Geisteswissenschaft Christine Knecht Die Musiksoziologie Theodor W.Adornos Studienarbeit Universität Freiburg Proseminar: Einführung in die Musiksoziologie WS 1993/94 Hausarbeit Die Musiksoziologie Theodor W. Adornos Christine Rapp Der Name Adorno ist sowohl Soziologen als auch Musikwissenschaftlern ein Begriff. Diese beiden Wissenschaftsbereiche werden von seinem Werk aufgegriffen und gelegentlich auch vermengt. Beispiele hierfür sind die "Einleitung in die Musiksoziologie"1 und der Aufsatz "Ideen zur Musiksoziologie"2, mit denen sich der folgende Text befaßt. In der "Einleitung" befaßt er sich mit verschiedenen Bereichen, die in das Gebiet der Musiksoziologie fallen. An den Anfang stellt er eine Definition dessen, was Musiksoziologie eigentlich sei: "Erkenntnisse über das Verhältnis zwischen den Musik Hörenden, als vergesellschafteten Einzelwesen, und der Musik selbst." 3 Damit ist eine Aufgabenstellung gegeben, die sich nach zwei Seiten orientiert: zum einen die Musik als gesellschaftliches Produkt und zum anderen das Individuum, das dieses Produkt konsumiert. So wendet sich Adorno denn auch zunächst den Hörern von Musik zu, die in dem Dreigespann Komponist/Interpret - Musik - Hörer die passive (im Sinne von "bloß aufnehmende") Rolle spielen. Die Gesellschaft besteht aus mehreren Schichten, so ist es nur natürlich, daß auch die Hörer verschiedenen Schichten angehören - Adorno kategorisiert sie in Typen musikalischen Verhaltens. Diese Typen sind nach seiner Einteilung: 1. Der Experte Er zeichnet sich "durch gänzlich adäquates Hören" 4 aus, ist der "voll bewußte Hörer, dem tendenziell nichts entgeht und der zugleich in jedem Augenblick über das Gehörte Rechenschaft sich ablegt" 5. Adorno stellt die Vermutung an, daß sich dieser Typ heute auf die Gruppe der Berufsmusiker beschränkt in seiner Formulierung legt nahe, daß er der Meinung ist, es habe (das "heute" "früher" mehr Experten unter den Hörern gegeben). 2. Der gute Zuhörer Vom Experten unterscheidet ihn sein geringer bis gar nicht ausgeprägtes Vermögen, die Musik strukturell und technisch ganz zu erfassen. Er ist der 1 Adorno: Einleitung in die Musiksoziologie, Frankfurt a.M. 81992 2 ders.: Ideen zur Musiksoziologie in: Klangfiguren, Musikalische Schriften I (Gesammelte Schriften Bd. 16), Frankfurt a.M. 1978, S. 9 - 23 3 Einleitung in die Musiksoziologie, S. 15 4 Ebd., S.18 5 Ebd. 3 "musikalische Mensch" 6, der "sinnvoll mithört" 7. Auch ihn hält Adorno für eine aussterbende Art von Hörer - dies aber mit Rücksicht auf die proportional anwachsende Menge der Hörenden überhaupt, die durch die Entwicklung des Rundfunks sprunghaft angestiegen ist. 3. Der Bildungskonsument8 Diesen Typ bezeichnet Adorno als den "eigentlich bürgerliche[n]" 9. Er versteht Musik vor allem als ein kulturelles Gut, das man um der eigenen sozialen Stellung kennen muß. Adorno spricht diesem Typ nicht eigentliches (strukturelles) Verständnis der Musik zu, sondern eher eine gewisse Belesenheit, was die Hintergründe über Biographien und Interpreten angeht, "über die man stundenlang nichtig sich unterhält." 10 4. Der emotionale Hörer Ein nicht nur auf musikalischem Gebiet naiver Typ.11 Für die musikalische Kulturindustrie ist dieser Typ interessant, denn "er will nichts wissen und ist daher von vornherein leicht zu steuern." 12 5. Der Ressentiment-Hörer Er verkörpert den Gegensatz zum emotionalen Hörer und zeichnet sich durch einen übertriebenen Hang zur Werktreue aus, die zum Selbstzweck wird. 6. Der Jazz-Experte bzw. der Jazzfan Ihm steht Adorno sehr kritisch gegenüber, vergleicht ihn auch mit dem Ressentiment-Hörer. Hauptkritikpunkt ist dabei der von dem Jazz-Experten verkörperte Pseudoprotest gegen die offizielle Kultur, der längst harmlos geworden ist. 6 Ebd., S.19 7 Ebd. 8 vgl. Tibor Kneif: Musiksoziologie, Köln 1971, S.33: "Bei einem guten Teil der Konzertbesucher kommt es auf die Musik nicht so genau an; der Vorrang gebührt Prestigerücksichten, dem Flirt oder dem Exhibitionismus mit dem, womit man sich verdeckt." 9 Adorno, Einleitung, S.20 10 Ebd. 11 Ebd., S.22: "Wie musikalisch, ist dieser Typ wohl auch dem Gesamthabitus nach naiv, oder pocht wenigstens darauf." 12 Ebd. 4