen Ideologie wurden im Dritten Reich – begründet mit Maximen der Rassenhygiene – genetisch und psychisch Kranke diskriminiert und staatlicher Verordnungen zur Zwangssterilisierung und „Vernichtung unwerten Lebens“ erlassen. Noch heute unterliegen psychisch Kranke oft noch einer Stigmatisierung (abwertende Etikettierung). ©2008 PD Dr. Karin Tritt, Grafinger Ring 36, 85293 Reichertshausen; Tel.: 08441-78 42 62; Fax: 08441-78 42 61; [email protected]